Teamplayer Andrea Dissauer
Wir leben Immobilien. Vermittlung | Verwaltung | Bewertung | Baumanagement
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ImmoFokus
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Der erste Eindruck zählt Die schönsten Hotellobbys
ImmoFokus.Rubrik
Konsensorientiert
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AUSGABE
Rubriken
Positionen & Meinungen
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VOM HERAUSGEBER EDITORIAL VORSCHAU/IMPRESSUM
HOCHBAU 2021
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GÜNSTIG UND BALD KALT
51 VOM GREEN DEAL ZU CRADLE-TO-CRADLE
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DER BÖSE WOLF
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SCHNELLER BRÜTER
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NACHHALTIGKEIT IST EINE NOTWENDIGKEIT
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KLIMAWENDE IM WOHNUNGSEIGENTUM
Kommentar von Andreas Kreutzer
Kommentar von Jasmin Soravia
Unternehmen & Projekte 16 28 40 42 44 45 46 47
BILDERSTRECKE KONSENSORIENTIERT
Coverinterview mit Andrea Dissauer
START-UP TOP DEAL PROBLEMLÖSER IMMOBILIE IM FOKUS AUFSTEIGER TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER Kommentar von Frank Brün
08
ImmoFokus
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ERREICHUNG DER KLIMAZIELE
Kommentar von Bernd Rießland
54 DIE ZWEI
Philipp Kaufmann und Alexander Bosak
Kommentar von Michael Pisecky Kommentar von Hans Jörg Ulreich Kommentar von Otmar Lahodynsky Kommentar von Andreas Köttl Kommentar von Georg Flödl
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REAL CIRCLE
Hospitality muss neu erfunden werden
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ES IST MACHBAR
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KREISLAUFWIRTSCHAFT BEI KUNSTSTOFFROHREN
80
VOX FEMINA
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KREISLAUFWIRTSCHAFT
81
ARCHITEKTUR - GREEN BUILDING
BEWEGTE IMMOBILIENWIRTSCHAFT
82
ZU TISCH MIT ...
Kommentar von Frank Schneider
72
Valentin Engelbert
Kommentar von Philipp Kaufmann
Kommentar von Jenni Wenkel Kommentar von Irene Rief-Hauser Kommentar von Christian Polzer
Anna-Vera Deinhammer
Fotos: BTL Media, Gugumuck, Adobe Stock
INHALT
COVERINTERVIEW MIT ANDREA DISSAUER
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Der 24. Real Circle
Hotel- und Freizeitimmobilien
106
82
Über den Tellerrand
Internationaler Genuss neu entdeckt
Zu Tisch mit ...
Anna-Vera Deinhammer
01|2022 ImFokus: Kreislaufwirtschaft 90 92
WEIN UND IMMOBILIEN FRECH GESAGT
94
EINFLUSS DES EUROPÄISCHEN GREEN DEALS
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IMMOBILIEN ALS ROHSTOFFMINEN?
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TRAU, SCHAU, WEM!
100 102
VON DER ETHIK DER NACHHALTIGKEIT ZUM ENDE DER DEMOKRATIE
114
WO IST DIE LÜCKE IM KREISLAUF?
118
WIEDERVERWENDEN, WAS GEHT
124 128
ROUND TABLE KREISLAUFWIRTSCHAFT KANN UNS DAS E-AUTO RETTEN?
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ZUKÄUFE WERDEN FÜR UNS IMMER WICHTIGER
WAS UNS 2022 NICHT BRINGT
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DAS LANG ERSEHNTE COMEBACK
POWER DUO
150
IMMOVISION
170 172 174
AUTOMATISIERUNG OBSERVER BUCHTIPPS
Kolumne von Anita Körbler
Kommentar von Markus Mendel Louis Obrowsky
Kommentar von Martin Prunbauer Kolumne von Wolfgang Fessl
Interview mit Alexandra Bauer und Natascha Stornig-Wisek
106
110
ÜBER DEN TELLERRAND
Typisch ausländische Spezialität? Mitnichten
Kolumne von Thomas Malloth
Podiumsdiskussion
Interview mit Markus Meissner
Interview mit Harald Frey
Interview mit Viktor Wagner Die MIPIM findet wieder real statt Die große Umfrage
Ausgabe 01|2022
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Wie grün ist grün? „Atom- und Gaskraftwerke gelten ab 2023 unter Auflagen als nachhaltig.“
A
tomenergie bleibt für viele Investoren tabu. Die Frage allerdings: Wie lange noch? Die umstrittene Verordnung zur EU-Taxonomie stößt auch unter Experten und Vertretern von Finanzdienstleistern auf wenig positive Resonanz. Das grüne Label dürfte für Atomenergie zu keiner großen Veränderung führen – zumindest in Österreich. Die Ablehnung der Atomkraft ist stark verankert, eine Abkehr von der bisherigen Linie würde für nachhaltige Fonds daher einen „Glaubwürdigkeitsverlust“ bedeuten. Mit der Verordnung der EU-Kommission zur „EU-Taxonomie“ sollen Investitionen in Atomkraft und Erdgas in der Europäischen Union unter bestimmten Auflagen künftig als klimafreundlich bzw. nachhaltig gelten. Das Gesetz hat in vielen Ländern Europas einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, Nichtigkeitsklagen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) wurden angekündigt.
genschaften wie erneuerbaren Technologien. Ohne direkt verursachte Kohlenstoffemissionen und mit einer hohen Verfügbarkeit von 80 bis 90 Prozent könnte die Kernenergie entscheidend zur Dekarbonisierung des Energiesystems beitragen. Neben dem Klimafaktor, den die französische Regierung als entscheidend hervorhebt, soll die Atomkraft mehr Unabhängigkeit bringen – angesichts der Abhängigkeit Europas von Gas aus Russland -ein durchaus nachzuvollziehender Gedanke. Ein weiterer Gedanke: Internationale, institutionelle Investoren werden wohl kaum hinnehmen wollen, dass ihre mit Atomstrom beheizten und/oder beleuchteten Gebäude mit einem Schlag erheblich an Wert verlieren würden. Dies sollte aber die Nicht-Atomenergie-Affine Immobilienwelt nicht abhalten konsequent auf regernative Energieträger zu setzen.
Frankreich hat derzeit 56 Atomkraftwerke in Betrieb, die knapp 70 Prozent des Stroms liefern. Zwei Drittel der französischen GesamtEnergie kommen noch immer aus fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas.
Man kann alles drehen und wenden
Die Hauptargumente der Befürworter: Kernenergie biete ähnliche kohlenstoffarme Ei-
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ImmoFokus
Michael Neubauer Herausgeber
Fotos: Adobe Stock
Aber: In der EU betreiben 14 der 28 Staaten Atomkraftwerke. Um bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen, sollten in Frankreich sogar sechs neue Atomkraftwerke gebaut werden, so eine Ankündigung von Präsident Emmanuel Macron.
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Viel Neues beim ImmoFokus „Ab jetzt gibt es den ImmoFokus sechs Mal im Jahr zu lesen.“
A
lles unterliegt dem Wandel, so auch der ImmoFokus. Mit dieser Ausgabe werden der ImmoFokus und der BauTecFokus zu einem Heft zusammengelegt. Statt vier Mal erscheint nun der ImmoFokus sechs Mal im Jahr mit all dem, was die Immobilienund Baubranche bewegt und interessiert – in dieser Ausgabe mit dem Schwerpunktthema Kreislaufwirtschaft, Re-Use und Circular City.
Spannende Themen
Im Coverinterview spricht Herausgeber Michael Neubauer mit Andrea Dissauer, Geschäftsführerin der EHL Immobilien Management, die ihr 20-jähriges Jubiläum in der EHL-Gruppe feiert. Der diesmalige Real Circle stand ganz im Zeichen der Hotellerie und ihrer Entwicklung. Über 40 ausgewählte Entscheidungsträger diskutierten die bewegte Assetklasse und ihre Zukunft. Das und noch viel mehr erwartet Sie in dieser Ausgabe des neuen ImmoFokus.
Viel Vergnügen beim Lesen! Herzlichst,
Lisa Grüner Chefredakteurin
Foto: Adobe Stock
Dazu haben wir spannende Gespräche unter anderem mit Anna-Vera Deinhammer, Leiterin des DoTank Circular City 2020–2030 bei der Stadt Wien geführt. Sie erzählt über die ehrgeizige Strategie, Wien zum Vorreiter im Bereich Kreislaufwirtschaft zu machen. Bei einer Begehung des Abbruchobjekts auf den Gründen des ehemaligen Sophienspitals im 7. Bezirk sprachen wir mit Markus Meissner, Ressourcenmanager und Leiter von BauKarussell über Re-Use von Baumaterialien. Dort entsteht ein neues Stadtquartier, entwickelt von SOZIALBAU AG und WBV-GPA, doch bis dahin wird es von BauKarussell als Materiallager für alles, was noch auf anderen Baustellen verwendet werden kann, genutzt. Wie das Konzept in der Praxis funktioniert, ist ab Seite 110 zu lesen. Zum Thema Kreislaufwirtschaft diskutierten bei einem Round Table Stephan Messner (AluKönigStahl), Hubert Rhomberg (Rhomberg-Gruppe), Doris Wirth (ÖGNI und
Bluesave) und Oliver Gusella (Vasko + Partner). Gemeinsam halten sie fest, dass sich vor allem in den Köpfen der Entscheidungsträger noch viel ändern muss, damit Ressourcen sinnvoll genutzt werden.
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ImmoFokus
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Unternehmen & Projekte 16
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BILDSTRECKE
KONSENSORIENTIERT
Die Hotellobby gilt als das Herzstück, als der zentrale Ort der Begegnung in einem Hotel. Wie die Ansprüche an Hotellobbys international in der Praxis umgesetzt werden, zeigt die Bildstrecke anhand ausgewählter Beispiele.
Andrea Dissauer ist ein alter Hase in der EHLGruppe und hat dort in den letzten 20 Jahren Karriere gemacht. Im Cover-Interview erzählt sie über ihre Leidenschaft zu Immobilien.
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RECYCLING VON PLASTIK
Foto: Adobe Stock
Das Start-up cirplus bietet einen B2BMarktplatz für zirkuläre Kunststoffe. Verarbeiter und Produzenten können dort Materialgesuche für Spot- und Kontraktmengen von Kunststoffrezyklaten aufgeben und weltweit Transaktionen abschließen.
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ImmoFokus
Unternehmen & Projekte
Verweildauer. Die Hotellobby gilt als das Herzstück, als der zentrale Ort der Begegnung in einem Hotel. Eine Begegnung, die längst nicht mehr nur aus Gästen besteht, die gerade ein- oder auschecken. Nein, heute muss die Lobby so viel mehr bieten. Die Anforderungen reichen vom Wohnzimmer zum HomeOffice bis zur Chill-out-Area. Wie diese Ansprüche an Hotellobbys international in der Praxis umgesetzt werden, zeigt die folgende Bildstrecke anhand ausgewählter Beispiele. Autor: Amelie Miller
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ImmoFokus
Fotos: F. Lucca Chmel, Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Copyright InterContinental Wien, Robert Harson, Werner Krug
Der erste Eindruck zählt
INTERNATIONALER FUNKTIONALISMUS IN WIEN „Je größer umso besser“ lautete das Motto des in Chicago gegründeten Architekturbüros Holabird & Root bei der Planung des Intercontinental Wien. Aus diesem Grund scheint es wenig verwunderlich, dass das Hotel mit 39 Meter Höhe eines der ersten Hochhäuser Wiens war. Ursprünglich sollte die Höhe sogar 50 Meter betragen. Als das Intercontinental Wien schließlich 1964 eröffnete, war es nicht nur das erste Hotel einer internationalen Kette am Standort, sondern mit 504 Gästezimmern auch das größte Hotel Österreichs. Zudem zog mit dem Bau ein vollkommen neuer Hoteltyp in die Hauptstadt ein: internationaler Funktionalismus der Nachkriegszeit. Dieser Ansatz zeigt sich nicht nur an der Fassade, sondern auch an der Konzeptionierung der Aufenthaltsräume. Während die Gästezimmer für eine kurze Verweildauer konzipiert sind, ist die Hotellobby großzügig gestaltet und ist somit nicht nur auf Repräsentanz, sondern auch auf Kommunikation ausgelegt. Im Lauf der Jahre wurde das Interieur des Intercontinental Wien mehrmals verändert und überarbeitet. Die aktuelle Gestaltung der Lobby und der Konferenzräumlichkeiten geht auf den Innenarchitekten Pierre-Yves Rochon zurück. Heute steht fest, dass das Intercontinental am Heumarkt einem Neubau weichen soll, die Frage ist nur wann. Bereits seit zehn Jahren werden Entwürfe für das Prestigeobjekt adaptiert und diskutiert. Standort: Wien, Österreich Architektur: Holabird & Root/Carl Appel Interior: Carl Appel/Pierre-Yves Rochon www.vienna.intercontinental.com
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Unternehmen & Projekte
MULTIFUNKTIONAL AM RHEINUFER Von außen soll das Kameha Dome „an die Großzügigkeit der englischen Glashallen und der europäischen Passagen des 19. Jahrhunderts“ erinnern, so der Architekt Karl-Heinz Schommer. Die Innenarchitektur hingegen überzeugt mit neobarocken und detailverliebten Elementen. Der niederländische Interior-Designer Marcel Wanders hat im Kameha Bonn ein Konzept realisiert, das ein absolutes Lifestyle-Gefühl vermitteln soll. Die Lobby ist dabei als Ort der Begegnung konzipiert, denn einen Tresen wird man hier vergeblich suchen, stattdessen begrüßen die Mitarbeiter die Hotelgäste an einzelnen Stehtischen, die neben einer Bar und vereinzelten Ledersofas im Eingangsbereich Platz gefunden haben. Standort: Bonn, Deutschland Architektur: Karl-Heinz Schommer Interior: Marcel Wanders www.kamehabonn.de
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ImmoFokus
Fotos: BTL Media
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Unternehmen & Projekte
NEUE ÄSTHETIK AUF MAURITIUS Mit der Eröffnung des LUX* Grand Baie Resort & Residences im Norden von Mauritius hat die Hotelgruppe The Lux Collective eine neue Generation von Hotels im Boutique-Stil auf der Insel und im Indischen Ozean eingeläutet. Das unverwechselbare Design ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen der britischen Innenarchitektin Kelly Hoppen und dem mauritischen Architekten Jean-Francois Adam. „Als ich gebeten wurde, ein Konzept für das LUX* Grand Baie zu entwerfen, wollte ich etwas schaffen, das es auf Mauritius noch nicht gab, eine ganz neue Erfahrung, eine ganz neue Ästhetik“, kommentiert Kelly Hoppen ihre Herangehensweise. Die Lobby wurde mit gewölbten Decken mit Plexiglas- und Holzkreisen, gemischt mit schwarzen Stein- und Holzelementen, als multifunktionaler Raum konzipiert und spiegelt so nicht nur die Ankunft der Gäste, sondern auch eine hohe Aufenthaltsqualität wider. So können die Gäste in der Lobby einen Kaffee im Maison LUX* genießen oder auf einem der sechs Meter langen Sofas den Blick auf den Ozean genießen. Standort: Grand Baie, Mauritius Architektur: Jean-Francois Adam Interior: Kelly Hoppen www.luxresorts.com
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ImmoFokus
Fotos: Tom Fallon
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Unternehmen & Projekte
WOHNZIMMERFEELING IN BERLIN Chic und urban. Oder wie der Kenner sagen würde: industrieller Minimalismus. Dafür steht das Michelberger Hotel in Berlin-Friedrichshain, das vor knapp zwölf Jahren in der ehemaligen Leuchtenfabrik eröffnet wurde. Die Lobby des Hotels überzeugt als überdimensional großes Wohnzimmer: Sofas, Bücher und Pflanzen sind allgegenwärtig. Auffällige Designerlampen verleihen der Lobby den letzten Schliff. Dabei vereint der Empfangsbereich des Hotels das Wohnzimmer mit einem Café und Empfangsbereich. An Letzterem spiegelt sich ebenfalls der Wohlfühlfaktor, denn der Empfangstresen entspricht keineswegs einer klassischen eckigen Form, sondern ist rund. Standort: Berlin-Friedrichshain, Deutschland Interior: Werner Aissliner, Jonathan Tuckey und Sigurd Larsen
Fotos: Zoe Spawton
www.michelbergerhotel.com
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ImmoFokus
AUTHENTISCHER LUXUS IN BARCELONA Vor zwei Jahren eröffnete die Boutique-Luxusmarke der IHG ihr erstes Hotel in Barcelona. Das Kimpton Vividora Barcelona ist ein Luxushotel mitten im gotischen Viertel, im Stadtbezirk Ciutat Vella. Das Hotel verfügt über 156 Zimmer, zehn Suiten, drei Restaurants und Bars sowie eine Dachterrasse und einen Pool mit Panoramablick auf die Stadt. Der Creative Director und SVP of Design von Kimpton, Ave Bradley, hat mit dem ortsansässigen Studio für Innendesign El Equipo Creativo zusammengearbeitet, um den authentischen Stil Barcelonas auf zeitgemäße Weise im ganzen Hotel einfließen zu lassen. Umgesetzt wurde dieser Ansatz mit einer mediterranen Farbpalette, Naturholz, Marmor, dezenten Grafikmotiven und extravaganten Fliesen. Dieses Designkonzept spiegelt sich auch in der Lobby wider. Standort: Barcelona, Spanien Architektur: GCA Architects Interior: Ave Bradley & El Equipo Creativo
Fotos: InterContinental Hotels Group
www.kimptonvividorabacelona.com
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Fotos: Radisson Hotel Group, AdobeStock/Gabrielle – stock.adobe.com
Unternehmen & Projekte
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ImmoFokus
UNTER WASSER IN BERLIN Das ehemalige Radisson Blu Hotel in Berlin ist heute, nach einer zwölfmonatigen Renovierung, das erste Hotel der Premium-Lifestyle Marke Radisson Collection in Deutschland. Das Hotel verfügt über 427 Zimmer und Suiten verteilt auf sechs Etagen. Im Zuge der Umbauarbeiten erstrahlt auch die Hotellobby in neuem Glanz und lädt zum Verweilen ein. Der Mittelpunkt der Lobby ist eine Bar, die sich an den sogenannten AquaDom anschmiegt. Dabei handelt es sich um das größte freistehende Aquarium der Welt mit 1.600 tropischen Fischen. Das Aquarium wurde bereits im Jahr 2020, kurz vor Beginn der Umbauarbeiten des Hotels, umfassend modernisiert. Mit einem gläsernen Fahrstuhl erreichen die Gäste nach dem Check-in ihr Zimmer und können je nachdem, wo sich ihr Zimmer befindet, die vielen verschiedenen Fische beobachten. Wer diese Möglichkeit nicht hat, der kann in der hoteleigenen Atrium-Bar direkt unter dem AquaDom Platz nehmen und das rege Treiben im Wasser bestaunen. Standort: Berlin, Deutschland Architektur: TKS Group/Proyecto Singular Interior: Trevillion Interiors www.radissoncollectionberlin.de
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Unternehmen & Projekte
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ImmoFokus
Fotos: The Qvest hideaway Köln
SAKRALE ATMOSPHÄRE IN KÖLN Betritt man das The Qvest in der Kölner Innenstadt, steht man nicht in einer Kirche, sondern direkt in der Hotellobby. Bis zu sechs Meter hohe Wände, Rippengewölbe und Spitzbögen erwarten die Gäste hier. Ursprünglich beherbergte das 1897 erbaute neogotische Gebäude das Kölner Stadtarchiv. Heute vereint das Hotel sakralen Flair mit modernen Möbeln und zeitgenössischer Kunst und das ganz im Gegensatz zu vielen sakralen Bauten im betont minimalistischen Stil. Wenig verwunderlich also, dass auch die Rezeption in markantem Stil direkt ins Auge sticht – und zwar in einer Kombination aus Vintage-Messing und belgischem Blaustein. „Fast alles im Hotel ist mit mir persönlich verbunden“, so Interior-Designer Michael Kaune. Das neogotische Anwesen wurde zwei Jahre lang umfassend saniert und beherbergt heute 34 Zimmer und Suiten, die alle individuell eingerichtet sind und teilweise wie die Lobby mit über bis zu sechs Meter hohen Kreuzgewölben beeindrucken. Standort: Köln, Deutschland Interior: Michael Kaune www.qvest-hotel.com
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Positionen & Meinungen
Konsensorientiert Teamplayer. 2022 feiert Andrea Dissauer ihr 20-jähriges Jubiläum in der EHL-Gruppe. Mitte des Vorjahres wurde sie in die Geschäftsführung der EHL Immobilien Management berufen. Davor managte die gebürtige Steirerin fünf Jahre lang den Bereich Asset Management. Das Gespräch führte: Michael Neubauer
20 Jahre in einem Unternehmen in verschiedenen Funktionen – das ist in unserer schnelllebigen Wirtschaft nicht alltäglich. Andrea Dissauer: Es war auch keinen einzigen Tag langweilig in der EHL. Meine ersten Erfahrungen habe ich als Maklerin für Gewerbeimmobilien gesammelt. Einige wenige Mieter, die ich damals eingemietet habe, betreue ich auch heute noch im Rahmen der Hausverwaltung. Internationale Erfahrung sammelte ich in den verschiedensten Märkten Osteuropas. Es war eine spannende Zeit mit viel Aufbruchsstimmung und gutem Zusammenhalt. Zwischen 2008 bis 2013 kamen meine drei Kinder zur Welt. Mein Mann und ich haben uns Karenz und Kindererziehung geteilt, Homeoffice und ein Zusammenhalt in der EHL und in der Familie waren immer gegeben. immer gegeben. 2015 übernahm ich die Leitung des Asset Managements in der EHL. Jetzt an der Spitze eines der führenden Hausverwaltungsunternehmen Österreichs zu arbeiten, ist eine spannende Herausforderung, eine sehr vielfältige, verantwortungsvolle und interessante Aufgabe. Waren Immobilien immer Ihre Leidenschaft? Immer. Vom ersten Tag meiner Berufsplanung an – und das mit großer Leidenschaft.
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ImmoFokus
Ich absolvierte den ersten Lehrgang für Immobilienwirtschaft an der Fachhochschule Wien. Seitdem hat mich das Thema rund um Immobilien gefesselt und nicht mehr losgelassen. Ihr Einstieg bei der EHL? Ein langes Bewerbungsgespräch mit Michael Ehlmaier und mein Glück als Maklerin in der Gewerbeabteilung war besiegelt. In welchen osteuropäischen Ländern waren Sie? Ich bin weit herumgekommen – Tschechien, Ungarn, Polen, Slowakei und Rumänien. Zu diesem Zeitpunkt war die Ostexpansion in vollem Gange. Eine spannende Zeit. Welches Land haben Sie als spannendsten Markt empfunden? Der polnische Markt hat mich immer sehr fasziniert, da vor allem Warschau ein sehr interessanter, schnelllebiger und boomender Büromarkt war – dies ist er übrigens heute noch. Polen beeindruckte mich immer schon hinsichtlich der Dynamik im Markt, sehr gut ausgebildete und loyale Mitarbeiter, mit denen man hart arbeiten aber auch herzhaft lachen kann. Ich habe mich immer sehr wohl mit den übrigen Teams gefühlt, da ich mich schnell auf andere Umgebungen und
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Positionen & Meinungen
dot.com-Phase. Michael Ehlmaier und Wolfgang Scheibenpflug haben die großen Deals gemacht. Ich war unheimlich stolz, dass ich diesen Mietvertrag allein habe abschließen können. Gibt es einen speziellen Deal, einen speziellen Kunden, an den Sie sich gerne erinnern? Bwin. Ich war bei der ersten Einmietung im alten Börsegebäude in der Börsegasse und ein paar Jahre in der Erweiterungsphase ins City Point in der Marxergasse im dritten Bezirk involviert. Auf diesen Deal war ich besonders stolz. Es ist das Ziel jeden Maklers, als Vertrauensmaklerin den Kunden über einen längeren Zeitraum begleiten zu können. Wodurch kamen die Jobwechsel innerhalb der EHL zustande? Das ist dem Führungsstil von Michael Ehlmaier geschuldet. Er vertraut seinen Mitarbeitern, erkennt ihre Potenziale, unterstützt sie auf ihrem Weg. Ich habe in all den Jahren immer den Rückhalt der EHL gehabt, konnte mit unseren Kunden wachsen. Ich habe immer wieder gehört: Wir glauben an dich. Wir werden das schaffen. Feinfühlige Führung – das zeichnet Michael Ehlmaier aus: Zu erkennen, wann ein Mitarbeiter so weit ist, den nächsten Karriereschritt gehen zu können.
meine Mitmenschen einstellen kann und die Herausforderungen immer annahm, die mir geboten wurden. Weil Sie Emotionen angesprochen haben: Bauch- oder Kopfmensch? Bauchentscheider. Wenn mein Kopf mit meinem Bauchgefühl übereinstimmt, weiß ich, dass ich am richtigen Weg bin und die richtige Entscheidung getroffen habe. Um richtige Entscheidungen treffen zu können, ist nur das Bauchgefühl zu wenig. Zahlenund faktenbasiert ist gerade in unserem Job sehr wichtig. Ich sehe mich als kommunikativen, offenen Menschen, zielstrebig und oftmals ungeduldig. Ich versuche Themen-
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ImmoFokus
bereiche im Team offen anzusprechen, liebe es mit meinen Kollegen die besten Lösungen zu erarbeiten. Auch wenn ich oftmals als sehr lästig empfunden werde, weiß ich, dass es sich lohnt an einer Sache dranzubleiben ich gebe beruflich nicht so schnell auf – beim Laufen schon. ☺ Wenn etwas nicht optimal funktioniert, wird nachjustiert. Ich stamme selbst aus einem Familienbetrieb – da lernt man von klein auf, wie wichtig das Team, der Teamgeist und die Freude an der Arbeit ist. Können Sie sich noch an Ihren ersten Mietvertrags-Abschluss erinnern? Es war ein 150-Quadratmeter-Mietvertrag auf der Mariahilfer Straße während der
Damit ist die Frage nach Ihrem Mentor wohl beantwortet? Ich hatte viele Mentoren in der EHL, aber Michael Ehlmaier ist mein großes Vorbild, Coach und Motivator. Ich persönlich finde, dass er sich und seinen Führungsstil in den zwanzig Jahren nicht verändert hat, er ist immer noch sehr fordernd, am Puls der Zeit und bestens informiert und das Lachen kommt nie zu kurz, auch wenn es nicht immer nur angenehme und lustige Situationen gibt, die wir meistern müssen. Was war die bisher größte Herausforderung? Man vergisst sehr viel und erinnert sich an die schönen Zeiten im Leben. Der Wechsel von meinem Asset Management Job in die Verwaltung war sicherlich eine Herausforderung, große Teams zu führen, die Prozesse
und Programme zu verstehen, da habe ich ehrlich gesagt schon einige Zeit gebraucht, um anzukommen. Nach einem halben Jahr fühle ich mich jetzt sehr wohl und bin angekommen, um zu bleiben.
mehr. Ich bin auch von einer kleinen in eine sehr große Struktur gekommen – habe aber mit Bruno Schwendinger einen langjährigen, erfahrenen Kollegen an meiner Seite, mit dem ich viel bewegen kann und will.
Das war Mitte vergangenen Jahres? Im August.
Zurück zur Pandemie. Gerade für Hausverwaltungen keine einfache Zeit. Mussten Sie viele Verhandlungen bezüglich Mietreduktionen führen? Die Mitarbeiter in der Hausverwaltung waren gefordert, viele Daten und Informationen als Entscheidungsgrundlage für den Eigentümer vorzubereiten. Auch Verwalter, Buchhalter und unsere Rechtsabteilung waren ebenfalls stark eingebunden. Die Verhandlungen führte das eigentümergeführte Asset Management. Vor allem im Retail- und Hotelbereich gab es sehr intensive und langwierige Verhandlungen. Es
Mitten in der Covid-Pandemie … Leider mussten wir alle mit dem Thema Pandemie lernen umzugehen, im Asset Management war vor allem der Beginn der Pandemie eine sehr anstrengende und fordernde Zeit, aber das Positive daran: wir haben alle gelernt, damit umzugehen und auch einen Weg gefunden, die Motivation hochzuhalten und den Zusammenhalt nicht zu verlieren. Mitarbeiterführung ist immer wichtig, in herausfordernden Zeiten umso
ist jedoch auch eine Win-win-Situation für Mieter und Eigentümer entstanden, da man sich vor allem nach so intensiven Zeiten wieder mehr miteinander beschäftigt und gestärkt in die Zukunft geht. Am Anfang der Pandemie hat keiner gewusst, wohin die Reise führen wird. Ich kann mich noch genau erinnern, als die damalige Justizministerin Alma Zadic verkündete, dass Mieter keine Miete mehr zahlen müssen. Wie soll das gehen, haben wir uns alle gefragt. Eines muss man aber in aller Deutlichkeit sagen: Die Vermieter sind von der Regierung im Stich gelassen worden. Wir haben auch diese Herausforderung gemeistert. Eines war klar: Kommt es zum Streit – steht auch der Mietvertrag beziehungsweise eine Verlängerung auf wackeligen Beinen.
my h ive am Wienerberg | my h ive Ung arg a sse E ine Ma rke der I M M O FI NAN Z
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Positionen & Meinungen
Wie sind Sie mit dem Thema Mietreduktion umgegangen? Hausverwaltungen sind – in der öffentlichen Wahrnehmung – per se an allem Schuld. Verstehen Sie immer alle Entscheidungen der Eigentümer? Es gibt viele Gründe warum Entscheidungen von Eigentümern getroffen werden, im Hintergrund stehen oftmals Finanzierungen, Investmentstrategien, Mietpakete etc. Der Verwalter gibt Empfehlungen ab, die Entscheidung obliegt dem Asset Management. Es ist die Kunst des Verwalters dem Mieter spüren zu lassen, dass man sich als Verwalter mit der Thematik auseinandersetzt, die Themen für den Eigentümer aufzubereiten, dass dieser rasch entscheiden kann und auf die Bedürfnisse und Anliegen der Mieter eingehen kann. In der Hausverwaltung geht es oft um einen Ausgleich von Eigentümer-
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ImmoFokus
„Liquiditätsschwache Mieter sind immer Problemfälle, in der Pandemie hat sich das Problem verschärft.“ Andrea Dissauer, EHL Immobilien Management
und Mieterinteressen, es gibt sehr oft einen Mittelweg. Ein ruhiges Haus mit einem langjährigen Verwalter ist für die Eigentümer sehr wichtig, da es eine stabile Immobilie und Investment garantiert.
Vor allem die Retail-, Gastronomie- und Tourismuswirtschaft sind unter die Räder gekommen. Nach meinem Empfinden haben sich die Mieter sehr fair verhalten, es wurden die
Betriebskosten weiterhin bezahlt und die Situation war für keine Partei einfach zu meistern. Leider dauert(e) die Corona-Zeit lang, man hat es aber manchmal mehr gespürt, welcher Mieter wirklich gemeinsam den Weg mit dem Eigentümer gehen möchte. Liquiditätsschwache Mieter sind immer besondere Problemfälle, in der Pandemie hat sich das Problem verschärft. Werden Mietverträge anders abgeschlossen? Es gibt panemiegeschuldet nun noch mehr Klauseln in den Mietverträgen, aber ich glaube am Grundtenor hat sich nichts geändert. Eigentümer suchen nach wie vor bonitätsstarke und langfristige Mieter. Egal, welche Assetklasse es betrifft. Es ist immer wichtig gewesen, zu prüfen: wer kommt in mein Haus!
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my h ive am Wienerberg | my h ive Ung arg a sse E ine M a rke der I M M O FI NAN Z
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Positionen & Meinungen
WORDRAP MIT ANDREA DISSAUER In den nächsten zehn Jahren möchte ich unbedingt… Mit welcher Person (lebend oder bereits verstorben) würden Sie gerne einen Abend verbringen?
Coco Chanel!
Ein Wellness Wochenende mit meinen engsten Freundinnen verbringen.
Meinen Kaffee trinke ich am liebsten…
Mit meinem Mann. Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Mit einem Praktikum in einem kleinen Hotel in Italien.
Welches Buch liegt auf Ihrem Nachttisch?
Die Leselektüre meiner Kinder.
Nehmen Sie gerne Risiko?
Morgen- oder Abendmensch?
Zum Leid meines Mannes - Abendmensch!
Wenn Sie zehn Millionen Euro im Lotto gewinnen würden, was machen Sie damit?
Ich würde uns ein kleines Haus in der Toskana kaufen und den Rest an bedürftige Kinder spenden.
Ihr Lieblingshobby?
Gartengestaltung – und design.
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ImmoFokus
Ja, wenn es einigermaßen kalkulierbar ist.
Wenn Sie das Radio im Auto aufdrehen, was läuft?
Sehr abwechslungsreich, von Ö1 über Ö3, Hörbuch oder nur Stille.
Hat einer Ihrer Mieter oder Eigentümer den Weg zum Gericht beschritten oder beschreiten wollen? Nein, nicht hinsichtlich einer COVID Streitigkeit, es fand sich immer ein Konsens. Gerichtsverfahren sind der letzte Weg, sein vermeintliches Recht durchzusetzen.
„Das Coronajahr hat den Verwaltungsaufwand bei allen Hausverwaltungen und Vermietern erheblich erhöht.“ Andrea Dissauer, EHL Immobilien Management
Die Verhandlungen zogen sich schon über einen gewissen Zeitraum, da vor allem internationale Eigentümer, mit einer anderen Rechtslage in Österreich zu kämpfen hatten – längere Entscheidungswege und Abstimmungsgremien durchlaufen mussten. Die komplexen und vielschichtigen Verträge, vor allem im Retail- und Hotelbereich, haben das ihre dazu beigetragen, vor allem schlecht formulierte Vertragstexte, die viel Verhandlungsspielraum zulassen wurden entschärft und in den Vergleichen neu geregelt.
Ticken hier institutionelle anders als private Investoren? Institutionelle Investoren müssen ihren Geldgebern Rechenschaft ablegen. Das zieht sich auch im Asset Management wie ein roter Faden durch. Stiftungs- oder Fondsvorstände müssen belegen können, sorgsam mit den ihnen anvertrauten Geldern umgegangen zu sein. Ein allzu leichtfertiger Verzicht auf zum Beispiel Mieteinnahmen könnte hier Schadenersatzforderungen auslösen. Das bedeutet deutlich mehr Dokumentationsaufwand? Keine Frage: Das Coronajahr hat den Verwaltungsaufwand bei allen Hausverwaltungen und Vermietern erheblich erhöht. … und die Digitalisierung vorangetrieben … Die Pandemie hat den Digitalisierungsprozess deutlich vorangetrieben. Wir in der EHL haben bereits viele Prozesse digitalisiert. Viele Besprechungen, die früher Face-to-Face stattgefunden haben, werden jetzt virtuell abgewickelt. Der persönliche Kontakt ist aber durch nichts zu ersetzen. Egal, ob es internationale Eigentümer oder unsere eigenen Mitarbeiter in Wien, in Kärnten oder Salzburg betrifft. Glauben Sie an den digitalen Kaufvertrag via Blockchain? Hier sollte man zwischen Verhandlung und Abwicklung unterscheiden. Beim Verhandeln
ist es wichtig, sein Gegenüber kennenzulernen. Es sind auch Emotionen im Spiel, die sollte man spüren. Hier ist der persönliche Kontakt sehr wichtig. Ist alles ausverhandelt, sind digitale Prozesse schneller und eine wesentliche Arbeitserleichterung. Wir werden sicherlich in drei Jahren überrascht sein, wie schnell sich auch diese Entwicklung durchgesetzt hat. Wie definieren Sie Erfolg? Würden Sie sich als ehrgeizig bezeichnen? Erfolg bedeutet für mich, mit sich selbst zufrieden und glücklich zu sein. Ehrgeizig? Ich verfolge Ziele konsequent. Ich bleibe dran, passe aber gleichzeitig auf, mich nicht zu verlieren. Das Wichtigste für mich ist, dass es meinem Team, meiner Familie und mir dabei gut geht. Das ist das Um und Auf. Und das begleitet mich seit vielen Jahren. Sie wohnen im Wechselgebiet und pendeln nach Wien. Fahren Sie mit dem Auto oder kommen Sie mit der Bahn? Mit dem Auto, aber die Bahn ist immer mehr eine Alternative, da durch das zunehmende Verkehrsaufkommen und die Stausituationen die Zeit in der Bahn doch vielmals besser genutzt werden kann. Wie viele Kilometer kommen da im Jahr zusammen? Schon einige. Ich fahre um die 50.000 Kilometer im Jahr. Wien, Graz, Salzburg oder
Es war eine spannende Zeit und ich denke, die ganze Branche ist sehr gut mit dieser Herausforderung umgegangen. Als Verwalter oder Asset Manager ist man auch Mediator. Mieter und Eigentümer zusammen auf einen Konsens zu führen, ist eine Kunst. Transparenz ist hier besonders wichtig.
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Positionen & Meinungen
Kärnten, unsere Immobilien, die wir managen sind in ganz Österreich verteilt. Ich bin auch jahrelang mit dem Zug gefahren. Mit dem Auto nach Hause zu fahren, ist auch ein wenig vom Alltag abzuschütteln und runterzukommen. In der Früh wird telefoniert und Musik gehört. Weil Sie Mitarbeiterführung vorher so angesprochen haben: was ist für Sie ein No-Go? Ich gehe gerne offen auf Menschen zu. Ich möchte nicht, dass ich belogen oder ausgetrickst werde. Wenn ich es spüre, bin ich enttäuscht, aber Gott sei Dank ist dies die Ausnahme in meinem Leben. Das besprochene Bauchgefühl. Das ist das Bauchgefühl. Ich bin kein nachtragender Mensch, ich möchte mich auf Mitarbeiter verlassen können und gemeinsam an einem Strang ziehen. Mir ist wichtig Mitarbeitern und unseren Kunden auf Augenhöhe zu begegnen. Das ist auch ein Zeichen von Wertschätzung. Haben Sie das Gefühl, dass alle Ihre Kunden Ihnen gegenüber komplett ehrlich und offen sind? Ja, ich wurde und werde immer sehr wertschätzend behandelt. Ich habe das Privileg, dass ich viele Kunden schon sehr lange betreuen darf und diese mich auch sehr gut kennen. Pitches ist ein gutes Stichwort. EHL gehört zu den größten Hausverwaltungen des Landes. Wie kann man in diesem kompetitiven Umfeld Marktanteile gewinnen? Geht es über den Preis oder doch über Qualität? Eindeutig Qualität. Wir müssen nicht überdimensional schnell wachsen. Wir wachsen gerne mit unseren Kunden. Qualität und Leistungsbild stehen im Vordergrund. Das wird bei EHL intern und auch seitens unserer Kunden immer mehr eingefordert. Grundsätzlich ist es mir wichtig, mit unseren stabilen Teams weiterhin zu wachsen und diese zu fordern. Die Verwaltung ist eine Kaderschmiede. Basis für jeden Asset Manager und Investor. Natürlich habe ich ambitionierte Ziele. Wir
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„Mir ist wichtig Mitarbeitern und unseren Kunden auf Augenhöhe zu begegnen. “ Andrea Dissauer, EHL Immobilien Management
betreuen 2,1 Millionen Quadratmeter und haben 112 Mitarbeiter. Beide Zahlen dürfen gerne weiter nach oben gehen. Wichtig ist, ein gemeinsames Ziel und die Freude an der Arbeit unserer Mitarbeiter aufrechtzuerhalten, zum Wohle unserer Kunden. Es wird immer ein gewisses Maß an Fluktuation geben, aber
ich bin davon überzeugt, dass ein gemeinsames WIR in der EHL gelebt wird, ein WIR das stärkt und überzeugt. Vor kurzem wurde das Wohnungseigentumsgesetz geändert. Können Sie schon den Mehraufwand abschätzen? Die Reform war notwendig. Der Mehraufwand hält sich in Grenzen. Die Eigentümerversammlungen werden nicht komplizierter. Der schwer große Vorteil aber ist, dass Beschlussfassungen erleichtert wurden. Wenn Sie in die Immobilien betreffende Gesetzgebung eingreifen könnten, wo würden Sie den Hebel ansetzen? Die rechtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich Nachhaltigkeit und ESG klar zu definieren. Um die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung verfolgen zu können, ist es wichtig einen klaren rechtlichen Rahmen zu setzen, denn nur so können die Klimaziele schnell und zielstrebig erreicht werden. Das Thema Nachhaltigkeit betrifft uns alle und ist besonders in unserer Branche sehr wichtig
geworden. Vor allem im Immobilienbereich sprechen wir von hohen Investitionssummen, um eine Immobilie klima- und zukunftsfit zu bauen oder zu sanieren. In der Immobilienwirtschaft ist ein enormes Potenzial vorhanden, Nachhaltigkeit umzusetzen. Mit
der EU-Taxonomie ist eine Dynamik in den Immobilienmarkt gekommen und es zeichnet sich bereits ein Trend zu einem gemeinsamen Standard ab, wie ESG-Konformität in der Praxis umgesetzt werden kann. Ein klarer rechtlicher Rahmen auf Bundesebene,
sehe ich als wichtige Basis für die gesamte Immobilienbranche, um faktenbasierende Entscheidungen für die einzelnen Immobiliensegmente zu treffen. Nur so ist gewährleistet, dass die Klimaziele effizient umgesetzt und erreicht werden.
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Positionen & Meinungen
Andrea Dissauer Andrea Dissauer absolvierte von 2001-2005 den ersten Lehrgang des Studiums für Immobilienwirtschaft an der FH Wien. Sie ist seit 2002 in der EHL Immobilien Gruppe tätig und nach den verschiedenen Funktionen im Vertrieb, Property- und Center Management übernahm Sie im Jahr 2015 die Leitung der Asset Management Abteilung. Seit August 2021 leitet Sie gemeinsam mit Bruno Schwendinger die EHL Immobilien Management mit den Schwerpunkten Büro, Retail, Logistik und Hotelimmobilien. Sie ist Member of the Royal Institution of Chartered Surveyors (MRICS), der weltweit renommiertesten Branchenvereinigung von Immobilienexperten.
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ImmoFokus.Rubrik Start-Up ImFokus Roman Erler, Gründer & CEO Naturefloor Gründung
Das Start-up cirplus wurde 2018 von Christian Schiller und Volkan Bilici ins Leben gerufen und bietet einen globalen B2B-Marktplatz für zirkuläre Kunststoffe.
Gründer
Christian Schiller, Co-founder und CEO mit Sitz in Hamburg, und Volkan Bilici, Co-founder und CTO mit Sitz in Berlin.
Marktvolumen
B2B-Marktplatz für zirkuläre Kunststoffe. cirplus ist ein Start-up aus Hamburg mit globalen Ambitionen, Plastikabfälle zu reduzieren und nutzbar zu machen.
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urch die Vernetzung von Kunststoff- und Recyclingindustrie macht cirplus es einfach und effizient, Kunststoffabfälle in neue Ressourcen zu verwandeln, und wirkt so als digitaler Katalysator für einen Wandel zu 100-prozentiger KunststoffKreislaufwirtschaft. Als End-to-end-Transaktionsplattform wickelt das Start-up im Gegensatz zu reinen Listing-Webseiten die wesentlichen Schritte der Transaktion selber ab, einschließlich der Logistik, Kreditversicherung und Kommunikation. Der im August 2020 gemeinsam mit dem DIN e. V. neu gesetzte Standard für Rezyklate (DIN SPEC 91446) vereinfacht den Beschaffungsprozess durch mehr Transparenz der gehandelten Materialien und stellt die Qualität sicher. 16 Firmen aus der Plastik- und Re-
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ImmoFokus
cyclingindustrie waren Teil des Konsortiums, angeführt vom Institut für Kunststoff- und Kreislauftechnik (IKK) in Hannover.
Direkter Kontakt
Auf der Beschaffungsplattform cirplus können Verarbeiter und Produzenten Materialgesuche für Spot- und Kontraktmengen von Kunststoffrezyklaten aufgeben, direkt mit Recyclern und Abfallerzeugern in Kontakt treten und Transaktionen weltweit abschließen. Die DIN SPEC 91446 hat cirplus initiiert, um die Standardisierungslücken im Bereich der Kunststoffrezyklate zu schließen und somit deren Marktzugang zu verbessern. Der Einkauf und Vertrieb sind durch die Digitalisierung der Prozesse und eingeführten Standards sehr einfach gehalten, mit dem Ziel, die Transaktionskosten von Rezyklaten gegenüber Neuware zu senken.
Mitarbeiter 21
Die Meinung des Profis Cirplus ist wie eine Dating-Plattform für Kunststoff und Plastikabfälle. Ich finde es gut, dass sich das Start-Up auf B2B fokussiert und Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft verknüpft – und das weltweit. In diesem Bereich brauchen wir noch viel mehr Geschäftsideen und -modelle.
Bernhard Zlanabitnig, Geschäftsführer des EU-Umweltbüros im Umweltdachverband IDEE GESCHÄFTSMODELL TIMING
Foto: Joseph Bramer
Plastik richtig vernetzt
Cirplus hat momentan (bei 1.200 aktiven Usern) 1,6 Millionen Tonnen Material mit einem Marktwert von ca. 650 Millionen Euro auf seiner Plattform.
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ImmoFokus.Rubrik Top Deal ImFokus
Das Bekenntnis zum Büro Trophy Asset. Google lässt sich ein Londoner Bürogebäude rund eine Milliarde Dollar kosten. Für mehrere Millionen soll „Central Saint Giles“ nun refurbished werden.
soll nun für mehrere Millionen modernisiert werden, um den Anforderungen an hybrides Arbeiten besser gerecht zu werden, so Harris weiter. „Wir glauben, dass die Zukunft der Arbeit flexibel sein wird“, meint er. Während nämlich die Mehrheit der Mitarbeiter in Großbritannien durchaus für einen Teil ihrer Arbeitszeit das Büro nützen wolle, würden diese sich ebenso die Flexibilität wünschen, einige Tage pro Woche von zuhause aus arbeiten zu können. Andere würden es wiederum bevorzugen, ausschließlich „remote“ zu arbeiten. Nachsatz Harris: „Unser Arbeitsplatz wird den Platz haben, um all diesen Wünschen zu entsprechen.“
Wie so oft dürfte die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen. Darauf deutet jedenfalls der Top Deal dieser Ausgabe hin: Anfang Jänner 2022 hat sich Google für eine Milliarde Dollar (872 Millionen Euro) das zuvor angemietete Bürogebäude Central Saint Giles im Londoner West End von Legal & General sowie Mitsubishi Estate gesichert. „Unsere Investition in dieses beeindruckende, von Renzo Piano entworfene Objekt zeigt unser anhaltendes Vertrauen in das Büro als Ort der persönlichen Zusammenarbeit und Verbindung“, kommentiert Ronan Harris, Vice President und MD, Google UK & Ireland, die Akquisition in einem Blog-Beitrag. Das u-förmige, in verschiedenen Farben gehaltene Gebäude
Unter anderem sollen neue Arten von Kollaborationsflächen für persönliche Zusammenarbeit geschaffen werden, ebenso wie mehr Platz, um das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu verbessern. Wie Harris ankündigt, sollen „Team Pods“ eingeführt werden. „Dabei handelt es sich um ein neuartiges flexibles Flächenkonzept, das auf vielfältige Weise konfiguriert werden kann, um sowohl fokussiertes Arbeiten, Kollaboration, oder beides zu unterstützen“, erklärt Harris. Im Zuge des Refurbishments sollen zudem auch überdachte Arbeitsplätze im Freien geschaffen werden, um Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, frische Luft zu genießen.
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Arbeitsplätze im Freien
Die endgültige Abkehr vom stationären Büro schaut anders aus: die fünf britischen GoogleNiederlassungen – davon befinden sich vier in London und eine in Manchester – sollen gemeinsam die Kapazität für 10.000 Mitarbeiter haben. Harris spricht von einem „Bekenntnis zum erfolgreichen Wachstum in Großbritannien“. Dieses wird auch von „Grace Hopper“ gekennzeichnet, dem kürzlich eingeweihten und nach der US-Computerpionierin benannten Unterwasserkabel von Google, das die USA mit Großbritannien und Spanien verbindet.
„Landscraper“ wird HQ
Als Headquarter wird „Central Saint Giles“ im Übrigen nicht fungieren. Diese Ehre wird dem „Landscraper“ zukommen, der bis 2024 im Stadtbezirk London Borough of Camden entsteht. –Dieser Spitzname geht darauf zurück, dass sich das Gebäude über 330 Meter ausdehnen und damit länger sein wird als der höchste Wolkenkratzer Londons hoch ist, „The Shard“ mit 310 Metern.– Der von den Architekturbüros Heatherwick Studios und Bjarke Ingels Group entworfene elfstöckige Zweckbau wird unter anderem über einen Dachgarten, 25-Meter-Pool, Indoor Basketballplatz sowie „Nap Pods“ für das Schläfchen zwischendurch verfügen und Platz für insgesamt 4.500 Mitarbeiter bieten. Bis das stationäre Büro tatsächlich zu Grabe getragen wird, dürfte also wohl noch etwas Wasser die Themse herunterfließen.
Foto: Adobe Stock
Ü
ber die Zukunft der Büroarbeit wird bekanntlich nicht erst seit dem Ausbruch der Coronakrise diskutiert und spekuliert – Stichwort: New Work. Im Zuge der letzten beiden Jahre hat diese Debatte aus bekannten Gründen noch einmal eine neue Dynamik erfahren, wobei die Meinungen mitunter weit auseinander gehen. Während die einen die Tage des stationären Büros endgültig gezählt sehen, glauben die anderen, dass es nach dem Ende der Pandemie aufgrund der weit verbreiteten Home-Office-Müdigkeit der Menschen eine regelrechte Renaissance erleben wird.
Gute Aussichten
Smart Cities, Stadtk lima, Architektur, Sozialer Wohnbau, Nachhaltigkeit, Büros, Wohnungslosigkeit, Hotellerie, Rev italisierung, Lu xus, Wohnraumgestaltung, Stadtplanung, Investments, Grätzelent w ick lung, … Wir haben die Gegenwart und Zukunft von Wohnen und Bauen im Blick. Jeden Samstag in Ihrer „Presse“ und unter:
DiePresse.com/immobilien
ImmoFokus.Rubrik Problemlöser ImFokus
Katharina Franziska Braig
Designierte COO des Spin-off-Vorhabens PV2plus des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme, Freiburg i. Br.
1. DAS PROBLEM
Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist es notwendig, noch viel mehr Solaranlagen zu bauen. Dabei zeigt sich, dass an die zehn Prozent der Solarmodulkosten derzeit auf Silber für elektrische Kontakte der Solarzellen entfallen. Tendenz steigend. Das große Problem dahinter ist, dass weltweit gar nicht ausreichend Silber verfügbar ist, um die Solarzellenherstellung im Terawatt-Maßstab zu skalieren. Silber wird bereits in dieser Dekade zum Flaschenhals für die Solarindustrie, zumal auch andere Zukunftsbranchen, z. B. die Elektromobilität, einen wachsenden Silberbedarf zu verzeichnen haben.
Das Fraunhofer ISE-Spin-off-Vorhaben hat daher einen patentierten Prozess entwickelt, mit dem es möglich ist, siebgedruckte Silberkontakte durch galvanisch aufgebrachte Kupferkontakte zu substituieren. Allein mit dem in Deutschland recycelten Kupfer könnte so der globale Bedarf für Solarzellenkontakte gedeckt werden. Dadurch können hocheffiziente Heterojunction-Solarzellen künftig nicht nur deutlich kostengünstiger, sondern auch umweltfreundlicher hergestellt werden.
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3,1 DIE ZAHL
Obwohl sich die Photovoltaik in den meisten Teilen der Welt zur kostengünstigsten Option für die Stromerzeugung entwickelt, trägt die Solarenergie heute nur zu 3,1 Prozent zur weltweiten Energieerzeugung bei. Mit der Methode von PV2plus kann die Produktion von Solaranlagen für die nächsten Jahre nachhaltig gesteigert werden.
Foto: Miviso
2. DIE LÖSUNG
Immobilie ImFokus
2023
Das vom Architekturbüro Foster + Partners entworfene Stadtentwicklungsprojekt The Forestias bei Bangkok wird von der thailändischen Baufirma Magnolia Quality Development Corporation Limited (MQDC) realisiert. Die voraussichtliche Fertigstellung ist für Ende 2023 angesetzt.
48.000
4,14
Der 48.000 Quadratmeter große Wald, der zweifellos das Projekthighlight ist, wird nach der Miyawaki-Methode gestaltet. Diese geht auf den japanischen Botaniker Akira Miyawaki zurück und zielt darauf ab, im urbanen Raum Kleinbiotope mit hoher Biodiversität zu schaffen.
Mit einem Investitionsvolumen von 4,14 Milliarden Dollar gehört The Forestias zu den größten Immobilienprojekten Thailands.
Fotos: Foster + Partners
2
Das Projektgelände ist in eine nördliche und eine südliche Zone unterteilt, wobei die letztere und größere für Wohnzwecke gedacht ist. Dort werden sich neben Villen auch Hochhäuser sowie „Cluster-Home-Residenzen“ finden.
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Allein der Anbau des Waldes ist mit einem Kostenaufwand von 33 Millionen Dollar verbunden. Dafür verantwortlich ist das Landschaftsarchitekturbüro TK Studio.
6
Zum entstehenden Nutzungsmix aus Wohnen, Büro, Einzelhandel, Gastronomie, Gesundheit, Bildung, Sport und Unterhaltung gehört auch ein SechsSterne-Hotel.
500
Der „Klein-Dschungel“ im Zentrum von The Forestia soll rund 500 Pflanzen und Tierarten beheimaten.
9
The Forestias vereint neun Nachhaltigkeits-Konzepte: „Natur & Tiere“, „Community & Intergeneration“, „Lebenswerte Nachbarschaft“, „Gesundheit, Wohlbefinden & Glück“, „Innovatives Energiesystem“, „Integriertes Wassermanagement“, „Transport & Aktive Mobilität“, „Rohstoffe & Ressourcen“ sowie „Bildung & Entdeckung“
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ImmoFokus.Rubrik Aufsteiger Absteiger
Gelegenheiten wahrnehmen Alter Bekannter. Auch wenn er nie ganz weg war, tritt der erfahrene Immobilienprofi Peter Ulm als Geschäftsführer der Empira Group wieder ins Rampenlicht.
2 2000
Bis 2003 bekleidet Ulm beim Immobilieninvestor Zwerenz & Krause den Posten des CEO.
3 2003
5 2011
Mit 6B47 verantwortet Ulm als CEO die Entwicklung und Verwertung von Immobilienprojekten in Österreich, Deutschland und Polen. „Eine spannende Paarung von erfahrenen Führungskräften und jungen, motivierten Mitarbeitern“, beschreibt Ulm sein Team. Mit dem Real Estate Club bietet 6B47 die Möglichkeit, gemeinsam mit Immobilienprofis in Projekte zu investieren.
2
4 2008
Ulm heuert als Berater für Immobiliendevelopments und Entwickler von Fachmarktzentren sowie Managing Partner bei Tadeland an.
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5 4 7 2020
Vizepräsident der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE).
8 2022
1
7
6 2019
„Ulm verlängert seinen Ende September auslaufenden Vertrag nicht und stellt sich neuen unternehmerischen Herausforderungen“, teilt 6B47 mit. Im selben Jahr startet er mit der Allora Immobilien, einem Schweizer Family Office, ein Joint Venture.
Partner und Mitglied der Geschäftsführung der Akron Group. Das Unternehmen erwirbt, entwickelt und verwaltet Bürohäuser, Logistikgebäude und Einkaufszentren in den Niederlanden, Deutschland, Österreich, Ungarn, Polen, der Ukraine, Russland und Kroatien.
3
8
Ulm übernimmt die Geschäftsführung der Empira Management. Er soll die Geschäftstätigkeiten der Empira Group in Österreich ausbauen. Unter anderem soll im dritten Wiener Gemeindebezirk bis 2026 ein Bürogebäude mit rund 16.000 Quadratmetern Nutzfläche entstehen.
