WERTE, ACHTSAMKEIT, RESPEKT, UMGANG MIT MENSCHEN UND NATUR
Bedürfnisse hinter Konflikten erkennen Katharina Ebner Durch sprachliche Begleitung von Handlungsabläufen werden den Kindern Möglichkeiten eröffnet, ihr Bild von sich, den Menschen und der Gemeinschaft zu erweitern und unterschiedliche Formen zur Verarbeitung sinnlicher und emotionaler Empfindungen kennenzulernen und zu erleben. Im Kindergartenalltag ergeben sich durch die offenen Bildungsräume vielfältige Begegnungs- und Berührungspunkte. Kinder kreuzen ihre Wege, treffen aufeinander, gehen ein Stück gemeinsam oder suchen sich ihre eigenen Wege. Innen- und Außenräume des Kindergartens bieten dem Kind einen Rahmen, Lernerfahrungen in einer größeren Gemeinschaft zu sammeln. Julian macht sich auf den Weg durch den Kindergarten mit dem Ziel, den Außenraum Garten zu erreichen. Dabei begegnet und umarmt Julian zunächst Jule und Sonja, dann versucht er auch Lena in den Arm zu nehmen. Alle drei rufen: „Naaa i mog des net – loss mi!“ Julian versucht es erneut mit einem einladenden Lachen im Gesicht. Doch dies ändert nichts daran, dass die Mädchen seine heftige Umarmung nicht wollen, dies klar äußern und dann versuchen, sich von seiner Umarmung loszulösen. Nun bin ich als pädagogische Fachkraft gefragt, die Konfliktsituation, die ich beobachte, aktiv zu begleiten. Zum Schutz der Mädchen erinnere ich Julian, dass ein geäußertes Nein eine Grenze ist und nicht übertreten werden darf. Der Weg in den Garten führt die Kinder weiter, vom Bad in die Garderobe, wo sie ihre Schuhe anziehen; an diesen ersten Frühlingstagen tragen einige noch leichte Mützen und Jacken, die sie sich anziehen. Auch wir pädagogische Fachkräfte haben unsere Jacken in der Kindergarderobe griffbereit hängen. Julian nähert sich meinem Garderobenplatz und schlüpft in meine Jacke. Damit schlendert er in der Garderobe auf und ab, die anwesenden Kinder lachen. Julians schmunzelnder Gesichtsausdruck zeigt, dass es ihn glücklich macht, andere zum Lachen zu bringen. Doch ich kann mich über dieses Lachen der Kinder nur bedingt freuen, denn es
schwingt bei mir der Gedanke mit, dass für Julian die Gefahr besteht, die Rollenzuschreibung des „Clowns“ zu bekommen, vonseiten der Kinder und der Erwachsenen. Ich überlege mir, ob ich für Julian andere Momente schaffen könnte, in welchen er individuelle Anerkennung seiner Persönlichkeit erhält. Soll ich die Situation also lenken? Ich gehe zu Julian hin und sage ihm, dass das meine Jacke sei und ich nicht möchte, dass andere diese tragen. Damit endet das Lachen der Kinder, aber für Julian ist damit auch die erhaltene Aufmerksamkeit vorbei. Im Garten angekommen, läuft Julian auf eine Gruppe spielender Kinder zu; darunter befinden sich auch Jule, Sonja und Lena. Im Vorbeilaufen zieht Julian Lena die Mütze vom Kopf und läuft damit weiter, während Lena und die anderen Kinder versuchen ihn zurückzurufen. Ältere Kinder werden aktiv und halten Julian fest, nehmen ihm die Mütze ab. Doch Julian versucht sich loszureißen, will das Fang-Spiel weiterführen und schubst im Gerangel einen Jungen. Ich beobachte die Situation und kann den Jungen halten, sodass er nicht zu Boden fällt. Ich frage mich erneut: Wie kann ich das Anliegen von Julian, mit anderen Kindern in Kontakt zu treten, so begleiten, dass sich für Julian bessere Chancen bieten, am Spiel der Kinder anzuknüpfen und daran teilzuhaben? Wie kann ich für Julian Zugehörigkeit schaffen? Wie kann ich die anderen Kinder dafür sensibilisieren, dass mit den Zuschreibungen „Julian der Clown” oder der „grobe Junge“ nicht die eigentlichen Wesensmerkmale von Julian erkannt werden, dass dadurch vielfältige Fähigkeiten von Julian übersehen werden? Ähnliche Situationen wie die geschilderten, wiederholen sich im Verlauf des Kindergartenalltags immer wieder. Julian kommt dabei in Konflikt mit anderen Kindern. Ich denke allerdings, dass er vor allem in Konflikt mit sich selbst steht und damit seine eigentlichen Bedürfnisse überspielt. Julian besucht das zweite Jahr den Kindergarten, arbeitet gerne in der Kinderküche mit, ist gerne
Handreichung Religiosität
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