TITEL Internationale Handelspolitik
Wer seinen Partner stärkt, stärkt auch sich selbst
Mit US-Präsident Joe Biden bietet sich die Chance auf eine Richtungskorrektur der transatlantischen Handels beziehungen. Deutschland und Europa sollten die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA wieder besser pflegen.
D
erzeit stehen wir an einem Scheideweg in den transatlantischen Beziehungen. In den USA endeten die Präsidentenwahlen mit Joe Bidens Wiedereinzug ins Weiße Haus. In seiner Antrittsrede sprach er zwar davon, die USA könnten sich wieder zur führenden Kraft für das Gute in der Welt machen1 – von Wirtschaftsbeziehungen war dabei jedoch nicht die Rede. Auch wenn Biden sofort nach seinem Amtseintritt das P ariser Klimaabkommen und die WHO-
von:
Frank Sportolari
Foto: ups
Senior Advisor Transformation UPS Europe; Präsident der American Chamber of Commerce in Germany
„Deutschland sollte hier eine Vorreiterrolle für die EU einnehmen, das wird in anderen EU-Mitgliedstaaten auch so erwartet und bisher eher vermisst.“ 16
Mitgliedschaft reaktiviert hat, bleibt offen, ob er sich auch für einen freien Welthandel einsetzen wird. Traditionell gesehen sind die Demokraten eher gegen freien Handel – Trump bildet die Ausnahme auf republikanischer Seite. Es besteht also weiterhin die Gefahr des Protektionismus. Auch Biden möchte voraussichtlich Arbeitsplätze in die USA zurückholen, um die Arbeiterschicht und den Rust Belt, die wirtschaftsschwache alte Industrieregion zwischen New York und Illinois, zu stärken. Vor allem Deutschland wurde unter Trumps Regierungszeit ein hohes Außenhandelsdefizit vorgeworfen. Das besteht noch immer, wobei die jüngsten Zahlen2 deutliche Fort schritte zeigen. Im Jahr 2019 stieg der Export in die USA im Vergleich zu 2017 um stolze sechs Prozent, der Import sogar um 15 Prozent. Zum Vergleich: Die gesamten deutschen Exporte nahmen zwischen 2017 und 2019 um 3,8 Prozent zu, die Importe um 7,1 Prozent. USA und Deutschland: Handelspartner mit langer Tradition Der deutsche Außenhandel mit den USA wächst überproportional – und das hat eine lange Tradition: Die
Vereinigten Staaten zählen schon seit 1950, gemessen am Außenhandelsumsatz, zu den zehn wichtigsten Handelspartnern Deutschlands; seit 1993 sogar durchgehend zu den Top 5. Unabhängig davon, wie gerade in Washington über Berlin gesprochen wird – die Amerikaner und die US-Wirtschaft stehen den Deutschen sehr positiv gegenüber. Kein Wunder, denn: 45 Millionen US-Amerikaner führen ihre Herkunft auf Deutschland zurück.3 Beziehungspflege: Chance auf Richtungskorrektur Auch wenn die Demokraten traditionell eher gegen freien Handel sind, bietet sich mit Präsident Biden die Chance auf eine Richtungskorrektur und die Chance, das transatlantische Verhältnis besser zu gestalten. Auch, oder gerade, wenn es mal politischen Streit gibt, sollte die deutsche Politik aktiv die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA pflegen. Deutschland und seine Kanzler sollten viel mehr Wirtschaftsreisen in die USA unternehmen, mit einer Delegation verschiedener Wirtschaftsvertreter. Deutschland sollte dabei auch eine Vorreiterrolle für die EU einnehmen,
TREND 1/2021