Titelgeschichte
64 Kandidatinnen sind bei den Gemeinderatswahlen 2020 im Wipptal angetreten. Den Sprung in die Gemeindestuben geschafft haben es schlieĂlich 28 (43,75 %). Der weibliche Weg in die Gemeindepolitik war ein langer: Von Elisabeth Langer Kofler, die 1952 als erste Frau in den Sterzinger Gemeinderat gewählt wurde, bis zur ersten Wipptaler BĂźrgermeisterin Verena Ăberegger, die im vergangenen Jahr an die Spitze der Gemeinde Freienfeld gewählt wurde, hat es sage und schreibe 68 Jahre gedauert. Ein weiter und schwieriger Weg zur politischen Gleichberechtigung, der erst in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre Fahrt aufnahm. 1984 erlieĂ das Europäische Parlament die Resolution zur Chancengleichheit, in der Folge trat das staatliche Gesetz zur Chancengleichheit in Kraft. Bis zur EinfĂźhrung der ersten Quotenregelung fĂźr Wahlen auf Gemeindeebene im Jahr 1993 blieben Frauen jedoch in den Wipptaler Rathäusern eine Ausnahme. Neben der Vorreiterin Elisabeth Kofler Langer gelang Zita Clara 1969 der Einzug in das Rathaus von Franzensfeste, Maria Mair folgte 1985 in der Gemeinde Brenner, 1990 schlieĂlich waren gleich vier Kandidatinnen erfolgreich: Anne-
Š Meinrad Larch
Frauen in der Gemeindepolitik
Ein Drittel der Gemeinderäte von Ratschings ist weiblich.
lies Moser Tratter und Marialuise Campei Klapfer in der Gemeinde Pfitsch, Margareth Volgger in Ratschings sowie Elsa PĂźrgstaller Ralser in Freienfeld. Frauenpolitik bestand damals hauptsächlich darin, sich fĂźr die Errichtung von Seniorenwohnungen, Kindergärten und Kindertagesstätten einzusetzen â Betreuungseinrichtungen, die heute selbstverständlich sind und nicht mehr infrage gestellt werden. MIT DEN FRAUEN KAM DIE WERTSCHĂTZUNG FĂR DAS SOZIALE Ein Erker-Interview aus dem Jahr 2008 mit den damaligen Vize-BĂźrgermeisterinnen Maria Holzer (Gemeinde Brenner), Rena-
Damen-Wahl: 28 Frauen 35,7 Prozent der 179 Wipptaler Kandidaten â und damit so viele wie nie zuvor â waren bei der im September stattgefundenen Gemeinderatswahl Frauen. Von den 64 sich der Wahl stellenden Frauen schafften 28 den Sprung in den Gemeinderat. Dies entspricht einem prozentuellen Anteil von knapp 36 Prozent der zu vergebenden Sitze.
28
Erker 11/20
der einzelnen Kandidatinnen, so liegt der Fokus auf Kindererziehung, Pflege, Familien, Vereinen, Spielplätzen, ästhetisch gestalteten DĂśrfern und GrĂźnflächen, Naturschutz, aber auch auf Themen, die von allgemeinem Interesse sind, wie die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe oder die Eindämmung des Verkehrs bzw. sichere Schulwege oder Spazierwege. Vorwiegend den männlichen Kandidaten vorbehalten bleiben Themen wie Stärkung der Wirtschaft, A22 bzw. Konzessionsverlängerung und Verkehrsregulierung an der Mautstelle Sterzing, Lärm- und Abgasmessungen, InfrastrukturmaĂnahmen wie StraĂenbauten, Glasfaser, Sanie-
te Ainhauser (Pfitsch) und Brunhilde Schwabl Wieser (Sterzing) zeigt, wie viel Einsatz und DurchsetzungsvermĂśgen es teilweise kostete, die männlichen Kollegen von der Notwendigkeit von Kinderbetreuungsstätten und sozialen Einrichtungen zu Ăźberzeugen. Auch Elsa PĂźrgstaller Ralser (siehe eigenes Interview) berichtet von den Herausforderungen, sich gegen andere Interessen durchzusetzen. Ăber die Jahre hinweg schienen diese Bereiche jedoch die einzigen zu sein, in denen Frauen politische Bestätigung finden konnten bzw. sich auch â zu ihrem Nachteil â darauf beschränkten. Beschäftigt man sich näher mit den Wahlprogrammen
Geschlechterverteilung in den Wipptaler Gemeinderäten Frauen
%
Männer
%
Sitze insgesamt
2000*
21
21
79
79
100
2005
25
25
75
75
100
2010**
18
18
82
82
100
2015
25
26,88
68
73,11
93
2020***
29
31,18
64
68,82
93
* Enthalten sind die Wahlergebnisse der Gemeinde Freienfeld, wo 1999 gewählt wurde. ** Enthalten sind die Wahlergebnisse der Gemeinde Brenner, wo 2009 gewählt wurde. *** Enthalten sind die Wahlergebnisse der Gemeinde Freienfeld, wo 2019 gewählt wurde.