Programmheft »Cavalleria Rusticana | Pagliacci«

Page 81

Wystan Hugh Auden

RITUALE BEDEUTUNG Anmerkungen zu Cavalleria rusticana

Giovanni Verga war kein doktrinärer Naturalist. Er schrieb über die sizilianischen Bauern, weil er unter ihnen aufgewachsen war, sie eingehend kannte, sie liebte und sie darum als unverwechselbare Wesen erblickte. Die ursprüngliche Erzählung Cavalleria rusticana, welche in dem Band Vita dei campi (1880) erschien, unterscheidet sich in vielen wesentlichen Punkten von der dramatisierten Fassung, die Verga vier Jahre später schrieb und auf der das Libretto aufbaut. In der Erzählung ist Turiddu, der Held, das verhältnismäßig unschuldige Opfer seiner Armut und seines stattlichen Aussehens. Santuzza ist hier nicht die entehrte, schutzlose Kreatur, die wir aus der Oper kennen, sondern die Tochter eines reichen Mannes, die sehr wohl für sich zu sorgen weiß. Turiddu bringt ihr Ständchen, umwirbt sie, hat aber keine Aussichten, ihre Hand zu erringen, da er nichts besitzt, und wiewohl er ihr nicht gleichgültig ist, verliert sie doch den Kopf nicht. Wenn sie darum Alfio das Verhältnis Turiddus mit Lola verrät, ist dies viel boshafter und unsympathischer als in der Oper. Der Grund schließlich, den Turiddu Alfio dafür angibt, dass er auf einen Kampf auf Leben und Tod mit ihm besteht, ist nicht Santuzzas Zukunft – er hat sie vollkommen vergessen –, sondern die Zukunft seiner alten, mittellosen Mutter. Santuzzas Verführung, die brutale Art, in der Turiddu sich von ihr abwendet, ihr Fluch über ihn, seine Reue am Ende, das alles wurde von Verga später hinzugefügt, als er Santuzza zu einer großen und sympathischen R ­ olle für die Duse umgestalten musste. Als Thema für ein kurzes Libretto ist dieser Zusammenhang hervorragend geeignet. Die Situation ist stark, geschlossen und unmittelbar durchsichtig; sie bietet Rollen für die richtige Zahl von Sängern; und die Gefühlsregungen, die durch sie ins Spiel gebracht werden, sind W YSTA N H UGH AU DEN

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Impressum

1min
pages 99-100

ILLUSION UND REALITÄT Anmerkungen zu Pagliacci

1min
pages 95-96

ZWEI MINUTEN VOKALES SEELENPANORAMA

4min
pages 91-94

A VENTITRÈ ORE!

1min
page 90

MARGINALIEN ZUR TRINKSZENE DER »CAVALLERIA RUSTICANA«

8min
pages 83-89

RITUALE BEDEUTUNG

2min
pages 81-82

VERSCHOLLENE VERWANDTE Santuzzen und Turiddus

3min
pages 78-80

ERWARTUNGEN, VON DER REALITÄT ÜBERTROFFEN

4min
pages 73-76

DIE KLEINEN KATASTROPHEN DES HERRN GIOVANNI V.

5min
pages 69-72

CAVALLERIA RUSTICANA

8min
pages 62-68

VON ECHTEN UND FALSCHEN PREMIEREN

5min
pages 55-62

MIT SPIELERISCHER FREUDE

3min
pages 51-55

DER TOD IM VERISMO KOMMT SCHNELL

8min
pages 41-50

MASCAGNI & LEONCAVALLO Image

3min
pages 38-40

VERISMO UND DIE »SPALTUNG« DES ICHS

3min
pages 33-36

AUFSTIEG UND FALL DES VERISMO Versuch einer Ehrenrettung

7min
pages 25-30

Giovanni Verga

3min
pages 21-24

Brigantenunwesen

1min
page 20

Die ferne große Zeit

3min
pages 18-19

DIE KUNST DER UNGESCHMINKTEN WAHRHEIT

1min
pages 16-17

ÜBER DIESES PROGRAMMBUCH

1min
pages 13-15

SYNOPSIS

2min
pages 11-12

DIE HANDLUNG

2min
pages 9-10

Cavalleria rusticana SYNOPSIS

1min
page 8

DIE HANDLUNG

1min
page 7
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