Foto: JR PHOTOGRAPHY
1 1993
Nach dem Abschluss seines BWL- und Jusstudiums an der Universität Graz sammelt Ulm seine ersten beruflichen Erfahrungen in der Immobilienbranche bei der Immorent. Er habe dort nicht nur alles über Projektfinanzierung und -entwicklung und das Bauträgergeschäft gelernt, sondern auch, wie viel der Wohlfühlfaktor und das soziale Klima in einem Unternehmen ausmachen, erinnert er sich 2016 im ImmoFokus-Interview.
Zum Autor Frank Brün ist Managing Partner bei Phorus Management und Gründungsvorsitzender der AREAMA – Austrian Real Estate Asset Management Association.
Täglich grüßt das Murmeltier Kommentar: Frank Brün
Der Klassiker von 1993 lief letztens wieder im TV – die Älteren unter uns erinnern sich. Sich allmorgendlich in einer Zeitschleifen-ähnlichen Routine wiederzufinden, hat etwas Philosophisches mit durchaus aktuellem Bezug. Der Wecker spielt das bekannte Lied, beim Duschen im Radio wiederholen sich tagtäglich die Headlines über den Corona-Reigen, die beste Frau von allen freut sich über einen Becher Tee und die Katze sieht in mir nur den Dosenöffner. Vor Jahren hätte ich bei dem Namen Omikron auf eine finnische Heavy Metal Band getippt, die beim Song Contest aufspielt oder auf irgendeinem Festival die Headbanger rockt. Sicher, der Großteil der Bevölkerung ist mittlerweile mehrfach geimpft, sogar geboostert und der Rest wahrscheinlich entwurmt. Viele lassen sich nicht impfen, weil sie Angst haben, einen Impfstoff in den Körper eindringen zu lassen, der überhaupt nicht erprobt sei, den sie gar nicht kennen. Und manchmal sind das sogar jene, die in ihrer Jugend Unmengen Kaiserspritzer oder sogar Cola-Rot konsumiert haben. Es stellt sich die Frage, was hat mehr Nebenwirkungen? Einige gehen auch samstags am Ring spazieren und manche sind bereits falsch abgebogen. In London singt der Premier „I will survive“, feiert weiter und in Österreich dürfen die Ungeimpften seit Anfang Februar wieder raus, aber nirgendwo wirklich rein. Ein Freund hat mir kürzlich stolz berichtet, dass er jetzt auch 5G hätte: drei Mal geimpft und zweimal genesen. Ich hingegen bin nur 1G: genervt.
Neues aus der Nachhaltigkeitskiste
Wir hören in letzter Zeit öfter von der 15 MinutenStadt. Das bedeutet, man könne dann in der Stadt alles innerhalb von 15 Minuten bekommen: Lebensmittel und fertige Speisen ins Homeoffice geliefert oder Fortbewegung von A nach B mit Öffis oder dem
Shared-Transport-Sytem. Hört sich gut an. Was aber ist mit den 60 Prozent der Bevölkerung, die auf dem Land leben? Da komme ich in 15 Minuten gerade mal am geschlossenen Beisl und dem Greisler vorbeifahrend am Rand der Siedlung zur einzigen Tankstelle weit und breit, um eine Wurstsemmel zu kaufen. Das ist noch ausbaufähig.
Das Problem CO₂-Zertifikate
Schön sind immer wieder die ESG-Green-Washer, die einen steten Nachschub für unser Bullshit-Bingo liefern (Sie erinnern sich). Zu glauben, es sei ESG-konform über Nachhaltigkeit zu schwadronieren und sich seiner Umweltverschmutzungen mit dem Handel von CO₂-Zertifikaten zu entledigen, ist so, als ziehe man sich eine ganze Tüte fettreduzierter Erdnussflips rein, weil auf der Verpackung steht, dass die irgendwie gesund seien. Beides ist Selbstbetrug. Wir gehen eben gerne den schnellen Glücksversprechen großer Trends auf den Leim, ob Junkfood oder ESG-Trasch. Aber wer isst schon Erdnussflips aus gesundheitlichen Gründen? Das war jetzt leider nicht ganz coronafrei. Ich bin aber immer noch felsenfest davon überzeugt, dass Corona wie auch das Nachhaltigkeitsthema ein weltweit angelegter Intelligenztest ist. Und da schneiden einige gar nicht gut ab. Ertrage die Clowns! Dies fällt mir zurzeit allerdings schwer.
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REAL CIRCLE
ZU TISCH MIT ...
Über 40 ausgewählte Entscheidungsträger diskutierten beim 24. Real Circle auf Einladung von IMMOunited, Erste Bank, ERSTE Immobilien KAG und ImmoFokus im Wintergarten des Erste Bank Campus über brennende Themen der Hotelbranche.
Anna-Vera Deinhammer, Leiterin des DoTank Circular City 2020–2030 spricht bei feinen Fischgerichten im Nautilus über die Stadt als Materiallager, Autarkie aufgrund von Kreislaufwirtschaft und die Schonung von Ressourcen und Umwelt.
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ÜBER DEN TELLERRAND
Foto: Adobe Stock
Köstlichkeiten wie Stör-Kaviar, Garnelen, Reis, Zitronen, Feigen oder Safran werden von innovativen Unternehmern auch in Österreich produziert. Und das ökologischer und nachhaltiger als die Originale.
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Zum Autor Andreas Kreutzer ist Geschäftsführer des Beraternetzwerks Kreutzer Fischer & Partner mit Sitz in Wien. Seit nahezu 30 Jahren unterstützt KFP unter anderem Unternehmen bei Marktanalysen und Projekten.
Hochbau 2021: Gewachsen sind vor allem die Preise Kommentar: Andreas Kreutzer
Nachdem die Bauwirtschaft bereits das Krisenjahr 2020 vergleichsweise gut überstand, startete man im vergangenen Jahr eindrucksvoll durch. Im Jahr 2021 erhöhte sich der Bauproduktionswert für den Hochbau um plus 12,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf rund 41,8 Milliarden Euro. Damit wurden um beinahe 4,7 Milliarden Euro mehr investiert als im Jahr davor. Im Wohnbau wuchs die Bauproduktion um 2,5 Milliarden Euro bzw. plus 11,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 23,9 Milliarden Euro, im Nicht-Wohnbau um 2,2 Milliarden Euro bzw. plus 13,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 17,9 Milliarden Euro. Angeschoben wurde das Geschäft in beiden Gebäudetypen von Neubau und Renovierung gleichermaßen.
Acht Prozent Steigerung
Allerdings war das substanzielle Wachstum zu einem erheblichen Teil auf rasch steigende Preise zurückzuführen. Über die Höhe dieses Anteils gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Laut Baupreisindex von Statistik Austria (BPI) erhöhten sich die Baupreise im Hochbau letztes Jahr um durchschnittlich acht Prozent im Vergleich zum Jahr davor. Bekanntermaßen bildet der Baupreisindex im Hochbau jedoch schwerpunktmäßig den Preisauftrieb im großvolumigen Objektneubau ab. Bauvorhaben im Bereich der Sanierung sowie kleine Neubauprojekte werden kaum berücksichtigt. Genau dort entwickelt sich aber die Arbeitsproduktivität seit Jahrzehnten rückläufig, weshalb auch die Preise rascher wachsen müssen.
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Fotos: Sima.pix, Alexander Chitsazan, Adobe Stock
Alles relativ
Der Preisauftrieb in diesem Bausegment liegt dadurch signifikant über der offiziellen Preisentwicklung. Gestützt wird diese Annahme durch Daten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR), in der zur Berechnung der realen Bruttowertschöpfung in der Bauwirtschaft ein Deflator verwendet wird, der signifikant höher ist als der Baupreisindex für den Hoch- und Tiefbau. Beispielsweise erhöhen sich die Baupreise laut Index im Jahr 2020 insgesamt um 2,6 Prozent, laut VGR jedoch um 5,8 Prozent. Auch in den Jahren davor lag die Teuerung in der VGR immer über dem Anstieg des offiziellen Baupreisindex. Legt man diese Differenz im laufenden Jahr auf die Preisentwicklung im Hochbau um, steht ein Preisanstieg um acht Prozent im BPI einem wohl realistischeren Preiswachstum um annähernd zehn Prozent im Vergleich zu Vorjahr gegenüber. Damit weitet sich jedoch die Nachfrage im Wohnbau nur um etwa zwei Prozent aus und im Nicht-Wohnbau um vier Prozent. Und dann bleibt vom angesagten Bauboom nicht mehr ganz so viel übrig, wie vielerorts suggeriert wird. Nebenbei: Die Anzahl der Beschäftigten in der Bauwirtschaft wächst 2021 auch um rund drei Prozent.
Zum Autor Jasmin Soravia ist seit 2019 Vorsitzende des Urban Land Institut Austria. Sie ist Geschäftsführerin bei der Kollitsch & Soravia Immobilien, Beirat im Advisory Board GRÜNSTATTGRAU und Vorstand beim Travel Industry Club Austria.
Vom Green Deal zu Cradle-to-Cradle Kommentar: Jasmin Soravia
Ich kann mich noch genau daran erinnern: es war lang vor COVID bei einer großen Podiumsdiskussion, die hochkarätig mit Immobilien-Experten besetzt war, ich mittendrin – und dann die Frage: Was sagen Sie zu „Urban Mining“? Schweißperlen standen mir auf der Stirn – noch nie gehört! Was sag ich bloß? Heute sind Begriffe wie Urban Mining, Cradle-to-Cradle, Kreislaufwirtschaft, Environmental Social Governance (ESG) oder Green Deal Teil des täglichen Immobilien-Wordings. Dem Thema Nachhaltigkeit entkommt niemand mehr, denn die ganze Welt ist von der Klimakrise betroffen. Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wurde Ende 2019 der europäische Green Deal in Brüssel vorgestellt. Das Ziel ist, die europäische Volkswirtschaft in den kommenden 30 Jahren umzukrempeln und unabhängig von fossilen Brennstoffen zu machen. Bis 2050 soll Europa klimaneutral sein, Österreich hat sich mit 2040 sogar ein noch sportlicheres Ziel gesetzt. Um das zu erreichen, wurden zahlreiche Maßnahmen in den unterschiedlichsten Bereichen festgelegt.
Vermehrte Nutzung bestehender Ressourcen
Bei der Umsetzung der Maßnahmen zeigen sich bei genauer Betrachtung jedoch zusätzliche Probleme. Ressourcen werden immer knapper, deren Gewinnung und Verarbeitung haben aufgrund erhöhter CO2-Emissionen wiederum erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima. Darüber hinaus produziert die EU jährlich mehr als 2,5 Milliarden Tonnen Abfall. Aus dieser zunehmenden Problematik führt nur ein Weg: weg von der klassischen Linearwirtschaft (Wegwerfwirtschaft) hin zur Kreislaufwirtschaft. Bei einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft bleiben bestehende Materialien und Rohstoffe so lange wie möglich im System. Ihr Wert bleibt durch Wiederverwertung oder hochwertiges Recycling erhalten, die Fertigung der neuen Endprodukte verbraucht erheblich weniger Energie und verursacht viel geringere Emissionen. „Cradle-to-Cradle“ nennt man den Ansatz
für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft – biologische Nährstoffe fließen in den biologischen Kreislauf zurück, technische Stoffe in den technischen Kreislauf. Für unsere Immobilienwelt bedeutet das: Gebäude und die dazu verwendeten Bauelemente sollten kaum mehr „klassisch“ abgerissen und deponiert werden. Neu zu errichtende Gebäude müssen leicht adaptier- oder umnutzbar sein; ein Gebäude, das Jahrzehnte, am besten Jahrhunderte lang – wie unser ehrwürdiges Wiener Zinshaus aus der Gründerzeit – stehen bleibt, ist das beste Geschenk an die Umwelt. Leider besteht bis dato auch ein erheblicher Bestand an weniger qualitativen und schutzwürdigen Objekten. Falls also ein Abbruch unvermeidlich ist, soll darauf geachtet werden, dass Materialien bereits vor Ort getrennt und in der nahen Umgebung wieder eingebaut werden können.
Intelligente Planung im Vorfeld
Vor allem die Erhaltung des Bestandes wird künftig immer mehr an Bedeutung gewinnen. Im Falle eines Abbruchs sind viele Baureststoffe jedoch schwer trennbar. Damit Materialien dem Cradle-to-CradlePrinzip entsprechen, muss bereits im Vorfeld eine intelligente Planung durchgeführt werden; das heißt, bereits in der Planungsphase muss entschieden werden, ob das Gebäude dem Nachhaltigkeitsprinzip entspricht oder nicht. Ein wichtiger Ansatz dabei ist, mittels kreativer Gesamtkonzepte große Teile des Bestands zu erhalten. Damit kann auch dem Prinzip der „Nachverdichtung“ Rechnung getragen werden, vor allem in Regionen, bei denen freier Bauplatz bereits rar ist. Den Bauträgern kommt somit eine wichtige Aufgabe zu. Bei Projekten muss im Sinne der Nachhaltigkeit versucht werden, soviel wie möglich an Bestand zu nutzen – und bei Neubauten ist bereits von Anfang an darauf zu achten, dass die richtige Auswahl an Materialien getroffen und das Gebäude so flexibel wie möglich geplant wird.
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Zum Autor Verbandsobmann Bernd Rießland studierte Klavier und Bauingenieurwesen. Nach Stationen im Wirtschaftsministerium, bei Erste Bank und Wirtschaftsagentur Wien ist er seit 2010 Vorstandsmitglied der SOZIALBAU AG.
Was kann die Bauwirtschaft zur Erreichung der Klimaziele beitragen? Kommentar: Bernd Rießland
Unterschiedliche Auswirkungen
Diese neuen Kriterien werden sich einerseits auf große Wohnbauunternehmen auswirken, da diese einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen müssen und dieser auch geprüft wird. Andererseits
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wird sich die Verordnung auf die Vergabe von Kapitalmarktdarlehen auswirken. Eine nachhaltige Klassifizierung könnte zu besseren Kreditkonditionen führen. Offen ist, wie hoch der bürokratische Aufwand diesbezüglich wird.
Energieeffizienz um jeden Preis?
Eine zweite europäische Richtlinie ist zwar nicht neu, wird aber momentan überarbeitet: Die Gebäuderichtlinie. Auch hier wird einiges wieder an die Nationalstaaten zurückgespielt, die nun für die praktische Umsetzung Rahmenbedingungen konkretisieren müssen. Wichtigstes Ziel dieser neuen Richtlinie ist es, dass bis 2050 alle Häuser in der EU emissionsfrei sein sollen. Wie das in der Praxis aussehen soll, ist noch offen. So wird sich der akute Facharbeitermangel bei diesem Sanierungsvolumen noch weiter verstärken. Auch stellt sich die Frage, ob eine Energieeffizienz um jeden Preis sinnvoll ist oder ob nicht eher eine Dekarbonisierung der Energieträger für Heizen und Strom im Vordergrund stehen sollte. Was bringt ein Haus, das perfekt gedämmt ist, aber Strom aus Kohle, Öl, Gas oder Kernenergie nutzt? Die Umdefinition von Gas durch die EU als grüne (fossilfreie?) Energie dürfte hier nicht mit der Wirklichkeit der Klimaprobleme, aber auch nicht mit den Anforderungen des Kapitalmarktes, der von immer größerem Klimabewusstsein geprägt ist, zusammenpassen. Zuletzt hat sich der Chef der Europäischen Investitionsbank dazu sehr klar ablehnend geäußert. Langfristig denkende Sektoren wie der Baubereich sollten hier die langfristige ökonomische Wirklichkeit nicht aus den Augen verlieren und weiter den Umstieg auf fossilfreie Energieträger forcieren. Nicht zuletzt sind auch die Kosten ein wichtiges Thema was auch klar für diesen Weg spricht, wenn man die Preisentwicklungen bei Gas der letzten Monate verfolgt. Klar ist: Wir als gemeinnützige Bauvereinigungen müssen weiterhin leistbares Wohnen ermöglichen.
Fotos: Horst Dockal, Adobe Stock
Auf europäischer Ebene wurde im Rahmen des Green Deals die EUTaxonomie-Verordnung geschaffen, um das einheitlich zu definieren. Die EU will mit solchen Maßnahmen den wirtschaftlichen Aufschwung vorantreiben und den Klimawandel aufhalten. Die neue Verordnung, die demnächst in nationale Gesetze gegossen wird, betrifft alle Wirtschaftsbereiche und somit auch den Gebäudesektor – im Neubau, bei Sanierung und beim Erwerb von Gebäuden. Der Primärenergiebedarf im Neubau muss demnach mindestens zehn Prozent unter dem Schwellenwert eines Niedrigstenergiehauses liegen. Auch beim Sanieren ändert sich etwas: Diese müssen den Bedingungen für umfangreiche Renovierungen nach nationaler Definition entsprechen. Beim Kauf von neu errichteten Gebäuden gelten dieselben Regeln wie beim Neubau.
ESG. Neue EU-Vorschriften betreffen ca. 2.000 Unternehmen in Österreich.
AUSWEITUNG DER NACHHALTIGKEITSBERICHTERSTATTUNG
Die sog. Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Kommission muss bis Dezember 2022 in nationales Recht umgesetzt werden und weitet den Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen ab dem Geschäftsjahr 2023 deutlich aus. Die EU-weit einheitlichen Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung sollen größere Transparenz und Vergleichbarkeit bringen. Gleichzeitig steigt jedoch auch der administrative Aufwand. Von dieser Neuregelung betroffen sind alle Konzerne sowie große GmbHs (ab EUR 20 Mio. Bilanzsumme, EUR 40 Mio. Umsatz, mit mehr als 250 Mitarbeiter:innen), die ebenso berichtspflichtig werden wie Aktiengesellschaften und börsennotierte sowie kapitalmarktorientierte Gesellschaften.
sache Rechnung, dass Nachhaltigkeit auch unabWAS ÄNDERT SICH? Die Änderungen betreffen Berichtformat, Stand- hängig von gesetzlichen Vorgaben für viele Interessengruppen (Geschäftspartner:innen, Kund:inards, zu berichtende Information sowie externe Prüfung. Zentral ist die Verpflichtung einer (kon- nen sowie Bewerber:innen) zunehmend an Relevanz gewinnt. Gerade in der Immobilienbranche solidierten) nicht-finanziellen Erklärung, die Teil sind ESG und Nachhaltigkeitsberichterstattung des (Konzern-)Lageberichts ist. Strategien und zentrale Themen. Ziele hinsichtlich Nachhaltigkeit sollten darin Auch hinsichtlich der Unternehmensbewererläutert werden sowie Details zu Wertschöpfungstung werden ESG und Nachhaltigkeit zukünftig ketten, immateriellen Anlagewerten, aber auch die Rolle der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- von noch höherer Relanz sein. „ESG-Faktoren sind aus der Unternehmensführung, aber auch und Aufsichtsorgane in Bezug auf Nachhaltigaus der Unternehmensbewertung von Immokeitsbelange. „Der Aufwand, der mit dieser neuen Bericht- bliengesellschaften bereits jetzt nicht mehr wegzudenken und werden in Zukunft noch stärker erstattung einhergeht, kann nicht pauschal beurteilt werden, sondern hängt eng mit der indivi- im Fokus stehen“, betont Bernd Winter. Die Berücksichtigung dieser Kriterien in der Beurteiduellen Ausgangssituation des Unternehmens zusammen“, betont Mag. Sanela Terko, Director lung des Unternehmenswerts ist unter anderem an der bereits seit mehreren Jahren steigenden und Spezialistin für NachhaltigkeitsbericherstatRelevanz von ESG-Aktienindizes, wie dem Dow tung bei BDO. „In der Praxis verursacht häufig Jones Sustainability, abzulesen. nicht der Bericht selbst den größten Aufwand, sondern die Datensammlung als Berichtsbasis bzw. WO BEGINNEN? die Infrastruktur, die für die Datensammlung erst aufgebaut werden muss.“ Unternehmen, die „Der Zeitrahmen bis zur verpflichtenden externen Prüfung des ESG-Berichts 2023 ist angesichts zum ersten Mal einen Nachhaltigkeitsbericht des komplexen Themas recht eng bemessen. Vor erstellen, sollten bedenken, dass die Bestätigung allem Unternehmen, die bisher noch keinen durch den Wirtschaftsprüfer aktuell zwar noch freiwillig ist, die Verpflichtung der externen Prü- solchen Bericht erstellt haben, sollten sich zeitnah mit den neuen Anforderungen und den derzeit fung mit Geschäftsjahr 2023 aber in Kraft tritt. Sowohl EU als auch der österreichische Gesetz- bekannten Kriterien der CSRD auseinandersetzen“, schließt die Expertin ab. geber tragen mit der neuen Regelung der Tat-
BDO Austria GmbH QBC 4 – Am Belvedere 4 1100 Wien +43 5 70 375 1000 | bdo.at
Mag. Sanela Terko Director
sanela.terko@bdo.at
Mag. Bernd Winter Partner
bernd.winter@bdo.at
Die Zwei
Gedankensplitter zum ImmoMarketing in Theorie und Praxis.
Eine naheliegende Vision: Das Gebäude dreht sich im Kreis Kommentar: Philipp Kaufmann und Alexander Bosak
Stell dir vor, die Wohnung gehört dir, aber das Gebäude nicht - weil sich dieses im Kreis dreht. Zugegeben, es ist schon ziemlich schwer vorstellbar, dass Eigentümer eines Hauses nicht mehr alle Gewerke, wie beispielsweise die Fassade oder die Haustechnik, besitzen. Auf den ersten Blick ist ein derartiges Modell fast schon verstörend. Bereits vor ein paar Ausgaben haben wir berichtet, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft analog zur Fernwärme nicht ihr eigenes Heizsystem besitzen muss. In dem damals aufgezeigten Beispiel kümmert sich ein Contractor um die Beschaffung (Erstinvestition) der Heizungsanlage und ist für deren Funktionalität in der Nutzungsdauer verantwortlich. Dieser Contractor ist auf eigene Verantwortung für die Wartung und die Instandhaltung zuständig und bekommt im Gegenzug ein fix vereinbartes Nutzungsentgelt. Der Vorteil für die Eigentümergemeinschaft liegt auf der Hand: Sie muss sich nicht um die Wartung und Modernisierung der Anlage kümmern, sondern genießt einfach, dass sie funktioniert. Im Sinne des Cradle-to-Cradle-Prinzips ist dieser Ansatz auch für ein ganzes Gebäude erweiterbar: Um nur ein Gewerk herauszugreifen, gehören beispielsweise die Fenster dem Fensterhersteller, und dieser kümmert sich um die Dichtheit und die laufende Wartung. Er weiß, wie diese Arbeiten optimal erledigt werden und verlängert mit diesen Aktivitäten die Laufzeit. Der Fensterhersteller tauscht bei Bedarf die Fenster aus und so weiter und so fort.
Cradle-to-Cradle
Die Eigentümer einer Wohnhausanlage können einfach darin wohnen und der Besitzer einer Gewerbeimmobilie die einzelnen Einheiten
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ImmoFokus
einfach nur vermieten. Für gewerbliche Investoren hätte ein derartiges Modell sicher auch steuerliche Vorteile, aber das ist ein anderes Thema. Eine Anforderung im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist es, dass jedes verwendete Material wieder in dessen eigenen Materialkreislauf gebracht werden soll, das heißt es muss sortenrein zu trennen und wiederverwendbar sein: Holz zu Holz, Kupfer zu Kupfer, et cetera. Denkt man die Errichtung eines Gebäudes im Sinne einer Assemblierung von wertvollen Einzelteilen, dann haben diese Materialien sowohl einen Wert in der Nutzung als auch in der Zukunft. Das bedeutet, dass man, wie es einige Rohstoffinvestoren machen, die wertvollen Rohstoffe nicht bis zu ihrer Verwendung in extra dafür gebauten Lagerhallen aufbewahren muss, sondern diese könnten davor permanent genutzt werden. Am End-of-Life werden aus den Gewerken wieder Rohstoffe. Derzeit sind die in einem Gebäude verwendeten Materialien nach Beendigung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer meist nur „lästig“ und werden als Abrisskosten aus der Sicht der zukünftigen Eigentümer der Liegenschaft angesetzt. Oft genug findet keine getrennte Entsorgung statt – vielmehr handelt es sich um Sondermüll beziehungsweise Restmüll, welcher aufwendig zu entsorgen ist. Das ist insofern auch spannend, da wir beim Sachwertverfahren auch von einem Substanzwert ausgehen, der sich dann beim Abriss in ein Negativum verkehrt, obwohl die Einzelteile, bei richtiger Zusammensetzung im Sinne der Recyclierbarkeit eigentlich einen Wertzuwachs erfahren hätten müssen. Das wird sich aus unserer Sicht in naher Zukunft ändern und wir hoffen, dass sich die zukünftig errichteten Gebäude im Kreis drehen werden und sich die Besitz- von der Nutzungssphäre trennt. Die Serie zum Hero-Hub-Hygiene-Modell werden wir 2022 fortsetzen; wir haben es bei dieser Ausgabe unterbrochen.
Advertorial
Auswirkung Asset Deal auf Mietverhältnisse Umsatzsteuer. VwGH bringt Klarheit über umsatzsteuerliche Konsequenzen
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Fotos: zhu difeng/AdobeStock, Michael Königshofer
ie Vermietung von Geschäftsräumlichkeiten (z. B. Büro oder Geschäftslokal) ist von der Umsatzsteuer befreit. In diesem Fall steht dem Vermieter aber kein Vorsteuerabzug zu. Dies betrifft die laufenden Kosten (z. B. laufende Verwaltungs- und Instandhaltungskosten) aber auch die Kosten für den Erwerb. Der Vermieter hat jedoch die Möglichkeit, in die Umsatzsteuerpflicht zu optieren und hat damit einen Vorsteuerabzug. Seit 1. September 2012 ist eine Option in die Umsatzsteuerpflicht nur möglich, wenn der Mieter die Geschäftsräumlichkeit nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Nach Ansicht des Finanzamtes erfordert dies, dass der Mieter zu mindestens 95 Prozent Umsätze erzielt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Der Vermieter muss die Voraussetzungen nachweisen. Hier sollten im Mietvertrag Regelungen vorgesehen wer-
www.leitnerleitner.com
den, z. B. durch regelmäßige Bestätigungen des Mieters während der Laufzeit des Mietvertrags und die Verpflichtung, Änderungen sofort zu melden. Im Vertrag sollte auch geregelt werden, welche Konsequenzen solch eine Änderung auf die Höhe der Miete hat.
Asset Deal bewirkt neues Mietverhältnis
Bei vor 1. September 2012 abgeschlossenen Mietverträgen konnte immer in die Umsatzsteuer optiert werden (d. h. auch wenn der Mieter überhaupt keinen Vorsteuerabzug hatte). Bestehen solche Verträge, kann dies daher ein wesentlicher Vorteil für beide Parteien sein. Bisher strittig war, ob ein Verkauf der Immobilie für die bestehenden Mietverhältnisse schädlich ist. Die Finanzverwaltung ist der Meinung, dass ein Asset Deal für umsatzsteuerliche Zwecke zu einem neuen Mietverhältnis führt. Die Literatur war vielfach gegenteiliger Ansicht. Der VwGH hat jetzt zu
+43 1 718 98 90 harald.galla@leitnerleitner.com A 1030 Wien, Am Heumarkt 7
Gunsten der Finanzverwaltung entschieden. Auch wenn die Veräußerung eines vermieteten Grundstücks dazu führt, dass der Käufer zwingend nach § 1120 ABGB in die bestehenden Mietverträge eintritt, führt dies für die Umsatzsteuer zu einem neuen Mietverhältnis. Dies wird damit begründet, dass der Käufer seine Investitionsentscheidung im Wissen um die neue Rechtslage trifft. Dies bedeutet, dass z. B. bei bestehenden nicht vorsteuerabzugsberechtigten Mietern (z. B. Ärzte und Banken) der neue Eigentümer – für die bestehenden Mietverträge – nicht mehr in die Umsatzsteuer optieren kann. In der steuerlichen Due Diligence im Rahmen des Erwerbs ist daher auf die umsatzsteuerlichen Konsequenzen ein wesentlicher Fokus zu legen.
Harald Galla, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei LeitnerLeitner Wien. Er ist spezialisiert auf Immobilientransaktionen.
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Positionen & Meinungen Real Circle #24
Hospitality muss neu erfunden werden Hotel- und Freizeitimmobilien. 40 ausgewählte Entscheidungsträger diskutierten beim 24. Real Circle auf Einladung von IMMOunited, Erste Bank, ERSTE Immobilien KAG und dem ImmoFokus im Wintergarten des Erste Bank Campus brennende Themen der Hotelbranche. Autoren: Patrick Baldia, Gerhard Fritz, Lisa Grüner, Amelie Miller, Rudolf Oezelt und Heimo Rollett.
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er heimische Tourismus hat auch im zweiten Coronajahr 2021 massive Einbußen erlitten. Das verdeutlichen die vorläufigen Daten der Statistik Austria. Demnach brachen die Nächtigungen gegenüber 2020 nochmals um fast 19 Prozent auf 79,57 Millionen ein. Das war um 48 Prozent weniger als im Jahr vor der Pandemie (2019). Damit ist die Tourismus-Branche
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ImmoFokus
um rund 50 Jahre zurückgefallen: 1970 hatten sich 79,52 Millionen Gäste in den Pensionen, Hotels und Ferienwohnungen eingebucht.
ESG in der Hotellerie und Tourismusbranche
Hinsichtlich der Nachhaltigkeit funktioniert der Hotel- und Tourismusmarkt ein wenig anders als andere Assetklassen. Erst Regulatorien wie
CO2-Besteuerung und die Taxonomie oder aber ein Nachfragewandel könnten einen relevanten Umschwung bringen, so der Tenor der Experten. Overtourism und die grundlegende Crux des Tourismus würden dadurch aber noch nicht gelöst werden. Auch wenn derzeit alle über ESG reden, „ehrlicherweise muss man sagen, Nachhaltigkeit war
bei den Hoteltransaktionen in den letzten beiden Jahren kein wirkliches Thema“, gibt Melanie Waraschitz von Christie und Co Austria zu. Klar prüfe die technische Due Dilligence diese Themen, aber CO2-Neutralität oder ähnliches sei kein wesentliches Investmentkriterium, so Waraschitz. Wie viel die zwingende Taxonomie ändern wird, werde man erst sehen. Fakt sei, dass enorm viel Geld im Markt ist und die anfangs von allen erwarteten großflächigen Pleiten – auch dank staatlicher Hilfen – ausblieben. Was Betreiber hingegen forcieren, ist die Digitalisierung. Sie könne nicht nur zur ökonomischen, sondern auch zur sozialen Nachhaltigkeit beitragen, meint Christian Pillwein, Beckhoff Automation. Momentan sei beispielsweise eine Rezeptionistin mit vielen verschiedenen Systemen beschäftigt: hier das Parkticket, dort die Zimmerkarte etc. Wenn man das vernünftig digitalisiere, dann bleibe mehr Zeit für Gastfreundschaft, für Persönliches – und genau darum geht es ja in der Hospitality. Aber was macht eine Tourismusimmobilie wirklich nachhaltig? „Jedes Plus-Energie-Hotel am Rande eines Dorfes ist weniger nachhaltig als ein saniertes Zinshaus in der Stadt“, bringt
es Markus Steinböck, Leiter Ankauf bei 3SI, auf den Punkt. Ferienhotels stehen am Land, oft in Einzellagen, sind verkehrstechnisch und infrastrukturell meist nicht gut angebunden, sie müssen Wünsche unterschiedlichster Gäste befriedigen (dem einen ist’s zu warm, dem anderen zu kalt), sie betreiben energieaufwändige Annehmlichkeiten wie Pools, Saunalandschaften und Spas. Was ist da nachhaltig? Harald Galla, Partner beim Wirtschaftsprüfer und Steuerberatungsunternehmen LeitnerLeitner, meint daher, dass Energie und deren effizienter Einsatz wohl am ehesten messbar seien.
Tourismus ist nicht nachhaltig
„Die Idee des Tourismus an sich ist nicht nachhaltig!“ Bumm! Was Markus Steinböck sagt, trifft das Problem auf den Kopf – und die Tatsache, warum sich ESG in der Tourismusimmobilie im Vergleich zu anderen Assetklassen nur langsam durchsetzt – natürlich im Kern. Kein Austausch, kein Wissenstransfer, keine Kulturerweiterung ohne Reisen. Und schließlich geht es auch um das Soziale selbst: den Spaß, die Erholung, das Erleben. Was bringt es uns, wenn wir weniger Energie verbrauchen, aber deprimiert sind? „Wie weit darf der Tourismus dazu verpflichtet werden,
„Werden Abläufe vernünftig digitalisiert, dann bleibt mehr Zeit für Gastfreundschaft, für Persönliches.“ Christian Pillwein, Beckhoff Automation
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Positionen & Meinungen
erzieherisch zu sein?“, fragt sich 3SI-Mann Steinböck und vergleicht die Branche mit der Stahlindustrie. Diese habe auch keinen schlanken Nachhaltigkeitsabdruck, aber wir sind uns einig, sie ist notwendig.
Imagewandel als Game Changer
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„Jedes Plus-Energie-Hotel am Rande eines Dorfes ist weniger nachhaltig als ein saniertes Zinshaus in der Stadt.“
„Wenn die Menschen allgemein nachhaltig leben, werden sie auch überlegen, wie und wohin sie auf Urlaub fahren.“
Markus Steinböck, 3SI Immogroup
Harald Galla, LeitnerLeitner
ImmoFokus
Und noch etwas muss mitgedacht werden. Urlaub ist immer wieder auch ein Prestigethema. Da prahlt so mancher gerne mit Heliskiing, außergewöhnlichen Destinationen und Luxusbleiben. „Der Tourismus bedient diese Instinkte“, so Steinböck. Möglicherweise gibt es aber gerade hier einen bedeutenden Wandel. Man kann sich nicht mehr jedes Image leisten. „So wie Unternehmen ihre Werte leben und nachweisen
immer mehr, immer größer, immer toller. „Ein rationaler Investor will natürlich möglichst voll ausgelastet sein“, meint Galla realistisch. Aber für Investoren ist sanfter Tourismus ohnehin noch kein Thema, sie hätten zwar den Shift von der Stadt- zur Ferienhotellerie vollzogen, versteckte Regionen seien aber nicht auf deren Radar, bestätigt Waraschitz.
„Nachhaltigkeit war bei den Hoteltransaktionen in den letzten beiden Jahren kein wirkliches Thema.“ Melanie Waraschitz, Christie und Co müssen, könnte es auch bei Privatpersonen ein Schwerpunkt Richtung Nachhaltigkeit geben, und wenn der Gast Nachhaltigkeit oder gar ESG einfordert, werden Eigentümer und Betreiber reagieren. Galla: „Ich denke, dass sich das Sensibilisieren immer stärker ausweiten wird. Wenn die Menschen allgemein nachhaltig leben, werden sie auch überlegen, wie und wohin sie auf Urlaub fahren. Trotzdem wird der Preis natürlich ein wesentliches Entscheidungskriterium bleiben.“ Wenn wir an morgen denken, wird eine andere Generation mit anderen Werten entscheiden, gibt Christian Pillwein zu bedenken. Die Herausforderung sei, dass der Urlaub ganzheitlich gedacht werden müsse, so Pillwein: „Es geht ums Anreisen, um die Freizeitaktivitäten, das Umfeld, die Menschen etc. Mir bringt die supereffiziente Immobilie allein nichts, wenn der Rest nicht stimmt – ich z. B. auf 500 Höhenmetern Schifahren gehe.“
Was kommt also, wenn die Corona-Erholung einsetzt? Werden dann Hallstatt und Florenz wieder mit Menschen vollgestopft sein? „Ich denke, der Tourismus wird wieder so zurückkommen, wie wir ihn vor Corona hatten“, meint Christian Pillwein, „aber man kann ihn durch Qualität, durch neue Ideen lenken und so auch nachhaltig machen. Ich bin mir nicht sicher, ob jeder mit dem Heli auf den Mehlsack fliegen muss. Aber wenn man es erlaubt, dann werden es die Leute tun – und ein Teil davon wird gleich vom anderen Heli ins Spital gebracht.“
Es ist nicht alles Gold, was glänzt
2019 war für den Tourismus in Wien ein Boomjahr. Entsprechend viele Hotelprojekte waren
daher in Planung oder bereits im Bau. Die Frage ist, ob Wien am Markt vorbeiproduziert? „Es wird aufgrund der Pandemie eine große Auslese geben, es werden Hotels, über die wir in den letzten Jahren nachgedacht haben, was die am Markt noch zu suchen haben, wegfallen“, bringt es Projektentwickler Anton Bondi de Antoni (Bondi Consulting) auf den Punkt. „In Wien beobachten wir, dass Hotels in allen Kategorien entwickelt und gebaut werden, daher glaube ich nicht, dass wir eine Überkapazität haben, aber wir werden am Markt eine starke Konsolidierung sehen“, wirft Wolfgang Fessl von Reinberg und Partner in die Diskussion ein. In dasselbe Horn stößt Hotel-Consultant Frans-Jan Soede (HAM independent hospitality & tourism advisor: „Auch ich erwarte eine Marktbereinigung; Hotels ohne Alleinstellungsmerkmal haben es in Zukunft noch schwerer. Wo ich allerdings die größte Herausforderung sehe, ist im Kongressgeschäft. Wien ist eine Kongressstadt, die internationalen Veranstaltungen werden erst in vier oder fünf Jahren zurückkommen, wenn die Airlines ihre interkontinentalen Flugverbindun-
„Man muss sich bei jedem neuen Hotelprojekt genau überlegen, was der Gast an diesem Standort ganz konkret braucht.“ Anton Bondi de Antoni, Bondi Immobilien Consulting
Chance für neue Destinationen?
Wenn Nachhaltigkeit, Entschleunigung und Rückbesinnung wesentliche Urlaubsentscheidungskriterien werden, dann würde das auch eine Chance für bislang entlegene oder unterentwickelte Regionen bieten. Markus Steinböck führt Admont und Johnsbach sowie das Defereggental als Beispiele an. „Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert“, relativiert Melanie Waraschitz. „Ja, für viele Regionen ist es eine Chance, aber sobald es ein Erfolgsmodell wird und touristisch interessant, pilgern viele Leute hin.“ Und die Spirale beginnt sich zu drehen:
„Wir rechnen damit, dass OnlineMeetings den Geschäftsreiseverkehr zukünftig um bis zu 10 Prozent reduzieren wird.“ Rochel Sarikov, CBRE
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„Der Erfolg eines Hotels stellt sich, bevor der Gast ankommt, ein, ich muss den Gast überhaupt dazu bringen, bei mir zu buchen.“ Wolfgang Fessl, Reinberg & Partner
„Verliert der Flughafen an Bedeutung, dann Gute Nacht für Wien als Tourismusstandort.“ Martin Lenikus, LENIKUS
„Ich erwarte eine Marktbereinigung. Hotels ohne Alleinstellungsmerkmal haben es in Zukunft noch schwerer.“ Frans-Jan Soede, HAM independent hospitality & tourism advisor
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ImmoFokus
gen wieder im vollen Umfang aufgenommen haben.“
Enormes Überangebot
„Im Rekordjahr 2019 lag die Durchschnittsrate in der Wiener Hotellerie bei rund 109 Euro netto. Während Corona ist die Rate auf rund 90 Euro zurückgegangen“, wartet Rochel Sarikov (CBRE) mit aktuellen Zahlen auf. Für Fessl geht „… die Preisstabilität geht in erster Linie vom Hotelier aus. Wir sehen ja gerade jetzt, dass es ein enormes Überangebot am Markt gibt, aber die Zimmer deshalb nicht die Hälfte kosten.“ Auch Hotelier Martin Lenikus sieht das aus seiner Praxis ähnlich: „Für uns war 2019 ein absolutes Boomjahr mit 200 Euro netto in unseren beiden BoutiqueHotels im Ersten. Aber im Herbst 2021 konnten wir bereits wieder ähnliche Durchschnittsraten erzielen, bei einer nur unwesentlich geringeren Auslastung.“
Luxus wird immer nachgefragt
„Man muss sich bei jedem neuen Hotelprojekt genau überlegen, was braucht der Gast an diesem Standort ganz konkret. In unserem Fall, am Stadtrand gelegen, muss ich dem Gast Infrastruktur bieten, ein Fitnesscenter und ein gastronomisches Angebot“, so Bondi. Sarikov sieht dies
ganz pragmatisch: „Über alle Kategorien hinweg kann man sagen, dass es ein paar hard facts auf jeden Fall braucht: Einen reibungslosen Check-in, egal ob es mit einer Maschine ist oder mit einer Person, ein problemloses WIFI, der Gast möchte da keine Kopfschmerzen haben, guter Schlaf ist ganz wichtig, auf einer Matratze oder einem Boxspringbett, sowie eine unkomplizierte Walkin-Dusche.“ Martin Lenikus weiß zu berichten: „Im Frühjahr 2022 eröffnen wir am Bauernmarkt, einen Steinwurf vom Stephansdom entfernt, The Leo Grand, ein absolutes Highend-Hotel. Noch im Frühsommer wird in der ehemaligen Erste Bank am Graben das Rosewood-Hotel aufgesperrt. Das sehen wir als zukünftigen Marktführer im Luxussegment an. Dahinter gefolgt von Park-HyattHotel und dem Hotel Sacher, und dann wollen wir uns mit dem Leo Grand einordnen.“ „Es ist eine Tatsache, dass es die Luxusklasse in der Hotellerie auch weiterhin geben wird“, so Bondi. „Wenn ich in der Top-Suite des neuen Hotels von Martin Lenikus aufwache und den Stephansdom unmittelbar vor dem Fenster sehe, dann muss ich nicht besonders gläubig sein, dann werde ich jede Partnerin damit beeindrucken.“
Geschäftsreisen brechen ein
Das touristische Segment wird sehr schnell wieder zurückkommen, aber wie sieht es mit den Geschäftsreisen aus? Bei dieser Frage sind sich die Experten uneinig. „Dienstreisen wird es auch weiterhin geben“, so Bondi. „Ich sehe das bei meinen internationalen Geschäftspartnern schon heute. Die sagen mir: ‚Bitte nenn mir einen Grund, damit ich endlich wieder einmal nach Wien reisen kann.“ Sarikov hält dagegen: „Wir rechnen damit, dass der Geschäftsreiseverkehr sich zukünftig um bis zu 10 Prozent reduzieren wird, weil so manches Meeting, das nicht unmittelbar sein muss, auch weiterhin online stattfinden kann.“ Lenikus ist da nicht so optimistisch: „Ich sehe den Bereich eher um 20 bis 25 Prozent einbrechen, so wie uns auch das Homeoffice zu einem Drittel erhalten bleiben wird.“ „Ich glaube, dass sich der Erfolg eines Hotels lange, bevor der Gast ankommt, einstellt, so Fessl. „Ich muss den Gast überhaupt einmal dazu bringen, bei mir zu buchen. Das heißt, ich muss meinen Internetauftritt so gestalten, dass er zum einen authentisch, aber zum anderen auch transparent ist.“
Fluglinien stehen vor Konsolidieurng
In Wien kommen ca. 70 Prozent der Gäste mit dem Flugzeug an. „Ich glaube, dass bei den Fluglinien ein viel größeres Maß an Konsolidierung stattfinden wird als bei den Hotels, denn die Airlines sind mit ihren hausgemachten Problemen sehr beschäftigt“, so Fessl. Lenikus hält es für notwendig, die Politik in die Pflicht zu nehmen. „Jetzt ist die Politik gefordert, den Flughafen Wien-Schwechat als Hub zu erhalten und zu schauen, dass die Bedingungen und die Gebühren für die Fluglinien passen. Denn wenn der Flughafen an Bedeutung verliert, dann Gute Nacht auch für Wien als Tourismusstandort.“ Für Soede werden vor allem Europa und die USA gestärkt aus der Krise zurückkommen: „Andere Kontinente werden schon aus geopolitischer Lage länger brauchen.“
Hohe Anpassungsfähigkeit gefragt
In Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung verändern sich die Werte, Erwartungen und Wünsche der Generationen und damit auch ihr Reiseverhalten. Insbesondere Millennials und die Gen Z reisen viel öfter, weiter und flexibler als ihre Vorgänger. Haben klassische Hotels somit ausgedient? Müssen sich Hotels nach der
„Durch die veränderten Anforderungen und höheren Ansprüche von Kunden, ist ein Hotelier ständig gefordert, sich an diese anzupassen und Kapital in die Hand zu nehmen.“ Karina Schunker, EHL Wohnen
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Pandemie gar neu erfinden? Nein, meint Patrick Adamle, mrp Hotels, denn hier regelt die Nachfrage das Angebot: „Die klassischen Konzepte wird es weiterhin geben, weil der Bedarf da sein wird, wenngleich mehr Flexibilität gefordert wird. Umgekehrt war vor zehn Jahren die Markenvielfalt, die es heute bei großen Ketten gibt, undenkbar.“ Auch in Zukunft werden für bestimmte Zielgruppen und Nischen neue Marken entwickelt werden – und das in jedem Segment,
„Nachhaltigkeit wird ein Buchungskriterium werden und der Gast wird in Zukunft nicht mehr dafür bezahlen wollen, vergleichbar mit freiem WLAN-Zugang.“ Patrick Adamle, mrp hotels
„Authentizität, Einzigartigkeit und Sicherheit sind die zentralen Themen der Hotellerie.“ Harald Hafner, HAM independent hospitality & tourism advisors
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„Man sieht an dem Trend zur Sharing Economy, dass der jüngeren Generationen der Besitz weniger wichtig geworden ist und sich die Präferenzen stärker in Richtung Erlebniskonsum entwickeln.“ Wolfgang Mader, BDO
„Der jungen Generation ist die eigene Work-Life-Balance wichtiger als das, was ein Luxushotel an Komfort bietet und auch kostet.“ Patricia Kuhn, Erste Bank
ist Adamle überzeugt. Die Pandemie war ein Treiber für viele Entwicklungen, unter anderem für das Home-Office. Ein Fakt, dem auch die Hotellerie Rechnung tragen muss. In der Praxis gestaltet sich das laut Adamle so, dass „es in einem Hotel vielleicht nicht mehr die klassische Lobby geben wird, sondern einzelne Zonen, in denen man in Ruhe arbeiten kann und sich trotzdem als Teil einer Community fühlt.” Staycation ist ein Trend, der auch die Anforderungen an Wohnimmobilien verändert hat, berichtet Karina Schunker, EHL Wohnen, aus der Praxis: „Der Hotelcharakter fließt mittlerweile durchaus in das Wohnen mit ein. Die Immobilie von heute muss flexibel sein, um auf unterschiedliche Anforderungen reagieren zu können. Bereits heute gibt es einige Mixed-Use-Objekte mit Gemeinschaftsflächen und unterschiedlicher Nutzung.”
Der Blick in die Glaskugel
Die Konzept-Zyklen werden vermutlich nicht kürzer werden, ist sich die Runde einig. Was aber zunehmend eine Rolle spielen wird, ist der Fakt, wie nachhaltig ein Hotel ist. Das wird irgendwann die gleiche Relevanz wie ein funktionierendes WLAN vor Ort haben, ist Adamle überzeugt. „Nachhaltigkeit wird ein Buchungskriterium werden und der Gast wird in Zukunft nicht mehr dafür bezahlen wollen, vergleichbar mit der Entwicklung bei frei verfügbarem WLAN.” Ein Thema, das auch den Business Traveller betreffen wird, denn in naher Zukunft wird die Buchung einer nachhaltigen Unterkunft für Geschäftsreisen klare Firmen Policy sein. Patricia Kuhn, Erste Bank, gibt zu bedenken, dass auch die Generation Y älter werden wird und sich dann womöglich die Ansprüche ändern: „Jugendliche buchen auch aus Kostengründen Airbnb-Unterkünfte, kann
und wollen sie sich dann aber ein Hotel leisten, muss dieses auf jeden Fall nachhaltig sein, zumal das Thema Klimawandel, gerade bei den jüngeren Generationen einen hohen Stellenwert hat.” Wer über die Zukunft der Hotellerie spricht, kann sich der Digitalisierung nicht verschließen, ist Harald Hafner, HAM independent hospitality & tourism advisors, überzeugt. „Das zweite Thema, das hier greift, ist der extreme Mitarbeitermangel in der Hotellerie. Dem kann man einerseits abhelfen, indem man die Hotellerie für den Mitarbeiter attraktiver gestaltet. Das kann man aber auch lösen, indem man auf Mensch und Maschine setzt – sogenanntes Coboting. Denn gewisse Routinearbeiten lassen sich durchaus automatisieren.” Schunker pflichtet Hafner bei, wirft aber ein, dass am Ende des Tages der Fokus darauf liegen sollte, dem Kunden eine bessere Experience zu ermöglichen. „Der Nutzen durch die Digitalisierung muss auch für den Kunden greifbar sein und nicht nur für den Hotelier.” Auch das Gastronomiekonzept eines Hotels wird in naher Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen. Die Pandemie hat gezeigt, dass ein gutes Gastrokonzept auch ohne Tourismus überleben kann. Die Ferienhotellerie kann diesen Spagat vor allem durch mehr Regionalität bewältigen. Auch das unterschiedliche Konsumverhalten der Generationen sei nicht zu vernachlässigen, so Wolfgang Mader, BDO: „Man sieht an dem Trend zur Sharing Economy, dass der der jün-
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Positionen & Meinungen
„Die Hilfspakete haben in vielen Fällen das Sterben von Betrieben verhindert.“ Gernot Ressler, EY Österreich
„Distressed Assets in größerer Zahl gibt es nur in Südeuropa.“ Daniel Jelitzka, JP Immobilien
geren Generationen der Besitz weniger wichtig geworden ist und sich die Präferenzen stärker in Richtung Erlebniskonsum entwickeln. Daher werden junge Leute schon eher bereit sein, Geld in Reisen und somit Erlebnisse zu investieren, da man sich kein Auto mehr kauft oder für andere Dinge spart.”
Abgesänge unangebracht
„Wertberichtigungen waren, wenn überhaupt, nur vorübergehend auszumachen.“ Michael Buchmeier, ÖRAG
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ImmoFokus
Zwar habe die Coronakrise den österreichischen Hospitalitymarkt mit voller Wucht getroffen, dank der umfassenden staatlichen Hilfspakete sei er aber grundsätzlich ganz gut aufgestellt, so der Grundtenor in der Expertenrunde. Und, vorausgesetzt die Omikron-Welle findet ein Ende, zeigt sie sich auch bezüglich einer Erholung der Branche guter Dinge. Wenngleich sich diese bei City-Hotels wohl nicht vor 2023, 2024 einstellen würde – anders als in der Freizeithotellerie, die bekanntlich bereits über die vergangenen beiden Sommer boomte und aufgrund dieser Resilienz auch zum Investmentziel institutioneller Investoren wurde.
Keine Pleitewelle
„Das Kernproblem ist, dass viele Hoteliers geglaubt haben, dass die Coronakrise bald vorbei sein wird, und bei nicht kostendeckenden Auslastungszahlen – finanziert mit Eigenkapital – offengehalten haben“, erklärt Daniel Jelitzka (JP Immobilien). Das habe vorübergehend zu einer Liquiditätskrise geführt. Dennoch sei in Österreich nicht von einer großen Pleitewelle auszugehen. „Die Hilfspakete haben in vielen Fällen das Sterben von Betrieben verhindert, nicht wenige waren davor schwer angeschlagen“, fügt Gernot Ressler (EY Österreich) hinzu. Die üppigen Unterstützungsmaßnahmen für die Branche zeigen Wirkung: Auswirkungen auf die Bewertungen – Experten sprachen am Höhepunkt der Krise von einem Rückgang zwischen zehn und 20 Prozent – waren, wenn überhaupt, nur vorübergehend auszumachen. „Das Einzige, was ein bisschen eine Wertberichtigung gebracht hat, waren die Nachver-
einbarungen mit den Pächtern beziehungsweise die zugestandenen Mietfreizeiten“, so Michael Buchmeier (ÖRAG). Wie Herwig Peham (EHL Investment Consulting) festhält, hätten in den letzten zwei Jahren in Wahrheit ohnehin praktisch keine Investments stattgefunden, die Bewertungsrückgänge aufzeigen hätten können.
Neue Player drängen in den Markt
„Die Schnäppchen, die sich viele auf Investoren-, aber auch Betreiberseite erwartet haben, hat es de facto nicht gegeben – in der Ferienhotellerie sowieso nicht, und auch in der Stadthotellerie nicht“, so Peham weiter. Optimistisch stimmt jedenfalls, dass Karl Derfler (Adeqat Investment Services) trotz der nicht einfachen Situation der Branche, aktuell viel Dynamik im Markt ausmacht. „Nach wie vor drängen viele neue Player, vor allem auf der Betreiberseite, in den Markt hinein“, so der Investmentexperte.
Distressed Assets in größerer Zahl gibt es nach Einschätzung von Jelitzka nur in Südeuropa. „Für den JPI Hospitality Investors Club haben wir seit dem letzten Herbst über 700 potenzielle Projekte in ganz Europa geprüft. Davon waren 400 in Südeuropa und 250 alleine in Italien“, berichtet er. Das sei einerseits auf das Fehlen guter Konzepte zurückzuführen. Und anderseits wären Erträge jahrelang in die eigene Tasche geflossen, was sich natürlich auf die Qualität der Bilanz ausgewirkt habe. Das falle diesen Häusern angesichts der neuen EZB-Finanzierungsbedingungen für Banken nun auf den Kopf.
ESG: Noch reichlich Luft
Klar ist für die Experten auch, dass es in Sachen ESG in der heimischen Hotellerie noch reichlich Luft nach oben gebe – vor allem, was das „S“ und „G“ betreffe. Dass Handlungsbedarf besteht, stehe jedenfalls außer Frage. Zum einen würde man keine vernünftigen Bankfinanzierungen für nicht ESG-konforme Projekte bekommen. Zum anderen würde man am Ende des Tages auch keinen
„Die Schnäppchen, die sich viele erwartet haben, hat es de facto nicht gegeben.“ Herwig Peham, EHL Investment Consulting
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Positionen & Meinungen
nommen. „Die Preisvorstellungen sind exorbitant hoch. Die Ferienhotellerie ist durch Familienbetriebe geprägt. Institutionelle Investoren haben es hier schwer, einzusteigen. Auch weil die Renditeansprüche der Investoren nur schwer zu erzielen ist.“
„Nach wie vor drängen viele neue Player, vor allem auf der Betreiberseite, in den Markt hinein.“ Karl Derfler, Adeqat Investment Services
Investor finden, der zu einem guten Preis ein nicht Taxonomie-konformes Hotel kaufen würde. Durch den Trend zum ländlichen Urlaub im eigenen Land sei das Interesse der Investoren geweckt worden. „Die klassischen Ferienimmobilien sind aber durch kleinteilige Finanzierungsmöglichkeiten gekennzeichnet, daher ist Buy-to-let für viele institutionelle Investoren zu klein“, dämpft Stephan Pasquali (3SI Immogroup) die Euphorie. „Große Investoren brauchen investor-taugliche Betreiber“, pflichtet Franz Pasler (PK & Partner Hotel Specialists) bei. Oft sind die bestehenden Betriebsstrukturen zu klein und neue Bewilligungen für Erweiterungen schwer zu erhalten. Viele Investoren sind von den Stadtimmobilen verwöhnt. Die Ferienhotellerie ist aber deutlich komplexer, schon alleine aufgrund der Saisonabhängigkeit und dem mannigfaltigen Angebot, das Gäste erwarten. Für Pasquali ist Direct Booking der Megatrend der Hotellerie. „Kleine Betriebe verlieren aber einen Großteil ihres Gewinnes durch die Provisionen der Marktplattformen“, gibt er zu Bedenken.
