Handwerksmeisterin französischer Confiserie
J U L I E M AT H I E U CHEFREDAKTEURIN UND MITEIGENTÜMERIN VON F O U D E PÂT I S S E R I E (Z E I T S C H R I F T U N D G E S C H Ä F T )
W A H R S C H E I N L I C H W A R E S S C H I C K S A L , dass ich Julie Mathieu traf. Es war 2015 und ich
kam gerade ins Restaurant Le 51, um dessen Inhaber Charles Compagnon für mein erstes Buch zu interviewen. Er führte mich in sein Büro, wo Mathieu mit Claire Pichon, der Chefredakteurin einer der von ihr mitgeführten Zeitschriften Fou de Cuisine saß, um Charles für eine eigene Story zu befragen. Am Ende blieb ich zum Mittagessen und lernte beide Frauen kennen, sprach mit ihnen über meine Arbeit, über die Food-Szene, über ihre Zeitschrift und natürlich darüber, wie verliebt wir alle in Charles Restaurant waren. An diesem Tag in der Gesellschaft erfahrener Food-Journalistinnen mit ihren vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen kulinarischer Erlebnissen habe ich viel gelernt, denn beide Zeitschriften glänzen durch umfassendes Wissen über die gastronomische Landschaft und die Menschen und Verfahren, die sie gestalten, nicht nur in der Stadt, sondern im ganzen Lande. Aber zu meinem Erstaunen waren sie noch nicht länger professionell in ihrer Branche unterwegs als ich in meiner. Mit Mathieu treffe ich mich im Büro im 10. Arrondissement, das sie mit ihrer Frau und Geschäftspartnerin Muriel Tallandier (siehe Seite 214) teilt. Wir nehmen vor einer Bücherecke Platz, die vollgepfropft ist mit den besten Kochbüchern, die in den letzten Jahren in Frankreich und Europa veröffentlicht wurden. Hier erzählt sie mir als Erstes, dass sie eine Spätzünderin ist. Sie schämt sich nicht dafür und bedauert es nicht, sondern präsentiert es mir als Tatsache. Aber vor dem Hintergrund, dass man in Frankreich schon gegen Ende der Pubertät dazu gedrängt wird, seinen präzise geplanten Karriereweg vorzulegen, ist diese Eigenschaft wirklich von Bedeutung. Erst etwa zehn Jahre nach Beginn ihrer Partnerschaft mit Tallandier, nachdem sie Mutter wurde und erkannte, dass das Leben in der Familie sich nicht mit ihrer angestrebten politischen Karriere vereinbaren lässt, schreibt, redigiert und managt sie in Vollzeit. Heute weiß sie nicht mehr, ob zuerst ihr Interesse an der Politik schwand oder ob zuerst der Wunsch wuchs, zusammen mit ihrer Tochter mehr Zeit zu haben und mehr von der Welt zu sehen. Auf jeden Fall war sie bereits vierzig Jahre, als die Realität sie einholte. GENUSSBEREITERINNEN
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