Von Grenzübergang zu Grenzübergang Von Hans Füger Mut muss man haben, um seine geliebte Heimat zu verlassen; oder um es mit Machiavelli zu sagen: „Der Mensch darf vor nichts zurückbeben, er muss alles versuchen, alles wagen. Gott ist immer mit dem Mutigen, er erteilt stets dem, der etwas hat, noch mehr, und nimmt dem, der wenig hat“. Für mich war es wegen meiner Heimatverbundenheit wesentlich schwerer, den Entschluss zu fassen, aus Siebenbürgen nach Deutschland auszuwandern, als ihn dann umzusetzen. Als dieser Entschluss dann doch gereift war - auch weil er durch die Umstände immer unausweichlicher wurde - war meine Strategie die, es zunächst allein zu versuchen, irgendwie Hans Füger in die Bundesrepublik Deutschland zu gelangen, um dann Frau und Söhne nachzuholen. Eines wollten wir auf keinen Fall: Kopf und Kragen riskieren. Das war der Versuch, auszuwandern, jedenfalls nicht wert. Dafür ist das Leben doch zu kostbar. Unsere Söhne, Hans-Georg und Waldemar, die Anfang der 1980er Jahre noch Schüler waren (und später Studenten), teilten die Auffassung, dass es praktisch unmöglich sei, gemeinsam eine Ausreisegenehmigung zu bekommen. Gerade wegen der Kinder durften wir unsere Arbeitsplätze und die Studienplätze der Söhne nicht verlieren, was bei einem offiziellen Ausreiseantrag durchaus der Fall gewesen wäre. Denn trotz der bedrückenden Lage im damaligen Rumänien: Meine Frau und ich fühlten uns an unseren Arbeitsplätzen - meine Frau war Lehrerin, ich Ingenieur - im Grunde recht wohl. Materiell ging es uns relativ gut, trotz der zunehmenden Notlage, die im ganzen Land herrschte. Meine Frau und ich waren in früheren Jahren viermal im sozialistischen Ausland. Nun hofften wir auf eine Genehmigung für eine Reise ins westliche Ausland; wir stellten erstmals 1973 einen Antrag, der aber abgelehnt wurde. In den Jahren danach wurde auch jedem von uns einzeln ein Besuch in der Bundesrepublik Deutschland verweigert. Von 1973 bis 1985 erhielten wird etwa zehn Absagen. In die Ostblockländer ließen uns die Behörden allerdings weiterhin reisen. Eine solche Reise versuchte ich 1983 erstmals zu nutzen, um meinen Auswanderungsplan endlich umzusetzen, nämlich halb legal und halb illegal, ohne mich großen Gefahren auszusetzen. In die sozialistischen „Bruderländer“ durf-
255