Individualisierung durch Digitalisierung
„Individuelle Konzepte sind die Chance für kleine private Hotelbesitzer“, ist Marcel Weber (Arnold Immobilien) überzeugt. „Gerade sie können individuelle Konzepte viel leichter entwickeln und umsetzen.“ Die Nachfrage an Ferienhotels – sowohl bei institutionellen wie privaten Investoren – habe während der Pandemie zuge-
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ImmoFokus
„Individualität wird in der Stadt- und Ferienhotellerie immer wichtiger“, pflichtet Daan Bakkens (Colliers International). Für Franz Pasler (PK & Partner Hotel Specialists) brauche die Ferienhotellerie dringend einen Unique Selling Proposition (USP). Die Zeiten, in denen sich in die Jahre gekommenen Betriebe nur über den Preis definieren konnten, sind durch den Aufschwung des Internets vorbei: „Diese Angebote werden einfach weggeklickt.“
„Direct Booking ist der Megatrend der Hotellerie.“ Stephan Pasquali, 3Si Immogroup
Nachhaltigkeit im Tourismus
„Die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Regionalität nimmt bei der jüngeren Generation immer mehr zu“, sieht Alexander Zemina (JP Immobilien) für kleinere Unternehmen eine große Chance. Aber auch institutionelle Anbieter fordern schon vor dem Kauf Nachhaltigkeits-Zertifikate, sowohl von der Immobilie als auch vom Betreiber. „Österreich könnte ein Vorreiter im Thema Nachhaltigkeit im Tourismus sein und somit das Bild des österreichischen Tourismus international prägen“, so Bakkens.
Leisure and Pleasure
„Die Pandemie hat gezeigt, dass man nicht immer im Büro arbeiten muss“; so Zemina. Warum also nicht zwei oder drei Monate das Home-Office gleich in einer anderen Stadt aufschlagen? Bakkens: „Leisure and Pleasure – unter der Woche arbeiten und am Wochenende eine neue Stadt erkunden.“ Auch bei den Investoren habe ein Umdenken eingesetzt. „Fixpachtverträge hat es in der Ferienhotellerie nie gegeben. Risk Sharing ist angesagt – vermehrt nun auch in der Stadthotellerie“, erklärt Pasler. Nicht nur bei institutionellen Investoren sind vor allem Ganzjahres-Destinationen gefragt. „Wer in Bad Ischl oder Gmunden in ein Hotel investiert, muss zuerst die Destination entwickeln.“ „Bei vielen institutionellen Investoren ist aber auch das Know-how noch nicht da, um in eine Umsatzpacht hineinzugehen“, wirft Bakkens ein. „Investoren wollen sich nicht mit dem
„Buy-to-let ist für institutionelle Investoren zu klein.“ Daan Bakkens, Colliers International
„Individualität wird sowohl in der Stadthotellerie wie in der Ferienhotellerie immer wichtiger.“ Alexander Zemina, JP Immobilien
„Institutionelle Anbieter fordern vor dem Kauf die NachhaltigkeitsZertifikate, sowohl von der Immobilie wie vom Betrieb.“ Franz Pasler, PK & Parter Hotel Specialists
„Ferienhotellerie braucht dringend ein Unique Selling Proposition (USP) – die Investoren sind von den Stadtimmobilen verwöhnt.“ Marcel Weber, Arnold Immobilien
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Positionen & Meinungen
Hotelbetrieb auseinandersetzen. Sie wollen auf Fixpachten nicht verzichten.“ Beide sind sich aber einig, dass Hybrid-Verträge stärker in den Fokus rücken werden. Zum Schluss kommt die Runde noch einmal auf das Thema Buy-to-let zu sprechen. Zemina glaubt, dass diese Finanzierungsform für Investoren aufgrund der nicht mehr erlaubten Zweitwohnsitze interessanter werden wird. Franz Pasler pflichtet dem bei und sieht Buyto-let in der Ferienhotellerie für eine echte Chance für alte, renovierungsbedürftige Hotels. Er hält aber auch fest, dass die Politik hier leider nicht mitspielt: „Es sind kaum mehr Bewilligungen zu erhalten.“
Digitalisierung in der Hotellerie
Bleibt die Gastlichkeit bei der ganzen Digitalisierung nicht auf der Strecke? „Wir sehen die Digitalisierung in der Hotellerie als Serviceangebot“, so Ari Benz (Squarebytes). „Viele Nutzer sehen sich gerne das Zimmer vorab an und buchen es dann. Wir haben ein zusätzliches Servicetool entwickelt: Schauen sich die Kunden die Oper an, bekommen sie als Vorschlag die Möglichkeit, Tickets online zu kaufen. In der gehobenen Hotellerie ist das persönliche Service trotz aller Digitalisierung gefragt.“ Stevan Tomic (Payuca) gefällt der Slogan „Digital statt Personal“ nicht. „Digitalisierung sollte entlasten und eine gewisse Effizienz bringen, aber nicht Personal reduzieren. Eine reine digitale Berührung mit dem Gast ist bei einem Business-Trip akzeptiert, aber bei privaten Reisen zählt das Persönliche und die Nähe zur Region, obwohl der Erstkontakt digital ist.“ „Facilitymanagement ist eine Leistung, die im Hotel nicht gesehen werden soll, sondern die Technik soll funktionieren. Digitalisierung kann Reaktionszeiten und Prozesse verkürzen und die Qualität der Mitarbeiter heben, weil sie mit digitalen Medien umgehen müssen“, so Werner Moldaschl (Wisag). Für Andreas Millonig (IMMOunited) steht Booking.com für den Wandel in der Branche. „Alles, was rund um die Buchung ist, wird immer mehr digitalisiert, aber vor Ort will ich auch nicht mit Maschinen reden“, so Millonig. „Praktisch wäre es aber durchaus, dort eine leicht zu bedienende App zu haben, mit der ich einen Tisch im Hotelrestaurant buchen oder einen Aperitif vor-
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ImmoFokus
„Wir würden es begrüßen, wenn mehr Digitalisierung in Hotels verbaut werden würde, leider haben da Errichter und Betreiber unterschiedliche Interessenlagen.“ Werner Moldaschl, Wisag
bestellen kann. Das entspricht dem heutigen Nutzerverhalten.“
Übernehmen die Buchungsplattformen?
„Bei jeder Buchung und Reservierung bekommt man eine digitale Bestätigung. Das wollen viele“, so Tomic. „Wichtig ist es, durch Digitalisierung die Verwaltung zu entlasten.“ Benz fügt hinzu, dass man sehr wohl nach Kategorien differenzieren muss. „Im unteren Bereich erwarte ich mir kein Service, da buche ich einfach ein Zimmer.“ Für Moldaschl ist es wichtig, dass das Menü auf den Buchungsplattformen intuitiv zu nutzen ist. Die Runde findet ideal, dass man sich die ausgedruckten Buchungen spart und stattdessen alles im E-Mail hat. „Die Buchungsplattformen funktionieren ja deshalb so gut, weil sie sofortige Lösungen bringen“, ergänzt Millonig. „Das ist das Shut-up-and-
take-my-money-Phänomen, jetzt will ich, jetzt krieg ich.“ Die Marktmacht der Plattformen kommt nicht von ungefähr. „Booking.com macht 1.000 A/B-Testings in der User Experience im Monat auf ihrer Plattform und prüft, welche Features die höchste Conversionrate haben“, so Millonig. „Das wird sogar landesspezifisch angepasst.“ Für Tomic ist klar, dass die kleinen Hotels und Appartementanbieter nicht übrigbleiben werden, eben weil sie sich auf einer Buchungsplattform präsentieren. Wichtig sind nur Verträge, die verhindern, dass das gleiche Zimmer auf einer großen Plattform günstiger angeboten wird als direkt beim Hotel. „Die Chancen- und Preisgleichheit ist wichtig, dann leistet die Plattform einen wichtigen Beitrag zum Vermarkten des Hotels“, ergänzt Millonig.
„Es ist spannend, Digitalisierung einzusetzen, um ein Wohlfühlen der Gäste zu erzielen und Erlebnisse zu optimieren.“
„Eine reine digitale Berührung mit dem Gast ist bei einem Business-Trip akzeptiert, aber nicht bei privaten Reisen.“
Andreas Millonig, IMMOunited
Stevan Tomic, Payuca
Eine spannende These tut sich auf: „Vielleicht wird Booking.com auch einmal eigene Hotels betreiben, ausschließen kann man das nicht“, so Millonig. „Mjam betreibt schon eigene Restaurants, wo nur gekocht und geliefert wird.“ Als Problem sieht die Runde, dass die Marktmacht der Plattformen dadurch weiter steigen würde, weil diese Suchergebnisse gezielt pushen können.
Überdigitalisierung?
„Die Menschen müssen lernen, mit Digitalisierung umzugehen und auch nicht erreichbar zu sein“, so Benz. „Es würde uns nicht schaden, das Mobiltelefon um 50 Prozent weniger zu nutzen, aber wir schaffen es nicht, weil wir immer sofort die News haben wollen, die wir bekommen.“ Handyfreie Hotels könnten durchaus auch ein Asset sein, wirft Millonig ein.
„Wir sehen die Digitalisierung in der Hotellerie als Serviceangebot und bieten ein zusätzliches Servicetool nach den Präferenzen des Buchenden.“
Moldaschl schwenkt wieder zurück auf die Digitalisierung in der Technik. „Wir würden es begrüßen, wenn mehr Digitalisierung in Hotels verbaut werden würde, leider haben da Errichter und Betreiber unterschiedliche Interessenlagen. Die Frage ist, wie rasch sich die Digitalisierung in der Gebäudetechnik so ausweiten wird, dass die Mess- und Steuerungselemente wesentlich günstiger und zum Standard, nicht zum Sonderwunsch werden“, so Moldaschl. „Interessant wird es, wenn das Nutzungsverhalten von Personen optimiert wird, zum Beispiel durch eine Analyse von Bewegungsströmen.“ Millonig findet es besonders wichtig, das emotionale Erlebnis des Gasts mit einzubeziehen. „Da wird es spannend, Digitalisierung einzusetzen, um ein Wohlfühlen zu erzielen und Erlebnisse zu optimieren, die ja schlussendlich zu einer Top-Bewertung führen.“
Ari Benz, Squarebytes
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Zum Autor Frank Schneider ist seit 2021 Geschäftsführer von Pipelife Austria, davor war er Geschäftsführer von ThyssenKrupp Materials Austria. Weitere Stationen: Knauf und ETEX-Gruppe. Er erwarb einen Executive MBA in New York und Brüssel.
Kreislaufwirtschaft bei Kunststoffrohren Kommentar: Frank Schneider
In einem österreichweiten Netz von Rücknahmestellen des Österreichischen Arbeitskreises für Kunststoffrohrrecycling (ÖAKR) werden gebrauchte Rohre und Formstücke sowie Rohrreste übernommen. Denn die Kunststoffrohre stellen nach Ablauf ihrer hohen Nutzungsdauer von bis zu 100 Jahren eine wertvolle Rohstoffquelle dar. Diese werden von einem Partner nach Rohstofftypen sortiert, gereinigt und zu Mahlgut aufbereitet. Das Ergebnis ist in Bezug auf erzeugerspezifische Rezepturen und Produktionschargen gemischt. Darüber hinaus ist auch ein gewisser Verunreinigungsgrad nicht zu vermeiden. Das Recyclat lässt sich daher nicht uneingeschränkt zu Kunststoffrohren verarbeiten, zum Beispiel nicht mehr zu Druckrohren für Trinkwasser oder Gas. Sehr wohl ist es jedoch für die Produktion von Kabelschutzrohren geeignet, wenn es die jeweilige Spezifikation zulässt. Pipelife Austria hat im Jahr 2021 etwa 700 Tonnen Recyclat-Material zugekauft, der Großteil davon wurde für Kabelschutzrohre eingesetzt.
Wissen, was drin ist
Im Unterschied zu zugekauftem Recyclat, das aus verschiedenen Ausgangsprodukten besteht, ist die Weiterverwendung von sogenanntem Umlaufmaterial etwas einfacher. Im Produktionsprozess anfallende Kunststoffreste werden direkt im Werk gesammelt, aufbereitet und wieder zu Rohren verarbeitet. Der Hersteller kennt die Zusammensetzung des Materials genau, daher stehen mehr Möglichkeiten zur Wiederverwendung zur Verfügung.
Pipelife Austria hat im Jahr 2021 etwa 99 Prozent des Umlaufmaterials wiederverwertet. Was ist notwendig, um den Anteil an Rohren aus recycelten Materialien zu erhöhen? Eine gemeinsame Entwicklungsinitiative aller Beteiligten: die Rohstoffhersteller, die Erzeuger von Kunststoffprodukten durch recyclingfähiges Produktdesign, die Betreiber von Sammelsystemen und die Recyclingunternehmen. Jeder Einzelne muss hier Beiträge leisten – zum Beispiel durch neue Rohstofftypen mit beigemengtem Recyclat mit definierter technischer Spezifikation und gleichbleibender Qualität. Andere Maßnahmen sind die Verbesserung der mechanischen Recyclingverfahren bzw. die Entwicklung von größeren Anlagen für chemisches Recycling.
Qualität ist Voraussetzung
Im Sinne von Nachhaltigkeit und effizientem Einsatz öffentlicher Mittel ist auch bei Recyclateinsatz die technische Performance der Produkte ein absolutes Muss. Zur Erhaltung einer langen Nutzungsdauer und für geringe Lebensdauerkosten des gesamten Bauwerkes muss der Fokus auch bei Verwendung von Recyclaten auf einer hohen Qualität liegen. Was können Auftraggeber wie zum Beispiel eine Stadt oder Gemeinde tun, um die Kreislaufwirtschaft zu fördern? Sie können bei Ausschreibungen im Siedlungswasserbau die Einhaltung der Österreichischen Güteanforderungen für Erzeugnisse im Siedlungswasserbau (ÖGA) einfordern. Diese Kriterien stellen eine lange Nutzungsdauer der Produkte sicher und fordern verpflichtend geeignete Sammel- und Wiederverwertungssysteme der Hersteller.
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Zum Autor Valentin Engelbert ist als Rechtsanwaltsanwärter bei HSP. law tätig. Er ist spezialisiert auf öffentliches und privates Baurecht, mit besonderem Fokus auf Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft.
Kreislaufwirtschaft – Cradle to Cradle in der Immobilienwirtschaft – Legistische Herausforderungen Kommentar: Valentin Engelbert
Im Umgang mit dem Klimawandel sind umfassende Änderungen hin zu einer klimaneutralen, ressourcenschonenden und nachhaltigen Immobilienwirtschaft unumgänglich. Das bedeutet insbesondere auch in der Immobilienwirtschaft Ressourcen und Materialien eines Produktes nach dem Ablauf seiner Lebensspanne – soweit es geht – weiterhin in der Wirtschaft für andere Zwecke zu nutzen und damit Abfälle auf ein Minimum zu reduzieren. Mit dem Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft setzte die EU 2020 einen großen Schritt in Richtung einer kreislauffähigen Wirtschaft. Dabei wurde einer der inhaltlichen Schwerpunkte des Aktionsplans auf die Immobilien- und Bauwirtschaft gelegt, da dieser Bereich momentan zu den ressourcenintensivsten Branchen überhaupt zählt. Auch auf nationaler Ebene erkannte man schon früh, dass gerade im Bausektor weitgehender Handlungsbedarf besteht, um von einem linearen zu einem zirkulären System der Ressourcenverwendung zu gelangen.
Ressourcenmanagement ist gefragt
Eines der obersten Ziele der nächsten Jahre ist es deshalb, ein effizientes Ressourcenmanagement zu schaffen, das die Produktion von Abfällen weitestmöglich verhindert und im Gegenzug die Wiederverwendbarkeit von Materialien fördert. Um eine bestmögliche Umsetzung dieses Zieles gewährleisten zu können, ist es daher wichtig, bereits bei der Planung von Gebäuden anzusetzen, da in dieser Phase der größte Spielraum für Dispositionen besteht. Werden Gebäude kreislauforientiert geplant, ausgeschrieben,
errichtet und saniert, kann eine maximale Materialtransparenz gewährleistet werden. Das bedeutet unter anderem auch, dass mit dem Wissen darüber, welche Materialien wann, wo und wie in Gebäuden verbaut wurden, eine Wiederverwendbarkeit von Bauteilen im Nachhinein leichter fällt und Ressourcen geschont werden können.
Es braucht Gesetzesänderungen
Aus rechtlicher Sicht stellt die Kreislaufwirtschaft eine rechtliche Querschnittsmaterie dar, welche sich in sämtliche Bereiche und Aspekte des Bauwesens zieht. Es gilt daher, Rahmenbedingungen und Anreize in Gesetzen zu schaffen, die eine Hebelwirkung für die standardmäßige Etablierung von kreislauforientiertem Bauen entfalten. Nicht zuletzt werden nach einer ausreichenden Evaluierungsphase voraussichtlich Kriterien für zirkuläres Bauen Eingang in die einschlägigen Baugesetze finden und entsprechende öffentliche Förderungen für kreislauffähige Bauprojekte implementiert. Ein Beispiel für die Notwendigkeit der Implementierung solcher Regelungen ist das Ziel der Stadt Wien bis 2050 80 Prozent der Bauteile und Materiealien von Abrissgebäuden und Großumbauten wiederverwenden bzw. verwerten zu können. Nur durch die Unterstützung von gesetzlichen Regelungen wird dieses hochgesteckte Ziel erreichbar sein. Erste diesbezüglich Konzepte finden sich bereits in Ausarbeitung, welche konkreten Erfordernisse gesetzlich normiert werden, bleibt jedoch abzuwarten.
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Die bewegte ImmoWirtschaft Regelmäßige Kolumne über Fakten und Inhalte, die verändern und prägen.
#29
Staffelübergabe und der nächste Schritt Kommentar: Philipp Kaufmann
Meine Familie hatte in den letzten Wochen eine intensive Zeit und wir kamen kaum zum Atem holen. Wie viele wissen, spreche ich von meinem Vater, der zuerst leider krank war und schlussendlich am 06. 02. 2022 verstorben ist. Die Sorge um ihn und die letzten Stunden mit ihm sowie die Aufgaben im Anschluss an seinen Tod haben vor allem meinen Bruder Fabian und mich eng zusammengeschweißt. Selten zuvor hatten wir so viele gemeinsame Interessenslagen und so viel Zeit zusammen verbracht. Zu Lebzeiten gab es unter uns Brüdern (leider) eine natürliche Konkurrenz. Jeder wollte seinem Vater den größeren Deal, das bessere Geschäft präsentieren, und dieses Verhalten entzweite uns mehr als es uns verband. In den letzten Wochen war dieses Verhalten nicht mehr relevant und es ging nur mehr um die wahrhaft wichtigen Aufgaben im Leben. So traurig diese Wochen und Tage waren, so sehr habe ich die Nähe und den Zusammenhalt genossen.
Staffelübergabe
Jetzt, wo der erste Schock überstanden ist, kommen mir Gedanken, die mir neu sind: Ich bin der älteste Kaufmann in unserer kleinen Familie. Es liegt an mir, Entscheidungen zu treffen, und ich kann nicht mehr un-
seren Vater anrufen, ihn einfach fragen, ihn involvieren. Ich war nicht immer seiner Meinung, aber ich wusste, dass ich ihn als Sicherheitsnetz und Sparring-Partner an meiner Seite hatte. Entscheidungen, die ich gegen seine Überzeugung getroffen habe, bereiteten mir oft insgeheim einen schelmischen Spaß, oftmals waren wir aber auch gleicher Überzeugung. Diese Abstimmungsprozesse beruhigten mich ungemein, und er gab mir ein Fundament, welches mir jetzt plötzlich entzogen wurde. Ich habe viel von ihm gelernt und war auch schon in den letzten Jahren „selbständig“ – aber bei großen Entscheidungen suchte ich dennoch seinen Rat und mehrmals täglich hörte ich seine Stimme. Dies fehlt mir schon jetzt. Ich habe mich in den letzten Tagen dabei ertappt, etwa bei einem spannenden Fußballspiel, seine Durchwahl zu wählen. Schmerzhaft musste ich feststellen, dass ich mich nicht mehr mit ihm über eine vergebene Chance oder eine hundertprozentige Fehlentscheidung eines Schiedsrichters austauschen kann. Aber auch die Freude über einen unerwarteten Sieg unseres gemeinsamen Vereines kann ich nicht mehr mit ihm teilen. Und, offen gesprochen, machte es gemeinsam einfach mehr Spaß. Das ist der Lauf des Lebens, und mit meinem Bruder und mir ist jetzt die nächste Generation am Zug.
Honorarkonsul Architekt Professor DI Wolfgang Kaufmann Geboren in Horn in Niederösterreich studierte der Linzer Wolfgang Kaufmann in München und gründete 1972 das Architekturbüro Haas Kaufmann & Partner. Architekt Kaufmann setzte mehr als 500 Bauprojekte im In- und Ausland um und prägte mit seinen Werken die Skyline seiner Heimatstadt Linz.
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ImmoFokus
Fotos: Gottfried Poessl
(08.03.1947-06.02.2022)
Zum Autor Michael Pisecky ist Geschäftsführer der s Real und Obmann der Wiener Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder.
Günstig und bald kalt – teuer und noch zeitgemäß? Kommentar: Michael Pisecky
Wir (er)leben in einer Branche, der es seit 15 Jahren trotz Finanzkrise und nun Gesundheitskreise ziemlich gut geht. Dazu kommen noch externe Faktoren, die immer wieder diese Entwicklung gefördert haben: Nach der Finanzkrise der Wunsch in Sachwerte zu veranlagen. Das extrem niedrige Zinsniveau und die Erhöhung der Geldmenge durch die Zentralbanken, welche die Nachfrage und das Investment in Immobilien gesteigert haben. Der Wunsch im Eigentum und auch im Grünen zu wohnen. Wie gehen wir als Gesellschaft und auch als Mitglieder der Branche damit um? Die Investitionen in Immobilien stiegen jährlich, mittlerweile auf über 40 Milliarden Euro in Österreich. Die Neubauleistung ist so hoch wie noch nie, die Preise steigen getrieben von der Nachfrage, der Grundstücksknappheit und den steigenden Baupreisen weiter.
Grundlegende Denkfehler
Das leistbare Wohnen, seit über zehn Jahren politscher Dauerbrenner, erhält durch die Entwicklung im Immobilienmarkt laufend neue Treiber. Es ist falsch, dass die Mietkosten, wie AK und Mietervereinigung publizieren, um 100 Prozent gestiegen sind. Es ist unverständlich, warum die Indexanpassung bei Richtwertmieten wieder ausgesetzt werden soll. Es ist in einer sozialen Marktwirtschaft nicht adäquat eine Mietpreisregelung für alle Wohnungen zu erreichen, Stichwort Universalmietrecht. Es führt zu einer weiteren Senkung der Sanierungsrate und damit zu einer Verschlechterung der Häuser sowie einem Stopp der Verbesserungsinvestitionen – somit läuft es gegen alle Bemühungen rund um die Klima- und Umweltpolitik. Wir laufen Gefahr, dass günstig Wohnen bald nicht mehr beheizbar ist, was dem Wort Kaltmiete eine neue zynische Bedeutung einräumt. Der Immobilienbereich ist zwar „nur“ für ein Drittel der CO₂- Emissionen verantwortlich, aber die Umstellung erfordert mehr als zwei Drittel der Investitionen, die insgesamt für
die Erreichung der Klimaziele erforderlich sind. Warum sollen all jenen, die jetzt schon günstig wohnen, auch noch eine reale Mietermäßigung beschert, Investitionen verhindert und der Bestand an Wohnungen verschlechtert werden? Da ist die Sache der Mietervertreter nicht zu Ende gedacht. Soll am Ende die öffentliche Hand mit Riesenförderungen sanieren müssen? Das ist ein teurer Weg!
Weltfremdheit der Politik
Die Forderung der Wiener FPÖ, die Stadt Wien möge garantieren, dass die Mieten im Gemeindebau nicht indexiert werden, ist der Gipfel dieser Forderungen. Die Stadt Wien kann jetzt schon die Erhaltung und Verbesserung ihrer Häuser nicht zur Gänze aus den Mieteinnahmen finanzieren, sondern braucht dazu auch Sanierungsförderungen aus dem Budget. Und zum Universalmietrecht: Jetzt gilt die Preisregelung nach dem Errichtungsjahr des Wohnhauses, das wirkt mittlerweile willkürlich. Im Universalmietrecht soll es nach 20, 30 oder mehr Jahren automatisch erfolgen. Die Vergemeinschaftung des Wohnbaus ist die Folge, nur noch die Erhaltung nicht die Verbesserung der Häuser ist die Folge, somit wiederum Sanierungsrückstand. Es wäre nahliegend den Zustand des Hauses als Kriterium heranzuziehen, um in Zukunft alle Gebäude in einem Zustand zu wissen, die den Klimaerfordernissen standhalten. Das ist billiger als nachher öffentlich zu sanieren. Und um die Leistbarkeit zu gewährleisten, hören wir bitte mit dem Gießkannenprinzip auf. Aktuell sind alle Altmieter die Profiteure des geltenden Mietpreisregimes. In Zukunft sollen alle beitragen, dass die Häuser einen zeitgemäßen Zustand aufweisen und Personen, die eine Unterstützung brauchen und diese im sozaalen Wohnbau nicht finden, soll ein Mietzuschuss solange er wirklich benötigt wird, gewährt werden. Das wäre günstiger, umweltadäquat und sozial treffsicher. Ich freue mich drauf!
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Zum Autor Hans Jörg Ulreich, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Ulreich Bauträger GmbH, Bauträger sprecher Österreich, Lektor an der TU Wien und FH Wien.
Der böse Wolf Kommentar: Hans Jörg Ulreich
Auch Gentrifizierung ist natürlich ein großes Thema, denn offensichtlich ist die private Immobilienwirtschaft nicht nur ein schwindelerregender Preistreiber, sondern auch noch ein die Menschen mit wenigem Einkommen Vertreiber. Manchmal werde ich sogar vor einem Interview im Vorbereitungsgespräch von den Redakteuren darauf hingewiesen, dass mein Part in der Story wohl der undankbarste sein wird. Es sei gar nicht möglich, als Branche gut auszusteigen, da in den Berichten gleichzeitig Alleinerzieher oder hart arbeitende Familienväter vorkämen, die sich keine angemessenen Wohnungen mehr leisten könnten. Explodiert vor Zorn bin ich deswegen noch nicht, weil mir vollkommen bewusst ist, dass Journalisten es einfach nicht besser wissen können. Sie werden nahezu täglich seit Jahren immer von den gleichen Vorurteilen überschwemmt und ein Faktencheck ist aufgrund vieler fehlender oder unübersichtlicher Daten äußerst schwierig. Die vorgefassten Meinungen sitzen tief. Ich habe durchaus Verständnis, aber verstehen kann ich es nicht. Die Tatsache, dass Wohnen ein Grundbedürfnis ist und Politik sowie Gesellschaft die Ver-
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ImmoFokus
antwortung haben, dass Menschen leistbar wohnen dürfen, ist auch für mich in keiner Weise strittig. Ich zahle Steuern und möchte, dass damit sozialer Wohnbau, der ökologisch und nachhaltig ist, finanziert wird.
Vermieter am Pranger
Nicht verstehen kann ich aber, dass das kleinste Segment am Mietmarkt, nämlich der private Immobilienmarkt, Schuld daran haben soll, dass Menschen mit wenig Einkommen über keinen angemessenen Wohnraum verfügen. Ich habe noch nie eine Sendung im Fernsehen gesehen oder einen Artikel darüber gelesen, in welchem Taxifahrer dafür verantwortlich gemacht werden, dass sich Zug- und U-Bahn-Tickets verteuern. Oder der Bionobelbäcker interviewt wird, weil durch seine viel teureren Semmeln der Brotpreis steigt. In allen anderen Bereichen wird jeder Journalist ausschließlich die Politik in die Pflicht nehmen und die Branchenvertreter nur nach ihrer Expertise fragen. Nicht so in unserem Metier. Immer sind wir es, die Schuld daran sind, dass Preise steigen, alte Häuser der Abrissbirne zum Opfer fallen oder Eigenheime unleistbar werden.
Falsche Vorwürfe
Würde man die Vorwürfe gegen unsere Branche wirklich zu Ende denken, wären wir in Wahrheit mächtiger und gestaltender als jeder andere in diesem Land, ausgerüstet durch die Hoheitsgewalt der Wohnungsvergabe. Es folgt weiters der Fehlschluss, dass es in Österreich überhaupt kein Wohnungsproblem mehr geben würde, würde die vermeintlich böse private Immobilienwirtschaft nur endlich ihre Raubzüge beenden und sozial statt wirtschaftlich vermieten. Wir müssten – folgt man der Argumentation der Meinungsmacher – also als einzige Branche ganz gegen die unternehmerische Sorgfalt und ohne Gewinn wirtschaften.
Fotos: Sebastian Philipp, Adobe Stock
Mit der Zahl der Presseaussendungen und Veröffentlichungen der AK Wien über explodierende Mieten am privaten Wiener Wohnungsmarkt steigen auch bei mir als Funktionär der Fachgruppe der Vermögens- und Immobilientreuhänder der Wirtschaftskammer die Anfragen von Medienvertretern zum Thema Preisentwicklung am privaten Wohnungsmarkt und der Frage nach leistbarem Wohnraum.
© Eric Ferguson / Getty Images
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Vom Konferenzraum …
Niemand, wirklich niemand, kann das meiner Meinung nach ernsthaft als logisch oder vernünftig betrachten. Trotzdem baut jede an mich gerichtete Frage auf diesen Irrsinn auf. Wir sind zum Beispiel nicht für Gentrifizierung verantwortlich. Das Einzige, was wir vom Markt verdrängen, ist menschenunwürdiger, umweltverpestender Wohnraum. Und ja, es wäre notwendig und in Wien sogar möglich, jene Menschen, die in diesen Missständen in Kategorie Z Wohnungen gelebt haben und wenig bis kein Einkommen haben, in eine Sozialwohnung in unmittelbarer Nähe unterzubringen oder die Miete im Neubau entsprechend zu fördern.
Vergabe nicht sozial gerecht
Doch die Politik vergibt erstere nicht sozial gerecht und Wohnbeihilfe steht nur Menschen mit einem regelmäßigen Einkommen zu. Alle anderen erhalten in Summe zum Beispiel als Einzelperson 1.000 Euro für Wohnen und Leben in Wien. Damit wird es wirklich schwierig, eine Neubauwohnung mit 40 Quadratmeter monatlich zu bezahlen. Solange es durch die Politik erlaubt ist, ohne jede Einkommensüberprüfung auf Lebzeiten sozialen Wohnraum zu besetzen und Gemeindebauten nicht nachverdichtet werden, solange werden wir in Wien Gentrifizierung haben. Der Wolf, liebe Leser, und das hat sich jetzt gezeigt, sitzt nicht am privaten Wohnungsmarkt, er sitzt auch nicht im Detail – sondern mitten in den Versäumnissen der ach so großartigen öffentlichen Wohnbaupolitik. Und das auch noch zu Recht!
© Cultura / Getty Images
… bis zur Gebäudeautomation
Eine Plattform für Medientechnik, Gebäudeautomation und Entertainment: PC-based Control Medientechnik neu gedacht: Als Spezialist für PC-basierte Steuerungssysteme ermöglicht es Beckhoff mit einem umfassenden und industrieerprobten Automatisierungsbaukasten, Multimedia, Gebäudeautomation sowie Entertainmentkonzepte vernetzt und integriert umzusetzen. Mit der modularen Steuerungssoftware TwinCAT und direkter Cloudund IoT-Anbindung werden alle Gewerke von der A/V-Technik über die Gebäudeautomation bis hin zu Digital Signage Control, Device Management und Condition Monitoring, auf einer Plattform kombiniert. Hinzu kommt die maximale Skalierbarkeit aller Komponenten und die Unterstützung aller gängigen Kommunikationsstandards. So schafft Beckhoff die Grundlage für neue mediale und architektonische Erlebniswelten.
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GEBÄUDE
mit Geschichte-
GESCHICHTEN über Gebäude
(Folge1) Zum Autor Otmar Lahodynsky 67, war Journalist beim „profil“, EUKorrespondent der „Presse“ und Außenpolitik-Chef beim „Kurier“. Er ist Ehrenpräsident der „Association of European Journalists“ (AEJ) und Dr-Karl-Renner-Preisträger.
Schneller Brüter Kommentar: Otmar Lahodynsky
Der EU-Hauptstadt Brüssel fehlte lange ein Amtsgebäude, mit dem das Machtzentrum der Union mit 27 Mitgliedstaaten auch architektonisch verbunden werden kann. Seit 2017 präsentiert sich die EU mit einem neuen Gebäude im an Glaspalästen nicht gerade armen Brüssel: „Europa“ heißt es schlicht und ist eine würfelförmige Struktur, in deren Innerem eine mehrstöckige, 40 Meter hohe Amphore mit Platz für mehrere Konferenzsäle integriert wurde. „Schneller Brüter“ oder „Space Egg“ nennen Einheimische respektlos den Amtssitz des „Europäischen Rates“, also jener EU-Institution, in der die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten vertreten sind. Mindestens viermal im Jahr halten sie hier ihre Gipfeltreffen ab, um die gemeinsame Politik festzulegen. Koordinator und Hausherr ist der Belgier Charles Michel, amtierender Präsident des Europäischen Rates.
Gelebte Kreislaufwirtschaft
Das auffälligste Merkmal ist die Außenwand auf zwei Seiten des Würfels: Sie besteht aus hölzernen Fensterrahmen, die aus Abbruchhäusern in mehreren EU-Ländern gesammelt wurden. So entstand ein Mosaik aus Holzsprossen, das Nachhaltigkeit demonstrieren soll. Ein PhotovoltaikDach und die Nutzung von Regenwasser für die Toilettenanlagen sollen ebenfalls Umweltbewusstsein zeigen.
Für den neuen Amtssitz hat der belgische Architekt Philippe Samyn 2005 die Ausschreibung gewonnen. Vermutlich auch, weil er am Massachusetts Institute of Technology (MIT) zur Tragfähigkeit von Baumaterialien forschte. Die Idee mit der bauchigen Form für mehrere Konferenzsäle sei ihm nachts gekommen, erzählte Samyn. Denn die statischen Auflagen waren heikel: Die Grundfläche musste wegen einer unten liegenden UBahn- und Eisenbahnstation klein bemessen sein. Für die Innenausstattung holte Samyn den belgischen Künstler Georges Meurant ins Boot. Der sorgte mit bunten Quadraten und Rechtecken an Wänden, Decken und Fussböden für ein farbenfrohes Ambiente. Das neue Ratsgebäude war mit Baukosten von über 300 Millionen Euro nicht gerade billig. Aber auch der frühere Amtssitz, das nebenan liegende „Justus Lipsius“-Gebäude, wo weiterhin die Büros der über 4.000 Beamten des EU-Rates untergebracht sind, war teuer. Es hat zwar keinen Spitznamen, wurde aber dafür spöttisch mit dem Baustil unter Hitler oder Mussolini verglichen.
Fotos: xxx, Adobe Stock
Hinter der Holzfensterfassade steht die eigentliche Schutzhülle des Kubus, eine von Stahlträgern gestützte doppelte Glasfassade. Nachts strahlt dahinter die 13-stöckige Amphore, die mit tausenden LED-Lämpchen bestückt ist. So erscheint die EU-Machtzentrale transparent, ist aber gleich-
zeitig gegen Terroranschläge ausreichend gewappnet, auch durch dicke Betonmauern und Stahlträger. An die anderen Würfelseiten schließt ein Art-Déco-Bau aus den Zwanziger Jahren, der „Résidence Palast“ an, der aufwendig renoviert wurde und vor allem die Büros der Mitgliedsstaaten beherbergt. Bei der Gründung galt der Appartementbau mit Hallenschwimmbad und Jugendstiltheater als luxuriöse Wohnadresse.
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ImmoFokus
Zum Autor Andreas Köttl ist CEO der Value One, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) und Vize-Präsident der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE).
Nachhaltigkeit ist eine Notwendigkeit Kommentar: Andreas Köttl
Gebäude als Materiallager
Durch die Möglichkeiten der Digitalisierung und BIM (Building Information Modelling) können wir jeden Projektzyklus individuell optimieren und in der Entwicklung neue Wege gehen. Statt massiver Einwegbauten müssen zukunftsfitte, modulare Immobilienprojekte entstehen, die durch Flexibilität und intelligente Ressourcennutzung überzeugen. Mit Hilfe von Rohstoffda-tenbanken kann der Rohstoffwert von Gebäuden schon bei der Planung aufgezeichnet und die eingesetzten Materialen in der Zukunft weiterverwertet werden. Das Gebäude sollte als Materiallager verstanden werden, das einen wirtschaftlichen Mehrwert generiert und Res-sourcen schont.
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Rolle der Digitalisierung
Daten sind ein essenzielles Hilfsmittel bei der zukunftsfähigen Gestaltung von Immobilien. Wenn die Daten von neuen Entwicklungen vom Start weg erfasst werden, ist eine Wiederver-wertung und Aufbereitung der verbauten Materialien ökonomisch messbar und dadurch realisierbar. Wünschenswert wäre eine 80- bis 100%-ige Wiederverwertung des Rohstoffwerts einer Immobilie. So können auch Dritte jederzeit den möglichen Rohstoffwert einer Immobilie beurteilen und den Bestand in die Neuentwicklung miteinplanen. Vor allem die modulare Gestaltung von Gebäuden kann so ein wichtiger Faktor werden. Hier liegt auch der stärkste Hebel, denn zurzeit messen wir die Nachhaltigkeit einer Immobilie oft nach der Dauer des Bestands, doch mit intelligenter modularer Bauweise können sich Projek-te je nach Rohstoffwert und Wiederverwertungsquote dynamisch in den Kreislauf einbringen. Nachdem die Nutzungszeit eines Gebäudes abgelaufen ist, können die Rohstoffe einfach getrennt, recycelt und wieder in den Neubau eingebracht werden. Neben Wiederverwertung und digitaler Optimierung spielen auch die Konstruktion und der Einsatz von nachhaltigen Rohstoffen eine wichtige Rolle in der nachhaltigen Entwicklung von neuen Immobilienentwicklungen. Zum Beispiel kann der verstärkte Einsatz von Holz die Umweltbilanz eines Projekts stark senken, ohne dabei Abschläge bei Wertsteigerung oder Nut-zungsdauer in Kauf nehmen zu müssen.
Foto: Adobe Stock
Nachhaltigkeit hat sich auch in der Immobilienwirtschaft vom Goodto-have zu einer Notwen-digkeit entwickelt und die damit verbundenen EU-Fördermaßnahmen werden das Thema wei-ter in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken. Der Lebenszyklus der Immobilie lässt sich in vier Phasen einteilen: Planung, Errichtung, Betrieb, Verwertung. Diese Segmente sind wie Tortenstücke in einem geschlossenen System und ergänzen sich gegenseitig, daher sollte der Lebenszyklus wie ein Kreislauf gedacht werden statt wie bisher linear. Denn die Nachhal-tigkeit einer Immobilie geht weit über den Zeithorizont einer Immobilie hinaus. Man muss daher schon zu Beginn eines Projektes die Wiederverwertung der eingesetzten Rohstoffe mitbe-trachten. So wird Kreislaufwirtschaft automatisch implementiert und die notwendigen ESG-Ziele können projektübergreifend erfüllt werden.
Zum Autor ÖVI Präsident Georg Flödl ist geschäftsführender Partner von Funk Immobilien, seit langem in unterschiedlichen Funktionen in der Immobilienbranche tätig und Mitbegründer der ÖVI Young Professionals.
Kleine Änderungen – große Wirkung? Die Klimawende im Wohnungseigentum Kommentar: Georg Flödl
Gravierende Änderungen
Gleich zwei wichtige Mechanismen der Willensbildung im Wohnungseigentum werden von der Novelle grundlegend modifiziert: Für bestimmte Maßnahmen, die an sich nur einstimmig oder auf dem Ersatzweg durch Beschluss des Außerstreitrichters gegenüber den anderen Wohnungseigentümern „durchgesetzt“ werden können, gelten seit 1. Jänner 2022 neue Regelungen. Die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer soll als erteilt gelten, wenn diese von der geplanten Änderung durch Übersendung verständigt werden und der Änderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Verständigung widersprechen (Zustimmungsfiktion). Ein solches „Schweigen als Zustimmung“ wird nach dem neuen § 16 Abs gelten für
• die barrierefreie Ausgestaltung eines Wohnungseigentumsobjekts oder von allgemeinen Teilen der Liegenschaft • die Anbringung einer Vorrichtung zum Langsamladen eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs • die Anbringung einer Photovoltaikanlage oder Solaranlage an einem als Reihenhaus oder Einzelgebäude errichteten Wohnungseigentumsobjekt • die Anbringung von sich in das Erscheinungsbild des Hauses harmonisch einfügenden Vorrichtungen zur Beschattung eines Objekts • den Einbau von einbruchsicheren Türen
Vereinfachungen
Die Willensbildung in der Eigentümerversammlung (oder im Umlaufbeschluss) wird generell vereinfacht: Die Berechnung der Mehrheit nach Anteilen wird ab 1. Juli 2022 durch ein Alternativmodell ergänzt werden, das auch einer qualifizierten Minderheit von Wohnungseigentümern beispielweise die Umsetzung von Renovierungsmaßnahmen ermöglichen soll. Für einen wirksamen Beschluss ist auch eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen ausreichend, sofern diese Mehrheit zumindest einem Drittel aller Miteigentumsanteile entspricht. Wohnungseigentümer, die sich nicht an der Abstimmung beteiligen, haben in Zukunft weniger bremsende Wirkung als bisher. Eine qualifizierte Minderheit (1/3 aller Anteile) kann Beschlüsse erwirken. Dies gilt ebenso ab 1. Juli 2022 wie die Einführung einer Mindestrücklage mit einem fixen Betrag von 0,90 Cent pro Quadratmeter. Ob diese Maßnahmen tatsächlich einen Green Deal-Investitionsschub in Wohnungseigentumsanlagen auslösen werden, bleibt abzuwarten.
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Fotos: Stephan Huger, Adobe Stock
Die Novelle zum Wohnungseigentumsgesetz ist mit Jahresanfang 2022 (zum überwiegenden Teil) in Kraft getreten. Anlass der Novelle war das sogenannte „Right to Plug“. Doch es geht um mehr als Ladestationen für Elektroautos. Ein ganzes Bündel an Maßnahmen soll dazu beitragen, die Energiewende in den Bestandsimmobilien zu unterstützen. Darüber hinaus kommt es generell im Wohnungseigentum zu wesentlichen Änderungen, von denen mehr als 650.000 WE-Objekte österreichweit betroffen sind.
Zum Autor Jenni Wenkel ist Mitglied des Vorstandes der Union Investment Real Estate Austria AG und hier für das Investment Management verantwortlich. Zuvor war sie 13 Jahre für den Erste Bank Konzern tätig. Frau Wenkel ist darüber hinaus Vorstandsvorsitzende der RICS in Österreich.
Es ist machbar Kommentar: Jenni Wenkel
Es gibt noch viel zu tun – packen wir’s an. Auch wenn dieser Werbeslogan ursprünglich von einem Mineralölkonzern stammt, passt er inhaltlich doch gut zum Thema Kreislaufwirtschaft im Immobiliensektor. Allein in Deutschland sind nach einer Hochrechnung des Umweltbundesamts mindestens 28 Milliarden Tonnen an Material in Gebäuden, leitungsgebundene Infrastrukturen, Haustechnik sowie langlebige Kapital- und Konsumgüter gebunden. Der Großteil davon sind Gesteine und Sande, Beton- sowie Mauersteine, gefolgt von Stahl, Kupfer und Holz. Allein 55 Prozent der Lagermassen sind in Wohn- und Nichtwohngebäuden gebunden. In der Immobilienwirtschaft schläft ein enormes RecyclingPotenzial, das es wachzurütteln gilt.
Baustoffe werden knapp
Denn ob Sand, Holz, Stahl oder Kupfer, inzwischen werden immer mehr Baustoffe knapp und damit teuer. Eine Kreislaufwirtschaft schont nicht nur die natürlichen Ressourcen, sie ist auch ein wichtiger Schritt, um die ambitionierten Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling ist nicht ohne Grund eines der sechs Ziele der EU-Taxonomie-Verordnung. Als Immobilien-Investmentmanager haben wir jedoch nur einen geringen Einfluss auf die Recyclingfähigkeit unserer Objekte. Hier sind vor allem
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die Bauwirtschaft sowie Architekten und Planer gefragt, entsprechende Materialien zu verwenden und die Recyclingfähigkeit von Anfang an mitzudenken. Denn werden bei einem Neubau bestimmte TaxonomieKriterien außer Acht gelassen, kann dies im Nachhinein nicht korrigiert und das Gebäude auch später nicht mehr als nachhaltig im Sinne der Taxonomie klassifiziert werden. Dazu zählen beispielsweise sogenannte „do no significant harm (DNSH)“-Kriterien wie die Recyclingfähigkeit des Bau- und Abbruchmülls oder die Kreislaufwirtschaftsfähigkeit der eingesetzten Baumaterialien. Fest steht: Mit den heute verfügbaren Materialien und ohne eine strukturierte Kreislaufwirtschaft können Neubauten, selbst als Holzbau, aktuell nur einen begrenzten Beitrag zu den Klimaschutzzielen leisten.
Gemeinsam geht‘s
Es ist machbar: Der Immobiliensektor kann Konzepte für Rückbaufähigkeit und industrielles Recycling etablieren und sogar zum Vorreiter werden. Technisch kann recycelter Betonbruch beispielsweise, je nach Einsatzbereich, einen Teil des natürlichen Sandes ersetzen. Ein Paradebeispiel für Wiederverwertung ist auch der aus gemahlenen Ziegeln hergestellte Tennissand. Mit Hilfe des „Urban Minings“ oder des Prinzips „Cradle to Cradle“ lässt sich eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft umsetzen. Doch nur gemeinsam können wir die enormen Anstrengungen zur Erfüllung der Anforderungen an die Immobilienwirtschaft und der Begrenzung des Klimawandels meistern. Packen wir’s an.
Fotos: Adobe Stock, Stanislav Jenis
Die Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiger Schritt, um die ambitionierten Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Der Immobiliensektor könnte hier sogar zum Vorreiter werden.
ImmoFokus.Rubrik
Zum Autor Irene Rief-Hauser ist Inhaberin von Irene Rief-Hauser FEINE IMMOBILIEN und Vorstandsmitglied im Salon Real.
Die Beziehungskrise mit der Maklerin Kommentar: Irene Rief-Hauser
Woran liegt es, dass Maklerinnen in der Regel keinen Vertrauensvorschuss genießen? Weil oftmals keine authentische, aufrichtige Beziehung vorhanden ist.
Der Bauherr und die Maklerin
Die Kaufpreise für Wohnimmobilien, insbesondere in den Lagedauerbrennern sind durch die Coronasituation und die gestiegenen Baupreise rasant auf ein nie dagewesenes Niveau geschossen. Trotzdem wird weiterhin nicht alles zu jedem Preis gekauft. Eine routinierte Maklerin wird je nach Lage und Wohnungsmerkmalen die geeignete Zielgruppe und ihre Bedürfnisse erkennen und Bauherrinnen entsprechend hinsichtlich einer realistischen Preiseinschätzung und notwendigen Marketingmaßnahmen beraten können. Schon hier schleicht sich gerne eine Schieflage ein. Wer Preise in die Höhe redet bzw. bei den Abgeberhonoraren hohe Rabatte gewährt bzw. ganz auf diese verzichtet, bekommt oftmals den Zuschlag für die Vermittlung. Beim Versuch, auf Biegen und Brechen einen Neuauftrag zu ergattern, wird mit offenen Worten manchmal gespart.
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Der Vertrauensaufbau fehlt also von Anfang an. Und Auftraggeberinnen fühlen sich mit (oder trotz?) dieser Grundlage in guter Betreuung, obwohl bekannterweise ein gutes Geschäft erst dann gemacht wird, wenn auch die letzten Wohneinheiten eines Projektes erfolgreich verkauft wurden.
Schnelle Trennung statt Beziehungsarbeit
Sobald der Wohnungsverkauf stockt, wird oft die Maklerin gewechselt, statt davor Marketing oder die Qualität der Unterlagen (oder gar des Produktes) zu hinterfragen. Wird keine Exklusivität in der Vermittlung gewünscht (meist stichhaltig damit begründet, dass man nie eine solche vergibt) wird trotzdem angenommen (warum eigentlich?), dass die Maklerin sich nach Kräften bemüht. Hier könnte als Lösung und echte Win-win-Situation zum Beispiel eine Co-Exklusivität mit zwei sich gut ergänzenden Vermittlern angestrebt werden, die (auch honorartechnisch) als stabiles Team für die Bauherrin auftreten. Es besteht Bedarf, diese Art der Zusammenarbeit zu optimieren. Eine transparente Beziehung auf Augenhöhe zwischen Abgeberin und Maklerin, bei der sich offen über Höhen und Tiefen im Laufe einer Projektabwicklung bzw. eines Verkaufsprozesses ausgetauscht wird, bringt beiden Seiten langfristig gute Geschäfte, für die mit Freude und größtmöglichem Elan gearbeitet wird. Schöne und vor allem machbare Aussichten.
Fotos: Adobe Stock, Salon Real
Schon viel wurde über die wahre Leistung von Maklerinnen diskutiert. Trotz (oder wegen?) ihrer Doppelmaklereigenschaft verbindet sie beide Seiten einer Transaktion, wird aber doch selten von einer (oder beiden) Seiten vorbehaltlos wertgeschätzt.
Zum Autor Christian Polzer ist Studiengangsleiter und Lehrender des Bachelorstudiengangs Architektur - Green Building und Kollegiumsmitglied an der FH Campus Wien sowie Ingenieurkonsulent für Bauingenieurwesen.
Architektur-Green Building – der neue Weg Kommentar: Christian Polzer
Dass die Bau- und Gebäudewirtschaft mit einem Anteil von nahezu 40 Prozent der globalen CO₂-Emissionen (lt. UNO-Bericht) einen zentralen Beitrag für den Klimawandel leistet, ist Fakt. Ein Paradigmenwechsel in dieser Branche ist daher unabdingbar erforderlich, wenn sie glaubhaft für gelebten Natur- und Klimaschutz eintreten will. Doch wie lässt sich ein solches Umdenken bewirken? Gesetzliche Vorgaben allein werden dazu ebenso wenig reichen wie zaghafte innovative Konzepte, wie z.B. „Cradle to Cradle“ oder „Upcycling“, so wichtig diese auch sein mögen. Es muss wohl bereits sehr viel früher angesetzt werden, nämlich in der Ausbildung der Fachkräfte, damit diese ein völlig neues – eben naturverträgliches – Bauen gelehrt bekommen, sodass ein solches zur Selbstverständlichkeit wird. Aus diesem Grund hat die FH Campus Wien eine vollwertige EU-weit anerkannte Architekturausbildung entwickelt, die den Fokus genau auf diese Problematik legt: Im Mittelpunkt des Bachelor- und Masterstudiengangs „Architektur – Green Building“ steht das nachhaltige Bauen, das innovative, ressourcenschonende und energieoptimierte Baukonzepte forciert und das eigentlich gedanklich schon mit dem ersten Entwurf beginnen sollte.
selbst. Hier spielen Barrierefreiheit, Sicherheit, Gesundheit und Komfort bereits im Planungsprozess eine entscheidende Rolle.
Qualitätsanspruch
Über allem steht allerdings ganz im Sinne einer qualitativ hochstehenden Architekturausbildung ein hoher ästhetischer Anspruch der geplanten Bauprojekte. Er soll kenntlich machen, dass ein solcher nicht zwangsläufig im Widerspruch zu natur- und umweltschonenden Baukonzepten steht. Die Relevanz nachhaltigen Planens und Bauens nicht nur für unser Gemeinwesen, sondern für die Welt insgesamt, soll auf diese Weise den Studierenden nahegebracht werden und sie ermächtigen, in einer Gesellschaft, in der diese Aspekte immer dominanter werden, bestmögliche berufliche Karrierechancen zu haben.
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Fotos: Sebastian Philipp, Adobe Stock
Breite Ausbildung
Zentrale Themen des Studiums sind daher die Kennzeichen umweltbewussten Bauens ebenso wie die hierfür erforderliche sorgsame Materialauswahl, besonders auch in Hinblick auf die zu erzielende möglichst hohe Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Natürlich werden auch dem Standort entsprechende innovative klimagerechte Baukonzepte (z. B. Niedrig-, Passiv- und Plusenergiehaus, Smart Building etc.) vermittelt, die besonders in der Gebäudetechnik auf den breiten Einsatz von erneuerbarer Energie setzen. Auch die ökonomischen Facetten nachhaltigen Bauens werden gelehrt. So wird dem lebenszyklusorientierten Planen und Betreiben von Gebäuden unter dem Aspekt der Kosten besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dass auch die Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit berücksichtigt werden, versteht sich von
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Zu Tisch mit … Anna-Vera Deinhammer
Gedanken zu einem Menü verfasst
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Kreislaufwirtschaft erfordert einen Paradigmenwechsel Umdenken gefragt. Die Stadt als Materiallager, Autarkie aufgrund von Kreislaufwirtschaft, Schonung von Ressourcen und Umwelt. Anna-Vera Deinhammer über den Status quo und Zukunftsmusik. Das Gespräch führte: Lisa Grüner
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s wirkt, als hätte der Sturm den Naschmarkt leergefegt. Man merkt deutlich das Fehlen der Touristen, die den Markt normalerweise beleben. Auch die Wiener fehlen an diesem Dienstagmittag, um ein bisschen Bewegung und vor allem Stimmung in die Szenerie zu bringen. Doch diese kommt sofort auf, als ich meine Interviewpartnerin treffe. Die Oberösterreicherin Anna-Vera Deinhammer hat sich der Stadt Wien verschrieben, um es klimaneutral zu machen. Da einige Lokale geschlossen haben, entscheiden wir uns für das Fischlokal Nautilus, um über die kreislauffähige Stadt zu reden. Deinhammer ist Projektkoordinatorin für Kreislaufwirtschaft im Bauwesen bei der Stadt Wien, Programmleiterin des DoTank Circular City Wien 2020–2030 und Leiterin der neu gegründeten Stabsstelle Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen in der Wiener Stadtbaudirektion. Wir bestellen als Vorspeise eine Fisch-Tartare-Triologie von
Lachs, Thunfisch und Jakobsmuschel sowie sechs Stück Fines-de-Claire-Austern. Gleich bei der ersten Auster möchte ich wissen, ob die Branche aufgrund der EU-Taxonomie bereits in Panik verfällt. „So neu und überraschend ist das Thema nicht, dass jetzt alle in Schockstarre verfallen müssten“, lacht Deinhammer. „Aber Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiges und vor allem spannendes Thema, dass jetzt auch durch die Ressourcenknappheit und Lieferengpässe in der Bauwirtschaft getrieben wird.“ Beim DoTank Circular City Wien 2020–2030 geht es darum, den gesamten Ressourcenkreislauf der gebauten Umwelt von Produktion bis zur Entsorgung oder Wiederverwendung und Verwertung in ein Nachhaltigkeitskonzept einzuordnen. Bis 2050 sollen im Bereich Gebäude und Quartiere lokale Treibhausgas-Emissionen pro Kopf um 85 Prozent, der lokale Energieverbrauch und der konsumbasierte Materialfußabdruck um jeweils 50 Prozent reduziert werden. Bereits ab 2030
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soll standard- und nutzungsgerechtes Planen und Bauen zur maximalen Ressourcenschonung Standard bei Neubau und Sanierung sein.
