Gerd Rienäcker
MARGINALIEN ZUR TRINKSZENE DER »CAVALLERIA RUSTICANA« Die folgenden dramaturgischen Notizen opponieren einer seit Hanslicks Kritiken unaufhaltsam schwelenden Unterstellung, die bis vor einem Jahrzehnt auch der Verfasser zu befestigen half: Veristische Opernszenen hätten, im Soge des Naturalismus, der mit dem Etikett »è vero« sich drapiert, grell ausgemalten Oberflächenbildern allein sich zugewandt, Darunterliegendes als überflüssig beiseitegelegt, vielsträngige Situations- und Aktionsgeflechte auf einzelne, sogenannt dramatische, weil zuschlagende Momente reduziert, die es glaubhaft zu machen, psychologisch auszustatten gegolten habe. Dabei seien musikalisch-dramaturgische Formen und Formungsprinzipe, denen sowohl in der französischen wie auch italienischen Opern hochgradige Bedeutsamkeit für eigentliche Vorgänge zukommt, ganz und gar unter den Tisch gekehrt worden.
I Der Gottesdienst ist zu Ende, man geht nach Hause; Männer und Frauen vergewissern sich des bevorstehenden sonntäglichen Mittagessens, des ehelich-familiären Zusammenseins, darin ein jeder seinen angestammten Platz hat – wehe dem, der ihn unerlaubt verlässt; die Zäune und Wände haben große Ohren, und es könnte tödlich für ihn ausgehen! Turiddu versucht mit Lola zu reden, sie weist ab, da auch sie sich zuhause erwartet glaubt. GER D R IENÄCK ER
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