GE NUS S B E RE I T E R INNEN Zwischen Genuss und globaler Ethik
MIHAELA IORDACHE LEITERIN DER KAFFEERÖSTEREI BELLEVILLE BRÛLERIE
K L A S S I S C H E G I T A R R E U N D K A F F E E R Ö S T E N sind zwei Begriffe, die sich nicht gerade
ergänzen. Aber Mihaela Iordache, leitende Rösterin in einem der führenden Kaffeeunternehmen der Stadt, der Belleville Brûlerie, besteht darauf, dass die beiden Leidenschaften in ihrem Leben mehr Gemeinsamkeiten haben, als man denken sollte. Wir treffen uns an einem feuchten Morgen im Spätfrühling zu einem Frühstück im Broken Biscuits. Sie kommt in lockeren Seidenhosen, einem dunklen Leinen-T-Shirt und dunkelroten Sandalen. Ihr Haar ist einem Pferdeschwanz gebändigt, aus dem einige zarte Locken über ihre Schläfen hängen. Sie zeigt auf eine Frau in Yoga-Hosen und Konzert-T-Shirt, die gerade ihren Kaffee bezahlt, und erklärt mir: »Mir gefällt, dass sie so entspannt ist. In meiner Heimat ist man nicht so informell. Wenn man in Rumänien vor die Tür geht, egal wohin, dann brezelt man sich auf.« Sie schaut mich wieder an und lächelt erleichtert. »Meine Mutter wäre entsetzt, wenn sie meine Kleider sähe.« Paris ist Freiheit. In der Kaffee-Karriere von Iordache war nichts vorherbestimmt. Die Tochter eines Priesters und einer Apothekerin, deren einzige Gemeinsamkeit eine harte Ausbildung war, wuchs in Bukarest unter den strengen Vorgaben des christlichen Glaubens und der klassischen Musik auf. Ab ihrem neunten Lebensjahr und bis vor sechs Jahren widmete sich ihren gesamten Alltag dem Erlernen und Spielen der klassischen Gitarre. Als sie sich entschied, ihre Heimat zu verlassen, wollte sie zunächst nur den Grenzen der Familie und des Landes entfliehen, wo auch immer der Weg sie hinführen möge. Dank ihre musikalischen Begabung landete sie in Paris, wo sie unter der Leitung des bekannten Pariser klassischen Gitarristen Judicaël Perroy lernte. Doch der Gitarrenunterricht war mörderisch; nach einer Weile wurde die Musik für sie zu einer Last und bot ihr nicht mehr die nötige Erfüllung. »Das ganze Jahr über arbeitest du allein, acht Stunden am Tag, um für eine Vorführung fit zu werden. Du hast keine Pausen und nach einer Weile kannst du dich nicht mehr konzentrieren. Am Ende
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L A PA R I S I E N N E