Wien muss zukunftsfit sein
„Wien ist ja eine der lebenswertesten Städte der Welt“, so Deinhammer. „Um das langfristig zu erhalten, müssen wir auch in puncto Klimaschutz und Klimawandelanpassung sowie Ressourcenschonung ein Vorreiter sein. Nur einen Beitrag zu leisten, ist zu wenig.“ Damit führt sie wesentlichen Punkte an, um die Ziele des Green Deals zu erreichen. „Wir müssen die Treibhausgase reduzieren, hin zu einer Zero Emission City und einer effizienten Dekarbonisierung, unsere Ressourcen schonen und die Entnahme von Rohstoffen senken, zum Beispiel durch Kreislaufwirtschaft und unseren Lebensraum an die jetzigen und zukünftigen Gegebenheiten anpassen, also zukunftsfit machen.“ Die Kreislaufwirtschaft definiert Deinhammer als Querschnittmaterie. „Wir müssen zusätzlich zum Klimaschutz die planetaren Grenzen anerkennen, das bedeutet langfristig für uns, die hergestellten Produkte, die wir haben, so lange wie möglich zu verwenden, so wie sie sind, und erst dann an Recycling zu denken. Bei den mineralischen Baustoffen wie Sand und Kies stoßen wir bereits an die Grenzen, wir entnehmen bereits mehr, als der Planet hergeben kann.“
zugeben, dass die sich auch nur nach der Decke gestreckt haben und zu der Zeit andere Probleme zu lösen hatten. Das Spezielle der gebauten Umwelt ist, man materialisiert Einstellungen, Zeitgeist und ja, manchmal Denkfehler. Man
„Als lebenswerte Stadt muss Wien auch bei Klimaschutz, Klimawandelanpassung und Ressourcenschonung ein Vorreiter sein.“ Anna-Vera Deinhammer, DoTank Circular City 2020–2030
Gibt es einen Schuldigen?
Dann holt sie etwas aus: „Man spricht immer davon, dass die Generation vor uns viele Fehler beim Bauen begangen hat, aber da muss man
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wollte beispielsweise Arbeit und Wohnen räumlich trennen, daher wurde die Mobilität und damit das Auto wichtig. Man hatte das Problem des Klimawandels beziehungsweise
das Bewusstsein dafür ja noch nicht. Es wurden viele Gebäude in Richtung Süden mit sehr viel Glas gebaut, um die passive Solarnutzung zu fördern. Das stellt uns heute vor große Herausforderungen. Wir wollen unsere Gebäude möglichst lange nutzen. Die Gebäude wurden ja für die klimatischen Bedingungen von vor 30 Jahren gebaut, und das stellt uns jetzt vor Herausforderungen bzgl. klimatische Veränderungen in unserer gemäßigten Klimazone, Stichwort Zukunftsfitness. Wissen konnte das damals natürlich keiner. Die schwer trennbaren Verbundmaterialien haben uns tolle Möglichkeiten der Architekturgestaltung geschenkt, aber natürlich auch einen großen Rucksack bei der Frage der Wiederverwendung hinsichtlich Trennbarkeit.“
Die Rohstoffe gehen uns aus
Für den Städtebau braucht man in erster Linie Materialien und Energie, um diese herzustellen, auch bekannt als die graue Energie. Diese Energie soll zukünftig aus erneuerbaren Energien kommen, was sie derzeit zu einem geringen Prozentsatz tut. In Bezug auf planetare Grenzen sind die Erze sehr wertvoll, da sie sich selbst nicht erneuern können und damit endlich sind.
Derzeit können wir diese noch aus der Erde und Kupferminen abbauen. „Schauen wir uns aber tatsächlich das Material Kupfer an, gehen uns die natürlichen Lagerplätze schön langsam aus“, warnt Deinhammer. „Auch Gips können wir zukünftig aus einem menschlich geschaffenen, also einem antropogenen Lager holen, da dieser Baustoff vor allem im Innenbereich intensiv eingesetzt wurde.“ Damit ist eines der größten Lager in Österreich natürlich Wien. Zwei wesentliche Unterschiede gibt es bei den natürlichen und antropogenen Lagern – in zweiterem können wir nicht schürfen, wenn wir die Materialien
benötigen, sondern dann, wenn Rückbauobjekte diese freigeben. Derzeit kommen unsere Baumaterialien vom globalen Markt, Europa, China, Kanada und den USA. Diesem Problem der langen Lieferketten und dem damit verbundenen Energieaufwand und Schadstoffausstoß wollen wir mit der Kreislaufwirtschaft entgegentreten. „Der Vorteil der Kreislaufwirtschaft ist eine gewisse Autarkie bei den Baumaterialien in Europa“, freut sich Deinhammer. „Aber der Wandel von einer verbrauchenden hin zu einer regenerativen Gesellschaft muss von allen getragen werden. Durch unser Wahlrecht bestim-
DoTank Circular City 2020–2030 DoTank Circular City Wien 2020–2030“ (DTCC30) ist ein Leitprojekt der Wirtschaftsstrategie WIEN 2030. Der DTCC30 ist die Drehscheibe für die Erstellung der Strategie hin zu einer zirkulär gebauten Umwelt, im Gleichklang mit der Roadmapentwicklung und dem Monitoringsystem hinsichtlich Zielerreichung. Angewendet wird der Quadrupel-Helix-Ansatz – also das Verbinden von Aspekten aus der Zivilgesellschaft, Verwaltung/Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Anhand von skalierbaren Startprojekten entlang der gesamten Lebenszykluskette werden bis Ende 2023 Erkenntnisse gewonnen, um dann ab 2024 an den identifizierten Rädern zu drehen. Ziel ist, möglichst effizient und möglichst effektiv an möglichst wenigen Rädern zu drehen.
men wir, wer die Richtschnur vorgibt, wohin sich die Stadt bewegen soll. Es reicht nicht, nur unsere eigene Lebenszeit zu sehen, sondern die der nachfolgenden Generationen. Es soll ja langfristig ein Mehr an Lebensqualität und nicht ein Weniger an Komfort erzielt werden.“ Über den Paradigmenwechsel, der sich derzeit vollzieht, ist Deinhammer froh. „Unser Ziel bis 2030 ist es, dass die gebaute Umwelt als Materiallager anerkannt ist und Bauprojekte langlebig und rückbaubar geplant und errichtet sind.“
Herausforderung Verbundstoffe
Bei der Hauptspeise sind wir im Gleichklang. Wir haben beide einen St.-Jakobs-Teller mit Jakobsmuscheln und Steinbuttfilet auf PilzRisotto bestellt. Deinhammer kommt vor lauter Begeisterung über Gebäude als Materiallager kaum zum Essen. „Es ist also unter anderem ein Ziel, bis 2050 80 Prozent der Materialien und Bauteile wieder zu verwenden oder zu verwerten. Wie soll dies erfolgen?“, frage ich genauer nach. „Als Ingenieurin weiß ich, dass 80 Prozent sehr viel an Material ist, eigentlich fast alles“, so Deinhammer weiter. Als Beispiel führt sie an,
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Anna-Vera Deinhammer Anna-Vera Deinhammer hat nach der Höheren Graphischen Bundes-, Lehr- und Versuchsanstalt Wien XIV das Studium der Architektur an der TU Wien abgeschlossen. Es folgte ein Doktoratsstudium an der Fakultät für Bauingenieurswesen am Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement sowie der University of New South Wales in Sydney. Derzeit leitet sie die Stabsstelle Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen in der Stadtbaudirektion Wien und ist Projektkoordinatorin für Kreislaufwirtschaft im Baubereich. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Circular City, integrale Bauforschung und Ingenieurwissenschaft. Sie ist Gründerin und Programmleiterin des DoTank Circular City Wien 2020–2030.
„Digitalisierung ist ein wichtiger Schlüssel. Wir müssen wissen, wann welche Materialien in welcher Qualität und Masse zur Verfügung stehen.“ Anna-Vera Deinhammer, DoTank Circular City 2020–2030
dass einerseits in den letzten 30 Zentimetern der Hülle im Schnitt 20–40 Materialien untrennbar miteinander verbunden sind und diese daher nicht wiederverwendbar oder verwertbar sind, aber andererseits dadurch sehr positive Eigenschaften während der Nutzungsdauer aufweisen
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können. „Das zeigt, dass die vorher angesprochenen 80 Prozent wirklich schwer erreichbar sind. Demzufolge es ist auch klar, dass es, integral und realistisch gesehen, immer einen Anteil an Ausschuss geben wird.“ Damit steckt man natürlich in einem Dilemma beim Rückbau.
„Entweder wir verlängern die Nutzungsdauer des Gebäudes, bis wir wissen, wie man die Materialien trennen kann, oder wir finden schnell Möglichkeiten, wie wir diese Materialien so sehr verkleinern, dass wir damit umgehen können.“
Ökologisch einkaufen
Natürlich will ich auch wissen, wie die Stadt Wien derzeit bereits bei der Materialbeschaffung auf Nachhaltigkeit achtet. „Mit dem ÖkoKaufWien-Programm haben wir bereits langjährige Erfahrungen, etwa bei Schadstoffvermeidung in Baustoffen“, erzählt Deinhammer. „Die öffentliche Beschaffung ist ein großer Hebel. Die Stadt Wien hat nicht nur öffentliche Gebäude wie Schulen, Kindergärten, Amtsgebäude. Wien ist auch sehr eng mit den Betrieben der Wien Holding, dem wohnfonds_wien und Wiener Wohnen, der größten kommunale Hausverwaltung Europas, verbunden. Gleichzeitig hat in Wien das Thema leistbares Wohnen einen sehr hohen Stellenwert. Daher denken wir über die
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finanziellen Auswirkungen jeder Veränderung sehr genau nach.“
DoTank Circular City Wien 2020–2030
Der „DoTank Circular City Wien 2020–2030“, ein Leitprojekt der Wirtschaftsstrategie WIEN 2030 ist im zweiten Jahr. Daher laufen derzeit die Vorbereitungen für die ersten Projekte auf Hochtouren. „Es ist wie eine Operation am offenen Herzen“, so Deinhammer. „Wir müssen Dinge erproben, ohne das Funktionieren des Gesamtsystems Stadt zu beeinträchtigen.“ Das magistratsweite Programm ist in der neu gegründeten Stabsstelle Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen in der Stadtbaudirektion der Stadt Wien angesiedelt. Deinhammer ist Leiterin der Stabsstelle. Unter der
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Abkürzung DTCC30 stellt sich das transdisziplinäre Programm den großen Zukunftsthemen Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft und fungiert als holistische, magistratsübergreifende Drehscheibe rund um das Thema. Langfristiges
Ziel ist es, den gesamten Ressourcenkreislauf der gebauten Umwelt, also Gebäude, Infrastruktur, Freiraum von Produktion bis zur Entsorgung oder Wiederverwendung und Verwertung, in ein Nachhaltigkeitskonzept einzuordnen.
„Der Vorteil der Kreislaufwirtschaft ist eine gewisse Autarkie bei den Baumaterialien in Europa.“ Anna-Vera Deinhammer, DoTank Circular City 2020–2030
Lernprozess
„Wir fangen klein an, etwa Blocksanierungen begleiten, Anpassung von Ausschreibungen vornehmen, die Lebenszykluskosten berücksichtigen“, so Deinhammer. „Dabei wollen wir erfassen, was dies für Baukosten bedeutet und um für die nächsten Projekte zu lernen. Dazu braucht es einen transdisziplinären Transformationsprozess, in den auch die Bauproduktehersteller involviert werden sollen.“ Ein materieller Gebäudepass soll hierfür die Grundlage bieten und listen, was seit der Errichtung verbaut wurde. „Dieses Vorgehen wird aktuell intensiv auf europäischer Ebene diskutiert und ist überaus spannend“, so Deinhammer. „Es wird uns auch die Arbeit zukünftig sehr erleichtern. Es werden individuelle Bauten mit serieller Fertigung und Technik verbunden.“
Natürlich spielt die Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich langfristig eine wichtige Rolle. „Das Thema Kreislaufwirtschaft ist für viele alte Hasen neu, daher ist es wichtig, in die Aus- und Weiterbildung zu investieren. Im Architekturstudium ist das Arbeiten mit Sekundärbaustoffen nicht Teil der Ausbildung. Das Denken in Kreisläufen muss in das Entwerfen integriert werden. Ich weiß es aus meiner eigenen Erfahrung, dass Architekten zumeist in Primärbaustoffen denken. Die Wiederverwendung und Verwertung, also das Arbeiten mit Sekundärrohstoffen, muss zum Standard werden.“
Digitalisierung als Schlüsselrolle
Auch beim Dessert sind wir uns einig, wir lassen es aus. Stattdessen bitte ich noch um ein Schlusswort. „Wir sind auf den gesamten
Paradigmenwechsel in Gesellschaft und Wirtschaft angewiesen. Ein rückzubauendes Gebäude, wo wir Material ernten wollen, bleibt vielleicht länger als Lager stehen. Da brauchen wir Verständnis von den Menschen“, so Deinhammer. „Das Bauwesen muss auch vom linearen Denken, von einem Gewerk zum nächsten weggehen. Bis jetzt haben wir uns mit Wachstum auseinandergesetzt. Wir haben geschürft, hergestellt, verwendet und weggeworfen. Da werden sich Geschäftsmodelle und Berufsanforderungen sowie Jobs ändern. Auch das Denken in puncto Verfügbarkeit und Timing muss sich wandeln. Abrissobjekte müssen rechtzeitig gemeldet werden, damit jemand anderes dieses Material in seinen zukünftigen Bauplänen einbauen kann. Hier wird die Digitalisierung eine Schlüsselrolle spielen.“
Lokal DAS SAGT DER FALSTAFF Im nautisch-mediterranen Ambiente des Fischlokals Nautilus mitten am Naschmarkt gibt es Köstlichkeiten aus allen Weltmeeren – sei es zum samstäglichen Austernbrunch oder auf der legendären NautilusFischplatte für zwei. 83 Punkte.
DAS SAGT DER IMMOFOKUS Eine gute Adresse, um Fisch und Meeresfrüchte zu essen. Die Jakobsmuscheln sind lobend hervorzuheben. Das freundliche Service und das nette, unaufdringliche Ambiente runden das Geschmackserlebnis am Naschmarkt ab.
Fischrestaurant Nautilus 1060 Wien - Naschmarkt 673
Öffnungszeiten Montag bis Samstag: von 11 bis 23 Uhr An Sonn- und Feiertagen: von 11 bis 21 Uhr www.nautilus-fischrestaurant.at
ImmoFokus Restaurantguide
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Essen: Service: Weinkarte: Ambiente:
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ImmoFokus.Rubrik Wein & Immobilien Frisch von der Leber weg Ein lockeres Gespräch bei einem Weinstreifzug im Ristorante Danieli mit Matthias Neitsch, Geschäftsführer von RepaNet und VABÖ, Präsident des EU-Dachverbands der sozialwirtschaftlichen Re-Use-Unternehmen RREUSE.
Kreislaufwirtschaft ist eine Organisationsfrage Wege zur Werterhaltungswirtschaft. Die derzeitige gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation verlangt nach innovativen Geschäftsmodellen.
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ei einem Achterl lässt sich ein so umfassendes und komplexes Thema wie die Kreislaufwirtschaft oder auch Circular Economy viel leichter erörtern. Derzeit kommt kaum ein Strategiepapier oder Policy-Statement auf EU- oder nationaler Ebene ohne dieses neue Schlagwort der Umweltpolitik aus. Auch das österreichische Regierungsprogramm nicht. Dazu passt meiner Meinung nach ein Wiener Gemischter Satz DAC 2020 vom Mayer am Pfarrplatz, ein trinkfreudiger, erfrischender Wein mit feinen Nuancen von Birne, Zitrus und Apfel. Mein Gesprächspartner hat mit dem Thema Kreislaufwirtschaft
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nicht nur seinen Beruf, sondern auch seine Berufung gefunden. „Ich komme ja aus der Abfallwirtschaft“, erzählt Neitsch, der ursprünglich begonnen hatte, auf Lehramt Geschichte und Psychologie, Philosophie und Pädagogik zu studieren. „Den Lehrberuf habe ich angestrebt, um die Gesellschaft verändern zu können.“ Dann war er als Waldfacharbeiter und Schäfer tätig, bis es die ersten Ausbildungen zu Umweltschutz gab. „Ich habe den jungen Beruf des kommunalen Umwelt- und Abfallberaters zehn Jahre lang im Bezirk Liezen gemacht.“ Neitsch mag es, Pionier zu sein und Neues aufzubauen. „Als ich Lust auf eine neue Herausforderung hatte, ging
ich zur ARGE Müllvermeidung. Dort konnte ich die ersten Abfallvermeidungsprojekte mithilfe von EU-Fördermitteln managen. Re-Use und Sozialwirtschaft kamen als Träger dieser Geschäftsmodelle ins Spiel, und aus einem Projektergebnis ist dann RepaNet entstanden.“ Acht Gründungsunternehmen rückten anfangs das Thema Reparatur in den Fokus, dann ging es mehr in Richtung Re-Use und Wiederverwendung. „Wir haben das Thema für Österreich aufgearbeitet und uns stark vernetzt“, erzählt Neitsch weiter. „2004 wurde RepaNet gegründet, 2009 ist der Verein durchgestartet und hat alle wesentlichen politischen und rechtlichen Rahmenbedin-
Fotos: Adobe Stock, RepaNet Peter Wallner
Kolumne: Lisa Grüner
gungen mitgestaltet. Da durfte ich meine Berufung zum Beruf machen.“
Die Vision wird stärker
Als Nächstes probieren wir einen Pinot Grigio „Bersò“ 2020 von Agricola Sirch aus dem italienischen Friaul. Der strohgelbe trockene Wein spannt sich schön über die Zunge und geht harmonisch ab. An dieser Stelle will Neitsch gleich die Begrifflichkeiten klären. „Meist wird Kreislaufwirtschaft als progressive Abfallwirtschaft verstanden und gleichzeitig missverstanden. Da geht es um weit mehr: Produktpolitik, Rohstoffpolitik, Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik, Gesellschaftspolitik, Infrastrukturpolitik und natürlich auch um Umweltpolitik.“ Für Neitsch ist die Kreis-
dustrie, aber auch Gewinner wie die IT. Die Industrie wird sich ambivalent entwickeln, die Industrie 4.0 ist die Vorstufe zur Deeskalierung. Es kommt zu einer Dezentralisierung von hochwertigen, langlebigen Gütern. Güter wie ein Laptop werden massiv teuer, er hält aber durch hochwertige Komponenten länger.“ Damit ist für Neitsch klar, dass die Kreislaufwirtschaft keine Technologiefrage, sondern eine Organisationsfrage ist. „Es ist sinnlos, Dinge zu kaufen, kurz zu nutzen und sie dann auf kleinem Wohnraum zuhause zu lagern. Hier braucht es Ideen zu Re-Use, also zur Wiederverwendung von gebrauchten Gütern. Sind diese langlebig und reparierbar, dann muss man deren Bewirtschaftung neu organisieren.“ Schön wäre es, so findet
„In Zukunft sollten wir unsere Bedürfnisse immer stärker immateriell decken.“ Matthias Neitsch, RepaNet und VABÖ
laufwirtschaft gleichzeitig eine Vision. „Wir befinden uns mitten in einer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformation“, so Neitsch. „Es entwickelt sich eine Subbewegung, die mit vielen Experimenten, Pilotprojekten, Start-up-Gründungen auf sich aufmerksam macht.“ Spannend ist für ihn, dass in diesem Feld die klassische Durchflusswirtschaft, die auf einem Wachstumsmodell basiert, neu gedacht werden muss. „Wir müssen hin zu einer Werterhaltungswirtschaft.“ Also verwenden, was schon da ist, denn das nachhaltigste Produkt ist das, das wir schon haben. Kurz gesagt, es gehören die Produkte und verwendeten Ressourcen im Kreislauf gehalten. „Derzeit gibt es ja keine geschlossene Kreislaufwirtschaft“, so Neitsch. „Es muss immer neue Energie zugeführt werden, also kann es derzeit nur in Richtung einer längeren Nutzung gehen.“ RepaNet sieht sich als Teil der Transformation und als Schnittstelle zur Sozialwirtschaft. „Es geht immer einher mit einer sozialen Komponente, es gibt Verlierer wie die Automobilin-
Neitsch, wenn sich die Menschen mit wenig materiellen Dingen wohlfühlen würden.
Sehr oft fehlen die Intermediäre
Im Großen geht die Idee in Richtung von E-Commerce-Plattformen, auf denen viele Anbieter tausende Produkte anbieten. „Ein Beispiel möchte ich nennen: Die Bank Austria hat 5.000 Einheiten Büromöbel an die Caritas gespendet. Diese hat einen Store mit Möbeln zur Besichtigung bestückt, die man dann bestellen konnte. Ein logischer nächster Schritt wäre, solche Ideen österreichweit auszurollen. Es braucht Geschäftslösungen für verschiedene Produkte, die noch verwendet werden können, wie zum Beispiel gebrandete Arbeitskleidung. Im Bereich Industrieanlagen wäre viel weiterzuverwenden. „Man glaubt gar nicht, wie viele Maschinen verschrottet werden, weil der Intermediär und letztlich Logistik und Information fehlen“, so Neitsch. Als positives Beispiel führt er Caterpillar an. „Das Unternehmen nimmt ihre alten Bagger und Schubraupen wieder zurück, zerlegt sie und baut daraus neue.
Was nicht mehr zu verwenden ist, wird eingeschmolzen beziehungsweise recycelt. Man muss ja bedenken, dass der Produktwert viel höher ist als der Materialwert. Bei jedem Recyclingschritt hat man einen teils hohen Qualitäts- und jedenfalls einen Masseverlust.
Neue Konzepte sind gefragt
„Es wäre wichtig, die Architekten ins Boot zu holen, sodass diese, anstatt Kataloge zu wälzen, schauen, was es gebraucht gibt. Es gibt ja auch besondere Schmankerln, die man verbauen kann.“ Dabei verweist Neitsch darauf, dass man bei Gebäuden meist schon drei Jahre vorher weiß, dass sie abgerissen werden. „Da muss man rechtzeitig ins Gebäude rein und alles aufnehmen, katalogisieren und anbieten.“ Bei einem Achterl Gavi di Gavi 2020 von La Giustiniana aus dem Piemont plaudern wir weiter. Der Kultwein Nummer eins des berühmten Anbaugebiets ist schon lange eindrucksvolles Aushängeschild der Region. Mit einer angenehm erfrischenden Säure kommt er in sattem Gelb, vollmundig und mit leicht aromatischen Nuancen. Für ein paar utopische Gedanken ist noch Zeit, also zurück zur Transformation: „Corona hat uns den Spiegel vorgehalten“, so Neitsch. „In Bezug auf unser Konsumverhalten, aber auch gesellschaftlich. Wer hätte vorher gedacht, wie sehr wir unser Sozialverhalten brauchen und wie krank uns dieser ständige Bedrohungsdruck macht.“ Damit malt er seine Utopie aus: „In Zukunft sollten wir unsere Bedürfnisse immer stärker immateriell decken“, so Neitsch. „Statussymbole und industrielle Massenproduktion geht zurück. Dienstleistungen werden viel vernetzter angeboten werden. Was spricht dagegen, dass der Pizzadienst die Schmutzwäsche mitnimmt oder den Müll runterträgt? Auch am Arbeitsmarkt werden neue Modelle gefragt sein. Schon früher waren kleine lokale Betriebe flexibel, zum Beispiel in Tourismusregionen: Im Sommer Malerbetrieb, im Winter Skiverleih. Wer ein cleveres Modell bietet, wird den Markt beherrschen beziehungsweise Mitarbeiter haben und halten. Ein Betrieb, wo man im Winter stempeln gehen muss, hat kein nachhaltiges Geschäftsmodell.“ Lassen wir uns also überraschen, wohin uns die Transformation langfristig führt. Oder noch besser, gestalten wir sie mit. Prost.
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ImmoFokus.Rubrik Frech gesagt
Arbeite Dich glücklich! 40 – 8 = 32. Beeinflusst eine Vier-Tage-Woche künftig unsere Produktivität, steigert unser Wohlbefinden und wirkt stressreduzierend?
Kolumne: Anita Körbler
Diese Personal-Lücken müssen in Zukunft also geschlossen werden, um erneut reibungslose Prozesse gewährleisten zu können. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir uns dabei ausschließlich auf alte Arbeitsbedingungen stützen müssen. Wenn wir die beruflichen Veränderungen der vergangenen zwei besonderen Jahre zum Anlass nehmen, neue Ansätze betreffend Arbeitsweisen der Zukunft zu verfolgen, liegt der Fokus für mich auf den Teilbereichen (Aus)Bildung, Vier-Tage-Woche und neue Arbeitsmodelle.
Besser (aus)bilden als heilen
Beginnen wir beim Bildungswesen: Es lohnt sich, Menschen schon früh auf neue Arbeits-
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modelle einzustellen. Der Unterschied zwischen „Information“ und „Wissen“ sollte vor allem in der heutigen Zeit der (sozial)medialen Nachrichten-Überflutung einen zentralen Pfeiler im Bildungswesen darstellen – wie sonst entwickeln sich aus unseren Kindern wissende Erwachsene, die sich vor dem Treffen einer Entscheidung ihre eigene Meinung bilden können? Solche Entscheidungen können auch für die Wahl des zukünftigen Arbeitsmodus relevant sein.
schaftlichen Umfeld und den Bildungseinrichtungen? Oder halten sich Schule und Hochschulinstitutionen da eher an bewährte Systeme, und alle sind diesbezüglich selbst angehalten, sich entsprechend vorzubereiten und/oder weiterzubilden?
Ebenso wegweisend für die Karrierewege von morgen könnte das Erlernen von Entspannungstechniken und Achtsamkeitsübungen sein, das Kinder und Jugendliche schon recht früh neben dem Entdecken der eigenen persönlichen Stärken fördern könnte. Ein richtiges Coaching zur richtigen Zeit kann ein wertvoller Baustein in der Persönlichkeitsbildung sein. Ein Mensch, der sich selber gut kennt, wird effizienter arbeiten – für sich selber und für andere.
Die Sehnsucht nach Selbstbestimmung ist – vor allem seit der Pandemie – größer denn je. Zudem lässt sich erkennen, dass die Arbeit von morgen sinnstiftend und erfüllend sein soll. Als wenig sinnvoll werden zum Beispiel ewig andauernde Besprechungen empfunden, die künftig wohl ökonomischeren Abläufen weichen werden müssen.
Theorie versus Praxis: Wie geht man derzeit in den Schulen mit dem Thema „Zeitmanagement“ um? Wenn wir mehr Leistung in weniger Arbeitszeit erbringen beziehungsweise fordern wollen, werden effizientere Prozesse der Schlüssel dazu sein. Woher erhalten unsere Jugendlichen das Handwerkszeug dafür? Ist dies ein Mix aus Erziehung, dem freund-
Diese Fragen wird es zu beantworten gelten, wenn wir eine Veränderung auf dem Arbeitsmarkt herbeiführen wollen.
Zeit = Geld = Sinn?
Kürzere Meetings sparen also Zeit, Geld und machen Sinn. Gleichzeitig wird das Beachten von ein paar wesentlichen Regeln zum Alltag zählen – etwa, Deadlines verlässlich einzuhalten. Alle gehen mit Fristen anders um: die einen planen ihren Tag komplett durch, andere benötigen den Kick, alles in letzter Minute abzugeben. Ist es jedoch nicht genau dieser individualistische Ansatz, den wir anstreben? Dass neue Erfolge entstehen, indem alle ihre Stärken einbringen, und das
Fotos: REMG/trovato GmbH
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un sind wir schließlich doch damit konfrontiert: PersonalLücken in Österreichs Produktions- und Versorgungsbetrieben resultieren als eine der unerfreulichen Begleiterscheinungen dieser Pandemie. Wir merken etwa, dass das bestellte neue Möbelstück, das wir uns als Kompensation für die wieder unerfüllte Urlaubsreise gönnen wollen, plötzlich eine längere Herstellungsdauer aufweist, durch die erhöhten Rohstoffpreise entsprechend teurer geworden ist oder dass die Lieferzeit in unermessliche Höhen steigt.
Freiheit. Unabhängigkeit. Selbstbestimmung.
Agile Arbeitsmodelle, die anhand von Key-Performance-Indicators Leistungen und Erfolge messen und die Anzahl der Arbeitsstunden in den Hintergrund treten lassen, erfordern viel Eigenverantwortung und Selbstmotivation.
Anita Körbler, MA Managing Partner trovato.immo Anita Körbler, MA ist ideenreiche Branchenkennerin und Managerin mit Herz und Hirn. Körbler kann auf langjährige Erfahrung in Immobilienunternehmen sowie exklusive Projekte im öffentlichen Bereich (PPP) zurückblicken. Berufsbegleitend absolvierte sie erfolgreich zwei Studien im Bereich Wirtschaft und Public Communications, zeichnete jahrelang für verschiedene PropTech-Unternehmen als Geschäftsführerin verantwortlich und widmet sich der Beratung und Immobilienvermarktung sowie der Realisierung von Digitalisierungsprozessen in der Immobilienbranche.
Arbeitsklima nachhaltig verbessert wird, weil alle so arbeiten dürfen, wie es ihrer Persönlichkeit am besten entspricht? Insofern bietet es sich an, auf diese neue Nachhaltigkeit zu reagieren und der Jugend in unserer Bau- und Immobilienbranche Ausbildungen zu bieten, die ihren Veränderungswillen stärken und sie zu Höchstleistungen motivieren. Denn die Aussicht darauf, dass diese Mitarbeiter von morgen mit der richtigen Einstellung und dem perfekt gelernten Handwerkszeug tatsächlich etwas bewirken können, lässt die Zukunft unseres Berufszweigs gleich einmal mehr strahlen.
Flexible Lebensgestaltung durch Hybrid-Lösungen oder eine Veränderung der Arbeitszeit bringen auch die Frage auf, wie diese neuen Ansätze zwischen den verschiedenen Jahrgängen sinnvoll kombiniert werden können. Funktioniert das überhaupt? Junge, frische Talente, die etwas bewegen wollen, dabei gleichzeitig von vornherein sehr klar ihre Lebensqualität priorisieren, in der Zusammenarbeit mit früheren Generationen, auf deren Tagesordnung es steht, in erster Linie der Pflicht nachzugehen und die Tätigkeiten zeiteffizient zu planen, damit sich immer noch „ein bisserl“ mehr ausgeht? Als Mentorin, die oft mit jüngeren Kollegen arbeiten darf, ist es immer wieder eine Freude, wie viel man selbst von hochwertigen Gesprächen mit interessanten, jungen Menschen mitnehmen kann – quasi Learnings rund um Best Practice in beide Richtungen. Das Wichtigste, das ich in meinen vergangenen, sehr spannenden Berufsjahren lernen durfte, ist das Erkennen, wie ich selbst am besten funktioniere. Mich an (Über-)Stunden und Orte binden zu wollen, funktionierte zwar zu Beginn meiner Laufbahn – dies jedoch nur, weil es Ende der 1990er-Jahre einfach keine alternativen Möglichkeiten gegeben hat. Verglichen dazu erbringe ich heute die besten Leistungen, wenn man mich „einfach Probleme lösen lässt“, und das unabhängig von Ort und Zeit. Dass dies eine gehörige Portion an Ehrgeiz, intrinsischer Motivation, Disziplin und Ausdauer erfordert, liegt auf der Hand. Ich kann daher allen, vor allem unserer Jugend, die die Zukunft unserer Unternehmen sind, gerne raten, das breite Angebot der diversen Arbeitsmodelle, die sich in den nächsten Jahren etablieren werden, voll und ganz auszuschöpfen und sich auszuprobieren. Und: auch diese Modelle dürfen sich im Laufe eines Berufslebens je nach Lebenssituation verändern. Ganz frech gesagt: Konfuzius meint: Wähle einen Job, den du liebst, und du wirst nie wieder arbeiten müssen. Ich möchte hinzufügen: Wähle die Art, wie du deinen Job tun möchtest, und es wird dir langfristig Freude bereiten.
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Zum Autor Markus Mendel ist Geschäftsführer der EHL Investment Consulting und in dieser Funktion ganzheitlich für den Bereich Investment/Capital Markets verantwortlich.
Einfluss des europäischen Green Deals auf Immobilieninvestments Kommentar: Markus Mendel
Der Green Deal der Europäischen Union und die damit in Zusammenhang stehende EU-Taxonomie-Verordnung werden den Immobilieninvestmentmarkt nachhaltig verändern. Um die Klimaziele der EU bis 2050 erreichen zu können, müssen enorme Anstrengungen unternommen werden, die gleichzeitig aber nachhaltiges Wachstum schaffen werden. Ein taxonomiekonformes, „grünes“ und somit nachhaltiges Investment ist jedoch in der Regel auch mit höheren Investitionskosten verbunden. Förderungen auf Investitions- und Finanzierungsseite sollen dabei entsprechende Anreize für die Marktteilnehmer schaffen, die Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Immobilien sind in einem ganz besonderen Ausmaß von dieser Entwicklung betroffen, da die lange Nutzungsdauer von Gebäuden eine starke Auswirkung auf den CO₂-Verbrauch und den schonenden Umgang mit beschränkt vorhandenen Ressourcen hat. Das beginnt schon bei der Errichtung der Immobilien sowie den dafür verwendeten Rohstoffen und setzt sich über die in der Regel viele Jahrzehnte dauernde Nutzung der Gebäude fort, während der ca. 65 bis 70 Prozent des Ressourcenverbrauchs stattfindet. Deshalb ist es so wichtig, bei der Entwicklung einer Immobilie die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen, da sich deren Konsequenzen über einen extrem langen Zeitraum auswirken. Die EU-Taxonomie bündelt diese Trends in Richtung Nachhaltigkeit, die wir bereits seit einigen Jahren vermehrt in der Immobilienwirtschaft mitverfolgen. Sie wird dafür sorgen, dass in absehbarer Zeit nur noch ESG-konform und damit nachhaltig entwickelt
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wird und Nachhaltigkeit auch bei Sanierungen zur zentralen Zielsetzung wird. Die Nachfrage nach Objekten, die diese ESG-Anforderungen erfüllen, übersteigt schon jetzt das Angebot und dieser Trend wird sich auch in Zukunft noch verstärken.
EU-Taxonomie deutlich spürbar
Ähnlich wie bei der Bürovermietung, wo die Bestätigung einer nachhaltigen Bauweise und Bewirtschaftung durch entsprechende Umweltzertifikate schon seit vielen Jahren „state of the art“ ist, findet sich diese Anforderung immer stärker auch in den Investitionsanforderungen der institutionellen, aber zunehmend auch der privaten Anleger – und zwar unabhängig von der konkreten Nutzungsart. So besteht ein großer Druck auf die Entwickler, sich stark auf das Thema Nachhaltigkeit und Energieeffizienz in allen Facetten zu konzentrieren, um ein marktkonformes Produkt liefern zu können, dass sowohl von seinen Nutzern mit attraktiven Mieten als auch von Investoren mit guten Renditen belohnt wird. Der Einfluss der EU-Taxonomie ist bereits seit einiger Zeit in den Entscheidungen der Portfoliomanager großer institutioneller Investoren deutlich spürbar. Hier werden aktuell Strategien und Investitionsprogramme entwickelt, um Immobilienbestände ESG-konform zu machen bzw. werden teils auch De-Investitionsentscheidungen getroffen, um nicht adäquate Bestände oder Einzelimmobilien zu veräußern und das Portfolio so zu bereinigen oder anders ausgedrückt „ESG-konform“ zu machen.
ARBEITSWELTEN
B&R Innovations- und Bildungscampus Eggelsberg, 2016-2021
Foto: Dietmar Tollerian
Foto: Martin Steinkellner
SCWP Rechtsanwälte Linz, 2012-2013
RLB Campus 25
Infineon F&E Gebäude Linz, 2017-2020
Linz, 2019, Wettbewerbsbeitrag
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Zum Autor Louis Obrowsky, Präsident des Verbandes der Institutionellen Immobilieninvestoren. Geschäftsführer der LLB Immo Kapitalanlagegesellschaft.
Immobilien als Rohstoffminen? Kommentar: Louis Obrowsky
Kreislaufwirtschaft wird auch immer stärker im Immobilienbereich verankert. Wer heute in eine Immobilie investiert, wird nicht darum herumkommen, sich darüber Gedanken zu machen. Denn neben Rendite und Risiko wird Nachhaltigkeit nicht nur ein zentrales Investitionskriterium werden, sondern auch zukünftig verpflichtend sein. Ein wichtiges Kriterium dabei stellt die Taxonomie-Verordnung dar, die ein Klassifizierungsinstrument schafft und Investoren zwingt auf verschiedenen Ebenen wie z.B. in Prospekten und auf der Website ESG-bezogene Informationen zur Verfügung zu stellen. Und ab diesem Jahr müssen auch im Jahres-Geschäftsbericht ESG-Angaben gemacht werden. So muss z.B. bei Neubauten der Primärenergiebedarf zehn Prozent unter den Anforderungen an Niedrigenergiegebäude nach nationalem Recht liegen.
Neue Geschäftsmodelle
Das neue Denken in Richtung Kreislaufwirtschaft wird neue Geschäftsmodelle entlang der Wertschöpfungskette entstehen lassen. Von recycelbaren Rohstoffen über verbesserte Raumnutzung hin zu besserer Energieeffizienz, Bewirtschaftung des Gebäudes und vieles mehr werden die Lebensdauer einer Immobilie verlängern, daher qualitativ besser nutzbar machen und die Rendite erhöhen. Immobilien können zu einer Rohstoffmine werden, sofern sie aus schadstofffreien, trennbaren und recycelbaren Baustoffen bestehen. Das bedeutet, dass die Rendite einer Immobilie nicht „nur“ aus Verkauf und Vermietung erzielt werden kann, sondern auch deren Endnutzung und Wiederverwertung.
Das klingt alles gut und richtig und wird mittelfristig das Immobiliengeschehen dominieren. Nur ist der Zeithorizont, den die EU und mittelbar die Nationalstaaten vorgeben, überhaupt machbar? Z.B. die Umsetzung der geplanten Sanierungspflicht der EU – die Europäische Gebäuderichtlinie (EPDB) – die besonders schlecht gedämmte Immobilien betrifft. Mit dieser sollen die CO₂-Emissionen bis 2030 nicht wie bisher um 40, sondern um 55 Prozent gesenkt werden, verglichen zu 1990.
Die Zeit läuft
Bei allem guten Willen ist der Zeitfaktor zu knapp gesetzt, da allein die Datenlage so unzureichend ist, dass klare Entscheidungen nicht so ohne weiteres zu treffen sein werden. Ganz unabhängig davon, ob genügend Ressourcen vorhanden sind und die Bauindustrie und das Baugewerbe in der Lage sein können, alle baulichen Anforderungen zeitgerecht umzusetzen. Es besteht daher die Gefahr, dass Immobilien die bereits langfristig im Bestand sind zu „stranded Investments“ werden. Hier sind EU und die Nationalstaaten gefordert, sich rasch zu überlegen, wie man diese Probleme lösen kann. Auch um nicht gegenüber Immobilien in Nicht-EU-Ländern benachteiligt zu werden. Wie so oft ist gut gemeint, nicht immer gut umsetzbar. Die Immobilienbranche ist bereit, sich aktiv einzubringen, aber bitte so, dass es auch machbar ist.
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Zum Autor Martin Prunbauer ist seit 2012 Präsident des Österreich ischen Haus- und Grundbesitzerbundes (ÖHGB), seit 2020 Präsident des Zentralverband Haus und Eigentum und im Zivilberuf als Rechtsanwalt in Wien tätig.
Trau, Schau, wem! Kommentar: Martin Prunbauer
Nun sieht alles anders aus: Die SPÖ hat die aktuelle Teuerungswelle und die damit einhergehende Inflation zum Anlass genommen, um Mietern ein weiteres Mal von der gesetzlichen Inflationsanpassung zu befreien. Ausschließlich auf Kosten der Vermieter!
Ungerechte Verteilung
Von dieser Maßnahme nach Gießkannenprinzip würden wieder ausnahmslos alle Mieter profitieren, deren Miete dem preisgeregelten Segment zugerechnet wird. Egal ob einkommensschwach oder nicht. Soziale Treffsicherheit sieht anders aus! Auch die FPÖ hat Erinnerungslücken und unterstützt diese vermieterfeindliche Forderung nach Aussetzen der Anpassung von Richtwerten und Kategoriemietzinsen. Immobilieneigentümer müssten jetzt ihren Beitrag leisten, heißt es, da sie ohnehin von den gestiegenen Substanzwerten profitieren.
Vermieter als Verlierer
Das sehe ich anders: Die Vermieter sind die einzige Personengruppe, die bisher von sämtlichen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen im
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Zusammenhang mit der Pandemie ausgenommen sind. Darüber hinaus mussten Vermieter Mietstundungen, Aufschiebung von Räumungsexekutionen und einiges mehr verkraften. Auch im Bereich der Geschäftsraummieten waren aufgrund der mehrmaligen Lockdowns beträchtliche Verluste bei den Mieteinnahmen zu verzeichnen. Dieses Geld fehlt nun für die Erhaltung der Gebäude und verhindert die Vornahme von dringend benötigten Investitionen. Von einem Haus lässt sich nun einmal nicht abbeißen. Apropos „Beitrag leisten“: Während im vergangenen Jahr die Anpassung der Richtwert- und Kategoriemieten ausgesetzt wurden, hob die SPÖ-geführte Stadt Wien die Gebühren für Wasser, Abfall und Kanal kräftig an und begründete ihr Ansinnen damit, nötige Investitionen durchführen zu müssen. Gerade diese Gebühren sind die größten Preistreiber beim Wohnen. Das klingt doch ein wenig nach Floriani-Prinzip. Eingriffe dieser Art lassen jeglichen Respekt vor dem Eigentum vermissen. Sie ramponieren die wirtschaftliche Planungssicherheit und höhlen schleichend das Eigentum aus. Vor allem aber zerstören sie das Vertrauen in die Rechtssicherheit. Eine Politik, die sich derartige Maßnahmen als Erfolg auf die eigenen Fahnen heftet, schadet mehr als sie nützt.
Fotos: Michael Büchling, Adobe Stock
Nicht einmal ein ganzes Jahr ist es her, dass im Parlament das 4. Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz mit den Stimmen von SPÖ, Grünen, ÖVP und der FPÖ beschlossen wurde. Wir erinnern uns nur zu gut an die lautstarken Beteuerungen diverser Politiker, im darauffolgenden Jahr die Anpassung der Richtwerte und Kategoriemieten vorzunehmen.
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Creating the future built environment together
ImmoFokus.Rubrik Bewertung ImFokus
Was uns 2022 NICHT bringt Blick in die Glaskugel. Prognosen sind bekanntlich schwer, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen – so sagte es schon Mark Twain. Ich mache es mir deshalb einfacher und prognostiziere jene Dinge, die wir 2022 garantiert NICHT bringt.
Kolumne: Wolfgang Fessl
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n einigen Artikeln konnte man bereits lesen, dass die Wohnungspreise jetzt eigentlich sinken müssten, denn einerseits könnten die Preise ja nicht ewig steigen, und andererseits liege der aktuelle Zuzug (speziell in Wien) unter der Anzahl der fertig gestellten Wohnungen. Das halte ich für einen Trugschluss. In den Kapitalmärkten ist unvermindert viel Geld unterwegs, und der Immobilienmarkt ist großteils ausverkauft. Selbst die Immobilienfonds wissen nicht einmal mehr, wie man Core-Immobilien schreibt. Es mangelt daher – selbst in der Immobilienbranche – an Anlagealternativen. Außerhalb der Branche sieht es auch nicht besser aus. Und solange sich diese Situation nicht gravierend ändert, wird sich die Preisspirale nicht stabilisieren. Wir bewerten hunderte Wohnobjekte im Jahr, und einen Preisrückgang konnten wir bis jetzt nicht feststellen. Zwar ist der Preisanstieg derzeit durchaus verhalten im Vergleich zu jenem im letzten Jahr, das bedeutet aber nur einen geringeren Anstieg und nicht gleich ein Sinken der Preise.
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Und die ständigen Versuche der politischen Einflussnahme auf den Markt, seien das Widmungseinschränkungen, Leerstandsabgaben, Mietpreisdeckel et cetera,. tragen nicht unbedingt zur Vertrauensbildung in der Branche bei. Die Neubautätigkeit fährt also nur mit angezogener Handbremse.
Büromarkt springt wieder an
Natürlich kommt es wieder vermehrt zu Vermietungen am Büromarkt. Diese finden jedoch allesamt in einem gesättigten Markt statt. Jeder Vermietung geht daher andernorts eine Kündigung voraus. Zuzüge größerer Unternehmen oder Betriebsansiedlungen gab es in der Vergangenheit kaum. Die Neuflächenproduktion im Bürobereich verdankt ihren Ursprung der Nachnutzung unrentabler Büroflächen für Wohnzwecke.
Die Zinswende
In den letzten Wochen mehren sich die Nachrichten, dass die US-Notenbank FED an der Zinsschraube drehen möchte. Man erwartet eine Erhöhung des Leitzinssatzes. Und schon gibt es Meinungen, dass dies im Hinblick auf
die unvermindert hohe Inflation möglicherweise auch in Europa ein Ansteigen der Zinsen bewirken könnte. Daran glaube ich nicht. Kein Politiker und keine Notenbank kann es sich derzeit leisten, höhere Zinsen zu bezahlen. Ist auch nicht notwendig, solange sich die Gelddruckmaschinen unvermindert schnell drehen. Die Staaten brauchen einen längeren Zeitraum mit hoher Inflation und niedrigen Zinsen, um sich zu entschulden. Und eine Erhöhung von nullkommanix auf nix ist jetzt nicht unbedingt als Zinswende zu deuten.
Leistbares Wohnen
Leistbares Wohnen wird in Zukunft wohl definiert sein mit: weniger als 50 Prozent des Einkommens für Wohnen ausgeben. Die steigenden Baukosten, unsichere Lieferketten, steigende Grundstückskosten, ein starker Nachfrageüberhang nach Wohnraum, bürokratische Hürden, und ein nach wie vor überregulierter Wohnmarkt in Österreich sind allesamt schlechte Vorzeichen für die Leistbarkeit von Wohnraum.
Wolfgang M. Fessl Wolfgang M. Fessl ist Spezialist für Einzelhandels- und Sonderimmobilien und verfügt über langjährige Erfahrung in der Immobilienbranche. Vor seiner Tätigkeit bei der Reinberg Gruppe war er als Head of Asset-Management bei der conwert und der Immofinanz. Sein Fokus lag auf großvolumigen Bestandsportfolien und Retailimmobilien. Insgesamt verfügt Wolfgang Fessl über mehr als 20 Jahre Erfahrung im nationalen und internationalen Immobiliengeschäft. Fessl ist allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Immobilientreuhänder (Makler), Member der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS), zertifiziert nach CIS Immozert und Recognised European Valuer (REV).
Tatsächliche Steuersenkungen
Damit sind jetzt nicht Steuerreformen gemeint, die keine spürbare Abgabenerleichterung für die Steuerpflichtigen bringen, sondern tatsächliche Steuersenkungen – Stichwort: Steuer auf Arbeit. Österreich hat in den letzten beiden Jahren etwa 40 Milliarden Euro ausgegeben, die so nicht geplant waren. Unser Schulden-
stand hat sich damit von etwa 70 Prozent auf etwa 85 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erhöht. Mit Steuererleichterungen ist daher nicht zu rechnen – ganz im Gegenteil!
Eine Mietrechtsreform
Die Historie des seit 1982 geltenden österreichischen Mietrechtsgesetzes ist seit 1922
(Erstes Mietengesetz) voll von Kuriositäten Preisregelungsgesetz (1949), Zinsstoppgesetz (1952) und so weiter. Es war also seit jeher eine Spielwiese des gepflegten Dilettantentums. Wer von den Lesern ist alt genug, um sich zu erinnern, wie die Welt 1982 ausgesehen hat? Für die Nerds unter uns: In diesem Jahr wurde der Commodore 64 auf den Markt gebracht… Und Internet gab es nicht einmal an allen Universitäten. Nicht, dass eine solche Reform überfällig wäre, aber wem ist eine solche zuzutrauen? Wir haben uns bereits daran gewöhnt, dass politisch ständig nur die zweite Liga am Feld ist. Deshalb wird es noch eine Vielzahl an kontroversiellen OGH-Entscheidungen brauchen, bis hier eine Lösung in Sichtweite ist.
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Positionen & Meinungen
Power Duo Standortwechsel. Alexandra Bauer (EHL Gewerbeimmobilien) und Natascha Stornig-Wisek (LeitnerLeitner) hatten sich gemeinsam auf die Suche nach einem neuen Standort für die Steuerberatungskanzlei LeitnerLeitner gemacht. Am Schwarzenbergplatz wurden sie fündig. Das Gespräch führte: Michael Neubauer
Ein neuer Standort nahezu ums Eck. War die Nähe zum alten Standort ein Kriterium bei der Suche? Natascha Stornig-Wisek: Die Nähe zum bestehenden Standort war für uns kein Muss. Die Lage allerdings war aber natürlich ein wichtiges Kriterium. Es war schlussendlich eine glückliche Fügung. Ein großer Vorteil für unsere Mitarbeiter, aber auch Klienten, weil sich die Anreisewege kaum verändern werden. Alexandra Bauer: Wir haben gemeinsam mit LeitnerLeitner den gesamten Wiener Büromarkt evaluiert und einige spannende Projekte im ersten, zweiten, dritten, vierten,
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achten und neunten Bezirk besichtigt. LeitnerLeitner hat sich dann für dieses wunderschöne Haus im Eigentum des Fonds der Wiener Kaufmannschaft entschieden, das noch dazu in unmittelbarer Nähe zum bestehenden Standort liegt. Grundsätzlich ist es derzeit so, dass in der Innenstadt und in den unmittelbar daran angrenzenden Lagen die Nachfrage das Angebot übersteigt. Ist es ein von langer Hand geplanter, oder eher ein der Pandemie geschuldeter Standortwechsel? Stornig-Wisek: Wir haben schon vor der Pandemie mit dem Gedanken eines neuen Gebäudes gespielt, weil wir hier am Standort
gesehen haben, dass ein weiteres Wachstum nur mehr schwer umsetzbar sein wird. Wir sind seit über zwanzig Jahre am Standort Heumarkt. Wir sind organisch gewachsen und haben uns sukzessive über das ganze Haus verteilt. Die Wege zwischen den Teams sind mitunter lang. Daraus ist der Gedanke entstanden, sich verändern zu wollen – und da haben wir auch schon vor der Pandemie immer wieder einmal unsere Fühler ausgestreckt. Wir hatten aber keine Eile. Am derzeitigen Standort bestand ein unbefristetes Mietverhältnis. Nachdem vertragliche Bindungen unsererseits aber in den kommenden Jahren
auslaufen, war es ein passender Zeitpunkt für eine Veränderung. Was waren die fünf Hauptkriterien für einen neuen Standort? Stornig-Wisek: Eines der Hauptkriterien war Platz. Wir brauchen ungefähr 4.000 Quadratmeter bevorzugt in Innenstadtlage. Es waren zu dem Zeitpunkt auch nicht so viele Objekte am Markt, die für uns auch in Frage gekommen wären. Zu Jahresbeginn 2021 haben wir uns dann aber noch einmal das Thema vorgenommen. Wir hatten erkannt, dass einige Objekte in der Größenordnung, die wir brauchen, auf den Markt gekommen waren beziehungsweise kommen werden – wie eben auch der Standort Schwarzenbergplatz. Bauer: Das Palais wird der Standort für LeitnerLeitner und LeiterLaw werden. Im Ringen um die Besten der Besten sehen wir den großen Stellenwert des Büros als gebaute Unternehmenskultur. Auch damit bringt man seinen Mitarbeitern gegenüber Wertschätzung zum Ausdruck. Das ist die Visitenkarte nach außen hin, sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Kunden. LeitnerLeitner macht das natürlich perfekt, das wird in Zukunft fast nicht zu toppen sein. Allein der große Multifunktionsraum, der den Mitarbeitern ein wunderschönes Arbeitsumfeld und große Flächen für Teamwork und Kommunikation bietet. Viele Firmen zieht es in moderne Bürotürme, Sie nicht? Stornig-Wisek: Wir haben es nicht ausgeschlossen, und wir haben uns auch Objekte angesehen und uns damit beschäftigt. Aber wir haben erkannt, was wirklich zu uns passt. Ein traditionelles, bodenständiges Gebäude. So sehen wir auch unsere Klientenbeziehungen. Wie in unserem Slogan „We for you“. Mussten Abstriche in der Flächeneffizienz gemacht werden? Stornig-Wisek: Erstaunlicherweise gar nicht. Die Gebäude-Kubatur ermöglicht eine extrem effiziente Gebäudenutzung. Es gibt eine zentrale Stiege, die alle Ebenen für Mandanten und Mitarbeiter verbindet, die Wege verkürzt, die Kommunikation fördert.
Auf den Punkt gebracht: So, wie das Gebäude aufgebaut ist, ermöglicht das auch eine effiziente Büronutzung. Auch bei einem weiteren Wachstum? Stornig-Wisek: Auch bei einem weiteren Wachstum. Dieser Umstand war uns besonders wichtig: Potential für weiteres Wachstum. Arbeitsplätze für künftige Mitarbeiter sind bereits eingeplant. Parallel dazu haben wir eine Option auf weitere Flächen. Diese Vormietrechte betreffen das angrenzende Gebäude Richtung Lothringerstraße, das mit zwei Geschossen bei Bedarf mit dem Palais verbunden werden kann. Einem weiteren Wachstum steht also nichts mehr im Wege.
