Die Stimme muslimischer Frauen in Frankreich
SARAH ZOUAK SOZIALE UNTERNEHMERIN, FILMEMACHERIN UND MITBEGRÜNDERIN VON LALLAB
Z W E I D I N G E O D E R M E N S C H E N , die von Natur aus überhaupt nicht zusammenpassen oder
gar widersprüchlich sind, können nicht zusammen existieren. Bei einer solchen These denken wir natürlich sofort an Liebespaare, aber was passiert, wenn die verschiedenen Aspekte der grundlegenden Überzeugung eines Menschen unvereinbar sind und von der Gesellschaft abgelehnt werden? Sarah Zouak, die Mitbegründerin von Lallab, gemeinnützige Organisation, Community und Online-Magazin für die Interessen von muslimischen Frauen, musste sich sagen lassen, dass ihre feministischen Werte unvereinbar mit ihrem muslimischen Glauben seien. Und das, lange bevor sie selbst überhaupt erkannt hat, dass sie Feministin ist. Als sie als Thema für ihre Masterarbeit Feminismus und die muslimischen Erfahrungen in Marokko vorschlug, lehnte ihr Professor ihren Vorschlag mit der Begründung ab, die beiden Themen seien voneinander getrennt, inkonsistent und inkompatibel. Eine kurzsichtige Denkweise, die in einem Großteil der Welt vertreten wird. »Auf der einen Seite heißt es immer die muslimische Frau, aber nie die Frauen«, hebt Zouak hervor. »Auf der anderen Seite werden wir als monolithischer Block beschrieben, in dem wir alle in jeder Hinsicht identisch sind.« Wie können muslimische Frauen Feministinnen sein und feministische Prinzipien vertreten, wenn sie unterworfen und unterdrückt werden, verschlossen und rückwärts orientiert sind? Genau das sind ihre Fragen. »Es ist hart in Frankreich aufzuwachsen und immer zu hören, dass der Islam frauenfeindlich ist und Frauen unterdrückt werden. Denn das entspricht überhaupt nicht meiner Erfahrung.« Diese dauerhafte Entwertung ihrer Überzeugungen war zwar frustrierend, doch die Erfahrung mit ihrem Professor war der eigentliche Auslöser, mit dem sie begann, die feministischen Erfahrungen anderer muslimischer Frauen in der Welt genau zu untersuchen. Wir treffen uns in einem kleinen Café in der Nähe der Place des Vosges. Auf ihrem Platz am Fenster leuchtet sie quasi vor Glück, weil sie seit einer Woche verheiratet ist. Ihr Ehering glänzt in der Sonne und wirft einen hellen Lichtstrahl auf unseren Tisch. Sie fühle sich voller Energie, sagt
130
L A PA R I S I E N N E