Adventszeit Der Himmel beginnt dort, wo Gott zu sprechen beginnt. Advent bedeutet „Ankunft” eines Wortes, einer Botschaft, einer Person, die adventliche Zeit kann nur eine Vorbereitung auf diese Ankunft sein. Diese Ankunft wird immer schon lange vorher verkündet. Es geht nicht nur um die Propheten des Alten Testaments, sondern auch um Menschen, die gerade in der Zeit Jesu über seine Ankunft gesprochen haben. Nehmen wir zum Beispiel Johannes den Täufer: eine „rufende Stimme in der Wüste“ – das war seine Identität. Gott spricht immer, bevor er ankommt. Nicht umsonst ist der Advent auch eine Zeit des Hinhörens, der Stille, der Besinnung, um die biblischen Texte besser zu verstehen. Wie gut, dass Gott zu uns gesprochen hat! Wenn Gott schweigt, dann ist der Himmel weit weg von uns. Wilhelm Busch, ein berühmter Prediger in Deutschland, hat einmal geschrieben: „Gottes Schweigen ist das schrecklichste Gericht über uns.” Solange Gott spricht, haben wir noch Hoffnung. Oft aber können wir nicht mehr zu Gott sprechen. Enttäuschungen, bittere Erinnerungen, gemischte Gefühle ... sie alle behindern das Sprechen, das Beten, das Hinhören. Die Adventszeit erinnert uns dann daran, dass ein neugeborenes Kind auf uns wartet, Jahr für Jahr. Die Zärtlichkeit des Kindes kann heilen und sein Lächeln kann aufwärmen. Advent ist auch eine Zeit der Fragen. Normalerweise fragen wir uns oft „Warum geschieht das?“. In der Adventszeit fragen wir uns vielmehr: „Wozu ist es geschehen?“. „Wozu“ ist eine Frage des Sinnes, des Glaubens, des Vertrauens. „Wozu“ führt leicht zu „wohin“ und so sind die Hirten und die Sterndeuter die ersten Zeugen des neugeborenen Kindes in Betlehem. Advent ist oft auch eine Zeit der Glaubensentdeckungen. Denken wir nur, wie wichtig für Mose und für das jüdische Volk die Entdeckungen auf dem Weg durch die Wüste waren. Man brauchte 40 Jahre lang eine „Adventszeit“, um die Gotteserfahrung als Befreiung und nicht als Versklavung, als Nähe und nicht als Ferne zu verstehen. Gott kann man nie schnell verstehen und lieben, sonst wäre er kein Gott. Glauben ist keine „erledigte“ Sache, ein für alle Mal, sondern ein Weg in die Tiefe einer unendlichen Liebe, die für uns geboren ist. Dieser ungewöhnliche Advent (aber was ist schon „gewöhnlich“ in der Corona-Zeit?) bekommt gerade deswegen eine ungewöhnliche Stimme. Die Stille ist spürbarer, die Nähe unserer Lieben wichtiger. Am Anfang dieses Advents sollten wir eine Adventkerze anzünden, denn keine Finsternis hat je das Kerzenlicht besiegt.
Corneliu Berea, Pfarrer
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Erker 12/20
Ein sonderliches Weihnachtsgeschenk Eine Weihnachtsgeschichte nach Alfred Landmesser, bearbeitet von Günther Ennemoser
In einem entlegenen Bergtal, ganz hinten und nahe dem Tannenwald, lebte in einem alten Waldhaus der kleine Tom mit seiner Mutter, die seit geraumer Zeit Witwe war. Kurz vor Weihnachten wurde es bitter kalt und es schneite tagelang. Viel Schnee umlagerte das einsame Haus, der kleine Tom konnte mit
seinen kurzen Beinen kaum ein paar Schritte tun. Wie sollte er da ins Dorf kommen, um seiner Mutter noch ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen? Die Schneemassen hinderten ihn daran. Doch er wollte, als der Tag des Heiligen Abends anbrach, es dennoch wagen, in das Dorf zu stapfen. Er zog sich seine warmen Stiefel an, stülpte sich seine Wollmütze über und warf sich seinen dicken Lodenmantel um. So machte er sich auf den Weg. Doch schon nach einer halben Stunde Weges musste sich das Kind erschöpft auf einen Baumstumpf in der Waldlichtung setzen und schlief vor lauter Müdigkeit ein. Bald träumte der Bub von schneeweißen Tannen, die ganz hell funkelten. Plötzlich bewegte sich ein kleines Licht auf ihn zu. Es war ein rotbackiges Engelchen, dessen Kleidchen hell glit-
zerte. Es trug einen weiß glänzenden Schneeball in der Hand und legte diesen in Toms kleine Hände. „Tom“, sagte es freundlich, „ich gebe dir den Weihnachtsglanz mit, bring ihn nach Hause, damit er auch eure Wohnstube erhelle.“ Dann entschwand es wieder seinen Augen. Tom erwachte und sah enttäuscht auf seine leeren Hände. Es war nun zu spät, um noch in das Dorf zu gehen. So stapfte er wieder in das Waldhaus zurück. Auf dem Wege formte er einen runden Schneeball und legte diesen, zu Hause angekommen, auf die alte Bank vor dem Hause. Es war ja kalt genug. Der Schneeball konnte nicht so leicht auftauen. Am Heiligen Abend zündete die Mutter die Kerzen am Weihnachtsbaum an. Sie und Tom sangen ein Weihnachtslied. Die Mutter überreichte ihrem kleinen Sohn einen bunten Pullover als Weihnachtsgeschenk. Dieser gefiel Tom sehr. Doch der Bub schämte sich, da er nichts für die Mutter hatte. Plötzlich aber eilte er vor das Haus, nahm den harten Schneeball, kam zurück und reichte ihn verlegen der Mutter: „Das ist mein Weihnachtsgeschenk für dich!“, sagte er kleinlaut. Die Mutter schaute ihren Buben erstaunt an. Als der Schneeball aber im Lichte der Kerzen lieblich glitzerte, nahm sie den Kleinen in die Arme, lachte und drehte sich mit ihm im Kreise. „Da schenkt mir mein Sohn im eingeschneiten Haus am Weihnachtsabend einen Schneeball, hat jemand so etwas schon einmal gesehen?“ Langsam schmolz in der warmen Stube der kleine Schneeball zu Wasser. Die Tropfen jedoch funkelten noch eine Zeit lang in die Waldweihnacht. Noch lange musste die Mutter an diesen Weihnachtsabend denken. Er war so absonderlich und doch so schön.