„Arbeitsplätze für künftige Mitarbeiter sind bereits eingeplant.“ Natascha Stornig-Wisek, LeitnerLeitner
Bauer: Die Übersiedlungsmotive sind derzeit in erster Linie die Implementierung neuer Arbeitswelten beziehungsweise die Optimierung der Arbeitsqualität in Hinblick auf eine langfristige Mitarbeitergewinnung und -bindung. Eine optimale Anbindung an das U-Bahn-Netz, eine perfekte Büroinfrastruktur im Standortumfeld sowie eine hochwertige Ausstattung gehören mittlerweile zu den Grundanforderungen an einen neuen Bürostandort: bewusst einen Platz schaffen, an dem man gerne zusammenkommt. Wie stark hat der Trend zum Homeoffice die Standortsuche beeinflusst? Stornig-Wisek: Das Thema Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Und wir sind da-
für auch offen. Aber: Beim Homeoffice fehlt das soziale Umfeld – das Büro als Ort der Begegnung. Das fehlt vor allem den jungen Mitarbeitern im Team. Es war uns wichtig, bewusst einen Platz schaffen, an dem man gerne zusammenkommt. Jeder Mitarbeiter hat einen eigenen festen Arbeitsplatz. Vom Homeoffice zum Officehome. Bauer: Im Zuge der Pandemie haben sich hybride Arbeitsformen weitgehend etabliert und sind in vielen Branchen zu einer beruflichen Selbstverständlichkeit geworden. Auch wenn davon auszugehen ist, dass nach Pandemieende viele Mitarbeiter vom Homeoffice ins Büro zurückkehren, werden hybride Arbeitsformen in vielen Unternehmen weiterhin gelebt werden. Nicht aufgrund von gesundheitspolitischen Überlegungen, sondern als Maßnahme zur Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit. Viele Unternehmen arbeiten an innovativen Modellen für eine Kombination aus mobilem Arbeiten und bürobasiertem Arbeiten. Zum Teil lassen sich die geänderten Ansprüche in den Bestandsobjekten realisieren, zum Teil sehen sich Unternehmen aber nach neuen Standorten um, bei denen die neuen Arbeitsplatzkonzepte besser umsetzbar sind. Mehr oder weniger Fläche durch Homeoffice? Haben die Open-Space-Gruppenbüros ausgedient? Bauer: Die Implementierung von Homeoffice bringt nur dann eine Reduktion des Flächenbedarfs mit sich, wenn sie mit Desk-Sharing kombiniert wird. Diese Arbeitsform wurde vor allem in der Banken- und Versicherungsbranche sowie einigen internationalen Konzernen großzügig umgesetzt und damit der Flächenbedarf reduziert. In den klassischen österreichischen Unternehmen ist Desk-Sharing nach wie vor eher die Ausnahme. Es wird sich zeigen, ob sich dies nach Pandemieende und in Kombination mit Remote Working stärker durchsetzt. Derzeit noch nicht. Werden die Büros kleiner? Bauer: Tendenziell eher nicht. Es zeigt sich, dass seit Pandemiebeginn viel mehr Wert auf hochwertige Kommunika-
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Positionen & Meinungen
tions- und Kollaborationsflächen gelegt wird, die „Cafeteria“, „Communication-Areas“ und generell Räume für gemeinsames Essen. Rückzugsorte halten wieder Einzug in die Bürowelten. Vorbei sind die Zeiten, wo man „Sozialräume“ eingespart und nur mehr kleine Teeküchen vorgesehen hat. Bauer: Im aktuellen Rennen um die besten Talente müssen Unternehmen mehr denn je
kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Beim neuen Headquarter von LeitnerLeitner finde ich es besonders bemerkenswert, dass das „Herzstück des Hauses“, nämlich ein historischer Festsaal, der sich über zwei Stockwerke erstreckt und einen großen Balkon zum Schwarzenbergplatz hin bietet, in erster Linie den Mitarbeitern als „Mul-
Alexandra Bauer „Beim Rennen um die besten Talente spielt das Büro als gebaute Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle.“
ein attraktives Arbeitsumfeld und eine wertschätzende Unternehmenskultur bieten, um hochqualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu binden. Dem physischen Büro als gebaute Unternehmenskultur
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tifunktionsraum“ zur Verfügung gestellt wird. Ein Ort für gemeinsamen Austausch, Mittagessen, und so weiter. Das zeigt von einer außerordentlichen Wertschätzung der Mitarbeiter. Damit kann LeitnerLeitner in
der Suche nach den besten Köpfen sicherlich besonders punkten. Denn so etwas ist wirklich außerordentlich und bemerkenswert. Wie hat die Pandemie die Arbeitskultur verändert? Welche Rolle spielt das Büro beim Rennen um die besten Köpfe? Bauer: Die Pandemie hat jedenfalls einen Modernisierungs- und Qualitätsschub mit sich gebracht. Die steigenden Ansprüche resultieren daraus, dass das Büro durch die Etablierung von Remote-Working in starker Konkurrenz zu anderen Orten steht, an denen dank Digitalisierung ebenfalls gearbeitet werden kann. Früher hat die Arbeit automatisch im Büro stattgefunden. Zuletzt ist das nicht mehr so selbstverständlich. Dank Digitalisierung kann man bürobasiertes Arbeiten auch zu Hause erledigen. Das heißt, dass sich Unternehmen noch mehr anstrengen müssen, um Mitarbeiter ans Büro und an das Unternehmen zu binden. Dabei spielt eine attraktiv gestaltete Bürowelt mit ausreichend Platz für Kommunikation und Teamarbeit eine zentrale Rolle. Denn die Erfahrung zeigt, dass die Mitarbeiter vor allem wegen dem Austausch mit den Kolleginnen und Vorgesetzen ins Büro kommen. Das reine Arbeiten kann auch zu Hause erfolgen. Was hat sie beide zusammengeführt? Bauer: Langjährige Zusammenarbeit. Wir haben LeitnerLeitner auch schon vor knapp zehn Jahren bei einer Marktevaluierung begleitet. Damals entschied man sich aber für den Verbleib am bestehenden Standort. Große zusammenhängende Flächen – wie ist das Angebot in Wien? Bauer: Das Angebot an großen zusammenhängenden Flächen über 3.000 Quadratmeter in gut erschlossenen Lagen wird tendenziell geringer. Vor allem in den Innenstadtlagen, also 1010 und den direkt daran angrenzenden Lagen im zweiten, dritten, vierten, achten und neunten Bezirk. Das liegt an der in den letzten Jahren eher verhaltenen Neuflächenproduktion. Außerdem wurden in 1010 sehr viele ehemalige Bürohäuser in Wohn- oder Hotelprojekte umgewidmet beziehungsweise umgenutzt. Zum Beispiel die ehemalige Investkredit in der Renngasse,
das ehemaliges BM am Franz-Josephs-Kai, die ehemalige Länderbank und viele andere mehr. Und große innenstadtnahe Flächenreserven gibt es auch nicht mehr, wie es zum Beispiel der Hauptbahnhof oder der Nordbahnhof geboten haben. Daher werden in Zukunft hochwertige Refurbishments eine
„Unternehmen müssen mehr denn je ein attraktives Arbeitsumfeld bieten.“
Natascha Stornig-Wisek „Wir stehen für Tradition und Beständigkeit. Das spiegelt unser neuer Standort sehr gut wieder.“
Alexandra Bauer, EHL Gewerbeimmobilien
noch größere Rolle spielen als bisher. Wir wurde der Entscheidungsprozess bei LeitnerLeitner strukturiert? Stornig-Wisek: In unserer Sozietät sind solche grundlegenden Entscheidungsprozesse partizipativ und transparent gestaltet. Wir haben ein Projektteam aus einzelnen Partnern formiert, das Entscheidungsgrundlagen schaffen sollte. Dazu gehörte selbstverständlich auch, sich einen Überblick über die aktuelle Marktsituation in Wien zu verschaffen. Mit EHL war dieses Thema in den besten Händen. Wir waren uns bald einig, dass der Standort Schwarzenbergplatz in die engste Wahl kommt. Wir investieren hier in eine hochwertige Ausstattung, um einem modernen Bürostandard gerecht zu werden. Es ist auch ein Signal an unsere Mitarbeiter, an die bestehenden und künftigen. Natürlich ist Kosteffizienz dabei auch ein Gradmesser, aber wir wollen bewusst in die Zukunft investieren. Gerade für Beratungsunternehmen und unser People-Business wird es ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein, die
besten Köpfe zu halten und zu gewinnen. Ein hochwertiges Arbeitsumfeld unterstützt dies. Wachstum wird nur möglich sein, wenn uns dies gelingt. Vor diesem Hintergrund ist es für uns ein wichtiges und sinnvolles Investment. Wann wird übersiedelt? Stornig-Wisek: Mitte bis Ende 2023. Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren. Wir wollen mit möglichst wenig Ballast übersiedeln und reduzieren die Papierarchive. So ein Standortwechsel ist
mit der Chance verbunden manche Abläufe neu zu denken und die modernsten Tools zu implementieren. Gleichzeitig sind Themen wie Datensicherheit zu beachten, unsere bestehende ISO-Zertifizierung ist in der Planung mitzudenken. Wir wollen am Standort eine Open-House-Kultur zwischen den Teams leben. Die Single-Tenant Situation unterstützt das wunderbar und wir sind überzeugt, dass wir damit die teamübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit perfekt umsetzen können. Dies war und ist auch in Zukunft einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren von LeitnerLeitner.
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Über den Tellerrand
Typisch ausländische Spezialität? Mitnichten. Bei Köstlichkeiten wie Kaviar, Garnelen und Reis würde man als Herkunftsland nicht unbedingt an Österreich denken. Auch bei Zitronen, Feigen oder Safran nicht. Innovative Unternehmer und Landwirte haben sich über das Unmögliche drüber getraut: Sie produzieren in Österreich. Dahinter stecken viel Herzblut und ein nachhaltiger Grundgedanke. Autor: Lisa Grüner
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Reissorten für unsere Region zu finden“, so Fuchs. „Wir haben mit unterschiedlichen Sorten experimentiert, bis wir die richtige für unseren Boden fanden.“ Bald fielen die Ernten reich aus. „Uns war es damals schon wichtig, den Reisanbau in ökologisch verträglicher Form anzugehen, und dazu gehört vor allem der Wasserverbrauch“, so Fuchs. Das Wasser
für die Bewässerung stammt aus Naturteichen vom eigenen Gelände. Für ein Kilogramm Reis werden circa 3.000 Liter Wasser benötigt, um 12.000 Liter weniger als bei der Produktion von Nassreis. Sogar im Supermarkt ist Reis aus Österreich erhältlich. Ja Natürlich vertreibt Bio-Reis aus dem Seewinkel, wobei besonders der schwarze Reis spannend ist.
Garnelen und Meeresfische
Der ökologische Grundgedankte war für die Züchter von österreichischen Garnelen ausschlaggebend. Drei sind es, die sich dem Wagnis gestellt haben. „Wenn man sich ansieht, wie in Asien produziert wird, vergeht einem der Appetit“, erklärt Stefan Weiser, Geschäftsführer von White Panther Gebirgsgarnelen. „Unsere Garnelen sehen weder Antibiotika, Hormone oder Chemie.“ Mit einem geplanten jährlichen Produktionsvolumen von circa 60 Tonnen gehört White Panther zu den größten IndoorAquakulturen für Garnelen in Europa. „Im letzten Jahr sind wir diesem Ziel schon ein
Fotos: Fuchs, Gugumuck, Michis frische Fische
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och wie kommt man überhaupt auf so eine wagemutige Idee? „Bei einem gemütlichen Abendessen im Jahr 2010 bemerkte mein Mann, dass alle Bestandteile des Essens, also unser Backhendl, Salat, Klöcher Traminer, aus der Region, in der wir leben, stammten, mit Ausnahme der Beilage — es gab Reis. Und so entstand der Gedanke, Reis an Ort und Stelle hier in Klöch in der Südoststeiermark anzupflanzen“, erzählt Adele Fuchs von Steierreis. „Wir mussten nur mehr unsere Eltern überzeugen, und das spannende Projekt nahm seinen Anfang. Wir haben Studienreisen gemacht und begonnen zu experimentieren. Wetterdaten verglichen, Reisanbaugebiete ausfindig gemacht.“ Doch von sofortigem Erfolg war das Projekt nicht gesegnet. „Die erste Ernte haben wir mit nur einer Scheibtruhe ‚eingefahren‘, denn mehr war es nicht“, so Fuchs. Das Unternehmerehepaar entschied sich für den Trockenanbau. „Es war nicht so einfach, die richtigen
ganzes Stück nähergekommen, und darüber freuen wir uns sehr“, so Weiser. Auch Daniel Flock von Alpengarnelen ist mit Herzblut bei der Sache. „Damit sich die Garnelen wohlfühlen, werden sie in 28 Grad Celsius warmem Wasser gehalten. Das Futter der Garnelen muss täglich an die Bedürfnisse der Tiere angepasst werden“, erzählt Flock. Die Zuchtfarm, in der die White-Tiger-Garnelen (Litopenaeus vannamei) gezüchtet werden, verfügt über ein ausgeklügeltes Kreislaufsystem zur Wiederaufbereitung des Wassers. Gestartet hat er vor sieben Jahren, da es keine vergleichbare Produktion gab. „Anfangs haben wir uns mit Fisch als Hobby beschäftigt und zwei bis 300 Kilo geerntet, jetzt sind es bis 10 Tonnen im Jahr.“ Ein weiterer, der sich der Garnelen- und Fischzucht verschrieben hat, ist Michael Wesonig von Michi’s Frische Fische. Er hat sich zusätzlich zu den Garnelen auch an die Zucht von
Meeresfischen gewagt, da ihm die Problematik, um den Meeresfischfang bewusst ist. „Mit Wildfang überfischt man tendenziell die noch existierenden Bestände, und Aquakulturen im offenen Meer haben auch ihre Nachteile“, so Michi. „Die Fische nehmen alle Verschmutzungen im Wasser auf, und konventionelle Fischzuchten zerstören wiederum ihr eigenes Biotop.“ Das braucht dann einen hohen Einsatz von Chemie, solche Fische sind für Michi keine Delikatesse: „Deswegen züchte ich jetzt Meeresfische in der Steiermark.“ Einer seiner größten Erfolge ist der nachhaltig und ressourcenschonend gezüchtete Steirer Branzino und der Spaß an seiner Arbeit. „Meine Frau sagt oft, ich bin wie ein kleines Kind unter dem Christbaum, wenn ich mit leuchtenden Augen von der Fischzucht komme und ihr voller Freude berichte, dass unsere steirischen Gebirgsgarnelen wieder um einen Zentimeter gewachsen sind.“ Die österreichischen Garnelen punkten durch ihren einzigartigen süßlich-nussigen Geschmack, das Garnelenfleisch ist fest, und der Biss knackig, bei der Zubereitung schrumpfen sie nicht stark. Deswegen ist die Nachfrage bei den Gourmets hoch, wobei nicht nur Restaurants die Produkte nachfragen, sondern auch immer mehr Privatkunden. Die Tiere werden nicht tiefgefroren, sondern gekühlt geliefert. Dadurch bleibt die Schale dünn, die Hitze dringt beim Garen besser ein, und das Fleisch bleibt saftiger. Bei der Garnelenaufzucht wird auf einen ökologisch nachhaltigen Kreislauf geachtet.
Schnecken
Einer, der eher den Boden als das Wasser bevorzugt, ist Andreas Gugumuck von der Wiener Schneckenmanufaktur. Durch Zufall ist er auf die Idee gekommen, Schnecken zu züchten. „Ich habe einen Artikel im Rondo über Schnecken gelesen und ließ mich von Sieberts Schneckenkochbuch inspirieren“, erzählt Gugumuck, der eigentlich Informatik studiert hat. „Ich habe
viel recherchiert und entdeckt, dass die Schnecken in Wien eine lange Tradition haben.“ Die Schnecken galten als klassische Fastenspeise. Nach dem Zweiten Weltkrieg ermöglichte ihnen die Nouvelle Cuisine einen Höhenflug, der wieder abebbte. In den 1980er-Jahren wurden sie wieder populär, bis Frosch und Schnecke unter den Artenschutz fielen und nicht mehr in der Küche verwendet werden durften. „Ich habe also ein Projekt gestartet, ohne einen Markt zu haben“, so Gugumuck. „Wir sind den Weg über die gehobene Gastronomie gegangen und organisieren seit 2010 Schneckenfestivals, über die in ganz Österreich eine Woche lang Schnecken propagiert werden.“ 2008 startete er die Zucht im Nebenerwerb, 2010 startete er als Landwirt durch und produziert nun 200.000 bis 300.000 Schnecken im Jahr, die mit ihrem leicht erdig nussigen Geschmack die Gourmets überzeugen. Besonders beliebt sind seine Sieben-Gänge-Menüs, die drei Mal im Monat angeboten werden.
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Über den Tellerrand
hat den Hürdenlauf geschafft, heute ist er sogar Österreichs erster EU-zertifizierter Kaviarproduzent und exportiert 20 Prozent des Kaviars vor allem nach Deutschland und Portugal. „Was unseren Alpenkaviar besonders und hochwertig macht, ist die naturnahe artenspezifische Aufzucht in Naturteichen“, so Schlader. „Die Störe verbringen einige Monate vor der Produktion im reinsten Gebirgswasser, und ihre Eier reifen im kalten Wasser heran.“ Die Produktion und Veredelung des Kaviars vor Ort finden nach State-of-the-art-Standards statt. Preislich und qualitativ ist der Alpenkaviar mit Kaviar aus Russland und Persien vergleichbar.
Variationen her“, ist Kujal stolz. „Einige davon werden auch zu einem Feigengeist gebrannt.“ Der Genießer kann aus vielen verschiedenen Geschmacksvariationen wählen. Wer sich in die Feige verliebt, kann sich auch Bäume vom Feigenhof mitnehmen. „Die Feige erlebt gerade einen richtigen Boom“, freut sich Kujal. „Wir beraten die Käufer in Bezug auf Lage und Bodenbeschaffenheit und suchen die richtige Sorte aus. Gefühlt stehen schon in fast allen Wiener Gärten Feigenbäume.“ Kein Wunder, ist die Feige doch schon seit Adam und Eva ein Symbol für Fruchtbarkeit.
Kaviar
Durch Zufall ist Helmut Schlader von Alpenkaviar auf den Stör gekommen. „Ich war als Verkaufsdirektor einer Lebensmittelkette für den Vertrieb in Rumänien zuständig. Ich bin dort dementsprechend sehr viel herumgekommen aufgrund der vielen Filialen, die wir betrieben haben — unter anderem auch in der Region des Donaudeltas. Dort habe ich zum ersten Mal Stör und Kaviar probiert.“ Als er erfuhr, dass es auch in Österreich fünf verschiedene Störarten gab, beschloss er, sich näher damit zu beschäftigen. „Es war ein Sprung ins kalte Wasser, da ich ja eigentlich überhaupt keine Ahnung von Stören bzw. der Kaviarproduktion hatte“, lacht er. „Mit viel Zeit, Studium und Hingabe ist das erlernbar.“ Fast wäre er an den behördlichen Vorschriften gescheitert. „Mir wurden sehr viele Steine, teilweise auch durch Nichtwissen, in den Weg gelegt“, erzählt er. „Angefangen von der Genehmigung der Aufzuchtbecken, der Produktion bis über die Verpackung und Etikettierung.“ Schlader
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Auch der Safran hat eine hohe Symbolkraft, vor allem macht er den Kuchen gelb. Ein Sprüchlein, das so jedes Kind kennt. Dass Safran auch in Österreich angebaut wird, ist nicht so landläufig bekannt. In der Weststeirischen Safranmanufaktur wird seit 15 Jahren Safran kultiviert und gezüchtet. Aus den Narben der violett blühenden Krokusart werden die Safranfäden in Handarbeit gewonnen. 150.000 Blüten werden für ein Kilogramm des kostbaren Gewürzes benötigt. Peter Schöggl stellt daraus Safran-Öle, -Sirup und -Salz her, aber auch Seifen, Cremen und medizinische Produkte. „Zum Zupfen für unseren medizinischen Safran verwenden wir Kunststoffoder Bambuspinzetten, damit kein Safranfaden mit den Händen in Berührung kommt“, so Schöggl.
Fotos: Alpenkaviar, Schoeggl, Martina Siebenhandl, Zitrusgarten, Affenzeller
Feigen, Safran und Zitronen
Bio-Feigen aus Wien? Die gibt es nur am Himmelreich in Kaiserebersdorf. Am Feigenhof von Ursula Kujal reifen von Mitte Juni bis Anfang November 50 verschiedene Feigensorten im Glashaus und in der Freilandplantage heran. „Aus den Früchten stellen wir feine Feigenaufstriche in unterschiedlichen
An die Kärntner Zitronen hingegen wird gerne Hand angelegt. Michael Ceron vom Zitrusgarten ist der Südfrucht regelrecht verfallen. „Als gelernter Gärtner hab ich schon mit 19 die elterliche Blumengärtnerei übernommen“, erzählt Ceron. „Ich war als großer Balkonblumenlieferant der Hotellerie erfolgreich, aber wenn wir im September die schönen Pflanzen auf den Kompost werfen mussten, weil die Saison vorbei war, blutete mir das Herz.“ Privat fing er an, Zitruspflanzen zu sammeln. „Dann wurden es mehr und mehr“, lacht er. „Die Flächen der Balkonblumen schrumpften, die Zitrusflächen wuchsen ...“ Ausschlaggebend war der EU-Beitritt, weil er damit offiziell Bäume in Italien zollfrei einkaufen konnte. Diese ersten Jahre konnte er nie eine Frucht ernten, die Plastiktöpfe, die Erde, der Dünger, vieles passte nicht. 2014 war dann das „Forschungsprojekt“ Zitrusbaumpflanzung im Gewächshaus in Kärnten geboren, und rund 250 verschiedene Zitrussorten wurden gepflanzt. „2018 hatte ich die erste offizielle Bio-Ernte mit 137 verschiedenen Zitrussorten, das ist damals wie heute ein Unikat in Europa“, erzählt Ceron. „Natürlich sind es Einzelbäume, keine Plantage wie in Sizilien, aber eben die Vielfalt von heute rund 300 verschiedenen Sorten ... und geschmacklich sind das Juwelen.“ Heute produziert er Lebensmittel statt Blumen und ist mit der Entscheidung glücklich. „Und unsere Kreationen sind wohl einzigartig“, ist Ceron stolz. „Wir produzieren Bio-Zitroneneistee (unter ein Prozent Zuckeranteil), Bio-Zitruspralinen, Bio-Zitronenhonig, einen BioZitronencocktail (unter 12 Prozent Alkohol) und einen RickGin.“
Gin und Whiskey
Apropos Gin. Erfunden wurde der Wacholderschnaps von einem holländischen Arzt — als Medizin, um Fieberanfälle zu lindern. Die Engländer kamen dann auf den Genuss des Getränks, und damit fing der Sieges-
zug des Gins um die Welt an. Als derzeitiges Modegetränk fasziniert er nicht nur Genießer, sondern vor allem Produzenten in Österreich. „Wir spielen so lange mit den feinen Nuancen, bis wir den perfekten Gin haben“, erklärt Wolfgang Hagn. „Unser Winzagin wird aus Weintrauben, die Basis aus Wacholderbeeren gebrannt.“ Kombiniert wird der Gin mit Holunder- und Lavendelblüte, Zitronen- und Orangenschalen, Koriander und Muskatnuss. Peter Affenzeller hingegen verwendet für seinen Dry Gin die neun Botanicals Wacholder, Anis, Orangen, Citrus, Cassiarinde, Kardamom, Tannennadeln, Pfeffer und Lavendel. „Dieser Gin ist am Gaumen zu Beginn schmei-
chelnd, dann im Abgang aber eindrucksvoll kräftig und vielschichtig verspielt“, ist er stolz. „Das Aroma ist langanhaltend und animiert zum nächsten Schluck.“ Doch auch über Whisky und Whisky Cream hat sich der Oberösterreicher getraut. Der cremige Liqueur aus klassischem Single Malt Whisky schmeckt nach hochwertiger Schokolade, dezenten Vanillenoten und süßen Karamellnuancen. „Whisky zu brennen erfordert vor allem eines: Herz“, so Affenzeller. „Wenn man dann in seinem Heimatort die besten Voraussetzungen für eine ausgezeichnete Spirituose vorfindet, dann steht einem qualitativ hochwertigen Whisky nichts mehr im Weg.“ Bei so viel Genuss und Qualität lohnt es sich, ein paar Euro mehr auszugeben. Glücklicherweise nimmt der Trend zur Regionalität zu. Die Konsumenten gehen dazu über, bewusster einzukaufen, lange Transportwege vermeiden zu wollen und auf diese Weise einen Beitrag dazu zu leisten, den ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Und natürlich schmeckt es ohne schädliche Chemikalien, Antibiotika, Hormone und Pestizide besser.
Kontaktdaten Bezugsquellen Fisch, Garnelen, Schnecken: www.michis-frische-fische.at www.whitepanther.com www.alpengarnelen.at www.gugumuck.com Bezugsquellen Kaviar: www.alpenkaviar.at Bezugsquellen Reis: www.steirischerreis.at www.janatuerlich.at/produkt/seewinkler-bio-reis Bezugsquellen Exotisches: www.zitrusgarten.at www.feigenhof.at Weststeirische Safranmanufaktur | Facebook Bezugsquellen Getränke: www.peter-affenzeller.at WINZAGIN — Weingut Hagn (hagn-weingut.at)
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Von der Ethik der Nachhaltigkeit zum Ende der Demokratie Kolumne: Thomas Malloth
Wir arbeiten schon seit geraumer Zeit an einem spannenden Themenbogen, der Sie durch drei Tage begleiten wird. Geplant sind dieses Jahr aber auch unterjährige Veranstaltungen. Sie können sich vor allem unter www.illmitzergespraeche.at erkundigen und sich bereits jetzt unter info@illmitzer-gespraeche.at anmelden. Zurück zu den Themen: Wir haben dieses Jahr vier wesentliche Themenblöcke definiert, wieder getragen von TOPreferenten. Darüber hinaus werden die Gespräche von Mittwoch bis Freitag stattfinden, um das Wochenende zur Verfügung zu haben. Wir haben überdies einen Spätsommertermin gewählt, um Outdoorveranstaltungen zu erleichtern. Auch werden einige Vorträge auf dem Wege eines Public Viewings auf den Hauptplatz übertragen. Am Mittwoch werden wir der Ethik der Nachhaltigkeit breiten Raum widmen. Angefragt sind Michael Landau, Markus Scholz von der
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FH Wien und Gerhard Weißgrab, Präsident der buddhistischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Nachhaltigkeit ist in ihrem innersten Wesen eine Frage der Solidarität. Der Solidarität aller Menschen miteinander im Einklang mit allem, was die Evolution auf diesem Globus (er)lebenswert aufrechterhält. Damit wird mit dem Ansatz der Nachhaltigkeit das evolutionäre Prinzip der humanen Kooperation verwirklicht. Dieses bedeutet aber, dass es Aufgabe des Stärkeren ist, den Schwächeren nicht zu fressen, sondern zu schützen. So kann etwa wirtschaftliches Tun im heute vorherrschenden wachstumsorientierten Sinn immer nur dann nachhaltig sein, wenn es die Chancen auf Überleben erhöht und die nächsten (sowie die eigenen) Generationen nicht schädigt.
Baustoffen und Urban Mining
Der zweite Tag, der Donnerstag, wird überwiegend der Immobilie gewidmet sein. Geplant sind vor allem informative und praxisnahe Referate zu Baustoffen und Urban Mining, aber auch zur Frage der zukünftigen Energieversorgung, wobei wir der Diskussion, was „grüne“ Energie tatsächlich sein kann, viel Raum geben. Aber auch „vertical farming“ und die Zukunft der Mobilität sowie die Siedlungsentwicklung werden Kernthemen sein. In einem eigenen Block werden Best Practice Beispiele
aus ausgewählten Kommunen vorgestellt und die Erfordernisse der Regionalität beleuchtet. Am Freitag schließen wir die Spange zur Ethik am ersten Tag mit der Frage nach dem „Ende der Demokratie“. Vor dem Hintergrund einer weitestgehend intransparenten Informationslandschaft und Gesellschaft wollen wir der Frage nachgehen, ob die gegebenen staatlichen Strukturen überhaupt in der Lage sind, die anstehenden Fragen in der wenigen gegebenen Zeit zu lösen. Bedarf es einer radikalen, demokratischen Systemänderung? Wo müssen die Aspekte der Nachhaltigkeit im Stufenbau der Rechtsordnung stehen, um sinnvoll und tatsächlich Gehör zu finden? Was tun gegen sich selbst feiernde politische Kasten, deren Output mehr als überschaubar ist? Wir haben unter anderen einen Staatswissenschaftler zu diesen Fragen eingeladen, und wahrscheinlich kommt auch ein Politikexperte.
Zum See und in die Lacken
Wir haben wieder die Unterstützung seitens des Ministeriums und des Landeshauptmannes und erwarten Abgeordnete aus den Landtagen und aus dem Nationalrat. Freitagnachmittag wird es die Gelegenheit geben, mit den Wissenschaftlern der biolo-
Fotos: REMG/trovato GmbH
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s würde mich freuen, wenn Sie gleich jetzt Outlook öffnen und den 31. 8. bis zum 2. 9. 2022 in ihren Kalender schreiben. Aber noch besser: Fügen sie gleich das Wochenende hinten an und verbringen sie besondere Tage im Weltkulturerbe Neusiedlersee – Seewinkel bei den dritten ILLMITZER GESPRÄCHEN.
Thomas Malloth ILLMITZER GESPRÄCHE Thomas Malloth ist Jurist und hat sich auf die Bereiche Immobilienbewertung, Immobilienconsulting, Immobilienverwaltung und -vermarktung und auf die Projektentwicklung, v.a. im dichten städtischen Raum, spezialisiert. Er ist ständiges Mitglied des Bundesdenkmalbeirates und Lehrbeauftragter an sieben Universitäten. Im November 2016 wurde Malloth in den Vorstand des österreichischen Chapters der Royal Institution of Chartered Surveyors berufen.
gischen Station Illmitz zum See und in die Lacken zu gehen. Am darauffolgenden Wochenende werden ausgewählte Winzer eine Fahrt in die Weingärten und zu den Kellern anbieten. Zum Auftakt dieses Teiles der Gespräche konnten wir Martin Grassberger zum Thema „Planetary Health“ gewinnen. Auch im dritten Jahr haben wir nicht an Fahrt verloren, sondern verfolgen unsere Kernziele konsequent weiter.
zu werden. Die Nachhaltigkeit im Alltag ist keine Frage des Forderns, sondern eine des Tuns. Vor allem aber der Regionalität muss unser Augenmerk gewidmet sein. Ich darf Sie sehr persönlich bitten, dabei zu sein, denn gerade wir Immobilienspezialisten stehen im Zentrum der Volkswirtschaft einerseits und sind Garanten für gesellschaftliche Wohlfahrt andererseits. Diese Verantwortung müssen wir wahrnehmen, denn:
Ich werden nicht müde zu wiederholen: Es bedarf des Zusammenführens von Wissenschaft und Zivilgesellschaft, um der Wahrheit gerecht
Wir haben keine Zeit mehr.
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RE-USE AUF BAUSTELLEN
DIE GROSSE UMFRAGE
Markus Meissner, Ressourcenmanager und Leiter von BauKarussell, freut sich über jedes Abrisshaus. Vor allem über solche, die er bewirtschaften kann. BauKarussell betreibt Social Urban Mining, sie suchen nach Wiederverwendbarem in Abrisshäusern und verkaufen es, damit es in anderen Häusern eingebaut werden kann. Ein Geschäftsmodell, dass international Nachahmer sucht.
Bei der ImmoVision wurden Top-Manager aus der Immobilienbranche befragt, wie sich das Jahr 2022 entwickeln wird. Die Antworten fielen sehr spannend aus.
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RESSOURCEN MANAGEN
Foto: Adobe Stock
Beim Round Table zum Thema Kreislaufwirtschaft diskutierten Stephan Messner, Hubert Rhomberg, Doris Wirth und Oliver Gusella, wie man die Ressourcen von morgen managen kann und wie wichtig die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in diesem Bereich ist.
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www.kollitsch.eu
GRUNDLAGE. Wir suchen Liegenschaften im Raum Wien, Wien Umgebung und in den Ballungszentren Niederösterreichs, die für die Entwicklung von hochwertigem Wohnraum geeignet sind. Haben Sie ein geeignetes Grundstück für uns? Dann rufen Sie uns doch gleich an oder schreiben uns unter: immobilien.wien@kollitsch.eu
Die KOLLITSCH & SORAVIA Immobilien GmbH ist eine neue, strategische Partnerschaft zweier bekannter Namen: dem Traditionsunternehmen Kollitsch und der Immobilienentwicklerin Jasmin Soravia. Gemeinsam sind wir noch effektiver, um in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland neue Märkte zu erschließen. Mehr zur KOLLITSCH Unternehmensgruppe erfahren Sie auf www.kollitsch.eu
KOLLITSCH & SORAVIA Immobilien GmbH, Schwindgasse 6/3A, 1040 Wien, T +43 1 226 2600, www.kollitsch.eu
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Wo ist die Lücke im Kreislauf? Lösungsorientierte Diskussion. Beim Thema Kreislaufwirtschaft geht noch viel mehr, vor allem wenn der Verbrauch von Materialien, Rohstoffen und Energie gesenkt wird. Dazu hatten die Diskutanten unterschiedliche Ansätze, aber ein gemeinsames Ziel. Autor: Lisa Grüner
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rialienverbrauch ist Kreislaufwirtschaft in der Lage, die globalen Treibhausgasemissionen um 39 Prozent und den Verbrauch von Rohstoffen um 28 Prozent zu senken. Beim Event „Mind the Gap – wo ist die Lücke im Kreislauf?“, der am Montag, dem 28. Februar 2022 im Naturhistorischen Museum in Wien stattfand, wurde im Rahmen einer Podiumsdiskussion des EU-Umweltbüros im Umweltdachverband diskutiert, wie die Lücke zu schließen
wäre. Die Veranstaltung fand in Zusammenarbeit vom Umweltdachverband, dem Club of Rome, RepaNet und dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie statt.
Podiumsdiskussion
Am Podium diskutierten Marcel Krejc, Geschäftsführer von Matwash-CleanTec, Karl Kienzl, Umweltreferent beim Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie,
Fotos: Sacha Gillen
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eit der Klimakonferenz COP26 werden in Anbetracht der fortschreitenden Erderwärmung Lösungen zur Erreichung des „Unter-2-Grad-Ziels“ diskutiert. Ein neuer Forschungsbericht von Circle Economy identifiziert dabei Kreislaufwirtschaft als einen möglichen Ausweg aus der Klimakatastrophe: Der Circularity Gap Report 2022 zeigt auf, dass ein verstärkter Ausbau der globalen Kreislaufwirtschaft die Emissionslücke bis 2032 schließen kann. Durch geringen Mate-
Mobilität, Innovation und Technologie, Karin Huber-Heim, Executive Director beim Circular Economy Forum Austria, Willi Haas, Lehrender am Institut für Soziale Ökologie an der BOKU, und Rainer Schultheis, Geschäftsführer bei Saphenus Medical Technology. Moderiert wurde die Diskussion von Harald Friedl, Kreislaufwirtschaftsbeauftragter des Bundesministeriums für Klimaschutz. „Die Lage ist derzeit weder einfach noch erfreulich. Dennoch bin ich ein Optimist und glaube daran, dass wir den Turnaround beim Klimawandel schaffen“, so Haas. „Doch eine der wesentlichen Fragen wird sein, wie es zu einer breitenwirksamen Bewegung kommt, die in die richtige Richtung geht.“ Seine Sorge ist, dass sich der Ressourcenverbrauch massiv erhöht hat. „Wir recyceln zwar auch mehr, aber dennoch läuft uns der Verbrauch davon“, so Haas. Schuld daran sei unter anderem das politische System, dass nach dem Zweiten Weltkrieg hauptsächlich auf eine Konsumpolitik gesetzt hat, um Wohlstand und Frieden zu schaffen. „Aber jetzt
„Wir sind das Konsumund Wachstumsdenken gewohnt, und das muss sich ändern.“ Karin Huber-Heim, Circular Economy Forum Austria
brauchen wir eine andere Governance-Struktur. Das Thema ist nicht mehr Wachstum, sondern wie man alle Bereiche miteinander verbindet, um mit dem Vorhandenen auszukommen.“ Dabei spricht er an, dass es derzeit viele Krisen zu lösen gibt. „Wir brauchen einen Umbau, der
viele der Baustellen auf einmal löst.“ Das große Problem sieht er darin, dass viele Jahrhunderte lang die Menschen in einer Welt der Knappheit gelebt haben und jetzt mit der Fossilenergie Wohlstand für alle erreicht wurde. „Jetzt will jeder wie ein Kaiser leben, einen Status haben, Fleisch essen, mobil sein. Früher war das nur wenigen vorbehalten“, so Haas. „Und jetzt müssen wir es schaffen, ein klima- und ressourcenfreundliches Leben für alle zu ermöglichen, ohne den Wohlstand abzuschaffen.“
Konsumeinschränkungen
Auch Kienzl sieht es so, dass die Klimakrise auch eine wirtschaftliche Krise ist. „Unser System hat viele Blasen, und die Frage ist, wie man sie öffnen kann“, so Kienzl. „Da brauchen wir viele einzelne, die das tun.“ Für ihn ist die Verhaltensökonomie ein großes Thema, aber auch die politischen Rahmenbedingungen. „Es gibt den wichtigen Bereich der Unternehmer, die teils jetzt schon beispielhaft vorangehen.“ Das branchenübergreifende Weiterdenken und Weiterentwickeln sieht er als notwendigen Schlüssel.
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aber auch an jeden einzelnen: „Man muss den persönlichen Konsum einschränken, in der Familie Umweltschutz leben und am Arbeitsplatz das Bestmögliche tun.“ Die Zukunft sieht er darin, wenige, aber qualitativ hochwertige und ökologisch hergestellte Güter zu besitzen.
Brauchen Circular Thinking
„Man muss den persönlichen Konsum einschränken, in der Familie Umweltschutz leben und am Arbeitsplatz das Bestmögliche tun.“ Karl Kienzl, BMK
„Sieht man sich die Zementindustrie an, so muss man überlegen, wie man die hohen Temperaturen zur Herstellung zusammenbekommt, ohne fossile Brennstoffe einzusetzen“, so Kienzl. „Aber auch wie man CO2 in den Kreislauf führen kann.“ Er plädiert für eine Zukunftsregierung,
Huber-Heim stellt sich die Frage, wo das Greenwashing aufhört und der richtige Wandel anfängt, aber auch was die Unternehmen brauchen, um schneller mehr machen zu können. „Circular Washing ist ein Thema, das nicht in böser Absicht passiert“, so die Diskutantin. „Unternehmen springen auf Trends auf. Was fehlt, sind die Taten hinter den schönen Worten. Aber sie wissen es oft nicht besser.“ Einen Grund dafür sieht sie darin, dass monetäre Messungen einfach sind und sich durch Daten belegen lassen, sich das aber bei der Circular Economy nicht abbilden lässt. Es gibt kein Berechnungsmodell für zirkulär und nachhaltig. „Was ist sozial, wo fängt unsere Verantwortung an, wo hört sie auf? Viele Unternehmen bewegen sich in einem Graubereich, sie agieren in Unwissenheit, weil es Ihnen an Tools fehlt“, so Huber-Heim. „Wir haben kein Circular Thinking, wir sind
„Man muss den Konsumenten wieder dazu erziehen, die Dinge gut zu behandeln und im Kreislauf zu halten.“ Marcel Krejc, Matwash-CleanTec
das Konsum- und Wachstumsdenken gewohnt, und das muss sich ändern.“ Konsum ist kein Naturgesetz, sondern es wurde eingesetzt, um die Massen ruhig zu halten. „Die Frage ist jetzt: Schaffen wir es, das System durch Bruch oder Transformation zu verändern? Es ist wie bei einem Flugzeug im Flug den Motor zu tauschen. Aber man muss das Unmögliche versuchen.“ Der Diskutantin gefällt der Begriff „Sustainable Growth“ nicht, stattdessen wäre ihr „regeneratives Wachstum“ lieber. Auch sie sieht die Lösung in einem Schritt zurück zu einer Welt der Qualität, weg von der Quantität.
Vorhandenes nutzen
„Wir haben uns im Bereich der Medizintechnik mit SDG beschäftigt“, erzählt Schultheis. Als Beispiel bringt er ein Entwicklungshilfeprojekt in Tunesien vor, wo 90 Prozent der behinderten Menschen mit amputierten Gliedmaßen im Rollstuhl sitzen, weil sie sich keine Prothese leisten können. „Wird man arbeitslos, fällt man dort aus der Sozialversicherung, das ist bei einem Unfall fatal. Wir haben ein Konzept entwickelt, wo der Amputierte eine Prothese bekommt, die im Land mit den vorhandenen Ressourcen gebaut wird. Das, was es dort in großen Mengen gibt, ist Plastik.“ Nachhaltigkeit im medizinischen Bereich ist ein großes Thema. Und es braucht mehr Maßnahmen diesbezüglich. „Wir müssen ins Tun kommen“, so Schultheis. Einen Lösungsansatz sieht er darin, digitale
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Anwendungen in einen größeren Kontext zu setzen. „Schön wären Apps, die ein Monitoring erlauben“, so Schultheis. „Jungunternehmen tun sich leichter, Social Mentoring einzuführen, aber sie brauchen eine Anleitung.“
Lebensdauer verlängern
„Wir waschen Matratzen, die sind übrigens die schmutzigsten Teile in der ganzen Wohnung“, beginnt Krejc. „Durch eine Waschung verlängert sich die Lebensdauer von Matratzen.“ Er ist dafür, die Lebensdauer von Produkten durch Pflege zu erhöhen. „Man muss den Konsumenten wieder dazu erziehen, die Dinge gut zu behandeln und im Kreislauf zu halten.“
„Wir müssen ins Tun kommen. Österreich hat die Möglichkeit, ein Vorreiter zu sein.“ Rainer Schultheis, Saphenus Medical Technology
Damit prangert er das aktuelle Nutzungsverhalten von „kaufen, nutzen, wegwerfen“ an. 35 Millionen Matratzen werden im Jahr in Europa weggeworfen, in Österreich sind es eine Million Matratzen jährlich. Diese werden thermisch verwertet. „Die brennen gut, weil diese aus Öl bestehen“, so Krejc. Er plädiert dafür, festgefahrene Strukturen aufzubrechen. „Man muss sich Abfallströme genau anschauen, um effizient handeln zu können.“ Auch muss die Politik einheitliche Regelungen schaffen. Seiner Meinung nach wäre es auch wichtig, schnell die richtigen Ansprechpartner zu finden, um Ressourcen mehr nutzen zu können. „Österreich hat die Möglichkeit, ein Vorreiter zu sein“, so Krejc. „Bei den Matratzen schaffen wir es nicht mehr.“ Ihm hat in der Diskussion gefehlt, die Möglichkeiten aufzuzeigen, die die Kreislaufwirtschaft bietet. „Sie bietet Chancen für innovative Unternehmen“, so Krejc. Ein weiterer Punkt ist die soziale Komponente: „Neue Ideen schaffen neue Arbeitsplätze.“
„Wir müssen ein klima- und ressourcenfreundliches Leben für alle ermöglichen, ohne den Wohlstand abzuschaffen.“ Willi Haas, BOKU
Event-Tipp Circular Economy Summit Austria Der Circular Economy Summit Austria wird vom Klimaschutzministerium gemeinsam mit dem Circular Economy Accelerator Österreich und unter Einbindung sowie mit breiter Unterstützung von Organisationen der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft organisiert. Er findet am 22. März 2022 von 10.00 bis 17.00 Uhr in Wien statt.
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Wiederverwenden, was geht Social Urban Mining. Auf den Gründen des ehemaligen Sophienspitals im 7. Bezirk entsteht ein neues Stadtquartier, entwickelt von SOZIALBAU AG und WBV-GPA. Ein Teil steht unter Denkmalschutz, ein Teil wird abgerissen und steht derzeit BauKarussell für Social Urban Mining zur Verfügung. Markus Meissner, Ressourcenmanager und Leiter von BauKarussell, über Wiederverwendung in Abrisshäusern. Das Gespräch führte: Lisa Grüner
Markus Meissner Markus Meissner studierte an der Universität für Bodenkultur Wien. Seit dem Jahr 2003 verantwortet er beim Österreichischen Ökologie-Institut und bei pulswerk das Design und die Abwicklung von Projekten im Ressourcenmanagement. Seit dem Jahr 2008 liegt sein Fokus auf Re-Use, der „Vorbereitung zur Wiederverwendung“, um Kreislaufwirtschaft in den Feldern Haushalt und — seit 2015 unter dem Titel BauKarussell — im Rückbau zu etablieren.
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Stolpert man bei Re-Use nicht immer wieder über den Begriff Recycling? Markus Meissner: Ein großes Problem. Bei uns geht es prioritär um Re-Use. Im Englischen würde das niemand verwechseln — Recycling und Re-Use. Im Deutschen haben wir das Problem, dass das eine Verwerten und das andere Verwenden heißt. Der Unterschied liegt in zwei Buchstaben, und es hat sich als sehr schwer herausgestellt, diesen Unterschied in die Köpfe der Partner zu bringen. Reden wir mit potenziellen Projektpartnern, Bürgermeistern, Landesräten über Stoffe und Abfallwirtschaft, dann verstehen sie sofort Recycling. Der Begriff ist seit 30 Jahren bekannt, und sie schalten ab. Dann steht da groß Verwertung im Kopf, und ich komme gar nicht mehr dazu, das Verwenden zu erklären. Dabei ist gerade der Unterschied wichtig. Warum ist die Begrifflichkeit so wichtig? Wenn ich als Beispiel eine Sesselplatte aus dem Ferry-Dusika-Stadion hernehme, dann ist Re-Use: Ich nehme diese Sesselplatte und setze sie woanders ein. Recycling ist, ich schreddere sie und verwende die Holzschnitzel in einer Pressspanplatte wieder. Damit wird eines klar: Erhalte ich die Funktion des Produkts, habe ich einen viel höheren Wert. Beispielhaft gesagt: Für einen Metalltisch bekomme ich vielleicht wenige Cent Materialerlös beim Schrotthändler, kann ich aber den Tisch, der einen Neuwert von 150 Euro hatte, verkaufen, dann bekomme ich noch 10 Euro dafür — also ein Vielfaches. Im Gegensatz zu Recycling muss keine weitere Energie hineingesteckt werden. Der Wandel ist im Gang … Die Recycling-Baustoffverordnung hat viel bewirkt. Der Green Deal und die EU-Taxonomie haben dem Thema einen weiteren Schub gegeben. Das kommt uns und vor allem dem Umweltschutz sehr entgegen. Wie sieht der Ablauf in der Praxis aus? Wir haben Dienstleistungen identifiziert. Was wir gerne machen, ist Bodenbeläge und Zwischendecken entfernen und Schad- und
Störstoffe erkennen, also Stoffe, die aus dem Gebäude rausmüssen. Dann können Beton, Ziegel, Stahl und Holz in die stoffliche Verwertung gegeben werden. Es darf aber nichts verschmutzt sein. In einem Betonbruch darf sich kein Parkettboden befinden, denn der verhindert, dass ich das wieder als Zuschlagmaterial in die Betonindustrie hineinbekomme. Das heißt, das Holz muss vorher raus. Die Schad- und Störstofferkundung ist ja eine heikle Sache … Laut Gesetz muss diese erfolgen, und der Bauherr muss sie in Auftrag geben. Für uns ist diese Schad- und Störstofferkundung eine wichtige Grundlage des Arbeitens. Darauf basierend entscheiden wir, was wir angreifen und was nicht. Prinzipiell war das Inkrafttreten der Recycling-Baustoffverordnung 2016 eine wichtige Voraussetzung für unsere Arbeit. Damit wurden die Bauherren zu einem verwertungsorientierten Rückbau verpflichtet. Wie lange sind Sie in den Projekten tätig? Am MedUni-Campus Mariannengasse hatten wir zehn Monate Zeit für die Verwertung, beim Dusika-Stadion vier Monate, das war ein großes Projekt, bei dem wir 1.100 Stück der Sitze in die Wiederverwendung vermitteln konnten. Auch große Granitblöcke werden jetzt in der Gemeinde Großenzersdorf für Parkabsperrungen eingesetzt. Beim Dusika-Stadion hat man auch gesehen, dass private und gewerbliche Abnehmer Re-Use-Objekte nachfragen. Spielt die Geschichte hinter den Stücken eine große Rolle? Neulich haben wir einen schönen Eschenparkett ausgebaut und vermittelt. Bei sorgfältigem Ausbau bleiben Nut und Feder intakt, man baut den Boden woanders ein, schleift ihn ab und versiegelt ihn. Kostenmäßig liegt man da bei der Hälfte eines Neupreises. Viel wichtiger ist aber für den Bauherrn oft die Geschichte dahinter. Er baut keinen alten Boden ein, sondern ein Stück Geschichte aus
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einer Villa oder Bildungseinrichtung. Gerade beim Dusika-Station haben wir gesehen, dass viele Menschen emotional mit dem Stadion verbunden sind und sich ein Erinnerungsstück sichern wollten. Wie funktioniert Re-Use konkret? Wenn wir uns hier umsehen, sehen wir ein schönes Beispiel für Re-Use. Wir haben jemanden aus unserem Netzwerk gefunden, der zwei Türstöcke wollte. Für gewisse Produkte
„Erhalte ich die Funktion des Produkts, habe ich einen viel höheren Wert als bei Recyclingware.“ Markus Meissner, BauKarussell
haben wir bereits Stammkunden, die wir anrufen. Die schicken dann jemanden, der die Sachen unter unserer Anleitung ausbaut, oder wir erledigen das für sie. Das passiert alles, bevor der maschinelle Abbruch kommt. Wir bekommen vom Bauherrn eine Frist, wann der Abbruch erfolgt, bis zu diesem Zeitpunkt können wir etwas entnehmen. Es wird aber nur etwas ausgebaut, das bereits verkauft ist, oder geben Sie auch Dinge auf Lager? Ersteres. Das ist die Grundidee bei uns. Das Lager ist das Abrissgebäude, und das haben wir solange, wie wir es vom Bauherrn zur Verfügung gestellt bekommen. Alles, was wir nicht ausbauen, bleibt also dem Bauherrn und geht nicht in unser Eigentum über. Verkaufen wir etwas, geht das dann kurz in unser Eigentum über, und wir vermitteln es. Das ist eine Gewährleistungsfrage, damit der Käufer keine Forderungen gegenüber dem
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Bauherrn hat. Das Gewährleistungs- und Produkthaftungsthema ist ein sehr wichtiges. Nicht zu verwechseln mit der Garantie, die ist etwas Freiwilliges. Aber Gewährleistung muss ich als Verkäufer geben. Auf die gebrauchten Dinge gibt es auch eine Gewährleistung? Ja, natürlich. Bei B2B ist das verhandelbar, aber bei Endkonsumenten gilt das Konsumentenschutzgesetz. Da kann ich die Gewährleistung maximal auf sechs Monate reduzieren. Was ist, wenn der Türstock beim Ausbau beschädigt wird? Das ist das Risiko des Käufers. Er übernimmt ihn, wie besichtigt. Wenn einer 20 Türstöcke nimmt und einer ist verbogen, nimmt er sich einfach einen 21sten. Genau genommen verkaufen wir nicht den Türstock, sondern der Käufer bezahlt die Vermittlung. Wir haben ja den Aufwand, den Türstock zu suchen, ihn anzubieten und den Abbau zu beaufsichtigen. Der Rechtsrahmen ist nicht dafür ausgelegt, Dinge wiederzuverwenden? Unser Anspruch ist es, den Rechtsrahmen mit zu verändern oder zu beeinflussen. Die Kreislaufwirtschaft ist neu, und die Gesetze geben da keinen Rahmen vor, da es das bis jetzt nicht gegeben hat. Wir gehen nicht auf Konfrontation mit dem Gesetzgeber, sondern bringen als Pioniere einfach unser Know-how aus der Praxis ein. Gibt es auch Raritäten wie besondere Holzböden? Der Ausbau von Böden ist eine klassische Dienstleistung von uns. Wir finden immer wieder verschiedene Bodenbeläge von Parkett, Linoleum, Laminat bis hin zu PVC. Das sind Störstoffe im Sinne des Rückbaus und müssen aus dem Objekt entfernt werden, bevor der maschinelle Abbruch erfolgt. Das ist eine perfekte Arbeit für unsere sozialwirtschaftlichen Partner. Da arbeitet man mit der Hand oder mit Kleinmaschinen wie dem Teppichstripper und schneidet das Material heraus, und wir können Zimmer für Zimmer dokumentieren, wo das schon erledigt ist.
Der zuvor erwähnte Eschenparkett war natürlich ein Highlight, das auch wiederzuverwenden war. Wie geht man mit Elektrik wie zum Beispiel Lampen um? Es gibt gewisse Bestimmungen, wie Lampen zu behandeln und zu bearbeiten sind. Hier haben wir Leuchtstoffröhren, die fallen beispielsweise unter gefährlichen Abfall und müssen aus den Lampen ausgebaut werden, da sie Quecksilber enthalten. Generell müssen elektrische Stoffe vor dem Abbruch aus dem Gebäude entfernt werden. Also haben unsere Mitarbeiter den Auftrag, die Lampen abzunehmen, die Leuchtstoffröhren auszubauen und dem Fachentsorger zu übergeben. Für diese Arbeit kalkulieren wir eine Zeit zum Beispiel für 1.000 Lampen, und dann schauen wir, ob wir Gegenerlöse finden und dafür alle Lampen entfernen. Es ist auch wichtig,
Kontaktgift ist und nicht auf die Haut geraten darf, weil es krebserregend ist. Die Mitarbeiter müssen da jeden einzelnen händisch herausschrauben. Unsere Mitarbeiter bekommen für jeden Schritt eine genaue Anleitung und werden immer von einer Schlüsselarbeitskraft beaufsichtigt. Ihre Arbeit hat auch eine sozialwirtschaftliche Komponente … Genau, und diese ist ganz zentral für unser Tun. Wir haben bereits in mehreren Bundesländern mehrere sozialwirtschaftliche Partner identifiziert, deren Hauptzweck es ist, Personen wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Diese haben einen Vertrag mit dem Arbeitsmarktservice (AMS), dass sie sogenannte Transitarbeitsplätze zur Verfügung stellen und gefördert bekommen und diese ihnen passende Arbeitskräfte zuweisen. In unserem Fall bekommt Die Kümmerei von BFI
„Das Anbieten von Re-UseObjekten ist ein sehr lokales Geschäft, deswegen freuen wir uns über Nachahmer.“ Markus Meissner, BauKarussell
eine Dienstleistung nicht nur anzufangen, sondern komplett durchzuführen. Der Abbruchunternehmer hat ja nichts davon, wenn wir 300 Lampen rausnehmen und dann 700 im Gebäude verbleiben. Da gibt es für den Bauherrn für die Ausschreibung keinen Vorteil. Nur wenn er die Leistung komplett aus der Ausschreibung rausnehmen kann, dann hat er einen Vorteil. In Zusammenhang mit den Lampen gibt es noch einen weiteren Schadstoff, einen silbernen Kondensator, in dem sich PCPs (polycyclische Benzole) befinden, das ein
Wien/Job-TransFair vom AMS Wien Personen, die schon im Bereich Bau tätig waren und langzeitarbeitslos sind, zugewiesen. Diese sind dann bei Job-TransFair in einem befristeten Dienstverhältnis von sechs Monaten und erhalten ein Training, eine Teilqualifizierung und einen fixen Tagesrhythmus. So schaffen wir in unseren Projekten sozialen Mehrwert. Welche Kosten entstehen für den Bauherrn? Der Bauherr bezahlt die Planungsdienstleistung von BauKarussell. Für den operativen Rückbau können wir ein Nullsummenange-
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bot machen. Das bedeutet: Die Arbeitsstunden unserer sozialwirtschaftlichen Partner werden mit den Erlösen der Wertstoffe, die wir im Gebäude finden, refinanziert. Ohne den Zuschuss von AMS-gefördertem Personal funktioniert es also noch nicht? Unser Modell ist so flexibel, dass es mit verschiedensten Partnern angewandt werden kann. Ob es sich um Social Entrepreneure, Non-Profit-Organisationen oder vom AMS geförderte Einrichtungen handelt, ist dabei zweitrangig. Alle Genannten müssen in ihrem Wirtschaften auf ihre Kosten achten, und daraus ergeben sich die notwendigen Kalkulationsgrundlagen für unser Kostenmodell. Auch AMS-geförderte Betriebe sind verpflichtet, Dienstleistungen zu marktüblichen Preisen zu erbringen. Die AMS-Förderung deckt ausschließlich die Mehrkosten für die Unterstützung der sozialen Integration ab. Die sozialwirtschaftlichen Betriebe zahlen ihren Arbeitskräften kollektivvertragliche Gehälter. Ganz zentraler Bestandteil des Social Urban Mining von BauKarussell ist jedenfalls der soziale Mehrwert: dass wir faire Arbeit für am Arbeitsmarkt benachteiligte Personen schaffen. Und wir planen die Arbeiten entsprechend der wirtschaftlichen Notwendigkeiten unserer operativen Partner. Ist BauKarussell beispielgebend für andere Länder? Unser Anliegen ist es, dass es viele — von uns unabhängige — Nachahmer in vielen verschiedenen Ländern gibt. Das Anbieten von Re-Use-Objekten ist ein sehr lokales Geschäft. Es macht wenig Sinn, die ausgebauten Teile dann kilometerweit herumzufahren. Kreislaufwirtschaft bemüht sich vielmehr um möglichst kleine, möglichst regionale Kreisläufe. Daher braucht es auch viele regionale Initiativen. Wir freuen uns also, dass wir immer wieder eingeladen werden, unseren Ansatz im Ausland vorzustellen, und wir teilen gerne unsere Expertise. Je mehr Nachahmer wir haben, umso besser, denn schließlich bringt das die Baubranche als Ganzes weiter. 2020 wurde unser Ansatz auf europäischer Ebene mit dem dritten Platz des Circular Societies Prize ausgezeichnet. Es zeigt uns, dass andere Experten auf europäischer Ebene unsere Idee bestätigen.
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Hätten Sie ein paar Zahlen zu BauKarussell? In Summe fanden bisher über 160 Personen in BauKarussell-Projekten faire Beschäftigung. Sie haben in 26.000 Arbeitsstunden über 1.270.000 Kilogramm Ressourcen bewegt, wovon 580.000 Kilogramm der direkten Wiederverwendung zugeführt wurden. Von wem bekommen Sie derzeit Aufträge? Zu den Auftraggebern und Förderern von BauKarussell zählen österreichweit u. a. die Bundesimmobiliengesellschaft (MedUniCampus Mariannengasse, 2019—2020) und ihre Tochter ARE Austrian Real Estate (VILLAGE IM DRITTEN, 2020), die LINZ AG (2020), die Energie AG OÖ (2020), die BUWOG (Glaspalast, 2017), die SOZIALBAU AG (ehemalige VHS Stöbergasse, 2020, Sophienspital 2021—2022), die WBV-GPA (Sophienspital 2021—2022), die Stadt Wien (Ferry-Dusika-Stadion, 2021) und das Klimaschutzministerium.
