Mit der Bega nach Serbien Von Anton Braun Die Gründe für meine Flucht werden vielleicht klarer, wenn man sich meinen Lebenslauf ansieht: Als Kind eines sogenannten „deutschen Kapitalisten“ war mein Leben kein Zuckerschlecken. Ich bin der dritte Anton Braun in der Familie, der eine Tradition fortführt, die ich inzwischen an meine Tochter Antonia weitergebe: den Musikinstrumentenbau. Mein Großvater gründete 1896 in der Prinz-Eugen-Straße in der Temeswarer Innenstadt eine Werkstätte mit Musikgeschäft. Dies war damals das erste Unternehmen dieser Art im Banat. Er war Geigenbauer und Anton Braun hatte zwei Söhne: Anton Michael Braun (mein Vater) und Bruno Braun (mein Onkel). Bruno wurde als Erstgeborener traditionsgemäß ebenfalls Geigenbauer. Dieser fertigte hervorragende Instrumente, die noch heute im Museum in Temeswar ausgestellt sind. Schon damals gab es jedoch im Geigenbau Auftragsprobleme, so dass es als Glück anzusehen ist, dass mein Vater nicht Geigenbauer, sondern Holzblasinstrumentenbauer wurde. Als mein Großvater 1928 starb, ließ sich mein Onkel Bruno von meinem Vater ausbezahlen, weil er im Geigenbau keine große Zukunft sah. Er investierte das Geld in eine Furnierfabrik in Kronstadt. Mein Vater übernahm somit das Geschäft. Damit hatte er erneut Glück, denn das gesellschaftliche Leben nach der Weltwirtschaftskrise hat der Musik immer breiteren Raum zugemessen. Jedes kleine Dorf im Banat hatte mindestens eine Musikkapelle, es wurde viel musiziert und getanzt. Dies führte dazu, dass mein Vater Anfang der 1940er Jahre das „erste und größte Musikinstrumentenhaus im Banat“ betrieb, wie er auf seiner Werbeplakette vermerkte, die auf den von ihm hergestellten und auch vertriebenen Instrumenten zu finden war. Er bekam unter anderem auch die Vertretung des Akkordeon- und Mundharmonikabauers Hohner aus Trossingen/Deutschland für das ganze Banat. Er betreute und reparierte alle Instrumente und war deshalb auch Ansprechpartner für Militärmusikkapellen, was dazu führte, dass er vom Wehrdienst befreit wurde. Das Geschäft florierte, so dass mein Vater neben dem Stammhaus in der Innenstadt zwei weitere Geschäfte (Filialen) in Temeswar eröffnete. Zum Schluss hatte er 36 Angestellte. Als die sowjetischen Truppen 1944 einmarschierten, war vorher schon
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