BauKarussell BauKarussell startete 2015 mit dem Ziel, Beschäftigung und Qualifikation für am Arbeitsmarkt Benachteiligte mit der konsequenten Umsetzung von Kreislaufwirtschaft im Gebäuderückbau zu verknüpfen. Das von BauKarussell entwickelte Konzept Social Urban Mining basiert auf erweiterter Wertschöpfung der Potenziale von Abbruchgebäuden. Die Rückbauphase wird durch die Entnahme und Vermittlung von re-use-fähigen Bauteilen und die sortenreine Sicherung von Wertstoffen optimiert. Das BauKarussell-Team (ROMM ZT, pulswerk GmbH, RepaNet) begleitet Bauherren von Rückbauplanung bis Durchführung. Die operativen Arbeiten werden bundesweit von lokalen sozialwirtschaftlichen Partnerbetrieben durchgeführt.
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Ressourcen von morgen Grundprinzip Kreislaufwirtschaft. Auf vielen Baustellen ist sie bereits angekommen, allerdings noch nicht bei allen Entscheidungsträgern. Was in Zukunft passieren muss, damit sich das ändert und welche Rolle dabei neue Geschäftsmodelle spielen, diskutierte die Experten-Runde beim Round Table zum Thema Kreislaufwirtschaft. Autor: Amelie Miller
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ie Immobilie der Zukunft muss die Möglichkeit haben, auf entsprechende Materialienbörsen zurückzugreifen. Hier ist auch die Politik gefragt, um solche Materialienbörsen zu forcieren und zu fördern“, eröffnet Doris Wirth, ÖGNI Vize-Präsidentin und geschäftsführende Gesellschafterin von Bluesave, die Diskussion. Neben der Politik und den Förderungen liege, so Wirth, die Verantwortung aber auch bei der Finanzwirt-
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schaft: „Mit der EU-Taxonomie wird erstmals der Geldhebel gedrückt, aber ich denke , dass das noch nicht weit genug geht. Der digitale Zwilling mit der Erfassung von Materialien und Ressourcen sollte sich in der gesamten Bewertungsstrategie einer Immobilie widerspiegeln!“
nicht“, ist auch Hubert Rhomberg, CEO und Gründer der Rhomberg Gruppe, überzeugt. Die Daten zu erfassen, so Rhomberg, würde maßgeblich dazu beitragen, den Materialien ein „Preisschild“ anzuheften und so dem Eigentümer den eigentlichen Wert der Immobilie begreiflich zu machen.
Die Digitalisierung ist und bleibt folglich ein bestimmendes Thema in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft. „Ohne Informationen geht es
Für Stephan Messner von AluKönigStahl braucht es nicht nur Gesetze und entsprechende Förderungen, auch im Bereich des
Urban Minings, sondern „es ist vor allem der Bauherr gefragt. Es geht darum, die Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden auf Gesamtkosten zu bewerten und davon wegzukommen, die Immobilie ausschließlich ertragsorientiert zu betrachten“, ist Messner überzeugt. Eine Sichtweise, die er mit Wirth teilt: „Der Paradigmenwechsel hin zur gesamtheitlichen Betrachtung einer Immobilie ist entscheidend. Solange sich die Aspekte der Kreislaufwirtschaft nicht monetär niederschlagen, haben wir nur Idealisten, die hin und wieder tolle Gebäude hinstellen“, bringt es Wirth auf den Punkt.
Theorie versus Praxis
Der kontrollierte Rückbau von Bestandsimmobilien sei, so Oliver Gusella, Abteilungsleitung ÖBA und seit Jänner 2022 Geschäftsführer und Partner bei Vasko + Partner Ziviltechniker für Bauwesen und Verfahrenstechnik GesmbH, bereits gesetzlich vorgeschrieben. In Zukunft wird es jedoch wichtig sein, „z.B. Fügetechniken von Baustoffen bzw. -elementen sowohl für die Errichtung als auch für einen effizienten Rückbau von Bauwerken noch
rückbaufreundlicher zu planen und so den Anteil der kreislauffähigen Rückbaumasse zu optimieren.“ Gusella sieht hier auch die Industrie für einen ressourcenschonenden Einsatz von recycelten Bauprodukten in der Verantwortung. „Selbst in der Beton- und Zementindustrie sehe ich hier gibt es durch den Einsatz sowie Weiterentwicklung von z.B. recycelten R-Betonen noch großes Potenzial.“ Ein gut geplanter Bauablauf sowie Baulogistik mit einem zentralisierten Abfallmanagement sei, so Gusella, ein Lösungsansatz auf der Baustelle, um bereits in der Errichtungsphase eine sortenreine Trennung von Abfällen sicherzustellen. Damit wird der nicht wiederverwertbare Anteil minimiert und gleichzeitig die Qualität der Bauführung gesteigert. „Verschnitt, der beispielsweise beim Trockenbau entsteht, könnte direkt vom Hersteller abgeholt werden und wieder in die Produktion einfließen.“ Die Lösung? „Jede Baubehörde Österreichs soll neben der Baubeschreibung und dem Einreichplan zwei Dinge verlangen: eine Materialliste und eine Rückbauanleitung. Wie genau diese sein muss, spielt keine Rolle,“ wirft
„Die Kreislaufwirtschaft muss ein Grundprinzip werden, nicht nur in der Großindustrie, wir brauchen es auch in den kleinen Strukturen.“ Doris Wirth, ÖGNI und Bluesave
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„Man muss davon wegkommen, die Immobilie ausschließlich ertragsorientiert zu betrachten.“ Stephan Messner, AluKönigStahl
Rhomberg ein. Das würde dazu führen, dass bereits bei der Planung eine intensive Auseinandersetzung mit der Kreislauffähigkeit einzelner Stoffe stattfindet. So viel zur Theorie. Ein Ansatz, der in der Praxis allerdings keine Anwendung findet, weshalb Messner,
die Position vertritt, der größte Impact sei in einer Bestandanalyse zu erzielen. „Man muss sich anschauen, wo die meisten Fehler passieren, wo der meiste Abfall entsteht bzw. welche Gebäudetypen am meisten Energie brauchen, um am Prototypen neue Konzepte entstehen zu lassen. Wenn man
das macht, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass das Produzieren auf der Baustelle verschwinden muss. Das heißt, die Fertigung der Gebäudeteile verlagert sich in die Produktionsstätten. Dadurch lassen sich Prozesse und die Qualität ressourcenschonend optimieren.“
„In Zukunft wird es wichtig sein, noch rückbaufreundlicher zu planen und so den Anteil einer kreislauffähigen Rückbaumasse zu optimieren.“ Oliver Gusella, Vasko + Partner
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Mit der Verordnung von BIM, dem sogennanten Building Information Modeling, ließen sich allerdings von Anfang an Prozesse vereinfachen, standardisieren und vor allem Material kreislauffähig einsetzen. Ist das der Grund, weshalb Skandinavien beispielsweise so viel weiter beim Rückbau von Gebäuden ist als Österreich? „Definitiv“, ist Rhomberg überzeugt. „Ich habe die Hoffnung, dass diese Entwicklung über die Tranzparenz der Daten kommen wird. Denn mit dieser wird es neue Businessmodelle geben.“ „BIM ist längst keine Raketenwissenschaft mehr“, wirft Messner ein und „die Kreislaufwirtschaft ist ohne die Digitalisierung nicht möglich. Die Digitalisierung von Gebäuden und Wertstoffbörsen ist die Grundvoraussetzung“, fasst es Wirth zusammen.
Umdenken auf allen Ebenen
Digitalisierung, Standardisierung, aber wer soll eigentlich die Mehrkosten tragen? Welche Mehrkosten, lautet die Antwort unisono. Mehrkosten, die beim Neubau entstehen würden, sind für Rhomberg kein Argument: „Wenn man konsequent ist und die Fehlerquote deutlich reduziert, kostet der Bau eines kreislauffähigen Gebäudes keinen Cent mehr.“ Sowohl bei der Planung als auch bei der Logistik. Die Aussage, dass das Bauen einer kreislauffähigen Immobilie zwangsläufig teurer sein muss, sei pauschal und „stimmt definitiv nicht. Eine integrale sowie smarte (Generalkonsulenten-)Planung und die Betrachtung der Lebenszykluskosten sind hier notwendig. Es gibt zudem bereits Vertragsmodelle, bei denen auch firmenspezifisches ProduktionsKnow-how im Zusammenhang mit einem z.B. kreislaufähigeren Modul- bzw. Systembau früher in die Planung miteingebunden werden kann, um so über damit einhergehenden Effizienzreserven, Kosten als auch Bauzeit zu sparen“, berichtet Gusella aus der Praxis. Aktuell hat die Kreislaufwirtschaft aber keine eigene Lobby, sind sich alle Teilnehmer des Round Table einig. Der Gesetzgeber ist gefordert und somit auch die Politik. Die EU-Taxonomie sei ein erster Schritt, aber „der Investor und der Bauherr brauchen auch einen steuerlichen Anreiz, um diesen Weg zu gehen“, ist Messner überzeugt. Eine
eigene Lobby wird es erst geben, wenn neue Geschäftsmodelle entstehen. Und diese Entwicklung ist aufgrund der Digitaliserung und der daraus resultierenden Materialbörsen schon jetzt in vollem Gange. „Aber auch das Potenzial für KMUs und handwerkliche Tätigkeiten im Bereich Kreislaufwirtschaft ist enorm“, so Wirth. Denn das Thema Kreislaufwirtschaft umfasst viele Aspekte, wie etwa auch die Umnutzung von Flächen. „Es braucht Geschäftsmodelle. Auch die Regionalplanung ist extrem aufgerufen, zum Thema Kreislaufwirtschaft zu arbeiten. Das passiert derzeit noch gar nicht.“
„Wenn man konsequent ist und die Fehlerquote deutlich reduziert, kostet der Bau eines kreislauffähigen Gebäudes keinen Cent mehr.“ Hubert Rhomberg, Rhomberg Gruppe
Ressourcen von morgen sind also sehr viel mehr, als nur ein einzelner Baustoff. Die Digitalisierung und das Erfassen von Daten wird die Kreislaufwirtschaft in Zukunft vorrantreiben, ein Umdenken in der Politik wird es aber erst mit neuen Businessmodellen geben. Um es mit Wirths Worten zu sagen: „Die Kreislaufwirtschaft muss ein Grundprinzip werden, nicht nur in der Großindustrie, wir brauchen es auch in den kleinen Strukturen. Es muss in die Herzen der Menschen hinein, weil wir es auf allen Ebenen brauchen.“
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Kann uns das E-Auto retten? Dekarbonisierung bis 2040. Die Klimaziele sind fixiert, die Zeit läuft (davon), und das System Verkehr ist träge. Verkehrsexperte Harald Frey im Interview über die Mobilitätswende und ihre Schwierigkeiten. Das Gespräch führte: Lisa Grüner
Der Klimawandel ist seit Jahren ein großes Thema, 2040 sollen die Klimaziele erreicht sein. Doch der Österreicher ist immer noch sehr autoverliebt. Wie geht es weiter mit dem Verkehr? Harald Frey: Man muss sich ehrlich eingestehen, dass wir, auch in Österreich, Lichtjahre von den Zielen entfernt sind. Jährlich werden rund 24 Millionen Tonnen CO2 nur durch den Verkehr in Österreich ausgestoßen. Bis zum Jahr 2019 ist der Autoverkehr weiter angestiegen, also dort, wo wir eine Trendwende zum öffentlichen Verkehr, zum Rad- und Fußverkehr hätten schaffen sollen, haben wir versagt. Wollen wir die Klimaziele ernst nehmen, bräuchten wir bis 2040 eine völlige Dekarbonisierung im Verkehrssektor. Wie kann die Mobilitätswende erreicht werden? Studien belegen, dass eine Änderung der Antriebsart helfen kann, bis 2050 knapp die Hälfte der Werte einzusparen. Damit ist die E-Mobilität ein Baustein in diesem Prozess der Dekarbonisierung, aber nicht deren Allheilmittel. Daneben braucht es eine Vielzahl an anderen verkehrspolitischen und raumordnungsbezogenen Maßnahmen – die Technologie ist nur ein kleiner Baustein dieses Maßnahmenbündels. Also wird uns das E-Auto nicht retten? Nein, insbesondere, wenn es um mehr als die Klimaziele geht. Aber es ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung zur CO2Reduktion, zumindest in Österreich. Das
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Thema Antriebstechnologie spielt schon eine Rolle. Der Elektromotor ist deutlich energieeffizienter, und man kann Bremsenergie rückspeisen. Autos werden aber nicht geboren, sondern müssen produziert werden. Umgerechnet hat also auch das E-Auto schon einen fossilen Rucksack von rund 60.000 Kilometern. Probleme entstehen natürlich auch bei der Batterieproduktion und beim Recycling. Solange der durchschnittliche Besetzungsgrad von Pkw in Österreich bei rund 1,1 Personen liegt, könnte man heute schon die Effizienz um den Faktor 4 bis 5 erhöhen. Und das Wasserstoffauto? Das Wasserstoffauto ist energetisch wesentlich ineffizienter, weil viel Energie für die Erzeugung von Wasserstoff benötigt wird. Während ein modernes Elektroauto rund 70 bis 80 Prozent einer Kilowattstunde Strom als Antriebsleistung auf die Straße bringt, braucht ein Wasserstoffauto doppelt bis dreimal so viel Strom für die gleiche Strecke. Bei Lkw oder anderen Spezialfahrzeugen wird es aber ein Thema bleiben, ähnlich wie synthetische Kraftstoffe. Auch die Primärenergieproduktion spielt eine Rolle. Also bleibt nur der öffentliche Verkehr: Vor einigen Jahrzehnten wurden bereits Maßnahmen gesetzt. Wie wirksam waren diese? Betrachtet man die Mobilitätskennzahlen des Jahres 1983 und vergleicht sie mit jenen der letzten österreichweiten Mobilitätserhe-
bung aus dem Jahr 2014, so stellt man fest, dass der Anteil der zurückgelegten Wege beim öffentlichen Verkehr in Österreich 1983 exakt so groß war wie 2014. Diese Zahlen erschüttern, weil sie zeigen, dass wir ein paar Jahrzehnte und ein paar Milliarden Euro Staatsausgaben später wenig erreicht haben. Warum ist das so? Schuld an der Misere ist rückblickend, dass man bei den Investitionen in die Verkehrswege eine Doppelstrategie gefahren ist (und nach wie vor fährt). Man hat einen Euro in den öffentlichen Verkehr und zwei Euro in den Ausbau der Straßen gesteckt und damit die Investitionen in den öffentlichen Verkehr de facto konterkariert. Dazu kommt, dass das System träge ist, es braucht 60 bis 80 Jahre zur Veränderung. Hat sich nicht in den letzten zehn Jahren das Bewusstsein verstärkt, den öffentlichen Verkehr auszubauen? Das Bewusstsein ja, die Praxis schaut anders aus. Leider ist die Stilllegung von Regionalbahnstrecken ein österreichisches Negativbeispiel. Grund dafür waren betriebswirtschaftliche Argumente. Es ist problematisch, dass der öffentliche Verkehr nicht als System gesehen wird. Ein plakatives Beispiel: Würde ich meinen kleinen Finger nur nach betriebswirtschaftlichen Kriterien bewerten, müsste ich ihn mir vermutlich sofort abschneiden. Lebensfähige Systeme achten aber immer auf das Ganze. Genauso kann man die oft als „unrentabel“ eingestuf-
„Eine Autobahn unter einem Nationalpark zu bauen, halte ich prinzipiell für keine gute Idee.“ Harald Frey, TU Wien
ten Regionalbahnstrecken sehen. Sie sind notwendige Teilstrecken, um überhaupt zu den Hauptstrecken zu kommen. Das macht sie so wichtig. Welche Maßnahmen sind notwendig, um die Klimaziele doch noch zu erreichen? Dringend notwendig ist der Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Fläche, also die Mikrosysteme zu stärken, die zu den bereits gut ausgebauten Zubringersystemen in die Ballungsräume führen. Will man den ländlichen Raum aber insgesamt stärken, so funktioniert das nur, indem man die Gemeinden miteinander vernetzt. Denn eines muss uns klar sein: Das Gelingen der Mobilitätswende wird sich weniger im städtischen als im ländlichen Bereich zeigen.
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Was kann man noch tun? Den Gesamtenergieverbrauch in der Mobilität zu reduzieren, muss ein zentrales Ziel sein, zum Beispiel durch Herabsetzen der erlaubten Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen und Landesstraßen. Dies hilft auch, den Verkehrsaufwand, also die zurückgelegten Kilometer zu reduzieren, wie es auch im Mobilitätsmasterplan der Bundesregierung gefordert wird. Auch die Stellplatzverpflichtung muss überdacht werden. Solange es vorgeschrieben ist, einen Stellplatz bei jeder Wohnung, jedem Haus oder jedem Arbeitsplatz zu errichten, ist der öffentliche Verkehr nicht konkurrenzfähig. Das Auto steht ein paar Meter von der Haustür entfernt, oder man fährt bequem mit dem Lift in die Garage; da geht keiner zu einer Haltestelle, die mehrere hundert Meter entfernt ist. Es braucht immer sogenannte Push- und Pullmaßnahmen, damit eine Verhaltensänderung passiert. Wie zum Beispiel das flächendeckende Parkpickerl in Wien? Die Parkraumbewirtschaftung in Wien zeigt auf, dass das knappe Gut Parkplatz etwas kostet. Über den Preis kann man das Bewusstsein gut steuern, Geld ist ein wesentliches Kriterium, um die Leute zum Nachdenken anzuregen, ob sie das Auto nehmen oder stehen lassen. Schrittweise gilt es aber, das Parkraumangebot im öffentlichen Raum zu reduzieren. Zwei Drittel des öffentlichen Raums sind derzeit für den motorisierten Individualverkehr gestaltet. Der Flächenbedarf des ruhenden Pkw-Verkehrs am Wohnort entspricht rund einem Drittel der durchschnittlichen Brutto-Wohngeschossfläche je Person in Wien. Aber dennoch: Ein alternatives und attraktives Angebot in Form des öffentlichen Verkehrs muss vorhanden sein. Wäre eine kostenlose Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln eine Lösung? Es hat sich international gezeigt, dass das nicht viel bringt. Einerseits werden die Betreiber der öffentlichen Verkehrsmittel noch abhängiger von Subventionen, andererseits sind es insbesondere Fußgänger und Radfahrer, also eine Gruppe, die ohnehin schon ökologisch unterwegs ist, die dann vermehrt Bus und
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Bahn nutzen. Die Autofahrer bleiben meistens im Auto. Hier geht es eben weniger um den Preis als um das Angebot. Wie bringt man die Leute dazu, den öffentlichen Verkehr zu nutzen? Durch menschengerechte Strukturen: Parkt das Auto weiter weg und ist nicht bequem erreichbar, dann werden die Öffis in Betracht gezogen. Steht das Auto vor der (Haus-)Türe und habe ich dann noch einen Parkplatz bei meinem Arbeitsort, dann denke ich gar nicht darüber nach, in einen Bus zu steigen. Auch eine Verkehrserregerabgabe bei Shoppingcentern und Gewerbeparks wäre eine sinnvolle Maßnahme. Die Einnahmen sollten zur Stärkung der innerstädtischen Wirtschaftsbetriebe verwendet werden, die keine scheinbar unbegrenzte Zahl an Gratisstellplätzen vor den Geschäften haben. Welches Umdenken ist gefordert? Das Auto wurde über Jahrzehnte massiv gefördert und mit ihm seine Strukturen, die nichts mit den historischen Siedlungen oder einer kleinteiligen Wirtschaft gemein haben. Die Nahversorgung wurde durch das Auto zerstört. Dinge, die früher in der Nähe und zu Fuß erreichbar waren, sind heute meist weit entfernt, am Rande der Ortschaften oder überhaupt nicht mehr im Ort vorhanden. Der Großteil unserer Wege sollten kurze Wege im Ort oder in der Region sein. Dazu müssen wir jedoch wieder viel kleinteiliger werden und vernetzter denken. Der Ökonom Leopold Kohr hat dies als notwendige Rückkehr zum menschlichen Maß treffend bezeichnet. Hat da der Städtebau versagt? In gewisser Weise ja. Es gibt seit vielen Jahren keinen qualitativen Städtebau mehr, zum überwiegenden Teil hat man diese Fertigkeiten verlernt und das Wissen fragmentiert. In diesem Bereich muss man sich die Frage stellen, welche Qualitäten man sich von Stadtentwicklungskonzepten erwartet. Geht es darum, dass es zu jeder Wohnung einen Stellplatz gibt oder man zu jedem Haus zufahren kann, oder geht es um ein kleinteiliges, in seiner Maßstäblichkeit dem Menschen angepasstes vielfältiges und lebendiges Stadtquartier? Jan
Gehl beschreibt in seinem Buch „Städte für Menschen“ diese notwendigen städtebaulichen Kriterien, die zu beachten sind; zum Beispiel wie der Bezug zum öffentlichen Raum ab dem fünften oder sechsten Stockwerk versagt. Er gibt damit auch ein Plädoyer gegen Wohnhaushäuser ab, was wir bereits bei Roland Rainers „Kriterien der wohnlichen Stadt“ finden. Und nicht zuletzt hat uns Hundertwasser bereits darauf hingewiesen, dass die Gerade das dümmste Element der Planung sei und wir deshalb entsprechend sorgsam mit ihr umgehen sollten. Vergleichen wir alle diese Aspekte mit dem heutigen Städtebau, und wir erkennen, was schiefläuft. Sind Sie mit der Entscheidung zur vorläufigen Einstellung des Lobautunnels glücklich? Eine Autobahn unter einem Nationalpark zu bauen, halte ich prinzipiell für keine gute Idee. Es hätte auch die verkehrliche Situation im 22. Bezirk nicht verbessert, sondern verschärft. Die Tangente wäre weiter stark belastet geblieben, da sie direkt durch das Stadtgebiet führt. Eine weitere Autobahn macht das
Harald Frey Harald Frey ist Senior Scientist am Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien. Er lehrt und forscht seit 2006 zu den Themen Verkehrs- und Siedlungsplanung, Mobilität und Systemdenken. Zu diesen Themen hat er mehr als 300 Publikationen veröffentlicht. Er ist Verfasser zahlreicher Verkehrskonzepte, Gutachten und verkehrstechnischer Untersuchungen in der Praxis, Leiter der Arbeitskreise „e-mobility“ und „Nachhaltige Infrastruktur“ der Österreichischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (ÖVG) und seit 2020 Aufsichtsratsmitglied der Österreichischen Postbus AG und der ASFINAG. Zusätzlich ist Frey Vorstandsmitglied des „Club of Vienna“ und des Nachhaltigkeitsforums Illmitz.
Autofahren attraktiver und produziert damit mehr Autoverkehr. Ähnliches gilt für die sogenannte Stadtstraße. Ein Widerspruch zu den von der Stadt Wien beschlossenen Zielen. Mir ist es deshalb auch völlig unverständlich, warum die Stadt am Projekt festhält. Ist das Umland besser erreichbar, rinnt die Stadt aus. Welche Prozesse müssen installiert werden, um den Mobilitätswandel herbeizuführen? Man muss sich die Frage stellen, welche Strukturen es in Verwaltung und Politik dafür braucht, um diese Prozesse in Gang zu bringen. Einen großen Hebel stellt die Verkehrsfinanzierung dar. Bisherige Sowohlals-auch-Strategien von Investitionen in Straßen- und öffentlichen Verkehr haben sich als nutzlos erwiesen. Man kann nun mal nicht gleichzeitig mit dem Auto und mit der Bahn fahren. Investitionen in den Breitbandausbau (Stichwort Datenautobahn) können wiederum helfen, einen Teil des physischen Verkehrs zu reduzieren. Prinzipiell gilt es, sich der Vor- und Nachteile technologischer Lösungen bewusst zu sein, Systemwirkungen zu kennen
und entsprechend darauf zu reagieren. Die destruktiven Auswirkungen durch Internethandel oder der Überwachung von Bürgern ist nur ein Teil dieser Wirkungen. Gibt es da nicht auch blinde Flecken? Man muss sich die Prozesse und Strukturen im Hintergrund der Verwaltung anschauen und die richtigen Fragen stellen. Sind die angewendeten Richtlinien noch zeitgemäß? Kann man Straßenbreiten reduzieren und Fahrradewege bauen oder den öffentlichen Raum begrünen? Im Verkehrssystem gibt es nicht die eine Lösung, es gibt immer nur ein Maßnahmenbündel. Verkehrsplanung ist eine Querschnittsmaterie, die in Wechselwirkung mit Ökonomie, Ökologie und Sozialem steht. Verändere ich das Verkehrssystem, beeinflusst das die Umwelt, die Wirtschaftsstrukturen, das Zusammenleben der Menschen und vieles mehr. Was benötigt es vonseiten der Politik? Mut und trotzdem auch ein Sensorium, die Dinge gemeinsam mit den Menschen zu entwickeln. Das geht nur, wenn die Politik
wieder beginnt, den Menschen zuzuhören (und nicht nur sogenannten Experten), aber auch die richtigen Fragen zu stellen. Dazu braucht es Vernunft und Gewissen: Lösungen statt Scheinlösungen, Naturerhalt statt Naturzerstörung und Freiräume für individuelle Entfaltungsmöglichkeiten. So gesehen darf eine Planung nie alles vorwegnehmen, sondern muss auch Spielräume – im wahrsten Sinne des Wortes – ermöglichen. Hierzu fällt mir das Buch „Unplanning“ von Charles Siegel ein. Wie sieht der Verkehr der Zukunft aus? So wie wir ihn gestalten! Wir können uns überlegen, ob wir in Zukunft vielfältige, durchmischte, kleinstrukturierte, begrünte und menschliche oder monotone, graue, asoziale Siedlungs- und Stadtstrukturen haben wollen. Letztere sind die Folge und Konsequenz einer am Auto orientierten Stadtplanung. Der motorisierte Individualverkehr sollte keinesfalls die Maßstäblichkeit der Stadtstrukturen bestimmen, so wie es heute leider vielerorts der Fall ist. Mobilität ist letztlich immer Ausdruck eines Mangels am Ort. Je miserabler der Städtebau, indem beispielsweise monofunktionale Quartiere geplant und entwickelt werden, desto höher die Zwangsmobilität und damit die Abhängigkeit vom Auto oder anderen schnellen Verkehrsmitteln. Eine Stadt der kurzen Wege existiert deshalb nur als Stadt der niedrigen Geschwindigkeiten.
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Viktor Wagner Viktor Wagner ist Gründer und Geschäftsführer der REIWAG Facility Services. Bereits sein Vater und Großvater waren in der Reinigungsbranche tätig und legten den Grundstein für die heutige Firmengruppe. Neben Österreich ist die REIWAG heute in Tschechien, der Slowakei, Kroatien, Serbien und Rumänien tätig. Darüber hinaus hält das Unternehmen Beteiligungen, wie etwa am Roboterhersteller LionsBot (11 Prozent), dem Wiener Tierkrematorium (51 Prozent), dem Tierfriedhof Wien (15 Prozent) und auch der KOMWAG (56 Prozent – Stadt-/ Straßen-Reinigung und Müllabführ in Prag – restliche Anteile hält die Stadt Prag). 1989 wurde Wagner zum Kommerzialrat ernannt. 2016 erhielt er das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.
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Zukäufe werden für uns immer wichtiger Gebäudereinigungs-Pionier. Viktor Wagner, Gründer und Geschäftsführer der REIWAG Facility Services, spricht im Interview mit dem ImmoFokus unter anderem über Expansionspläne, Personalmangel sowie Robotik in der Gebäudereinigung. Das Gespräch führte: Patrick Baldia
Die REIWAG hat seit dem Ausbruch der Pandemie viele Aufträge gewonnen. Seit dem ersten Jänner haben Sie zudem das Facility Management der Millennium City übernommen. Und auch der Vorjahresumsatz in der Höhe von 83,7 Millionen Euro deutet darauf hin, dass Sie bislang relativ gut durch die Krise gekommen sind … Viktor Wagner: Wir gehören zu den Unternehmen, die auch in der Covidkrise unbedingt notwendig waren. Viele unserer Kunden und auch andere Unternehmen haben festgestellt, wie wichtig gerade in einer Zeit, in der alle vom Virus verunsichert sind, die Qualität der Sauberkeit, vor allem aber die Hygiene ist. So haben wir eine große Zahl an Desinfektionsaufträgen bekommen, auch in Krankenhäusern und Pensionistenwohnheimen. Für unsere Mitarbeiter war das natürlich mit Herausforderungen verbunden. Vor allem, weil sie in Schutzanzügen arbeiten mussten. Deswegen haben wir ihnen auch einen Nettobonus zukommen lassen. Wie man hört, leidet auch die FacilityManagement-Branche unter Personalmangel… In unserer Branche herrscht tatsächlich eine Personalknappheit, vor allem an gut geschulten Mitarbeitern. Die REIWAG setzt daher schon seit längerem auf Schulungsmaßnahmen. Das haben wir zuletzt deutlich intensiviert. Alle Mitarbeiter, die wir neu aufnehmen, werden zuerst in unserem
Schulungszentrum ausgebildet. Erst wenn sie ausreichend geschult sind in Anwendungstechnik, Maschinenkunde und Chemiekunde und genau wissen, was sie tun, werden sie beim Kunden eingesetzt. Hat sich das Personalproblem, wie beispielsweise in der Hotellerie, durch die Corona-Pandemie verschärft? Durch Corona ist bei manchen Menschen eine gewisse Trägheit entstanden, woran wohl auch die in einigen Fällen enorm hohen Sozialleistungen schuld waren. Vor allem Leute, die uns vom AMS für Teilzeitbeschäftigungen geschickt werden, erklären uns, dass sie, wenn sie zuhause bleiben, dank der Unterstützungen ein höheres Nettoeinkommen erzielen, als wenn sie drei Stunden am Tag arbeiten gehen würden. Warum erwähne ich drei Stunden? Weil eine ganze Reihe unserer Kunden wünscht, dass ihre Büros nur zwischen 17 und 20 Uhr gereinigt werden. Ist es nicht verständlich, dass diese späten Arbeitszeiten für viele Menschen nicht attraktiv sind? Das nehmen wir durchaus ernst. Wir versuchen unsere Kunden daher seit einiger Zeit dazu zu motivieren, zur Tagreinigung überzugehen. Das ist nicht nur humaner, sondern auch sehr effizient. In Nordeuropa werden bereits über 50 Prozent der Reinigungsarbeiten in Anwesenheit des Kunden tagsüber durchgeführt. Dabei ist der Störeffekt sehr
gering und dauert in der Regel nur wenige Minuten. Gleichzeitig ist die Tagesreinigung mit Vorteilen, wie den kurzen Kommunikationswegen bei Anregungen oder Beschwerden, verbunden. Mit einem Argument habe ich aber schon so manches Unternehmen überzeugen können. Das wäre? Bei der Tagesreinigung werden spürbar Energiekosten eingespart. Ist die Arbeit beispielsweise um 17 Uhr beendet, so ist es nicht mehr notwendig, vor allem im Winterhalbjahr, das Licht brennen zu lassen, womit oft gewaltige Kosten verbunden sind. Auch bei den Heizkosten kann man in der kalten Jahreszeit, sofern das Gebäude mit der entsprechenden Technologie ausgestattet ist, unter Umständen etwas einsparen. Wäre nicht eine höhere Bezahlung eine Lösung für den Personalmangel? Ich werde immer wieder gefragt, wieso wir unserem Personal nicht mehr zahlen. Meine Antwort ist immer die gleiche: Selbstverständlich würden wir das gern, nur leider lässt der Kunde hier keinen finanziellen Spielraum zu. Dafür nutzen wir jede Gelegenheit, um die Mitarbeiter, die Besonderes leisten, mit Gewinnanreiz- und Bonifikationssystemen zu belohnen. Die geringe Fluktuationsrate bei der REIWAG – viele Mitarbeiter sind zehn, 15, 20 Jahre oder mehr für uns tätig – zeigt, dass das gut funktioniert.
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des persönlichen B2B-Gesprächs nahekommen kann. Aber natürlich war das für viele Unternehmen in den letzten zwei Jahren nicht anders möglich. Auch ich hätte mir nicht vorstellen können, so lange nicht unsere Auslandsmärkte persönlich zu besuchen. Es war aber nicht möglich, und auch wir mussten Alternativen finden, um den Geschäftsgang aufrecht zu halten.
Erwarten Sie, dass die Pandemie Nachwirkungen haben wird, die Ihre Branche prägen werden? Die langfristigen Folgen für den Immobilienmarkt sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar abschätzbar. Nach wie vor befindet sich eine beträchtliche Zahl an Mitarbeitern unserer Aufraggeber im Home-Office. Und
weniger Fläche wir betreuen, desto weniger Umsatz lukrieren wir. Wie stehen Sie persönlich zu HomeOffice? Zum Thema Home-Office gibt es bekanntlich unterschiedliche Meinungen. Die einen sind sehr angetan davon. Die anderen vermissen
„Unser Plan B ist es, immer Alternativen zu suchen und so breit wie möglich aufgestellt zu sein, so dass wir von einzelnen Auftraggebern nicht abhängig sind.“ Viktor Wagner, REIWAG Facility Services
viele Kunden erwägen, ihren Bürobedarf künftig zu reduzieren und mehr auf Home-Office und Desksharing zu setzen. Davon wären wir natürlich unmittelbar betroffen. Denn je
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den sozialen Kontakt zu Kollegen und Kunden. Ich glaube, dass man auch mit der entsprechenden technischen Unterstützung im Home-Office nicht der Qualität und Kreativität
Weil Sie Ihre Auslandsmärkte ansprechen: Neben Österreich ist die REIWAG in Tschechien, der Slowakei, Rumänien, Kroatien und Serbien aktiv. Wie man hört, stehen Sie in Slowenien vor dem Markteintritt und warten nur auf einen „Friendly Customer“, der Ihnen den BreakEven ermöglicht. Beobachten Sie darüber hinaus noch andere Märkte? Wir beobachten laufend andere Märkte. Erst kürzlich habe ich eine Einladung zu einer Markterkundungsreise nach Sofia angenommen. Bislang hat Bulgarien für uns aus verschiedenen Gründen nicht zu den wesentlichen Zielmärkten gehört. Trotzdem möchte ich mir den Markt anschauen, und welche Möglichkeiten es dort gibt. Beschränken sich Ihre Expansionspläne auf die CEE-/SEE-Region? Ein Vorteil dieser Länder ist, dass, wenn wir eines besuchen, mit wenigen Ausnahmen, wir am selben Tag wieder in Wien sein können. Das trifft beispielsweise auf Teile Rumäniens zu. Aber ansonsten können Mitarbeiter wie Controller und andere, die immer wieder in unsere CEE-Märkte müssen, am Abend wieder bei ihrer Familie sein. Das ist nicht nur für die Mitarbeiter angenehm, sondern letztlich auch den Kosten zuträglich. Dazu kommt, dass Österreich in fast allen Ländern, in denen wir tätig sind, entweder der größte oder einer der drei größten Investoren ist. Und Kunden, die wir in Österreich betreuen, nehmen uns dann sehr gerne in ihre CEE-, SEE-Märkte mit. Da gibt es oft ein jahrelanges Vertrauensverhältnis. Westeuropa ist also kein Thema? Westeuropa ist für uns ein etwas schwieriger Markt. In Frankreich ist es nicht einfach für österreichische Firmen. In Italien aus verschiedenen Gründen auch nicht. Die Schweiz ist ein
sehr abgeschlossener Markt. Und Nordeuropa ist bereits so stark von großen Unternehmen besetzt, dass wir wenig Interesse haben, dorthin zu expandieren. Deutschland ist wiederum ein eigenes Kapitel. Mit der Gegenbauer Holding, dem zweitgrößten Gebäude- und Facility-Management-Unternehmen des Landes, haben wir einen Kooperationspartner. Wir haben vereinbart, dass wir im Falle einer möglichen Geschäftsbeziehung in unseren Heimmärkten diese an den Partner vor Ort weitergeben. Sie meinten vorhin, dass sie viele heimische Unternehmen bei ihrer Expansion nach Osteuropa begleitet haben. Was bedeutet das, wenn ein Kunde wie die CA Immo einen Rückzug aus einem Markt erwägt? Falls die CA Immo in Rumänien Gebäude verkauft, stellt sich natürlich die Frage, mit wem wir es dann zu tun haben. Ich sehe in diesem Fall aber vor allem das Problem, dass bei dem Immobilienkonzern, bei dem der Hauptaktionär ein US-Investmentkonzern ist, die Entscheidungen nicht mehr in Wien getroffen werden. Da kann es sein, dass die österreichischen Interessen untergeordnete Priorität haben. Ein weiteres Beispiel ist die Immofinanz, die ebenfalls ein Kunde von uns ist. Der letzte Stand ist, dass sich 48,17 Prozent der Anteile nicht mehr in österreichischen Händen befinden. Das bedeutet, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Veränderung in der Entscheidungsführung kommen wird. Und wenn ein Unternehmen die Immofinanz kauft, das selbst ein Facility-Unternehmen hat, dann bedeutet das mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Auftragsverlust.
branchennahen Zukäufen interessiert, wie Unternehmen, die in der Kälte- und Klimatechnik tätig sind. Allein schon wegen der
bereits Drohnen ein – etwa bei der Kontrolle der Dichtheit von Dächern in großen Logistikparks.
„Selbstverständlich würden wir unseren Personal gerne mehr zahlen, nur leider lässt der Kunde hier keinen finanziellen Spielraum zu.“ Viktor Wagner, REIWAG Facility Services
Erderwärmung wird dieser Bereich künftig mehr nachgefragt werden. Eine durchaus branchennahe Beteiligung ist ja die Firma LionsBot, ein Erzeuger von Reinigungsrobotern aus Singapur, bei der sie seit Ende 2020 elf Prozent halten. Ich glaube, das ist ein hochinteressantes Investment. Roboter werden die Menschen mehr und mehr entlasten. Völlig ersetzen werden sie den Menschen nie, da brauchen wir keine Angst haben. Auch in der Facility-Management-Branche. Das weltweite Marktpotenzial von Reinigungsrobotern wird allein bis 2025 auf 4,6 Milliarden Euro geschätzt. „LeoMop“ ist übrigens bereits im Einsatz. Demnächst wird der König der Könige unter den Reinigungsrobotern, „REX“, in der Millenium City sein Debüt feiern. Und in Rumänien setzen wir
Was für Ziele haben Sie noch? Die Pension scheint keine Option zu sein? Es macht mir nach wie vor riesigen Spaß zu arbeiten. Solange man körperlich und geistig gesund ist, einen Mehrwert für das Unternehmen bringen kann und die Kunden und Mitarbeiter einen Vorteil erleben, sollte man auch nicht aufhören. Denn es ist einfach schön, Dinge bewegen zu können. Ebenso wie sich mit Entscheidungsträgern und Meinungsbildnern bei Geschäftsessen auszutauschen. Letztlich bildet das Netzwerk immer einen Teil des Erfolgs. Besondere Freude bereitet mir im Übrigen auch mein wöchentlicher Ausgleich: das sonntägliche Fußballspielen, dem ich mittlerweile seit mehr als 35 Jahren nachgehe.
Haben Sie einen Plan B in der Schublade? Unser Plan B ist es, immer Alternativen zu suchen und so breit wie möglich aufgestellt zu sein, so dass wir von einzelnen Auftraggebern nicht abhängig sind. Das ist eines unserer wichtigsten Unternehmensziele. Weiters werden für uns Zukäufe immer wichtiger – und zwar nicht nur wegen der „Strafgebühren“ der Banken. Wir haben vor einiger Zeit eine kleine Facility-Management-Firma in Salzburg gekauft und eine weitere in Innsbruck. Grundsätzlich sind wir aber auch an weiteren
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Wann, wenn nicht jetzt? Klimawandel. Gebäude sind für vierzig Prozent aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. „Gut geplant und ausgeführt können sie sogar einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, meint Klima-Experte Stefan Sattler im ImmoFokus-Interview. Das Gespräch führte: Michael Neubauer
Können – besser gefragt – müssen Gebäude einen Beitrag zum Klimaschutz leisten? Stefan Sattler: Zu beiden Punkten ein klares Ja. Gebäude sind für ca. 40 Prozent aller
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Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Gut geplant und ausgeführt können sie sogar einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Nicht nur in der Errichtung – sondern vor allem im Betrieb. Wie werden
unsere Gebäude mit Energie versorgt? Wärme, Kälte und Warmwasser. Wenn hier vor allem im Neubau effiziente Systeme eingesetzt werden, können Gebäude einen großen Beitrag leisten. Speziell in Städten,
weil unsere Städte für über 75 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind. Dieser Prozentsatz wird weiter steigen, da derzeit „nur“ die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten lebt – Tendenz steigend. Städte beanspruchen aktuell rund zwei Prozent der bewohnbaren Erdoberfläche. Zwei Prozent der bewohnbaren Erdoberfläche sind für 75 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich! Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2050 rund 75 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben wird. Auch wenn aktuell – bedingt durch die Pandemie – ein verstärkter Drang zum Wohnen im Grünen zu verspüren ist. Aber das vergrößert de facto nur die Stadt und bringt das Umland näher an die Stadt heran.
Mit allen negativen Konsequenzen. Provokant formuliert: Klimakiller Einfamilienhaus? Was ist jetzt weniger schädlich? Stadt verdichten – inklusive Überhitzung der Stadt und der Notwendigkeit, immer mehr Gebäude nicht nur wärmen, sondern auch kühlen zu müssen – oder Stadterweiterung und weiterer Flächenverbrauch, Stichwort: Versiegelung hinnehmen? Die Art der Wohnform hat unterschiedliche Aspekte. Der große Vorteil in der Stadt, im dicht bebauten Wohnraum, ist einfach, dass die Wege kürzer werden. Das spart immens Treibhaus-Emissionen ein. Auch für den verdichteten Wohnbau muss Fläche versiegelt werden. Hinsichtlich Flächenverbrauch ist die effizienteste Wohnform sicherlich die Stadt, die verdichtete Stadt. Bezüglich der Erwärmung im Sommer merkt man natürlich,
dass in den letzten Jahren oder Jahrzehnten die Hitzetage in Wien immer mehr geworden sind. Da braucht es intelligente Architektur und Technologien, die diese Überschusswärme speichern und später nutzen können. Das größte Problem ist wohl, den Bestand „klimafit“ zu bekommen? Der Bestand ist die Herausforderung, eine Riesen-Herausforderung für die nächsten Jahrzehnte. Aber noch einmal kurz zurück zum Thema „Verdichten“: Viele große gemeinnützige Bauträger verwenden Erdsonden als Geothermie in Kombination mit Flächenabgabe-Heizsystemen wie Fußbodenheizung oder Bauteilaktivierung. Die Bauteilaktivierung hat dort große Vorteile, weil sie ein träges System ist. Im Winter wird das Gebäude über die Wärme im Erdreich gewärmt. Im Sommer, wenn die Gebäude dazu
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Garten via Fußbodenheizung beheizt und gekühlt. In diesem konkreten Fall werden auch die Nachbargebäude mit Wärme und Kälte versorgt. Aber rechnet sich das auch? Unterm Strich muss ja im Excel eine Zahl grün aufleuchten. Wir haben im Zuge der Energieraumplanung für den Neubau Rechtsgutachten beauftragt, um herauszufinden, welche Mehrkosten zulässig sind, und Gutachten bei Architekten beziehungsweise Ziviltechnikern dazu, wie hoch die zu erwartenden Mehrkosten im Vergleich zu effizienteren Gebäuden sein werden – ausgehend vom Mindeststandard nach Bauordnung. Eines darf man nicht vergessen: auch Dämmung braucht Platz und verringert die vermietbare beziehungsweise verkaufbare Fläche dennoch ist die Reduzierung der benötigten Energie ein zentraler Aspekt!
neigen, zu überhitzen, wird einfach durch eine Kühlung, meistens einfach Freeecooling oder eine passive Kühlung, diese Überschusswärme mit geringem Energieeinsatz in das Erdreich rückgeführt. Man regeneriert mit Erdsonden das Erdreich, man heizt es wieder auf. Bestens kombinierbar mit Photovoltaik oder Windenergie, um einfach diese vorhandene Wärmemenge aus den Sommermonaten im Erdreich zu speichern. Zur Regeneration der Sonden können auch Solarthermieanlagen genutzt werden. Gibt es Erfahrungswerte? Wie groß muss ein Projekt sein, damit sich dies rechnet? Funktioniert das auch beim Einfamilienhaus? Das funktioniert auch beim Einfamilienhaus. Hier kommen statt Tiefensonden Horizontalkollektoren in Kombination mit Erdwärmepumpen zum Einsatz. Im verdichteten Wohnbau ist gerade ein derartiges System de facto überall
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einsetzbar. Es ist im Neubau, ich würde sagen, fast Standard. Auch im verdichteten geförderten Wohnbau präsenter als im frei
Was kam dabei heraus? Bei einer innerstädtischen Lückenverbauung liegen die Mehrkosten zwischen fünf und acht Prozent. Wobei die Investitionskosten für die bessere Gebäudehülle, das alternative, hocheffiziente Energiesystem, und auch die Reduktion der vermietbaren Fläche schon mitberücksichtigt wurden. Bei einem klassischen Neubau am Stadtrand liegen die Mehrkosten im niedrigen einstelligen Pro-
„Neue zusätzliche finanzielle Instrumente und Anreize schaffen.“ Stefan Sattler, Stadt Wien – Energieplanung
finanzierten. Das geht auch bei der Sanierung, wie das Projekt Geblergasse im 17. Bezirk vom Architekt Zeininger zeigt. Bei diesem Projekt aber wird ein bestehendes Gründerzeitgebäude über Erdsonden im
zentbereich – zwischen zwei bis fünf Prozent. Wir arbeiten derzeit am Wiener Wärme- und Kältekonzept 2040. Im Regierungsprogramm steht, dass bis Ende dieses Jahres ein Dekar-
bonisierungskonzept für die ganze Stadt erarbeitet wird. Der Klimafahrplan wurde vor einigen Wochen veröffentlicht. Das Dekarbonisierungskonzept bildet dann die Basis für die künftige Umsetzung. In welchen Bereichen wird es Veränderungen geben? Wo braucht man Anergienetze oder Fernwärmenetze? Wo geht das Hand in Hand? Welche Gebäudetypen oder welche Siedlungstypen können sich selbst versorgen? Das heißt, man sucht für jeden Gebäudetyp Lösungen mit Geothermie, mit Luftwärmepumpen, mit Biomasse – wenn auch eingeschränkt – und natürlich mit Fernwärme. Es gilt für die ganze Stadt: Raus aus dem fossilen Gas. Nicht nur für den Privaten.
Bei den Bauherren und Architekten ein Generationenproblem? Mag sein. Wir haben wahrscheinlich hauptsächlich mit jenen zu tun, die sich in dem Thema engagieren. Es wird welche geben, die es noch nicht tun, oder die sich noch immer am Mindeststandard der Bauordnung orientieren. Ein Umdenken hat bereits eingesetzt. Aktuell ist das Thema prominent vertreten. Die Diskussion rund um die EU-Taxonomie hat sicherlich dazu
beigetragen. Auch wenn gewisse Bereiche noch nicht klar definiert und die letzten Entwicklungen nicht optimal sind. Eines steht aber sicher fest: Sanieren kostet – und wer zahlt am Ende die Zeche? Es müssen neue zusätzliche finanzielle Instrumente und Anreize geschaffen werden – sonst wird das nicht gehen. Es gibt aber auch schon jetzt viele Förderungen.
Parallel dazu wird auch die Fernwärme dekarbonisiert. Dazu hat die Wien Energie im November die Dekarbonisierungsstudie 2040 veröffentlicht. Sie skizziert, wie erneuerbare Energie in das Fernwärme-System eingebunden werden kann, um den fossilen Anteil reduzieren zu können. Spielt Wasserstoff eine Rolle? Wasserstoff oder grünes Gas soll vor allem in Zusammenhang mit Kraft-Wärme-Kopplungen eingesetzt werden. Also dort, wo man Fernwärme und Strom erzeugt – aber kaum im Gebäudebestand selbst. Warum ist der Einsatz im Bestand nicht sinnvoll? Weil es kaum Wasserstoff gibt, beziehungsweise zu wenig geben wird. Und es ist aus derzeitiger Sicht keine kostengünstige Technologie. Sind das alles Technologien mit hohem Informationsbedarf ? Wir haben täglich unzählige Anfragen zu dem Thema. Mitte des Jahres wird ein Informationszentrum für Erneuerbare Energie seinen Betrieb aufnehmen. Interessenten haben dann die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren. Über Erneuerbare-Energie-Erzeugungsanlagen oder Erneuerbare-EnergieGemeinschaften. Gerade, wenn aktuell eine größere Sanierung ansteht, ist es sinnvoll, zukunftsträchtig zu investieren. Es macht keinen Sinn, eine alte Gasanlage durch eine neue Gasanlage zu ersetzen.
Stefan Sattler Stefan Sattler hat nach seinem Kulturtechnik und WasserwirtschaftStudium an der Universität für Bodenkultur als Universitätsassistent über 4 Jahre im Bereich Ressourcenorientiertes Bauen geforscht. Seit 2018 arbeitet er bei der Stadt Wien – Energieplanung und betreut dort den Bereich „erneuerbare Energien“.
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Das lang ersehnte Comeback Top-Event. Zwischen 15. und 18. März wird in Cannes wieder die MIPIM, die Messe für Wohn- und Gewerbeimmobilien und Betriebsansiedlung, in gewohnter Form über die Bühne gehen. Im Vorfeld deutet viel auf einen gut besuchten Event hin.
N
achdem die MIPIM in den vergangenen beiden Jahren aufgrund der CoronaPandemie zumindest als Präsenzveranstaltung abgesagt werden musste, ist dieses Jahr die Vorfreude der Immobilienbranche auf die größte Immobilienmesse der Welt groß. Laut dem Veranstalter RX France haben sich zahlreiche wichtige globale Branchenplayer in Cannes angekündigt. Und der Pandemieverlauf stimmt optimistisch, dass die Messe tatsächlich stattfinden wird. Insgesamt sollen sich genauso viele Aussteller aus Europa und dem Nahen Osten zwischen 15. und 18. März in Cannes einfinden wie zuletzt in 2019. Darunter repräsentiert sind auch mehr als 90 Prozent der großen europäischen Städte. Wie üblich stehen auch heuer viele spannende Vorträge und Diskussionsrunden auf dem Programm. Dabei werde ESG beziehungsweise die Einbettung der Prinzipien in Investmentstrategien eines der Schlüsselthemen sein, wie MIPIM-Direktor Ronan Vaspart ankündigt. Zu den vielerwarteten Podiumsdiskussionen zählt er auch „Prime Real Estate, Location or Features?“. In dieser Diskussion werden sich Experten unter anderem der Frage widmen, was Top-Immobilien hinsichtlich Volatilität, Liquidität aber auch Regulierung attraktiv macht und wieso sie sich auch in der Welt nach COVID-19 behaupten werden.
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Wohnen: Der sichere Hafen Im Vorjahr kam es am österreichischen Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien zu einer überraschenden Wachablöse: Mit einem Transaktionsvolumen von 1,4 Milliarden Euro war Wohnen erstmals die gefragteste Assetklasse unter Anlegern, während der langjährige Spitzenreiter Büro mit 1,09 Milliarden Euro auf den zweiten Platz verwiesen wurde. Angesichts des anhaltend niedrigen Zinsniveaus, des Mangels an sicheren Alternativanlagen, attraktiver Finanzierungsmöglichkeiten und wohl auch wegen des coronabedingt herausfordernden wirtschaftlichen Umfelds haben Investoren ihr Engagement im Wohnbereich verstärkt.
rer Grund für den Rückgang der Bautätigkeit. Sehr wohl noch Luft nach oben haben hingegen die Eigentumspreise in Wien. Nachdem im Vorjahr ein Anstieg von 6,5 Prozent verzeichnet wurde, wird für 2022 ein Plus zwischen 5,5 und sieben Prozent prognostiziert. Aktuell beginnt der Quadratmeterpreis im Erstbezug im Übrigen bei 5.000 Euro. Wenig überraschend befinden sich die Wohnrenditen seit längerem im Sinkflug. Während
in den Bundesländern im Neubaubereich mittlerweile drei Prozent lukriert werden können, wurde diese Grenze in Wien bereits geknackt – nach unten, wohlgemerkt. Diverse Marktprognosen gehen davon aus, dass die Spitzenrenditen weiter zurückgehen werden. „Aber auch die nachgelagerten Qualitätssegmente werden aufgrund der vorherrschenden Angebotsknappheit preislich weiter zulegen“, meint etwa Markus Mendel, Geschäftsführer EHL Investment Consulting.
Nachdem 2021 auch aufgrund der Pandemie in Wien einige Wohnprojekte nicht wie geplant abgeschlossen werden konnten, sollen heuer mit fast 20.000 Einheiten so viele Wohnungen fertiggestellt werden wie noch nie zuvor. Damit wird 2020, das mit einem Fertigstellungsvolumen von rund 15.500 Wohneinheiten ebenfalls ein Rekordjahr war, noch einmal um rund 30 Prozent übertroffen. In den kommenden Jahren wird dann die Neubautätigkeit in Wien wieder deutlich niedriger ausfallen. Und auch in Graz und Linz, wo ebenfalls seit längerem rege gebaut wird, zeichnet sich eine zurückgehende Neubauleistung ab. Ein Grund für den Rückgang der Bautätigkeit laut CBRE: der Rückgang an Neuwidmungen.
Preise steigen weiter
Ebenfalls der Vergangenheit gehören – zumindest vorläufig – die Mietpreisanstiege der letzten Jahre an. Marktbeobachter sprechen von einer „weitestgehenden“ Stabilisierung des Mietniveaus. Dahinter steht wenig überraschend das aktuell gut ausgeprägte Angebot an Mietwohnungen. Dass die Schere zwischen Entwicklerkosten und erzielbaren Mieten immer weiter auseinandergeht, ist ein weite-
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Büro: Renditen weiter unter Druck Der Wiener Büromarkt, und damit der mit Abstand größte und wichtigste des Landes, hat im Vorjahr einmal mehr seine Stabilität in einem schwierigen Umfeld unter Beweis gestellt. Mit rund 170.000 Quadratmetern lag die Vermietungsleistung zwar deutlich unter den beiden Vorjahren (jeweils mehr als 200.000 Quadratmeter), der Abfall lässt sich allerdings auf die geringe Flächenverfügbarkeit, die niedrige Fertigstellungsrate und den weiterhin niedrigen Leerstand (Stand Ende 2022: 4,3 Prozent) zurückführen. Die Spitzenmiete lag Ende des Vorjahres bei 26 Euro pro Quadratmeter. So stabil sich der Wiener Büromarkt auch präsentiert, für Experten steht fest, dass die Corona-Pandemie nachhaltige Spuren hinterlassen wird: Stichworte Homeoffice beziehungsweise hybride Arbeitsformen. Die Unternehmen setzen sich intensiv mit neuen Büro- und Arbeitskonzepten auseinander. Zum Teil würden sich die geänderten Ansprüche in den Bestandsobjekten realisieren lassen, zum Teil würden sie nach neuen Standorten Ausschau halten, an denen flexible und innovative Arbeitsplatzkonzepte besser umsetzbar wären, heißt es bei EHL Immobilien.
Viele Fertigstellungen schon verkauft
Bis Ende 2022 gehen die Experten von CBRE Österreich jedenfalls von einem Fertigstellungsvolumen von rund 130.000 Quadratmetern (2021: circa 70.000 Quadratmeter) aus. Davon handele es sich bei fast 80 Prozent um generalsanierte Flächen in innerstädtischen Lagen. Neubauprojekte würden ausschließlich in periphereren Lagen realisiert werden. Direkt am Verkehrsknotenpunkt Praterstern, nicht allzu weit weg von der Wiener Innenstadt, finden sich beispielsweise mit den Objekten Lassallestraße 1 und 5 zwei der größten Bürofertigstellungen des Jahres. Trotz des auf den ersten Blick deutlich größeren Fertigstellungsvolumens dürfte die Lage am Wiener Büroinvestmentmarkt 2022 den-
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noch angespannt bleiben. Der Hintergrund: Der Großteil der Bürogebäude, die heuer fertig werden, ist längst an Investoren verkauft. Bei gleichzeitig hohem Veranlagungsdruck sollten die Spitzenrenditen daher weiter unter Druck stehen. Aktuell liegen diese laut EHL Immobilien bei etwas unter drei Prozent. Damit ist momentan nur mit Wiener Topbüroimmobilien (2,80 Prozent) weniger zu lukrieren. Interessant ist sicher, wie sich der ESG-Trend weiter auf Büroinvestments auswirken wird.
Denn wie man bei CBRE Österreich festhält, wären Büroimmobilien bislang am stärksten davon betroffen gewesen. So hätten Anleger 2021 Investmentoptionen deutlich kritischer unter die Lupe genommen und hätten teilweise eher von Akquisitionen Abstand genommen oder einen geringeren als den ursprünglich erwarteten Preis gezahlt, berichtet Büroexperte Daniel Pfeiffer. Er erwarte, dass die Schere zwischen Core- und Non-Core-Büroimmobilien 2022 noch etwas auseinandergehen werde
Logistik: Krisengewinner Zu den spannendsten Begleiterscheinungen der Corona-Pandemie gehört sicherlich der Aufwind der Logistikinvestments in Österreich. Mit einem Anteil von elf Prozent am Transaktionsvolumen belegte die Assetklasse im Vorjahr nach Wohnen und Büro den vierten Platz. Und dass die Top-Logistikrenditen je unter die VierProzent-Grenze fallen würden, hatten wohl auch die erfahrensten Immobilienprofis nicht auf der Rechnung. So viel kann bereits jetzt verraten werden: Experten rechnen im Logistikbereich auch 2022 mit weiter zurückgehenden Spitzenrenditen. Die Assetklasse soll jedenfalls weiter stark vom boomenden Online-Handel und der Neuausrichtung der globalen Lieferketten befeuert werden. Mit rund 150.000 Quadratmetern erreichte die Vermietungsleistung bereits im Vorjahr einen neuen Rekordwert. Davon konnte laut CBRE Österreich der Großteil an Logistiker im östlichen Umland von Wien vermietet werden. Gleichzeitig ging der Leerstand
auf den niedrigsten Wert aller Zeiten zurück – Ende 2021 lag er bei modernen Logistikimmobilien in Wien und Wien-Umgebung bei 0,9 Prozent.
Angebotsanstieg generiert Nachfrage
Die Zeiten, in denen am heimischen Logistikmarkt moderne Neuentwicklungen überwiegend für die Eigennutzung gedacht waren, sind fürs Erste jedenfalls vorbei. Der Markt wird aktuell von großflächigen Developments für Fremdnutzer dominiert. Das zeige, dass ein erhöhtes Angebot auch eine größere Nachfrage generiere, so Franz Kastner, Teamlead Industrial & Logistics bei CBRE. Aktuell stünde eine Pipeline von 138.000 Quadratmetern Gesuchen für 180.000 Quadratmeter gegenüber. Allerdings sei der Großteil der Pipeline bereits vorverwertet. Angesichts der hohen Nachfrage und dem begrenzten Angebot geht Kastner von weiterem Mietwachstumspotenzial im Wiener Raum
aus. Im Vorjahr waren die Spitzenmieten bereits auf 5,80 Euro pro Quadratmeter im Monat gestiegen. Mit steigenden Mieten sei angesichts einiger neuer Projekte auch in den Bundesländern und da vor allem rund um die Logistik-Hotspots Graz und Linz zu rechnen. Dort würden sich die Mietpreise aktuell noch auf einem geringeren Niveau bewegen als in der und um die Bundeshauptstadt. Kein Zweifel besteht jedenfalls daran, dass das Thema ESG langsam aber sicher auch in der Logistikbranche Einzug hält. Wie Stefan Werner, Geschäftsführer EHL Gewerbeimmobilien bestätigt, wären etwa Nachhaltigkeitszertifizierungen bedeutsam geworden. Gleichzeitig verfolge ein zunehmender Anteil an Projektentwicklern klimafreundliche Bauweisen und Nutzungen. Bei CBRE rechnet man damit, dass aus Nachhaltigkeitsgründen beziehungsweise zur Eindämmung des Flächenverbrauchs künftig die Neuentwicklung von BrownfieldLiegenschaften verstärkt zum Thema wird.
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Retail: Totgesagte leben länger Langsam aber sicher nimmt die Erholung der von der Coronakrise schwer getroffenen Assetklasse Retail ihren Lauf. Und auch Investoren setzen sich wieder stärker mit ihr auseinander. Dass 2021 auf dem Papier in Österreich mit Einzelhandelsimmobilien die zweithöchsten Investmentumsätze generiert werden konnten, muss allerdings mit Vorsicht genossen werden. Dahinter stehen zwei Großdeals – allen voran die Übernahme eines 45-Prozent-Anteils an der Shopping City Süd durch die Crédit Agricole für mehr als 400 Millionen Euro.
Prozent ihrer Ausgaben im Internet getätigt. Pro Kopf wurden im Durchschnitt 1.350 Euro ausgegeben. Dabei standen vor allem Elektround Elektronikgeräte, Bekleidung und Schuhe im Fokus von Herr und Frau Österreicher. Auch wenn der Flächenschwund vor allem im traditionellen Elektro- und Elektronikhandel sowie im Bekleidungsbereich schwer zu leugnen ist, sehen Experten keineswegs auf breiter
Front schwarz für den stationären Handel. Omni-Channeling, Markenpräsentation in Flagship Stores in Top-Lagen und Retail-Erlebniswelten wie im Falle von Shoppingcentern: Entertainment und Gastronomie wären hier die Schlagworte der Stunde. Ohnehin keine großen Sorgen machen muss man sich um Fachmarktzentren sowie und allen voran den stationären Lebensmitteleinzelhandel, und damit einen der großen Krisengewinner.
Entwicklung der Verkaufsflächen in Österreich
Bis zum insgesamt vierten Lockdown Ende November 2021 haben die Experten von Otto Immobilien wieder zunehmende Nachfrage nach Geschäftsflächen sowie eine deutlich gestiegene Vermietungsleistung ausgemacht. Und trotz des weitgehend ausgefallenen Weihnachtsgeschäfts – nach Berechnungen der Linzer Johannes-Kepler-Universität war das mit täglichen Verlusten von bis zu 140 Millionen Euro verbundenen – bleiben sie für 2022 optimistisch. Anthony Crow, Teamleiter Retail, glaubt an eine weiter zunehmende Nachfrage nach Geschäftslokalen.
Leerstand nahezu gleich
Sicher kein schlechtes Zeichen ist, dass sich im Vorjahr zahlreiche Unternehmen, wie unter anderem Liebeskind Berlin, Mooncity Vienna, Polestar, Marc O’Polo, Huawei oder Balenciaga, in den Top-Lagen zwischen Hofburg, Kohlmarkt, Graben, Rotenturmstraße und Kärtner Straße neu eingemietet haben. Laut CBRE sind 2021 in der Wiener Innenstadt und der Wiener Mariahilfer Straße fast zehn Prozent der bisherigen Mieter ausgezogen. Dank vorhandener Nachfrage und zeitnaher Nachvermietung sei jedoch der Leerstand nahezu gleichgeblieben und auch die Mieten wären vergleichsweise wenig zurückgegangen. Während die bisherige Corona-Bilanz im stationären Einzelhandel gemischt ausfällt, hat sich der seit längerem bestehende Boom im Online-Handel über die letzten zwei Jahre sogar noch weiter beschleunigt. Wie eine aktuelle Studie von RegioData Research aufzeigt, haben die Österreicher allein im Vorjahr 17
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Onlinehandel in Österreich auf dem Vormarsch Onlineanteil an den gesamten Einzelhandelsausgaben in Prozent
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Hotel: Sorgenkind im Aufwind Unter allen Assetklassen wurde sicherlich die Klasse Hotel mit Abstand am schwersten von der Corona-Pandemie getroffen. Stichworte: Wiederkehrende Lockdowns und Reiseeinschränkungen. Aber trotz widrigster Rahmenbedingungen sind Notverkäufe in der heimischen Hotellerie bislang weitgehend ausgeblieben, wofür Experten vor allem die umfangreichen staatlichen Hilfsmaßnahmen verantwortlich machen. Diese sollten Ende des Vorjahres auslaufen, wurden aber bis Mitte 2022 verlängert. Fraglich, ob dann die von einigen befürchtete Pleitewelle vor allem in der Stadthotellerie eintreten wird? Hoffnung macht Experten, dass auch in der stark in Mitleidenschaft geratenen Wiener Stadthotellerie die Reisetätigkeit langsam, aber sicher wieder anspringt, freilich ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau. Die Vorjahresauslastung von knapp 25 Prozent hätte
in den boomenden Vorkrisenjahren wohl nur ein mildes Lächeln hervorgerufen. Immerhin konnte das Preisniveau in der Wiener Hotellerie laut CBRE-Daten seit dem Ausbruch der Pandemie gehalten und 2021 sogar leicht auf 90 Euro gesteigert werden. Zur Erinnerung: 2019 lag die durchschnittliche Tagesrate noch bei 108 Euro.
Ferienhotellerie: Boom geht weiter
Während Hotelexperten davon ausgehen, dass das Vorkrisenniveau in Wien frühestens 2024 erreicht wird, schauen die Prognosen für die Ferienhotellerie weitaus optimistischer aus. Bei MRP Hotels geht man davon aus, dass „Nahmärkte“ und „erdgebundene Ziele“ – kurz: Ferienhotels –, die 2021 bereits gute Auslastungen und Raten verbuchten, auch 2022 boomen werden. „Die Saisonverlängerung setzt sich weiter durch – und das ist per se nichts Schlechtes“, sagt Managing Partner Martin Schaffer.
Aber auch der Trend zur Nachhaltigkeit könnte die Ferienhotellerie weiter befeuern. Eine interessante Entwicklung ist sicher, dass angesichts der guten Performance seit dem Ausbruch der Pandemie auch institutionelle Investoren die Ferienhotellerie für sich entdeckt haben. Laut MRP Hotel kehren Anleger aber auch in die Städte zurück. Interessant wären vor allem Häuser, bei denen Conversions zu Wohnungen durchgeführt werden könnten. Als größtes Hindernis von Transaktionen würden derzeit die Preisvorstellungen der Verkäufer, die Unsicherheit pandemischer Auswirkungen sowie noch stärker gewachsene Anforderungen an Sicherheiten und Rücklagen bei der Bankenfinanzierung gelten, so der Hotelberater. Positiv: Hotelimmobilien würden nicht an Wert verlieren. 2021 lag die Spitzenrendite bei einem Investmentvolumen von mehr als 200 Millionen Euro bei knapp 4,3 Prozent.
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Die sichere Anleihe Österreich Sicherer Hafen. Was macht den österreichischen Immobilienmarkt für internationale Anleger attraktiv? Mit welchen Hürden sind sie hier konfrontiert? Wird der Krieg in der Ukraine eine Trendwende am Investmentmarkt einleiten? Mit diesen Fragen konfrontierte der ImmoFokus Anton Cermak (Beacon Invest), David Moese (Nuveen) und Franz Pöltl (EHL Investment). Das Gespräch führte: Patrick Baldia
Laut aktuellem Trendbarometer (Immobilien-Investmentmarkt 2022) halten 93 Prozent der Marktteilnehmer den österreichischen Immobilienmarkt für attraktiv, 52 Prozent sogar für sehr attraktiv. Was macht Österreich vor allem für internationale Investoren so attraktiv? David Moese: Wir haben in den letzten Jahrzehnten gesehen, dass der österreichische Markt relativ stabil ist. Und dass man hier ganz gut verdienen kann. Wobei mit double-digit returns, wie beispielsweise in Südeuropa, darf man nicht rechnen. Es geht vielmehr darum, Stabilität ins Portfolio reinzubekommen. Stichwort stabiler Hafen … David Moese: Genau. Das sieht man auch bei unseren Investoren, die hauptsächlich Versicherungshäuser und Pensionskassen sind. Sie suchen gemäß ihrer Investmentrichtlinien eine gewisse Streuung in Österreich. Franz Pöltl: Stabilität ist sicher der wesentliche Treiber für Immobilieninvestments in Österreich. Auch die größte internationale Anlegergruppe am heimischen Markt, die Deutschen,
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die ähnlich ticken wie die Österreicher, suchen alles andere als Volatilität. Ein wichtiger Punkt für internationale Investoren ist definitiv Rechtssicherheit. Wir Österreicher sehen das sicher etwas kritischer als externe Beobachter. Aber wenn wir beispielsweise die Entwicklungen und Gesetzesinitiativen im Wohnungsbereich in Berlin hernehmen, da ist Österreich mit all seinen kleinen Unzulänglichkeiten ein Hort der Stabilität. Anton Cermak: Internationale Investoren schätzen sicher die Rechtssicherheit, Planbarkeit und auch die wirtschaftliche Stabilität in Österreich, die wir Österreicher vielleicht etwas anders wahrnehmen. Man kann den österreichischen Markt auch mit einer InvestmentGrade-Anleihe vergleichen. In manchen Marktberichten werden die Anleger in Österreich in die Gruppen Inländer, Deutsche und Internationale unterteilt. Wie aktiv sind Letztere? Franz Pöltl: Vor der Pandemie waren einige außereuropäische Investoren in Österreich aktiv. Beispielsweise Koreaner, die ja auch in
dem Haus investiert sind, in dem wir gerade sitzen (Millennium Tower, Anm.). Aber seit dem Ausbruch der Pandemie waren Investoren von außerhalb Europas nicht mehr wirklich aktiv. Wobei ich einschränken muss: das betrifft nur die Käuferseite. Auf der Verkäuferseite überlegt sich aktuell der eine oder andere sehr wohl, ob er sich von seinem Objekt trennen soll. Wir werden sehen, wie sich der Markt heuer entwickelt, wenn die Reiserestriktionen aufgehoben werden und internationales Publikum wieder problemlos nach Wien kommen kann. Vielleicht wird dann der Markt wieder etwas globaler. David Moese: Ich bezeichne mich auch als internationaler Investor, weil unsere Muttergesellschaft aus den USA kommt. Aber viele US-Amerikaner, die in Österreich investieren, fallen mir nicht ein. Der Einzige, der hier größer investiert ist, ist Greystar. Wir sind hier, weil unser Haus einen ganzen Warenkorb an Produkten anbietet – darunter Fonds, die europaweit investieren, aber auch Spezialfonds, wie „The Austria Fund No. 2“, der sich an internationale Anleger richtet.
„Der Investmentmarkt ist in Österreich sicher noch etwas lokaler geprägt als anderswo.“ Anton Cermak, Beacon Invest
Anton Cermak: Wir haben kürzlich für ein kanadisches Unternehmen in Europa eine Zentrale für Osteuropa gesucht. Da hat sich die Umgebung rund um Wien angeboten. Der Grund, wieso die großen Internationalen nicht nach Österreich kommen, ist vielleicht, dass sie den Markt nicht gut genug einschätzen können. Österreicher investieren ja aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen auch ungern in den USA.
Was suchen internationale Anleger in Österreich? In erster Linie Büro- und Wohnimmobilien? David Moese: Ich würde keine Assetklasse ausschließen. Das sehen wir auch bei unseren Investoren. Grundsätzlich sind alle interessant. Wobei sicher das Landhotel außerhalb Wiens nicht im Fokus steht.
Franz Pöltl: Geringe Volatilität und stabile Entwicklungen passen nicht wirklich zur Strategie von opportunistisch ausgerichteten, angelsächsischen Investoren. Deren Geschäftsmodell ist in der Regel, die Schwankungen des Zyklus auszunützen. Da sind die Amplituden am österreichischen Immobilienmarkt einfach zu gering.
Anton Cermak: Ich denke schon, dass Wohnen und Büro im Fokus stehen. Einige Assetklassen kommen vielleicht etwas weniger in Frage. Vor allem wegen der zu geringen Größe der Produkte. Beispielsweise Logistik. Was wir hier als großes Logistikprojekt sehen, gilt in Deutschland, Frankreich oder Italien als klein beziehungsweise maximal mittelgroß. Insgesamt kann man sicher sagen: der österreichische Markt ist für die großen internationalen Investoren schlichtweg zu klein.
David Moese: Das kann ich voll bestätigen. Aus der Sicht des US-Amerikaners sind Investments in Österreich einfach nicht interessant. Der Markt ist für sie vielleicht auch zu langweilig.
Dass sich ein deutscher Institutioneller im Vorjahr ein Zinshaus-Portfolio gesichert hat, wird also eine Ausnahme bleiben? Franz Pöltl: Das dürfte ein Ausreißer bleiben. Sich mit dem österreichischen Mietrechts-
gesetz (MRG) im Vollanwendungsbereich auseinanderzusetzen, kann man eigentlich auch Österreichern nur schwer zumuten. Internationalen Anlegern schon gar nicht. Das ist auch der Grund, wieso in der Vergangenheit kaum Ausländer im Zinshausbereich investiert haben. Und wenn doch, dann haben sie immer Verbindungen nach Österreich oder österreichische Wurzeln gehabt. Ein weiterer Faktor ist die Rendite: Wenn man lange investiert geblieben ist, hat man sicher gut verdienen können. Aber die Cash-on-CashRendite, die Internationale Investoren gerne sehen, ist bekanntlich im Zinshausbereich stark erodiert. Weil Sie das MRG ansprechen: Welche Hürden und Herausforderungen sehen Sie noch in Österreich für internationale Anleger? David Moese: Weil wir gerade von Zinshäusern gesprochen haben: Da kommt in Österreich auch der steuerliche Aspekt noch dazu. Wenn ich hier nicht eine Tätigkeit habe, wie beispielsweise Pensionskassen oder Versicherungen, habe ich einen steuerlichen
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Nachteil. Beispielsweise gegenüber Deutschland, wo ich ähnliche Produkte ankaufen kann. Zu den rechtlichen Hürden fällt mir noch das Beispiel der Pflegeimmobilien ein. Hier müssten sich internationale Anleger mit neun verschiedenen Bauordnungen und Pflegegesetzgebungen auseinandersetzen. Anton Cermak: Der österreichische Markt ist sicher ein geschlossener Kreis. Wenn man hier nicht einen lokalen Partner, oder eine Repräsentanz hat, dann wird es sehr schwer, in den Markt reinzukommen. Der Investmentmarkt ist hier sicher noch etwas lokaler geprägt als anderswo. Eine weitere Herausforderung sind sicher die langen Behördenwege. Die rechtliche Sicherheit steht sicher außer Frage, aber wieso die Behörden für diverse Anliegen so viel Zeit benötigen, kann man einem Investor aus den Benelux-Ländern nicht erklären. Da steht die erzielbare Rendite in keinem Verhältnis zum Aufwand. Spezialthemen, wie das MRG sind natürlich eine zusätzliche Herausforderung. Franz Pöltl: Ein wesentlicher Punkt ist auch die Transparenz des Marktes. Ausländische Investoren brauchen eine gewisse Mindesttransparenz beziehungsweise Researchmäßige Aufarbeitung der Märkte, in denen sie investieren. In Wien und einigen Landeshauptstädten ist das zweifelsohne gegeben. Über den Büro- und mittlerweile auch den Wohnmarkt gibt es regelmäßig Marktberichte
Anton Cermak Anton Cermak ist Management Partner bei Beacon Invest und für die erfolgreiche Umsetzung von Transaktionsprozessen zuständig. Bevor er beim österreichischen Investmentbroker anheuerte, war er in Sales-Führungspositionen in verschiedenen Konzernen tätig.
von mehreren Anbietern. Ich kann mich noch erinnern, wie wir einen deutschen Fonds beim ersten Wohninvestment in Graz begleitet haben. Nachdem erste, in Frage kommende Projekte geprüft wurden, meinten die Verantwortlichen, dass man in einer "neuen" Stadt nicht ohne eine researchmäßige Aufbereitung des Marktes investieren könne. Wir haben uns dann gemeinsam mit einem lokalen Partner daran gemacht, den ersten Grazer Marktbericht zu erstellen. Nach Wien ist auch Graz in den Fokus internationaler, oder besser gesagt: deutscher Anleger geraten. Werden andere Landeshauptstädte beziehungsweise noch kleinere Städte folgen? David Moese: Wir interessieren uns natürlich für Landeshauptstädte. Aber wie viele
David Moese David Moese ist beim USInvestmenthaus Nuveen für Immobilienanlagen in Österreich verantwortlich. Darüber hinaus ist der Absolvent der TU Graz Fondsdirektor und zuständig für verschiedene Österreich-Strategien bei Nuveen Real Estate.
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Produkte mit größeren Volumina gibt es dort wirklich am Markt? Bürogebäude mit weniger als zehn Millionen Euro sind für uns kaum interessant. Man muss im Endeffekt auch schauen, dass man in zehn bis 15 Jahren den Kaufpreis übertrifft. Im Bürosegment fühlen wir uns in Wien und Graz wohl. Im Retailbereich österreichweit. Franz Pöltl: Die Landeshauptstädte kommen nur bei sehr guten Lagen, extrem langen Mietverträgen und der öffentlichen Hand als Mieter infrage. Grundsätzlich muss man einen Markt Nutzungsarten-spezifisch sehen. Einige Internationale würden gerne in Salzburg und Innsbruck in Wohnimmobilien investieren. Aber dort kriegen nicht einmal Wiener etwas. Wenn man sich die dortigen Preise anschaut, dann macht es auch ökonomisch oft kaum Sinn. Was aber sicher auch bei ausländischen Investoren mehr und mehr nachgefragt ist, ist der Speckgürtel um Wien, wo ja immer mehr Menschen hinziehen. Städte, die sicher kommen werden, sind Korneuburg, Tulln und Krems. Einige Anleger schauen sich schon Wiener Neustadt an. Da diese Märkte allerdings wesentlich kleiner als die Metropole Wien sind, müssen die Projekte an die jeweilige Nachfrage angepasst sein und vor allem die richtige Größe haben. Anton Cermak: Das sehe ich genauso. Ein Produkt muss natürlich von der Größe der jeweiligen Stadt Sinn machen. Ein Projekt mit 120 Wohnungen in Wels passt zu der Stadt. In Hollabrunn wäre das zu viel. Man darf das Thema Spread nicht vergessen. Die
„Nehmen wir die Gesetzesinitiativen im Wohnbereich in Berlin her, da ist Österreich mit all seinen kleinen Unzulänglichkeiten ein Hort der Satbilität.“ Franz Pöltl, EHL Investment
große Frage ist: Wird man für das Risiko, das man eingeht, ausreichend kompensiert? Wie wird sich der österreichische Investmentmarkt 2022 entwickeln? Der Zyklus dauert ja schon relativ lange an. Gleichzeitig droht mit dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine Ungemach von der geopolitischen Seite. Ganz zu schweigen von möglichen Zinsanhebungen und der Corona-Pandemie. Franz Pöltl: Schaut man sich die Vergangenheit an, so haben die Immobilienzyklen meist wegen eines externen Ereignisses gedreht. Siehe Ölkrise oder Lehman-Pleite. Ob nun der Krieg zwischen Russland und der Ukraine eine Trendwende einleiten wird oder nicht,
„Mit double-digit returns, wie beispielsweise in Südeuropa, darf man in Österreich nicht rechnen.“ David Moese, Nuveen
Franz Pöltl Franz Pöltl ist Geschäftsführender Gesellschafter bei EHL Investment Consulting und auf das großvolumige Investmentgeschäft spezialisiert. Davor war der passionierte Marathon-Läufer Geschäftsführer bei der Bank Austria Real Invest Immo und der Raiffeisen Immobilien KAG.
traue ich mich nicht zu sagen. Klar ist nur: Wenn Trendwenden kommen, dann in der Regel schnell. Kann, angenommen der Krieg leitet keine Trendwende ein, heuer wieder das Niveau beziehungsweise das Transaktionsvolumen von 2019 übertroffen werden? Franz Pöltl: Das kann durchaus der Fall sein. Die Frage ist: Wieviel Volumen kommt auf den Markt? Besonders im gewerblichen Bereich ist das Volumen an Fertigstellungen zu gering. Es werden aber Bestandshalter das aktuell sehr gute Umfeld nützen, um den einen oder anderen Exit zu machen. Dafür gibt es durchaus Signale beziehungsweise auch konkrete Pläne. Unser Haus hat etwa im Bürobereich bereits in den vergangenen Jahren mehr Bestandsimmobilien verkauft als mit Neuentwicklungen. In letzter Zeit mögen da auch ESG-Erwägungen (Environmental Social Governance, Anm.) mit eine Rolle spielen. Nicht jeder Bestandshalter hat die Development-Kompetenz um seine Gebäude ESG-fit zu machen. Man darf nicht vergessen, dass ein Gutteil der gestiegenen Transaktionsvolumina auch darauf zurückzuführen ist, dass Immobilien viel schneller gedreht werden als das früher üblich war. Wie ich angefangen habe, mich mit Immobilien zu beschäftigen, war das typische Geschäftsmodell Buy-and-Hold. Da hat ein Institutioneller eine Immobilie mit der Absicht gekauft, sie auf „ewige Zeit“ zu halten. Heute haben die meisten Fonds klar definierte Halteperioden zwischen sieben und zehn Jahren. Dann soll wieder verkauft wer-
den. Und in einer dynamischen Marktphase sind oft schon drei Jahre genug, um Return on Equity- und Multiple-Ziele zu erreichen. Man sieht das auch bei Developern: Viele verkaufen ihre Projekte gleich nach dem Erhalt der Baugenehmigung. Anton Cermak: Das Volumen von 2019 hätte sicher erreicht beziehungsweise sogar übertroffen werden können. Aber der aktuelle Konflikt wird alle Prognosen über den Haufen werfen. Man darf nicht vergessen, dass die Ukraine zu Wien näher ist als der Bodensee. Der hiesige Immobilienmarkt muss zwar nicht zusammenbrechen, aber so mancher Investor könnte sich anderswo umschauen. Wie schaut es mit dem Druck auf die Renditen aus? Wird er weiterhin groß bleiben? Anton Cermak: Der Druck auf die Rendite ist groß, weil wenig Material da ist. Ich glaube, dass Entwickler und Verkäufer den Markt derzeit extrem ausreizen. Egal, welche Assetklasse man sich anschaut, überall gibt es zu wenig Produkt. Das wird sich auch nicht ändern. Dazu kommt, dass Geld teurer wird. Die Banken ziehen die Eigenkapitalvorschriften nicht nur bei den Privaten an, sondern auch bei uns. Franz Pöltl: Ich glaube auch, dass die Renditen unter Druck bleiben. Wir haben aber bereits ein sehr niedriges Niveau erreicht, stehen bei unter drei Prozent. Gleichzeitig drücken die Zinsen am langen Ende nach oben. Das Potenzial für einen Squeeze ist also beschränkt. Aber ein bisschen was geht immer.
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Der ImmoFokus fragt … … und Immobilien-Experten antworten. Negativzinsen, Anlagedruck, hohe Baupreise, schwächelnde Konjunktur - ist die Immobilien-Party bald vorbei - oder ist die Immo-Branche wie in den vergangenen Jahren weiter auf Rekordkurs? Wir haben bei heimischen Immo-Experten nachgefragt.
Die Fragen: 1
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Wie optimistisch bzw. wie pessimistisch gehen Sie in das neue Jahr? Welche Assetklasse wird Investors Liebling?
Die Preisentwicklung von Immobilien-Investments kannte über viele Jahre nur eine Richtung: Aufwärts. Was bedeuten ESG und COVID-19 für die Immobilienbewertung?
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Werden Umwelt- und Pandemie-Risiken in Form höherer Risikoprämien stärker eingepreist werden? Rechnen Sie mit steigenden Zinsen?
Welche drei Themen werden die Immobilienwirtschaft 2022 am stärksten beeinflussen? Wo sehen Sie die zentralen Herausforderungen? Was wären mögliche Lösungsansätze?
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5 Ihre Pläne und Ziele für Ihr Unternehmen für 2022?
1 Wir blicken optimistisch auf das Jahr 2022: Unsere Pipeline ist mit attraktiven Investments gut gefüllt. Die Aussichten für die Assetklasse Wohnen, speziell in Ballungsräumen, wird weiterhin ausgezeichnet bleiben. Auch die meisten anderen Immobiliensegmente wie z.B. Büro, Logistik und Gesundheit werden aus derzeitiger Sicht im kommenden Jahr unverändert gut performen. Für Anleger, die etwas antizyklisch investieren wollen, werden Hotels und Retail im kommenden Jahr attraktive Chancen darstellen. Alles in allem erwarten wir wieder ein spannendes Immobilienjahr.
Markus Arnold, Arnold Immobilien
2 Die Themen Nachhaltigkeit und ESG gehören zunehmend zum Standard und spielen bei Investitionsentscheidungen eine immer größere Rolle – speziell bei institutionellen Investoren. Bei Gewerbeimmobilien sind die Themen schon voll angekommen. Kaum eine Liegenschaft kommt heute ohne einem Green Building Label oder Ähnlichem aus. Bei Wohnen wird es aus unserer Sicht zu einer annähernd gleichen Entwicklung kommen.
3 Wir rechnen, wenn überhaupt, nur mit leicht steigenden Zinsen. Wir sehen aber, dass sich eine neue Einschätzung der Risiken abzeichnet, die zu einer anlagespezifischen Umgestaltung der Risikoprämie führen könnte. Gut möglich, dass es daher innerhalb der einzelnen Assetklassen z.B. zwischen den Core- bzw. Non-Core-Segmenten zu größeren Unterschieden als bisher kommen wird.
4 Wir gehen davon aus, dass vor allem die Klimaziele und Big Data die Branche langfristig verändern werden. Zudem werden aus unserer Sicht die Mobilitätskonzepte rund um die Lage einer Liegenschaft einen immer größeren Stellenwert erlangen.
5 Bei uns stehen die Zeichen weiterhin auf Expansion. Wir sind aktuell neben Österreich in Deutschland, Spanien, Italien, Portugal, Tschechien, der Slowakei und Ungarn aktiv. 2022 wird es in Richtung Nordeuropa gehen. Wir werden in Kürze in den Niederlanden und Schweden gründen. Zielsetzung ist es, als größtes privates Investmentmakler-Unternehmen unseren Kunden europaweit attraktive Anlageimmobilien zu vermitteln.
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1 Ich bin nach wie vor optimistisch, denn die Nachfrage nach Wohnraum ist immer noch hoch. Das ist in vielerlei Hinsicht auch der Pandemie geschuldet, die den Wunsch nach räumlicher Veränderung bei vielen Menschen verstärkt hat. Viele sind nun auch bereit, sich außerhalb der großen Städte einen Wohntraum im Grünen zu realisieren, denn mit dem vermehrten Einsatz von Homeoffice hat das Pendeln seinen Schrecken verloren. Außerdem hat die Pandemie den Wunsch nach Sicherheit verstärkt und das nicht nur bei Privaten, sondern auch bei Investoren, für die der Wohnbau weiterhin – sicherlich auch aus Mangel an Alternativen – attraktiv bleibt. Aktuell sind zu wenige gewerbliche Objekte am Markt, gerade bei Logistikzentren und Büros wäre die Nachfrage gegeben, währenddessen der Retail-Bereich, mit Ausnahme von Lebensmittelnahversorgern, schwächelt. Sicherlich auch direkte Auswirkungen der Pandemie.
Gerhild Bensch-König, Raiffeisen WohnBau
2 Die Preissteigerungen der letzten Jahre waren vor allem durch die steigenden Preise für Grundstücke und Baukosten bedingt. Nun kommt mit ESG sowie dem Thema nachhaltiges Bauen und Investieren ein zusätzlicher Preistreiber hinzu. ESG wirkt sich bereits in der Immobilienfinanzierung aus, gerade für institutionelle Investoren und insbesondere für Fonds ist die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien und somit die Zertifizierung von Gebäuden wesentlich. Auch private Investoren und Wohnungskäufer achten immer mehr darauf und sind durchaus bereit, einen höheren Preis dafür zu bezahlen, denn nachhaltige Bauweisen sind auch mit höheren Kosten verbunden. Covid-19 hat die Nutzung aller Immobilien – vom privaten Wohnbereich über den Büroarbeitsplatz und gewerbliche Immobilien aller Art bis hin zu den Immobilien der öffentlichen Hand – teils stark beeinflusst bzw. verändert. Das Marktumfeld für gewisse Immobilien ist durch Covid-19 bestimmt unsicherer als vor der Pandemie. Man denke beispielsweise an die heimische Stadthotellerie, die nun den zweiten Winter in Folge mit enormen Umsatzeinbußen zu kämpfen hat.
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Ob auch noch höhere Risikoprämien eingepreist werden können, wird der Markt regeln. Über alle Assetklassen sehe ich das nicht. In diesem Jahr rechne ich, trotz der sehr hohen Inflation, nicht mit steigenden Zinsen. Aber nachdem sich hier auch die Experten der internationalen Notenbanken uneinig sind, wird man sehen, was das Jahr 2022 bringt.
Mit unserem gesamten Team von Raiffeisen WohnBau werden wir alles geben, um auch weiterhin gut durch diese unterwartet lange Krise zu kommen.
4 Nachhaltigkeit und ESG sind die Themen der Zeit. Damit zusammenhängend müssen wir uns in Zukunft verstärkt mit der Sanierung bzw. der Konvertierung von Bestandsimmobilien auseinandersetzen. Über allem steht die Ressourcenschonung – sowohl im Bau als auch im Betrieb – effiziente Nutzung von Energie usw. Auch hier sehen wir den Einfluss der Pandemie, denn die Nutzung von Büroflächen wird sich verändern. Unternehmen überdenken ihre Flächenstrategien, Homeoffice und Remote Work werden die Arbeitsweise langfristig verändern und sich direkt auf den Immobilienmarkt auswirken. Ein weiteres, gerade für die Städte wichtiges Thema, das bleibt, ist die Verdichtung. Das könnte die Liegenschaftsakquisition etwas erleichtern und dazu beitragen, dass weniger zusätzliche Flächen verbaut werden.
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Uns ist es ein Anliegen, dass unsere hochwertigen Wohnbauten Rückzugsorte für unsere Bewohnerinnen und Bewohner sind, die Platz für die unterschiedlichen Lebensentwürfe – von Singles über Paare bis hin zu Familien mit Kindern – bieten. Darüber hinaus entwickeln wir immer mehr Projekte außerhalb von Wien, die dank einer guten öffentlichen Verbindung und den exklusiven Grünruhelagen gerade auch jungen Familien völlig neue Perspektiven bieten. Bei unserem sehr diversen Gewerbeportfolio im In- und Ausland ist uns eine optimale und doch partnerschaftliche Bewirtschaftung sehr wichtig. Letztlich ist der wirtschaftliche Erfolg einer Bestandsimmobilie auch die Voraussetzung, um diese zum richtigen Zeitpunkt gewinnbringend veräußern zu können.
1 Wir sehen nach wie vor eine starke Dynamik am Markt und gehen daher sehr zuversichtlich in das neue Jahr. Es konnten bereits einige beachtliche Transaktionsprozesse im Vorjahr erfolgreich gestartet werden, die im heurigen Jahr zum Abschluss gebracht werden. Neben Wohnimmobilien, die weiterhin von Investoren als sicherer Hafen identifiziert werden, sind auch Gewerbeimmobilien mit starken, krisenresistenten Ankermietern hoch attraktiv. Das Investmentspektrum im Segment Hotel wird breiter. Auch Ferienhotels sind mittlerweile in den Ankaufsprofilen einiger Investoren vertreten. Bei sämtlichen Investments gilt es jedoch vor dem Hintergrund neuer Rahmenbedingungen noch genauer hinzusehen und belastbare Investment Cases zu identifizieren.
Karl Derfler, ADEQAT Investment Services
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Das Thema ESG hat sämtliche institutionelle Investoren erreicht und ist als Ankaufskriterium bei Investments nicht mehr wegzudenken. Dieses Thema ist somit auch für uns bei jeder Projektprüfung und im Transaktionsmanagement omnipräsent und wir sprechen Empfehlungen für hochwertige Gebäudezertifizierungen aus, um Investments platzierbar zu machen. Aufgrund der EU-TaxonomieVerordnung trifft das nicht nur Investoren, sondern auch die Finanzierer und Entwickler. ESG-Konformität steigert die Verwertbarkeit der Immobilie. Dies bildet sich in vielen Bereichen wie beispielsweise einer höheren Marktmiete, einem höheren Vermietungsgrad oder niedrigeren Bewirtschaftungskosten ab. Nachhaltige Immobilien werden zukünftig ein besseres Rendite-RisikoProfil aufweisen und maßgeblichen Einfluss auf den Kapitalisierungszinssatz und somit auf die Preise haben.
Höhere Risikoprämien sehen wir im Bezug auf Risikoaufschläge nicht. Man könnte sagen, dass es im Umweltbereich durch die Notwendigkeit von Gebäudezertifizierung bereits zu einem Investment in die Nachhaltigkeit kommt. Das mag zu Beginn einem Aufschlag ähneln, der sich über niedrigere Bewirtschaftungskosten über den Lebenszyklus eines Gebäudes jedoch amortisiert. Risiken, deren Ursprung die COVID-19-Pandemie erstmals aufgezeigt hat, sind schwer nachhaltig zu beurteilen. Ob aktuelle, daraus resultierende Notwendigkeiten, wie bEispielsweise die verstärkte Nutzung von Homeoffice ein Trend ist, der zwar bleiben wird, dessen Auswirkung auf die Immobilienwirtschaft aber überschaubar ist oder das Nutzerbedürfnis sich dauerhaft drastisch ändert, lässt sich heute noch nicht eindeutig beantworten.
Die ESG-Kriterien werden für Unternehmen zukünftig ein wichtiger Faktor für Resilienz, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumsmöglichkeiten sein.
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Durch die Corona-Krise und die ökonomischen Folgen der Pandemie haben sich die Prioritäten innerhalb der drei ESG-Kriterien verschoben. Lange Zeit waren die Ökologie und Umwelt aufgrund des Klimawandels die dominierende Säule. Aktuell rückt aber der Bereich Soziales wieder in den Fokus, denn viele Menschen sind durch Corona-Lockdowns in vielerlei Hinsicht betroffen. In der Immobilien- und Portfolio-Bewertung spielt die Risikostreuung angesichts Covid eine noch stärkere Rolle. Die Nutzungskonzepte von Gebäuden bzw. der Branchenmix im Mieterbesatz werden noch genauer geprüft und gegebenenfalls auch adaptiert werden müssen.
Hinsichtlich des Zinsniveaus gehen wir davon aus, dass sich Europa an den Entwicklungen des amerikanischen Marktes orientiert und rechnen mit einem moderaten Anstieg.
Der große Wettbewerb und der erhöhte Performancedruck bei institutionellen Investoren stehen einer geringen Produktauswahl entgegen. Beeinflusst durch die Pandemie sind viele institutionelle Investoren wieder risikoaverser geworden und setzen deshalb noch mehr auf das ohnehin knappe Gut CoreImmobilie. Durch die nach wie vor große Menge an billigem Geld drängen auch immer mehr opportunistische Käufer in den Markt. Hier stellt sich die Frage, ob die Erwartungen dieser Käufer erfüllt werden können. Verfügbare Flächen für Projektentwickler werden zukünftig immer schwieriger zu finden sein. Nachverdichtungsmöglichkeiten wie Aufstockung, Erweiterung, Umnutzung, Neuverteilung und Ersatz könnten die Schaffung von weiteren notwendigen Flächen erleichtern, ohne weitere unbebaute Flächen zu versiegeln. Durch Verdichtung können sowohl der Nachhaltigkeitsaspekt als auch der soziale Aspekt und die Ressourceneffizienz gestärkt werden.
5 Als Investment-Makler für großvolumige Projekte sehen wir insbesondere die Transaktionsbegleitung als einen wesentlichen Beitrag für einen positiven Abschluss eines Projektes. Aus diesem Grund wollen wir auch in diesem Jahr für einen vertrauensvollen, reibungslosen und qualitätsgesicherten Transaktionsprozess sorgen, der sowohl Kunden als auch Partnern ein nachhaltig sicheres Gefühl und höchste Zufriedenheit gibt. Wir freuen uns in diesem Jahr auf weitere spannende Projekte und eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Geschäftspartnern.
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1 Ich glaube das Jahr 2022 wird ein gutes Jahr. Nach knapp zwei Jahren Lockdown, Unsicherheiten und anderen Herausforderungen haben wir gelernt, mit der Situation umzugehen. Immobilien bleiben weiterhin des Investors Liebling und ich glaube, dass neue Bürokonzepte kombiniert mit nachhaltigen (ökologische und soziale Nachhaltigkeit) Impulsen dieses Jahr überraschen können. Wohnen wird weiterhin investorenseitig im „Trend“ liegen, jedoch glaube ich, dass es mit weiter sinkenden Renditen für viele institutionelle Anleger herausfordernd in der endgültigen Darstellung wird.
Dominik Erne, Bondi Immobilien Consulting
2 Kurzfristig wird es für (ehrlich) ESG-konforme Immobilien einen Push nach oben geben und für Immobilien, welche nicht zumindest die ESG-Kriterien erfüllen, einen Trend nach unten. Aus meiner Sicht wird Covid-19 keinen direkten langfristigen Einfluss auf die Immobilienbewertungen haben, auch Retail und Hospitality werden sich normalisieren. Jedoch sollte der indirekte Einfluss nicht außer Acht gelassen werden: offenere Einstellung zu Homeoffice, neue Reisegewohnheiten und Wertschätzung des Büros oder der Wohnung. Diese werden noch nicht klar absehbare Veränderungen mit sich bringen, wobei wiederum flexible und moderne Konzepte die Gewinner sein werden.
4 Genehmigungen: Die letzten beiden Jahre waren gezeichnet von Verzögerungen und Knappheit, welche auch den Bereich der Genehmigungen betroffen haben, wodurch sich die Projekte vieler Entwickler nach hinten verschoben haben. Gesellschaftlicher Wandel (Arbeitsmarkt/Homeoffice): Wenn man selbst auf der Suche nach Mitarbeitern ist und das Aufstöhnen der HR-Abteilungen, die händeringend nach Mitarbeitern suchen, wahrnimmt, merkt man, dass dieses Thema nicht zu unterschätzen ist. Vorteile aufgrund fehlender Investmentmöglichkeiten: Positiv für die Immobilienbranche ist derzeit sicher die Tatsache, dass auf Investorenseite kaum bzw. keine Alternativen bestehen. Aktienmärkte, die zusätzlich zu den Begebenheiten durch Silicon Valley-Mogule, wildgewordenen Politikern und feststeckende Containerschiffe volatiler sind denn je und nicht mehr einem klaren Trend folgen sowie das Fehlen von Alternativen machen das Betongold weiterhin zum Investors-Darling.
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3 Ich vermute – wenn man den Ökonomen in Europa glauben möchte – dass der Seitwärtstrend noch länger anhält. Bezüglich der Risiko-Prämien glaube ich außerdem, dass die Due Diligence in Zukunft um das Thema ESG/Umwelt erweitert wird und wiederrum die Vorreiter sich als die Gewinner herauskristallisieren werden. Die nächste Pandemie wird wohl niemand voraussagen können, jedoch glaube ich, dass eventuelle Schließungsszenarien – mit welchen Pre-Covid niemand gerechnet hätte – in die Verträge mit einfließen werden.
5 Unser Fokus liegt im neuen Jahr weiterhin auf der ganzheitlichen Entwicklung des TwentyOne. Der Innovation Hub wird im Sommer fertig. Mit dem Einzug der Mieter können wir dann auch wirklich beweisen, dass unser Konzept und unsere Idee der gesamtverantwortlichen Entwicklung eines kleinen Stadtenwicklungsgebietes im 21. Bezirk richtig waren. Unser Team wird wie auch schon im letzten Jahr wachsen und entwickelt sich sehr positiv, ich freue mich so ein tolles Team zu haben. Des Weiteren sind wir weiterhin auf der Suche nach neuen und spannenden Gewerbeentwicklungen in Wien und Umgebung, mit welchen wir vor allem in Richtung nachhaltige Immobilienprojekte ein Statement setzen können.
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Da ich ein optimistischer Mensch bin – trotz Omikron – sehr optimistisch. Die Impfungen und zunehmenden Immunisierungen werden ihre Wirkung zeigen, sodass auch die Pandemie im Lauf des Jahres 2022 in den Hintergrund treten sollte. Wohnen wird wohl als Assetklasse Investors Liebling bleiben.
COVID-19 hat sicherlich im Jahr 2020 zu der einen oder anderen niedrigeren Bewertung geführt. Man konnte dies vor allem im Bewertungsergebnis der börsennotierten Gesellschaften erkennen. Da dank der staatlichen Förderungen doch viele Unternehmen die Pandemie bisher ganz gut gemeistert haben, wird dieser Effekt wohl in den Bilanzen 2021 geringer sein bzw. bereits wieder gänzlich eliminiert. ESG wird in den Bewertungen vor allem ältere Objekte etwas unter Druck bringen, da die Umweltanforderungen nicht so gut abgebildet sind, wie bei Neubauten, die bereits in der Planung besonderes Augenmerk auf die Klimaneutralität legen konnten. Hinzu kommt, dass entsprechend „grüne“ Immobilien von institutionellen Investoren mehr nachgefragt sein werden, was sich positiv auf den Wert und die Bewertung auswirkt.
Karin Fuhrmann, TPA Steuerberatung
3 Umwelt- und Pandemie-Risiken werden sicherlich ihren Niederschlag in den Risikoprämien finden. Die Frage nach steigenden Zinsen ist schwer zu beantworten. Da die Inflation in der jüngeren Vergangenheit doch substantiell zugenommen hat und vom Zwei-Prozent-Ziel weit entfernt ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zu moderat steigenden Zinsen kommt, falls die EZB die Inflation nicht anderweitig in den Griff bekommt.
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Klimaneutralität und Ressourcenschonung sind sicherlich Themen, die in der jüngeren Vergangenheit stark in den Fokus gerückt sind und auch bedeutsam bleiben werden. Die Immobilienentwickler haben sich darauf bereits recht gut eingestellt. Hier erwarte ich noch einen Innovationsschub. Die Frage nach dem Arbeitsplatz nach der Pandemie wird uns möglicherweise 2022 noch beschäftigen und flexible Lösungen von den Arbeitgebern verlangen.
Da mir die Themen ESG und auch erneuerbare Energien sehr am Herzen liegen, werde ich tatkräftig mitarbeiten, dass TPA hier das Beratungsangebot noch weiter ausbaut und es auch klein- und mittelständischen Unternehmen möglich sein wird, sich dem Thema mit vertretbarem Aufwand zu widmen.
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1 Sehr optimistisch und das gründet sich nicht auf ein „Gefühl“, sondern auf Fakten und Markanalysen: Trotz der hohen Neuflächenproduktion können wir unsere Projekte durchwegs recht rasch und zu guten Konditionen verwerten – und soweit wir das sehen, gelingt das auch vielen unserer Mitbewerber. Wohnungen, die den eigenen Ansprüchen entsprechen, nehmen mit jedem Monat, den wir uns länger mit Covid-19 herumschlagen müssen, einen höheren Stellenwert bei den Menschen ein und das macht sich in der Nachfrage quantitativ und qualitativ bemerkbar. Daher ist es für mich ganz klar, dass Wohnen bei Investoren auch 2022 der Topfavorit sein wird.
Andreas Holler, Buwog Group
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Soweit es die BUWOG betrifft, sehe ich die ESG sehr positiv: Nachhaltigkeit ist für uns seit Jahren ein zentrales Thema und den allergrößten Teil dessen, was ESG im Wohnbau verlangt, erfüllen unsere Entwicklungsprojekte daher ohnehin bereits. Wenn das, was wir freiwillig tun, zu einem extern vorgegebenen Standard wird, verbessert das unsere Konkurrenzsituation tendenziell.
Ich möchte das für den Bereich Wohnen beantworten: Nachhaltigkeit, Kostenmanagement,Sicherungbebaubarer Grundstücke – und wie immer hängen die Themen zusammen. Wir müssen noch nachhaltigere Projekte realisieren – Stichworte: Ressourcenschonung, Bodenversiegelung, soziale Nachhaltigkeit. Die Errichtungskoten dürfen trotzdem nicht steigen, sondern es muss im Gegenteil gelingen, die zeitweise aus dem Ruder gelaufenen Baupreise wieder auf ein vernünftiges Niveau zurückzuführen. Und wir müssen dafür sorgen, dass wir auch in den kommenden Jahren kontinuierlich ausreichend neue Wohnungen bauen können. Sonst wird aus dem ausgewogenen Markt von heute schnell wieder eine strukturelle Unterversorgung, wie wir sie noch vor wenigen Jahren hatten.
Covid-19kann in den Teilmärkten einen negativen Effekt haben, in denen deswegen Nutzungseinschränkungen und eventuell Mietausfälle drohen, also beispielsweise bei Einzelhandelsimmobilien. Aber beim Wohnen ist das kaum vorstellbar.
3 Auf dem Wohnungsmarkt sehe ich keine Begründung für eine geänderte Risikoeinschätzung. Die Zinsen werden bei anhaltend höherem Inflationsniveau irgendwann schon auch steigen, aber an der aktuellen Situation mit negativen Realzinsen wird sich noch recht lange nichts ändern.
5 Wir haben aktuell eine ganze Reihe außergewöhnlicher Projekte in Bau, MARINA TOWER, HELIO Tower, Inside XIX, Kennedy Garden etc. Das ist eine enorme Herausforderung und wenn wir bei allen weiter so erfolgreich und den Planungen entsprechend vorankommen, dann haben wir allen Grund stolz und zufrieden zu sein.
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1 Wie alle in der Branche wissen, verfüge ich über uneingeschränkten und nicht zu bändigenden Optimismus. Die letzten zwei Jahre haben schon gezeigt, was man alles Innovative und längst Notwendige entwickeln kann. Daher wollen wir uns nicht auf spezielle Assetklassen, sondern auf Innovationen, wie z.B. die Stadt der Zukunft, eine marokkanische Parklandschaft in Favoriten, Musikerwohnungen in der D-City, IT-Lab usw. konzentrieren.
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Bereits vor 15 Jahren waren wir in Österreich die ersten Entwickler, die mit Ihren Häusern eine LEED-Platin-Zertifizierung erreichten. Mittlerweile ist es State-of-theArt und jetzt werden mittlerweile ESGKriterien immer öfter abgefragt. Jeder hat in den letzten Jahren erkennen müssen, dass durch die Pandemie Homeoffice und Singlearbeitsplätze unumgänglich sind und Großraumbüros Infektionsherde par excellence darstellen.
Langfristig – in den nächsten fünf bis zehn Jahren –- ist mit einem Anstieg der Zinsen zu rechnen.
4 Wolfdieter Jarisch, S+B Gruppe
Mut zur Innovation, Mut zu Umweltschutz und Mut zu einem neuen Life-BalanceZugang.
5 DANUBEFLATS: das Wohngebäude – auch Bauteil 2 genannt – wird in den nächsten Monaten die Dachgleiche erreichen und beim Wohnturm wird eine der schwierigsten, technischen Aufgaben – die Überbauung der Donauuferautobahn (Rucksack) – abgeschlossen sein. DC 3, das größte und höchste Studentenhaus Österreichs, wird bereits laufend übergeben. Ebenso wird die Fertigstellung der DC Residential erfolgen. Beim DC 2 werden die Tiefbauarbeiten im Frühjahr beginnen und der Bau des Bildungscampus startet ebenso noch dieses Jahr. Am Höchstädtplatz konnten noch vor Weihnachten die Bautätigkeiten für zwei Wohnkomplexe starten und in der Laxenburger Straße 151 werden sechs Wohnplätze zwischen dem von André Heller gestalteten Freiraum- und Gartenkonzept errichtet. Für die Stadt der Zukunft und das Hochhaus beim Gasometer (Taille) sowie das Hochhaus am Fuße der Triester Straße starten die Widmungsverfahren. Für das 80 Meter hohe Hochhaus an der Dresdner Straße und die Laxenburger Straße 2 wird der Spatenstich im Sommer erfolgen.
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ImFokus
1 Ins neue Jahr gehen wir auf jeden Fall optimistisch! Vor allem für unsere Asset Klasse Immobilien wird es definitiv ein positives 2022. In den Fokus rücken werden Quartiersentwicklungen und die krisenresistenten Asset Klassen Wohnen und Nahversorgung. Aber auch hier muss der globale Wandel berücksichtigt werden. Veränderungen in Natur und Gesellschaft müssen durch sensible Analysen und frühzeitiges Reagieren als Chance genutzt werden, neue Konzepte zu verwirklichen, die zu nachhaltiger Wertschöpfung führen. Investors Liebling ist und bleibt die langfristige Rendite.
Michael Klement, United Benefits Holding
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Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien und nachhaltiges Investieren gewinnen seit Jahren stetig an Bedeutung. Die Europäische Union hat nun mit ihren letzten Verordnungen zur Taxonomie und Offenlegungspflicht das Tempo massiv angekurbelt. Höhere Investments für mehr ESG und somit mehr Sicherheit langfristiger Wertschöpfung wird von den Investoren vorausgesetzt, weshalb ESG eine absolute Schlüsselrolle in der strategischen Ausrichtung von Immobilienunternehmen übernommen hat.
Die Pandemie und die darauf gefolgten Herausforderungen haben zu einer zusätzlichen Gewichtung einiger Faktoren geführt. So werden plötzlich – bisher als juristische Fleißaufgabe betrachtete – Vertragsklauseln besonders durchleuchtet, die Mieterbonität gewann an Bedeutung und einige Branchen büßten ganz grundsätzlich massiv an Attraktivität ein. Ebenso stellen die neuen Bedürfnisse, wie HomeofficeMöglichkeiten im Allgemeinbereich eines Wohnhauses, neue Herausforderungen in der Projektentwicklung dar.
Auch COVID-19, dessen Einfluss auf uns alle hoffentlich bald abnehmen wird, hat das allgemeine Umdenken wie ein Katalysator vorangetrieben. Wo ich arbeite, wie ich wohne, wie ich reise oder wie ich meine Woche strukturiere – alles was 2020 gegolten hat, ist neu aufgestellt. Um auf die neuen Bedürfnisse der Mieter zu reagieren, müssen wir in der Produktentwicklung etwas riskieren und neben der Umwelt auch soziale Aspekte schon in der Planung besonders berücksichtigen. Schlüssige Konzepte und die Bereitschaft für die Gemeinschaft etwas mehr zu investieren, wird langfristig belohnt. Das bedeutet: ESG und COVID-19 werden die Preisentwicklung weiter anfeuern! ESG ist ein Investment in die Zukunft, das kann und soll Geld kosten. Ich bin davon überzeugt, dass dies eine einmalige Chance ist, mit unserem Segment einen ordentlichen Beitrag für die Zukunft zu leisten – was auch Zeit wird!
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ImmoFokus
Wir rechnen mit einem moderaten Anstieg der Zinsen in den nächsten 18 bis 36 Monaten. Die entscheidende Frage ist hier jedoch, welches Zinsniveau nachhaltig Bestand haben wird.
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Thema Nummer 1 ist und bleibt ESG. Besonders herausfordernd werden die Anforderungen an Aufrüstung im Bereich der Digitalisierung. Wer hier nicht up to date bleibt, wird nicht mehr lange mitmischen können.
Ende 2020 bündelten wir unsere drei Tochtergesellschaften INVESTER United Benefits, EKAZENT Management und WEALTHCORE Investment Management unter dem Dach der United Benefits HOLDING.
Ebenfalls nicht mehr wegzudenken, sind die weitreichenden Auswirkungen der Einführung von Homeffice-Möglichkeiten. Die Immobilienbranche hat sich hier auf eine Vielzahl veränderte Bedürfnisse einzustellen: Konkrete Ansprüche an Wohnraum sind ebenso betroffen wie der Bedarf an Büroflächen, Ansprüche an Hotellerie, Logistik und Verkehrsnetze. Vor allem im Development versuchen wir durch umfangreiche Analysen und schnelles Reagieren auf aktuelle Bedürfnisse einzugehen. Ein Umdenken braucht es auch im Zusammenhang mit Finanzierungsmöglichkeiten. Steigende Zinsen, Erhöhung der Eigenkapitalquote für Eigenheime und die steigenden Preise von Bau und Flächen verlangen nicht nur ein Handeln von Bund und Ländern. Auch Investoren sind gefordert, soziale Aspekte verstärkt zu berücksichtigen. Aus diesem Grund haben bei unseren Developments und Investitionen nicht nur Umweltthemen, sondern auch soziale Kriterien einen hohen Stellenwert. In einem unserer Wohnfonds haben wir unter anderem die klare Vorgabe, 30 Prozent der Wohnungen für einer Gesamtmiete von unter 800 Euro pro Monat anbieten zu können!
Unser Konzept als Komplettanbieter entlang der gesamten Wertschöpfungskette einer Immobilie funktioniert. Vor allem im Umgang mit den ESG-Herausforderungen profitieren wir stark von unserem umfangreichen Knowhow vom Development bis hin zum Investment Management. Hier sehe ich unsere besondere Stärke, welche wir jedenfalls ausbauen werden, um unsere Vorreiterstellung im Segment ESG für institutionelle Investoren zu verstärken. Im Bereich Asset Management erarbeiten wir derzeit mit unserer Tochtergesellschaft EKAZENT, in Kooperation mit einer Vielzahl heimischer Branchenkollegen, das Leistungsbild Asset Management für Österreich. Ebenfalls 2022 werden wir unsere bereits 2021 gestartete Expansion nach Deutschland in den Bereichen Development und Investment Management ausbauen. Zwei Fonds mit starker Deutschland Allokation sind bereits aufgelegt, weitere sollen folgen. Auch in Wien haben wir große Pläne. Nach über 1.000 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2021 erwarten wir 2022 den fristgerechten Baustart für weitere knapp 800 Wohnungen.
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ImFokus
1 Ich sehe das Jahr grundsätzlich optimistisch, wenn auch mit diversen Herausforderungen gespickt. Der Markt ist weiterhin hart umkämpft und es wird für uns alle nicht einfacher werden. Die Wohnimmobilien werden auch weiterhin Investors Liebling bleiben. Die Nachfrage nach rentablen Vorsorgewohnungsobjekten ist ungebrochen. Das berühmte Betonsparbuch hat deutlich an Beliebtheit gewonnen. Mittlerweile ist in vielen Fällen die Rendite gar nicht mehr so ein wichtiger Punkt, sondern eher die Lage und Qualität des Objektes.
2 Gerade COVID-19 hat zu einem gewaltigen Nachfrageaufschwung geführt. Aufgrund der Zinslage hat die Immobilie deutlich an Beliebtheit gewonnen. Ich denke, dass dies auch so bleiben wird. Jedoch hat COVID-19 die Anforderungen an die Immobilie geändert. Die Freifläche ist mittlerweile unumgänglich, auch im Vorsorgewohnungsbereich. Das Thema ESG spielt für jeden Bauträger eine wichtige Rolle und spiegelt sich für den Kunden in einer nachhaltigen Ausstattung im Gebäude und der Wohnung sowie vermehrten sozialen Angeboten in der Wohnanlage wider.
3 #Die Umwelt- und Pandemierisken sind seit längerem bereits in den Marktkursen eingepreist, aber ich befürchte, dass uns früher oder später ein Zinsanstieg ereilen wird. Die Realrenditen sanken im vergangenen Jahr global weiter ins Minus. Eine Situation, die uns wohl noch etwas länger begleiten wird, denn es sind gerade die hohen Staatsschulden, die die Notenbanken aktuell davor abhalten, ihre Zinsschrauben zu lockern, um inflatorisch zumindest etwas gegenwirken zu können. Die Argumentationslinie der einzelnen Währungshüter beginnt sich aber bereits zu unterscheiden. Während in USA dem freien Markt via kommenden Zinserhöhungen entsprochen werden soll, bleibt die EZB auf ihrem Kurs der Angebotsverknappung. Der Grund dafür liegt in der unterschiedlichen Erwartung betreffend die Dauer des Inflationsanstiegs. Ein Zinsanstieg würde einen ganzen Rattenschwanz an Konsequenzen mit sich ziehen wie höhere Fremdkapitalkosten, höhere Verzinsung bei anderen Anlageformen u.v.m.
Marija Marjanovic, Wiener Privatbank
4 Aktuelle Themen werden nach wie vor die Nachhaltigkeit beim Bau und auch die mögliche Tokenisierung von Immobilien darstellen. Das Thema Nachhaltigkeit begleitet uns nun schon seit einiger Zeit und wird in den nächsten Jahren deutlich an Bedeutung gewinnen. Viele Investoren erwarten vom Bauträger bereits eine nachhaltige Bauweise und greifen sonst nicht zum Objekt, wenn diese nicht gegeben ist. Mit der Tokenisierung öffnet sich ein neues Vertriebsfeld, welches eine breitere Masse ansprechen kann. Eine großartige Chance, wenn auch nicht für jedes Unternehmen darstellbar.
5 Die Wiener Privatbank SE ist eine dynamische Spezialbank mit klarem Fokus auf Sachwert- und Kapitalmarktkompetenz. Wir sind führend bei innovativen Immobilienprodukten (Direktinvestments und Anleihen), vertreiben eine Vielzahl Vorsorgewohnungen pro Jahr und verfügen über eine hohe Expertise am Wohnimmobilienmarkt im Großraum Wien. Somit ermöglichen wir unseren Kunden Zugang zu einer der stabilsten und interessantesten Veranlagungs- und Investitionsformen am Markt. Mein Ziel ist es, verstärkt mit Bauträgern zu kooperieren. Unser Dienstleistungsangebot reicht von Projektfinanzierung über Maklertätigkeit und Asset Management, bis hin zur Hausverwaltung – alles aus einer Hand. Haben wir ein passendes Projekt gefunden, kümmern wir uns um den Vertrieb der Wohnungen, als Vorsorgewohnungen oder für Eigennutzer im Kreis unserer Kunden sowie Kooperationspartner. Zudem ist es uns als Bank möglich, eine Abnehmergarantie für Wohnprojekte abzugeben.
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ImmoFokus
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Eher optimistisch. Der Verdrängungswettbewerb wird zwar bleiben, aber die Kunden haben zuletzt mehr Auftragswillen gezeigt und sind auch wechselbereit. Eine zentrale Herausforderung im Facility Management wird jedoch der Fachkräftemangel bleiben. Bei den Assetklassen werden wohl die Logistik und Gewerbeimmobilien, die an die ESG-Richtlinie und an die Taxonomie-Verordnung adaptiert werden können, an Bedeutung gewinnen. Außerdem sind Hotelimmobilien derzeit etwas günstiger, während der Tourismus im Laufe des Jahres wieder zunehmen wird. Daher wird auch dieser Bereich wieder belebt.
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Zum einen hängt es von der Assetklasse ab, zum anderen vom Alter der Immobilie. Insbesondere ältere Objekte werden mit der ESG-Richtlinie zu kämpfen haben, entweder aufgrund der Modernisierungskosten oder der negativen Preisentwicklung. ESG-konforme Immobilien werden hingegen einen Auftrieb erleben. Bei COVID sind die weiteren Entwicklungen abzuwarten und hier vor allem, welche Trends langfristig erhalten bleiben. Die Gebäudenutzer sind offener und flexibler geworden, daher wird es auch flexible Konzepte brauchen.
3 Aktuell ist mit keinem signifikanten Anstieg der Zinsen zu rechnen. Auch Experten erwarten ein gleichbleibendes Zinsniveau. Dementsprechend wird sich die Entwicklung der Immobilienpreise fortsetzen. Bei den Risikoprämien ist zwischen den unterschiedlichen Assetklassen zu differenzieren. Durch die Pandemie ist das Bewusstsein aber sicherlich gestiegen, insbesondere was Schließungen, Lockdowns und andere Formen einer eingeschränkten Nutzung von Immobilien mit Umsatzentfall anbelangt. Hier werden sich viele künftig besser absichern.
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Werner Moldaschl, WISAG
Die ESG-Richtlinie und TaxonomieVerordnung, Verwerfungen am Büromarkt und in den Bürostrukturen durch die COVID-19-Pandemie und der Trend hin zu dezentralen Arbeitsplätzen wie zum Beispiel Home und Shared Offices. Alle drei Themen spielen zusammen und werden gemeinsame Lösungen brauchen. Hier gilt es, die weiteren Entwicklungen genau zu beobachten und flexibel zu agieren.
5 Die WISAG nimmt die Herausforderungen durch ESG, Taxonomie-Verordnung und die COVID-19-Pandemie an und sucht mit unterschiedlichen Partnern und Experten aktiv nach Lösungen. Durch die Digitalisierung und Ökologisierung steigt die Bedeutung bestens ausgebildeter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die WISAG bietet daher Aus- und Weiterbildungen, brieft seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfassend und gewährleistet damit eine hohe Qualität der Leistungen in der Technik und bei der Abwicklung. Damit wirken wir als Unternehmen gleichzeitig dem Fachkräftemangel ein Stück weit entgegen.
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ImFokus
1 Wir blicken optimistisch ins neue Jahr. Auch wenn uns Corona weiterhin begleiten wird, lernen wir doch alle fortwährend ein Stück weit besser mit der Situation umzugehen. Aus Investorensicht stehen 2022 weiterhin Wohnimmobilien als überaus attraktive Anlageform im Fokus. Die Nachfrage ist ungebrochen hoch – auf Käufer- wie auf Anlegerseite. Den smarten und klimafitten Gebäuden mit hoher Funktionalität und Freiflächen gehört hierbei die Zukunft. Spannend wird auch das Thema Büroimmobilien in Hinblick auf die Auseinandersetzung mit neuen Office-Konzepten werden. Veränderte Arbeitswelten brauchen nicht weniger Fläche, sondern eine andere. Klar ist jedoch auch hier: Attraktive Büroflächen mit optimaler Erreichbarkeit und guter Infrastruktur werden sich am Markt durchsetzen.
Ewald Müller, ALUKÖNIGSTAHL
2 Die verbindlichen Kriterien und Klassifikationen, die mit den ESG-Faktoren oder der damit verbundenen Taxonomie-Verordnung geschaffen wurden, sind für die Immobilienbranche höchst relevant. Langfristig nachhaltige Investitionen werden dadurch transparenter, was aus unserer Sicht jedenfalls zu keiner Reduktion der Investitionen führen wird. Denn die Lebenszykluskosten und damit verbundene wirtschaftliche Vorteile lassen sich erst über einen längeren Betrachtungszeitraum sowie durch hohe Nachhaltigkeitsstandards erkennen. Das Immobilienniveau wird sich mit Ausnahme von Top-Lagen dadurch kaum verändern und auf dem heutigen, hohen Level verharren.
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Immobilien gelten nach wie vor als wertstabil und in Zeiten von Niedrigzinsen als Anlage mit verhältnismäßig hoher Rendite. Auch die Corona-Pandemie konnte daran kaum rütteln. Die Zinssituation wird sich in absehbarer Zeit nur moderat verändern. Zentral sind hierbei die signalisierten Zinserhöhungen für 2022 durch die US-Notenbank sowie weitere geldpolitische Schritte der EZB. Nicht zuletzt sollte man auch die geplante Verschärfung der Vergabekriterien für neue Kredite ab Mitte des Jahres durch die Finanzmarktaufsicht im Blick haben.
Wir konzentrieren uns darauf, gezielt eine Balance zu schaffen – zwischen aktuell erforderlichen Schritten sowie weiteren Maßnahmen, die für die Zukunft relevant sind. Dafür bleiben wir unseren drei Grundpfeilern des smarten, intelligenten und sicheren Bauens treu. Darüber hinaus wollen wir uns vor allem der Digitalisierung widmen, die uns alle schon heute immens unterstützt. Wir setzen bewusst auf nachhaltige Innovationskraft und arbeiten mit zukunftsorientierten Technologien in den Bereichen Design, Gesundheit, Sicherheit und Energieeffizienz – von smarter Planung, Bau und Betrieb über hochfunktionale Fassaden bis hin zu Fensterlösungen mit integrierten Lüftungssystemen oder Barrierefreiheit bei Fenstern, Türen und Schiebetüren. Dies schaffen wir mit einem sorgfältig ausgewählten Team an Mitarbeitern mit umfassendem Know-how. So blicken wir mit Zuversicht auf das Jahr 2022.
4 Die Verringerung des CO2-Ausstoßes, der Einsatz erneuerbarer Energien und alternative Office-Konzepte sind relevante Themen, die nicht nur die Immobilienwirtschaft in diesem Jahr prägen werden. Das Gebot der Stunde heißt Ressourcenschonung und hier hat die Branche in vielen Bereichen durchaus Nachholbedarf. Bei Alukönigstahl legen wir den Fokus schon seit langer Zeit auf zukunftsorientierte Produkte und Servicedienstleistungen, die den Grundsätzen der Nachhaltigkeit in jeder Hinsicht entsprechen. So setzen wir etwa bei unseren Schüco Aluminiumsystemen auf den Cradle-to-Cradle-Ansatz als richtungweisendes Zeichen gegen eine ressourcenintensive Linearwirtschaft. Zudem verfügen die Werkstoffe Aluminium und Stahl neben einer hohen Lebensdauer auch über ein außergewöhnlich hohes Recyclingpotenzial – mit teilweise bis zu 100 Prozent.
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1 Wir starten in das neue Jahr mit vorsichtigem Optimismus. Die Pandemie wird uns mindestens noch bis Ende dieses Jahres weiterhin beschäftigen, vor allem die Aufarbeitung der Lockdowns und somit auch das Thema Miet- bzw. Pachtzinsentfall von Geschäftsräumen. Das Ranking bei den Investoren führt nach wie vor die Assetklasse Wohnen an. Diese Spitzenposition hat die Pandemie sogar verstärkt.
2 Alfred Nemetschke, Nemetschke Huber Koloseus Rechtsanwälte
Der Einfluss von ESG wird sich noch verstärken und somit die Bewertung einer Immobilie in die eine oder andere Richtung abändern – wie stark hängt von der Assetklasse ab. Nachhaltigkeit und ESG werden jedoch insbesondere ältere und Bestandsimmobilien fordern, da Klimaneutralität vor Jahrzehnten noch kein Thema war. Die negativen Effekte von Covid-19 werden vor allem Einzelhandelsimmobilien spüren.
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In naher Zukunft sehe ich – zumindest in der EU – keinen signifikanten Anstieg der Zinsen. Wir können aber davon ausgehen, dass die Entwicklung zwischen den verschiedenen Assetklassen sehr differenziert sein wird und dementsprechend auch die Risikoprämien angepasst werden.
Ein Fokus der Kanzlei seit Beginn der Pandemie, der auch 2022 aktuell bleibt, ist das Thema Miet- bzw. Pachtzinsentfall von Geschäftsräumen sein. Ein weiterer Schwerpunkt ist, die Zusammenarbeit mit Mediatoren zu verstärken. Covid-19 hat uns deutlich gezeigt, dass die Kooperation von Anwälten und Mediatoren effizient und rasch gute Lösungen bietet und die Mandanten davon profitieren.
4 Natürlich werden uns alle Pandemie-relevanten Themen wie Mietbzw. Pachtzinsentfall von Geschäftsräumen, Homeoffice und flexible Arbeitsbedingungen sowie Klimaneutralität und ESG beschäftigen.
Der andere Fokus liegt weiterhin auf Immobilieninvestments und Developments.
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ImFokus
1 Ich bin überzeugt davon, dass 2022 ein, den Wohnbau betreffend positives Jahr wird! Die Nachfrage nach hochwertigen Eigentumswohnungen ist sehr groß und auch Mietwohnungen als Anlageform sind sehr begehrt. Aufgrund der vielschichtigen Pandemie-bedingten Erschwernisse in unserer Arbeit, hinkt die Produktion hinterher und führte dies zu steigenden Preisen. Momentan ist keine Gegenbewegung in Aussicht.
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2 Sowohl die Auswirkungen von ESG als auch von COVID-19 sind kostenerhöhend. Dies betrifft den Neubau, als auch Bestandsimmobilien. Nimmt der Investor die Kosten nicht in Kauf, droht eine schlechtere Bewertung seiner Immobilie. Voraussichtlich wird sich der hohe Nachfrageüberhang auf diese Situation jedoch ausgleichend auswirken.
Roland Pichler, Die Wohnkompanie
Wir gehen davon aus, dass unsere Wohnbauprojekte bei der Bewertung der Risikofaktoren nach wie vor sehr gut abschneiden und daher keine daraus resultierenden, zusätzlichen Finanzierungskosten entstehen werden. Bei Bauvorhaben, die den gestiegenen Anforderungen nicht entsprechen, wird das wohl nicht zutreffen.
4 Die Corona-Pandemie mit all ihren Herausforderungen hat uns vom Thema der Grundstücksknappheit etwas abgelenkt, jedoch ist dieses Thema absolut vakant und wurde sogar durch die Pandemie zusätzlich verschärft. Das Erlangen der Nachhaltigkeitsziele und der CO2-Neutralität in der EU, gepaart mit den ESG-Bestimmungen werden unsere tägliche Arbeit mehr und mehr beeinflussen. Die zentrale Herausforderung ist das Umsetzen von neuen bzw. geänderten Rahmenbedingungen in einer Periode mit stetig steigenden Kosten sowie Rohstoffknappheit.
5 Fast 500 Wohnungen sind aktuell in Bau und werden in diesem Jahr fertiggestellt. Wir haben eine gut gefüllte Projektpipeline an Wohnbauprojekten, die es zu entwickeln gilt und in den Bau gebracht werden sollen. Aufgrund der positiven Marktlage werden wir unseren Expansionskurs weiterhin fortsetzen. Dabei werden wir uns vor allem auf unseren Kernmarkt Wien konzentrieren, aber auch in ausgewählten Städten in den Bundesländern investieren.
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Es könnten viele Maßnahmen Verbesserungen bringen. Von der Optimierung der Arbeitsbedingungen bzw. -möglichkeiten der behördlichen Dienststellen über umfangreiche Förderungsmöglichkeiten außerhalb des geförderten Wohnbaus bis hin zu preisregulierenden Eingriffen im Bereich der Baurohstoffe reicht die Palette der Möglichkeiten.
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Nach dem außerordentlich guten Investmentjahr 2021 blicken wir äußerst zuversichtlich ins Jahr 2022. Aufgrund der hohen Anzahl der in Abwicklung befindlichen Transaktionen, die wir voraussichtlich im ersten Halbjahr 2022 finalisieren werden, gehen wir auch für das kommende Jahr von sehr starker Transaktionstätigkeit und -volumen aus. Wohnen und Logistik werden dabei am stärksten nachgefragt sein, wobei vor allem im Logistikbereich die enorme Nachfrage das Angebot bei weitem übersteigt.
Die Hauptursachen für die hohen Immobilienpreise, nämlich niedrige Zinsen, schlecht performende Alternativveranlagungen und die ansteigende Inflation werden uns auch im kommenden Jahr erhalten bleiben. Die Pandemie ist für die gesamte Wirtschaft eine Herausforderung. Die Immobilienbranche war aber mit Ausnahme einiger, weniger Segmente, wie etwa Stadthotellerie und überregional strahlender Einkaufszentren von den Auswirkungen vergleichsweise wenig betroffen bzw. konnte in einigen Bereichen, die langfristig gesicherte Cashflows versprechen oder wie der Bereich „last-mile Logistik“ geänderte Konsumgewohnheiten bedienen, von der Entwicklung sogar profitieren. Die EU-Taxonomie bzw. die noch stärkere Fokussierung auf ESG werden die Top-Immobilien noch gefragter machen. Dies wird auch dazu führen, dass ältere, nicht nachhaltige Immobilien verstärkt auf ESGAnforderungen um- bzw. nachgerüstet und damit werthaltiger gemacht werden.
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Franz Pöltl, EHL Investment Consulting
Wir rechnen vor allem damit, dass jene Immobilien, die ESGkonform errichtet wurden, im Vergleich zu nicht nachhaltigen Immobilien an Wert gewinnen werden. Die Berücksichtigung der Kosten für die Herstellung eines ESG-konformen Zustandes wird bei Bestandsimmobilien im Laufe der Zeit bei den Bewertungen wohl zum Standard werden. Für etwaige Zinserhöhungen sehen wir im Moment keine Anzeichen, sodass die Renditen weiter unter Druck bleiben werden.
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Wir gehen davon aus, dass die Anstrengungen zur Überwindung der Pandemie, die allgemeine Etablierung von ESG-Standards sowie die Preisdynamik bei Grundstücken und Baukosten die wesentlichen Herausforderungen für die Immobilienbranche sein werden.
Nachdem wir ein sehr gutes Jahr 2021 hatten und auch mit einer gut gefüllten Projektpipeline ins neue Jahr starten können, wollen wir nahtlos an die gute Performance des vergangenen Jahres anknüpfen und auch 2022 die führende Position der EHL Investment Consulting am Investmentmarkt weiter ausbauen. Dabei liegt unser Fokus nicht auf einer bestimmten Assetklasse, sondern wir wollen in allen Bereichen der prädestinierte Ansprechpartner für unsere Kunden sein, beginnend von der Grundstückakquisition bis zum Verkauf des fertigen Investmentproduktes.
Hinsichtlich der Bewältigung der Pandemie muss sich die Immobilienindustrie weitgehend auf die Maßnahmen der Regierung verlassen, bezüglich der Entwicklung zu einer nachhaltigen Immobilienwirtschaft ist der Weg zumindest vorgezeichnet. Wirklich herausfordernd wird auch im kommenden Jahr die Suche nach Grundstücken zu Preisen sein, die leistbares Wohnen noch ermöglichen. Hier wären schnellere Widmungs- und Bauverfahren sicherlich hilfreich. Auch die Baukosten tendieren in eine Richtung, die ein Abschwächen der Preisdynamik für die Immobilienpreise noch nicht erkennen lassen.
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Isabella Reinberg, Reinberg & Partner Immobilienberatung
Das Jahr 2022 wird sich in manchen Lebensumständen kaum vom Vorjahr unterschieden. Dennoch bin ich optimistisch, dass unser Umgang damit ein leichterer sein wird. Wohnimmobilien werden ähnliche Verkaufspreise erzielen und von ähnlich hoher Marktnachfrage begleitet werden. Dennoch lässt sich beobachten, dass der Markt nicht mehr bereit ist, „alles“ zu kaufen. Kleine Wohnungen werden wie üblich – unabhängig ihrer manchmal fragwürdigen Figuration – gut an den Mann gebracht. Größere Investitionen wie der Kauf eines Einfamilienhauses werden vermehrt nach Ihren qualitativen Kriterien betrachtet und lange am Markt bleiben. Büroimmobilien erfahren einen Wandel in ihren Formen und Nutzungen, was auch den COVID-19-bedingten Homeoffice-Lösungen geschuldet ist. Die Nachfrage nach großflächigen Büros wird sich vermutlich reduzieren.
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COVID-19 hat zu einem weltweiten Umbruch und zur Veränderung der Büroarbeitswelt geführt. Aufgrund der Pandemie und der konkreten Maßnahmen-Empfehlung wurde die alltägliche Büroarbeit vom klassischen Büroarbeitstisch auf Homeoffice umgestellt. Damit geht die Änderung der Lebensweisen einerseits in der Bürowelt und vice versa in der Wohnumgebung einher. Es werden sich die Büro- und Wohnformen ändern, die Nachfrage, der Handel und Transaktionen indessen werden wie üblich weiter erfolgen.
Ja, ganz sicher. Es gibt zwei Säulen in der Finanzierung – die eine ist der Ausfall und die zweite ist der Verlust im Ausfall. Der Ausfall ist dort gegeben, wo die Annuitäten über einen bestimmten Zeitraum nicht mehr bedient werden. Das kann an einer Zahlungsunfähigkeit, aber auch an Unwilligkeit liegen.
ESG hat in allen Bereichen Fuß gefasst und wird ein wesentlicher Teil des alltäglichen Handelns. Unternehmen werden in ihrer Auftragsvergabe dahin gehend eingeschränkt werden, dass sie nur an ESG-konforme Unternehmen vergeben dürfen. Da es noch keine ESG-Standards oder -Richtlinien gibt, besteht noch großer Entwicklungsbedarf.
4 Wie in jeder Branche wird das Thema ESG ein immenser Treiber werden. Bezogen auf die Immobilienwirtschaft sehe ich die Immobilienfinanzierung als ein immer komplexeres und hürdenvolleres Thema. Die Fragen, die sich dazu stellen: Bleiben die Zinsen so niedrig? Steigen die Preise weiter? Und was passiert mit den Baupreisen bzw. der Rohstoffversorgung? Wird es Engpässe am Beschaffungsmarkt geben?
Ungeachtet dessen ist ein Zahlungssaufall ein Ausfall, der aufgrund der Baselkriterien zu dokumentieren ist und einen Risikoaufschlag bei der Refinanzierung der Banken bedeutet. Wiewohl ein Ausfall noch keinen Verlust bedeutet, stellt er dennoch ein erhöhtes Risiko dar. Durch die Pandemie können natürlich die Zahlungen erschwert werden, wodurch es zu Ausfällen kommen kann. Ein Zahlungsausfall ist jedenfalls ein erhöhtes Risiko im Bereich der Refinanzierung der Banken, die unweigerlich eine Auswirkung auf die Finanzierung hat.
5 Wir werden unsere Internationalität stärken und internationale Partner vernetzen. Dabei werden wir eine stärkere Differenzierung zur Konkurrenz aufbauen und die Mitarbeiterkompetenzen erweitern. Unser internes Schulungszentrum wird den Fokus auf Interdisziplinarität legen und dabei die Säulen von Technik, Recht, Wirtschaft und Ökologie umfassen. Ferner ist uns unser Team von wichtiger Bedeutung. Arbeitsmarktpolitische Sicherheit, respektvoller Umgang und fördernde Strukturen als gemeinschaftliches Konzept sowie das Kämpfen gegen eine Pandemie, deren Ende mit sozialer Distanz herzuleiten ist.
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ImmoFokus
1 Das Jahr 2022 beginnt mit den bereits bekannten Herausforderungen, die uns auch schon im letzten Jahr beschäftigt haben. COVID-19 hat unsere Arbeits-, Einkaufs- und Lebensgewohnheiten geändert bzw. wurden dadurch bereits bekannte Trends massiv beschleunigt. Diese Veränderung betrifft nahezu alle Asset Klassen, wobei die Impacts in der jeweiligen Nutzungsart unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Die Asset-Klasse Wohnen hat sich auch vor der Pandemie schon als sehr zuverlässig und stabil erwiesen, daher wird die Nachfrage nach Core Immobilien weiter zunehmen. Mittel und langfristig ist mit einer Interessenverschiebung der Investoren und einem veränderten Risikoprofil ausgewählter Asset-Klassen zu rechnen.
Michael Widschwendter, Arealis
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Bewerten heißt Vergleichen. Immobilienbewerter reflektieren lediglich das Markgeschehen bzw. die am Markt beobachtbare Zahlungsbereitschaft, beeinflussen diese jedoch nicht. Etwas konkreter heißt das: Abzubilden, was am Markt passiert und nicht zu antizipieren, dass ökologische Gebäude „mehr Wert sein müssen“ und diese „Tatsache“ auch ohne weitere Marktdaten als Beweis eingepreist werden sollten bzw. energetisch ineffiziente Gebäude einen Abschlag „haben müssen“. Der „Green Premium“ oder ein „Grey Discount“ sind kein eigener Wert, sondern ein integraler Bestandteil des Marktwertes einer Immobilie.
Durch die aktuellen Veränderungen, insbesondere das Thema rund um ESG sowie die anhaltende Pandemie, zeichnet sich eine neue Einschätzung der Risiken ab, die zu einer anlagespezifischen Umgestaltung der Risikoprämie führen wird. Auch wenn die geldpolitische Quelle nicht über Nacht versiegen wird, ist angesichts des nach wie vor historisch- und zyklusbedingten Niedrigzinsumfelds mit einer erhöhten Volatilität der Kapitalströme zu rechnen. Die gestiegene Inflation setzt die Zentralbanken aktuell unter Druck, ihre Geldpolitik zu straffen, was zu einem „leichten“ Anstieg des allgemeinen Zinsniveaus führen wird. Das Zinsniveau ist momentan im historischen Vergleich noch sehr niedrig und es sind keine massiven Änderungen zu erwarten.
Erste Impacts im Zusammenhang mit COVID-19 zeigen sich bei geplanten Erträgen durch Mietreduktionen, Mitausfällen und gewährten Stundungen, die wiederum den Cashflow beeinflussen.
4 1. Das Thema COVID-19 wird uns über das Jahr 2022 hinaus weiter beschäftigen. Mutationen des Virus, notwendige Maßnahmen sowie politische Entscheidungen im Zusammenhang mit der Pandemie schaffen eine zusätzliche Unsicherheit in der Gesellschaft und auf den Märkten. Die Herausforderungen liegen hier in erster Linie in der Bekämpfung der Pandemie, zu der wir durch eine hohe Impfrate beitragen können. 2. „ESG ist gekommen, um zu bleiben!“ Das Thema rund um die Nachhaltigkeit sowie der Dekarbonisierung hat begonnen und wird uns noch sehr lange und intensiv beschäftigen. Die regulatorischen Neuerungen betreffen alle Teilbereiche der Immobilienwirtschaft und deren gesamten Lebens- und Investitionszyklus. Wichtige Erfolgsfaktoren sind dabei ein dementsprechendes Mindset im Unternehmen, Austausch in der Branche sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für die gesamte Mitarbeiterschaft. 3. Last but not least ist die Digitalisierung ein zentrales Thema, dass die Branche im kommenden Jahr beeinflussen wird. In Zukunft bedarf es neuer Technologien, das Aufbrechen von Datensilos – insbesondere im Zusammenhang mit ESG, neuen Berufsbildern und eines digitalen Mindsets, um den Herausforderungen in der Immobilienwirtschaft gerecht zu werden.
5 Die Arealis als Asset- und Property-Manger wird zukünftig das Thema Nachhaltigkeit aktiv in ihre Unternehmenskultur und -politik aufnehmen. Der Schwerpunkt dabei liegt, neben der Erfüllung der regulatorischen Anforderungen (z.B. EUTaxonomie und Offenlegungsverordnung) von Seiten des Gesetzgebers, auch in der konsequenten Ableitung auf das Geschäftsmodell der Auftraggeber und die Arbeitsweise der Organisation innerhalb der Arealis. Dabei verfolgen wir einen konsequenten Ansatz, dass sich wirtschaftlicher Erfolg und verantwortungsvolles Handeln nicht ausschließt, sondern gegenseitig bedingt – „Manage to Green“. Auch wenn das Thema ESG im Moment noch sehr „E-lastig“ ist und Klimaziele im Fokus stehen, ist für uns das „S“ und „G“ ebenfalls Bestandteil unserer Gesamtstrategie. Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen ist für uns ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Dabei nützen und erweitern wir die Technologie, um die Zusammenarbeit von Mitarbeitern und die Flexibilität der Arbeit zu fördern.
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1 Das Abklingen der Pandemie und die Rückkehr zur (neuen) Normalität wird zu einer großen Aufbruchsstimmung und zu positiven Änderungen in der Gesellschaft führen. Wir erleben gerade eine massive Neugestaltung der Arbeitswelten und des Konsumverhaltens. Diese Trends ergeben eine hohe Nachfrage nach modernen, technisch perfekt ausgestatteten Büroflächen und neuen Logistikflächen in unmittelbarer Nähe zu Ballungszentren.
2 Ich bin überzeugt, dass ESG und COVID-19 einen Einfluss auf die Immobilienbewertung haben werden. In welcher Form und Ausprägung das umgesetzt wird, gilt es noch zu beobachten.
Wolfgang Scheibenpflug, Flughafen Wien
3 Viele wirtschaftliche Faktoren der letzten Monate signalisieren ein Ende der langjährige Niedrigzinsphase. Ein Anstieg des Zinsniveaus halte ich daher für sehr wahrscheinlich. Eine nachhaltige Einpreisung von Umweltrisiken ist einerseits durch den Klimawandel und dessen negative Auswirkungen, andererseits durch die zukünftigen politischen Rahmenbedingungen begründet. Die Covid-19-Pandemie hat bereits zu Anpassungen von Mietverträgen geführt. Ob dies höhere Risikoprämien rechtfertigt, ist noch von den Marktteilnehmern zu verhandeln.
4 Als zentrale Herausforderungen sehe ich die Umsetzung von ESG, eine rasche digitale Transformation der Immobilienbranche und die Schaffung von günstigerem Wohnraum. Befriedigende Lösungsansätze werden nur durch die Einbindung aller Stakeholder erreicht werden können.
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5 Wir führen die Entwicklung der Vienna AirportCity auch in diesem Jahr konsequent weiter. Ein besonderer Schwerpunkt liegt im Ausbau der Serviceangebote für unsere Mieter. So gehen wir beispielsweise mit unserem Conference – CoWorkingcenter im Office Park 4 in den Vollbetrieb. Weiters errichten wir im Zuge unserer E- Mobilitätsstrategie eine große Schnellladestation, welche allen Mietern und auch Passagieren zur Verfügung stehen wird.
1 Ich persönlich bin nicht ganz so optimistisch, da die kürzliche Vergangenheit gezeigt hat, wie schnell alles ganz anders sein kann. Die Asset Klasse Wohnen wird weiterhin den Markt dominieren, aber auch Büros sowie Logistik sind weiterhin hoch im Rennen. Auch das Hotel findet seinen Weg zurück. Gemäß der 19. Ausgabe der Emerging Trends (gemeinsame Studie von PWC sowie dem Urban Land Institut) wird es einen starken Anstieg in alternative Bereiche wie New Energy Infrastruktur Projekte sowie Life Science Projekte geben, aber auch Self-Storage Projekte sind im Vormarsch.
Jasmin Soravia, Kollitsch & Soravia Immobilien
2 Am Thema ESG gibt es keinen Weg mehr vorbei! Wobei der Fokus noch immer sehr stark am „E“ liegt, 2022 wird man sich aber auch immer intensiver um das „S“ und das „G“ kümmern müssen, vor allem das „S“ wird von vielen unterschätzt. Nicht nachhaltige Projekte werden sowohl aus Investoren. als auch aus Bankensicht künftig wirklich Probleme bekommen. 2022 wird vor allem für Bestandsimmobilien ein echter Gamechanger werden, viele Immobilien werden einem großen Sanierungsdruck ausgesetzt sein. Das kostet Geld und erfordert auch einen hohen Arbeitskräfteaufwand.
4 Als wichtiger Werttreiber werden weiterhin die konsequente Einführung und Implementierung von ESG-Strategien gesehen sowie der Digitalisierungsschub, den die Branche erhalten hat, wo jedoch meiner Meinung nach noch viel Luft nach oben ist. Die Branche wird aber auch gefordert sein, neue Nutzungskonzepte im NEW NORMAL zu etablieren. Sie kann hier Vorreiter sein, wie die Menschen künftig leben und arbeiten. Der Fachkräftemangel wird ebenfalls das Jahr 2022 beherrschen – der Kampf um die besten Köpfe wird weiter gehen.
3 Kann sich der Markt steigende Zinsen leisten? Die Inflationsangst treibt viele Investoren in den Immobilienbereich. Renditen sind heutzutage vor allem im Bereich Wohnen bereits jenseits der 3 Prozent. Nichtsdestotrotz spielt der Finanzsektor beim Übergang in eine nachhaltige Wirtschaft eine zentrale Rolle – dies betrifft sowohl institutionelle Investoren als auch Banken. Nachhaltige Produkte/ Projekte werden jedenfalls kostengünstigere Finanzierungen erhalten, institutionelle Investoren müssen die erhöhte Nachfrage ihrer Kunden nach grünen Anlageformen befriedigen und werden somit „bessere“ Renditen zahlen als für nicht nachhaltige Projekte. „Schädliche“ Projekte, die nicht den ESG-Kriterien entsprechen, werden künftig echte Probleme bekommen, denen man sich dringend annehmen müssen wird.
Leistbares Wohnen wird ebenfalls ein Hauptthema, das die Zukunft dominiert.
5 2021 war unser erstes volles Jahr als Kollitsch & Soravia, welches mit fünf Neuakquisitionen wirklich gut begonnen hat, dies wollen wir auch 2022 weiter beibehalten. In der Kollitsch Gruppe beschäftigen wir uns sehr stark mit den Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung sowie Innovation – da werden wir 2022 weiterhin großen Fokus darauflegen, vor allem, weil man sonst auch nicht mehr konkurrenzfähig ist. Der Hauptfokus der Kollitsch Gruppe liegt im Bereich Wohnen, was weiterhin unsere Haupt-Asset Klasse bleiben wird. Hier legen wir sehr viel Wert auf hohe Qualität und versuchen, uns breiter bzw. diversifizierter aufzustellen. Die Kollitsch Gruppe gehört in Kärnten zu den attraktivsten Arbeitgebern. Wir beschäftigen uns stark mit integrativen Teams sowie „Führung neu“. Soziales Engagement und gesellschaftliche Verantwortung sind uns wichtig und werden auch 2022 hohes Augenmerk erhalten.
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1 Wir sind sehr optimistisch in das neue Jahre gestartet, was sich auch in unseren Wachstumsplänen für 2022 ausdrückt. So soll unser Portfolio von 5 Milliarden auf rund 6 Milliarden Euro wachsen – vor allem durch Zukäufe und Eigenentwicklungen im Bereich unserer innovativen und flexiblen Büromarke myhive sowie durch den weiteren Ausbau unserer europaweiten Marktführerschaft mit unseren Retail Parks STOP SHOP. Wir setzen bereits seit vielen Jahren auf diese kosteneffiziente und krisenresistente Assetklasse der Retail Parks mit sehr guten Renditen und haben damit das Potenzial frühzeitig erkannt. Insofern sind wir nicht überrascht, dass Retail Parks zuletzt zum Liebling vieler Investoren avanciert sind. Aber auch die Nachfrage nach hochqualitativen, service-orientierten und flexiblen Büroimmobilien wird hoch bleiben.
Dietmar Reindl, Immofinanz
Der Krieg und die daraus resultierenden Sanktionen sind klarerweise ein Risiko für die generelle Wirtschaftsentwicklung und deutliche Revisionen nicht auszuschließen.
2 In sämtlichen Märkten zeigt sich, dass Nachhaltigkeitsthemen bei Investoren, Mietern und in der Öffentlichkeit immer wichtiger werden – und das ist auch gut so. Vor diesem Hintergrund beschäftigen wir uns bereits seit Jahren in unserer Portfoliostrategie mit nachhaltigen Trends. Das zeigt sich auch in ganz konkreten Immobilienprojekten, etwa in der Errichtung nachhaltiger und leistbarer Wohnungen auf unseren Retail Parks und der Erweiterung unserer erfolgreichen Büromarke myhive um ein „Urban Garden“ Konzept. Begrünte Fassaden, TerrassenLandschaften, Gärten und Grün-Oasen in den Büros sorgen für Wohlfühlatmosphäre und ein attraktives Mikroklima für die Mieter. Mit unserer Netto-Null-Emissionsstrategie leisten wir einen weiteren wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel. Bis 2040 werden wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette emissionsfrei sein. Damit setzen wir einen wichtigen Schritt bei der Klimawende und sichern uns Wettbewerbsvorteile am Markt.
Mit Blick auf unser Portfolio haben wir im Jahr 2020 pandemie-bedingte Abwertungen gesehen, vor allem aufgrund leicht gestiegener Marktrenditen im Segment Retail. Dem standen allerdings anhaltend positive Bewertungseffekte im Bürobereich, vor allem in Deutschland, gegenüber. Im zurückliegenden Geschäftsjahr 2021 konnten wir bis zum dritten Quartal einen Gutteil dieser Abwertungen wieder aufholen. Sollte es nicht zu aggressiven neuen Varianten des Virus kommen, erwarte ich keine erheblichen Auswirkungen mehr. Auch im von der Pandemie stärker betroffenen Hotelsegment war zuletzt wieder mehr Bewegung zu sehen.
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3 Ein ESG-Audit von Immobilien ist mittlerweile ein wesentlicher Bestandteil größerer Ankaufsprozesse. Auch wenn die für nachhaltige Immobilien zu erzielenden Prämien nach wie vor noch schwer zu beziffern ist, wird eine glaubwürdige ESG-Politik für Investoren, Mieter und andere Stakeholder zu einem „Go/No Go-Faktor“. Im Rahmen unserer nachhaltigen Portfoliostrategie sehen wir für Objekte mit hohen ESG-Standards mittel- bis langfristig Aufwertungspotenzial. Hinsichtlich Zinsentwicklung stellt man sich nun auch in Europa noch vor Jahresende auf Zinserhöhungen ein. Die IMMOFINANZ ist sowohl für das aktuelle Umfeld, als auch für ein Umfeld mit potenziell steigenden Zinsen optimal aufgestellt. So sind rund 90 Prozent unserer Finanzverbindlichkeiten gegen steigende Zinsen abgesichert. Als großer europäischer Immobilienkonzern mit Investmentgrade-Rating können wir zudem auf sehr attraktive Finanzierungskonditionen zurückgreifen.
4 ESG: Hier sehen wir die Umsetzung unserer Netto-NullEmissionsstrategie und somit auch die Sicherstellung umweltrelevanter und sozialer Kriterien für das gesamte Portfolio als durchaus große Herausforderung, aber gleichzeitig auch als wichtigen Wettbewerbsfaktor und Zukunftschance für die nächsten Jahre. Wirtschaftswachstum und geopolitische Entwicklung: Aktuell sind die Prognosen für das Wirtschaftswachstum der einzelnen Länder in Zentraleuropa für 2022 und 2023 durchaus positiv. Vor dem Hintergrund der sich aktuell abzeichnenden kriegerischen Auseinandersetzungen und möglicher Auswirkungen auf die Gasversorgung für Europa, könnte es aber zu deutlichen Revisionen nach unten kommen. Zinsentwicklung: Eine schnellere Straffung der Geldpolitik hätte Auswirkungen auf Finanzanlagen und Sachwerte bzw. Renditeerwartungen der Investoren. Darüber hinaus sind die Finanzierungskosten für Immobilienunternehmen der wichtigste Kostenfaktor. Hier kommt es dann darauf an, wie solide und robust die einzelnen Unternehmen aufgestellt sind.
5 Wir haben die weitere Umsetzung des wertsteigernden Wachstums unseres Konzerns zum Ziel und kommen gestärkt aus dieser Pandemie heraus. Unser Erfolg basiert auf der klaren Portfoliostrategie mit krisenresistenten Marken und flexiblen und innovativen Angeboten. Unsere robuste Finanzlage mit verlässlichen Cashflows und dem Investment Grade Rating gibt uns Stabilität, Finanzstärke und den Spielraum für zukünftiges nachhaltiges Wachstum.
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Makler: Dank Automation mehr Zeit für Kunden Digitalisierung – ja, eh. Aber was heißt das denn konkret? Wir zeigen am Beispiel der Immobilienvermittlung, wie Automation den Arbeitsalltag erleichtern kann. Die 20 Prozent an eingesparter Zeit können Makler in Akquise und Kundenpflege stecken. Autor: Vanessa Kornfeld
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mmobilienmakler, die ihre betrieblichen Abläufe digital unterstützt gestalten, haben auf mehreren Ebenen einen Effekt: Routinearbeiten laufen strukturierter und damit schneller. Alle Mitarbeitenden wissen, was sie an der jeweiligen Stelle der Prozesskette zu tun haben. Die Fehlerzahl sinkt, es gibt weniger Abstimmungsbedarf. Kurz: Das Unternehmen hat immer eine gleichbleibend hohe Dienstleistungsqualität. Einmal eingeführt, lässt sich der Workflow von den Verantwortlichen kontrollieren und moderieren; Prozessschritte lassen sich zudem gut im Homeoffice abarbeiten. „Viele Anwender unseres Workflow-Tools sagen uns, dass sich mit dem Prozessmanager die Zeit, die sie für das Einarbeiten neuer Mitarbeiter benötigen, halbiert habe“, berichtet Stefan Mantl, Eigentümer und Geschäftsführer von onOffice, einer Maklersoftware, die ein AutomationsTool integriert hat. Dass sich neue Mitarbeiter schnell zurechtfinden, gilt freilich nur, weil die Software wirklich intuitiv zu bedienen ist. Außerdem sparen Makler im Berufsalltag für wiederkehrende Standardarbeiten etwa 20 Prozent ihrer Zeit ein. „Diese können sie in die wichtigen Bereiche Akquise und Kundenpflege stecken“, meint Mantl. onOffice hat seinen Sitz in Aachen in Deutschland, stellt jedoch in Österreich Kundenbetreuung zur
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Schneller und transparenter
tenden, die den Kunden nicht betreuen, am Telefon Auskünfte zu geben. Sie sind mit der Struktur vertraut und mit wenigen Klicks auf dem Laufenden.
Überhaupt herrscht endlich einmal Ordnung in dem ganzen Vermarktungsprozess: In der Prozessbeschreibung der Software werden im Layout der Anwendung alle Arbeitsschritte festgelegt. Außerdem ist die Gesamtzahl der Prozessschritte erkennbar, ebenso wie die Zahl der abgeschlossenen, offenen oder unterbrochenen Abläufe. Zumeist sind mit den Prozessen die Kunden und ihre Objekte verknüpft. Das erleichtert es auch Mitarbei-
Egal, welche Arbeitsprozesse man digitalisieren will, zuerst werden immer die einzelnen Arbeitsschritte definiert, dann visualisiert und danach in der Software hinterlegt. Als Erstes kann man beispielsweise einen Prozess für die Objektaufnahme erstellen. Hierbei sind viele Einzelschritte zu beachten, oft sind mehrere Angestellte involviert. Daher sind die Ergebnisse besonders schnell ersichtlich. Typischerweise müssen bei diesem Prozess Objektunterlagen besorgt, ein Energieausweis erstellt, Objektfotos gemacht, Grundrisse aufbereitet und ein Exposétext geschrieben werden. Zunächst soll das fertiggestellte Angebot vielleicht an vorgemerkte Kunden verschickt und erst dann in Portalen hochgeladen, auf Social-Media-Plattformen gepostet oder auf der Website veröffentlicht werden. Auch dies lässt sich im Prozessmanager darstellen, hinterlegt mit Terminen und Fristen. „Wir versuchen, es den Firmen möglichst einfach zu machen, ihre Prozesse mit unserer Software abzubilden. Es gibt eine Vielzahl an Vorlagen und Grundelementen,
Verfügung. Darüber hinaus ist Mantl selber Wahlwiener.
Auch die im Büro so geschätzten „kurzen Wege“ lassen sich mit so einem „digitalen Arbeitszimmer“ umsetzen: Prozessverantwortliche sehen auf einen Blick, an welcher Stelle die Abläufe möglicherweise haken, und können direkt nachfragen oder eingreifen. Muss an einer bestimmten Stelle ein Teamleiter oder die Firmeninhaberin ihre Zustimmung geben, kann aus dem Prozessmanager heraus automatisch eine E-Mail verschickt werden, die der Adressat mit Ja oder Nein beantworten muss. Die Antwort wird automatisch im Prozess dokumentiert, die nachfolgenden Arbeitsschritte können auf dem jeweiligen Ast der Prozessverzweigung fortgeführt werden.
Erste Schritte
die das Prozessdesign veranschaulichen. Zudem existieren Schulungsvideos, Video-Tutorials, Online-Seminare, Hilfe-Tools und eine Hotline mit versierten Gesprächspartnern, die Standardabläufe und ihre Implementierung erläutern und Maklerfirmen bei den ersten Schritten sowie dem Gebrauch unterstützen“, erklärt MantI. Dennoch komme keine Firma umhin, ihre individuellen Prozesse in der Software zu hinterlegen, weil letztlich jedes Maklerunternehmen andere Abläufe habe.
Die Technik ist so flexibel, dass jederzeit Arbeitsschritte angepasst werden können, etwa Prozessschritte ergänzt, rausgenommen oder unter bestimmten Umständen übersprungen. Denn Arbeitsabläufe ändern sich. Nicht zuletzt sorgt der Gesetzgeber mit Neuregelungen wie der Widerrufsbelehrung, der DSGVO oder etwa mit Änderungen der Provisionen (wann immer nun das Bestellerprinzip kommt oder nicht …) für immer neue Prozessketten in Immobilienunternehmen.
Lernen dank der Anwender
Viele Abläufe können auch automatisch gestartet werden. Das vereinfacht die Arbeit noch mehr. So kann etwa das regelmäßige datenschutzkonforme Nachfassen bei Kaufinteressenten automatisiert abgewickelt werden. Hierzu werden die Interessenten beispielsweise alle drei Monate per E-Mail angeschrieben und gefragt, ob sie weiterhin auf der Suche sind oder sich gegebenenfalls ihre Suchkriterien hinsichtlich der Objektgröße, der Lage oder dem Preis geändert haben. Die Ergebnisse werden automatisch dokumentiert. An Kunden, die nicht direkt antworten, kann nach einigen Tagen eine Erinnerungsmail geschickt werden. Kontakte, die keine Interessenten mehr sind,
Weil sich auch die Arbeitsabläufe immer wieder ändern, ergänzen und verbessern die Hersteller von onOffice permanent das Arbeiten mit dem Prozessmanager. Sie erstellen etwa regelmäßig neue Vorlagen und Prozessmodelle. Es gibt die Möglichkeit, automatisiert Immobilien in die Portale zu übertragen beziehungsweise diese nach einer gewissen Zeit wieder in den Plattformen zu deaktivieren. Nicht wenige Ideen stammen von Anwendern. Viele der über 30.000 Nutzer arbeiten täglich mit dem Tool, da wird mancher Verbesserungsvorschlag oder der Wunsch nach weiteren Anwendungen an die onOffice-Programmierer herangetragen.
werden automatisch gelöscht. So lässt sich die Pflege der Datenbank, in der bei größeren Firmen häufig mehrere hundert Interessenten hinterlegt sind, ohne Zutun des Maklers aktuell halten. Personen, die eine Wohnung oder ein Haus besichtigt haben, kann nach dem Termin automatisch eine E-Mail zugesandt werden, in der sie gefragt werden, ob das Objekt für sie in Frage kommt. Auch zu wiederkehrenden Ereignissen, wie dem Geburtstag von Kunden, lassen sich automatisiert Briefe generieren und verschicken. Für viele solcher Gelegenheiten bietet onOffice Mustervorlagen, sei es für Standardbriefe, EMail-Anschreiben oder Flyer. Diese können mit wenigen Klicks an die Firmenbedürfnisse angepasst werden – mit Absenderdaten und Logo des Unternehmens. Beispiele wie diese zeigen, wie mächtig Tools wie die Automation sind. Sie ist aber auch nur ein, vielleicht sogar ein recht spezieller Teil der Digitalisierung. Fest steht aber: Wer nicht planlos herumwurschteln, sondern seine Vermarktung gezielt und professionell aufstellen will, tut gut daran, seinen Prozess zu durchleuchten und zu hinterfragen, was er digital und was analog machen will.
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Branchen & Services
Circular Economy – Zukunft des Wohn- und Städtebaus Medienpräsenz. Die Weihnachtszeit hat begonnen, ein neues Jahr naht und, damit auch die Zeit für große Rückblicke auf das zu Ende Gehende. Die Brand Intelligence Agentur „Observer “ wirft einen Blick auf die vergangenen Monate und analysiert die mediale Präsenz der Top-Branchenplayer.
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ach mehr als 100 Jahren, in denen eine lineare Wegwerfmentalität gepflegt und durch verschiedene industrielle Errungenschaften perfektioniert wurde, zeigt sich seit einigen Jahren ein Trend in eine umweltfreundlichere Richtung. Was früher aus Sparsamkeit oder dem einfachen Mangel an Möglichkeiten praktiziert wurde, nennt man heute Nachhaltigkeit. Im Angesicht des Klimawandels und der immer stärkeren Verbreitung der Bodenversiegelung in Österreich, welche den natürlichen Wasserkreislauf stört und vor allem in Dauersiedlungsgebieten zu Problemen führt, gab es in den letzten Jahren einen großen Zuwachs an verschiedensten Modellen und technologischen Lösungen, um eine konsequente branchenübergreifende „Circular Economy“ bzw. „Kreislaufwirtschaft des modernen Wohnens“ zu schaffen. Durch Ansätze wie „Cradle to Cradle“ (C2C), wo es um die Weiterverwendung von Ressourcen nach deren primärer Nutzung geht, die Abfallpyramide, mit dem Hauptaugenmerk auf die Müllvermeidung, die ESG-Prinzipien (Environmental, Social, and Corporate Governance), Urban Mining, wo die Stadt als Rohstofflagerstätte angesehen wird, aber auch die Modelle der Circular City und der sogenannten „15 Minuten Stadt“ sollen ein
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großer Kreislauf und ein Zusammenspiel für eine menschenzentrierte, umweltverträgliche und städtische Zukunft geschafften werden. Hierzu analysiert die Brand Intelligence Agentur „OBSERVER“ das Mediengeschehen. Im Beobachtungszeitraum des zweiten Halbjahres 2021 ergaben sich für die oben erwähnten Suchbegriffe, die sich um das große Thema „Kreislaufwirtschaft“ bilden, österreichweit 22.984 Resultate in Online- sowie sozialen Medien. Der Überbegriff „Kreislaufwirtschaft“ ist ein sehr weit gefasster und in sämtlichen Branchen und Lebensbereichen vorhanden. 11,4 Prozent zeigten einen Fokus auf die Immobilienbranche. Diese 2.620 Artikel und Beiträge wurden mit einem Engagement von 2.922 und einer potentiellen Leserschaft von gut 528 Millionen analysiert. Das Sentiment wird aufgrund der Wortwahl festgelegt und zeigt mit 17,79 Prozent positiven, 81,15 Prozent neutralen und nur 1,07 Prozent negativen Berichten insgesamt einen optimistisch aufstrebenden Trend.
Kommunikation über Chancen
Im Detail sind vor allem das Recycling, die ESG-Kriterien und das Thema Kreislaufwirtschaft in Bezug auf die Immobilienbranche
ein zentrales Thema. Diese drei Suchbegriffe nehmen zusammen bereits 91,97 Prozent der Berichterstattung über Kreislaufwirtschaft ein. Die konkreteren Lösungsansätze „Cradle to Cradle“, Urban Mining, die Abfallpyramide sowie die EU-Taxonomie-Verordnung, in der Vorgaben für nachhaltige Investitionen definiert sind, kommen auf 7,63 Prozent der Gesamtberichterstattung. Die beiden innovativen Städtemodelle der „Circular City“ und der „15 Minuten Stadt“, welche den Städtebau neu erfinden und einen sozialen sowie ökologischen Kreislauf bilden sollen, sind noch sehr utopische Modelle, welche aber auch 0,4 Prozent der österreichischen Online-Kommunikation im zweiten Halbjahr 2021 einnehmen.
Kommunikation über Risiken
Der nachhaltigen Innovation gegenüber steht bisweilen das Thema der Bodenversiegelung, welche einen natürlichen ökologischen Wasserkreislauf unterbindet und zum Beispiel im städtischen Bereich vermehrt zu Überschwemmungen führt, da überschüssiges Wasser nicht abfließen kann. Rund um dieses Thema wurden 3.000 Berichte veröffentlicht. Das Sentiment ist mit 13 Prozent negativen Berichten weit kontroverser diskutiert. Daraus ergibt sich für
die Problematik der Bodenversiegelung ein Engagement von 15.651 und eine potentiellen Reichweite von 527 Millionen. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021 wird die Bodenversiegelung in Österreich zu einem zentraleren Thema mit einem Zuwachs von 206,75 Prozent in den letzten sechs Monaten des
vergangenen Jahres. Die Kreislaufwirtschaft mit ihren verschiedenen Modellen und Mechanismen zeigt sich als zentrales Thema des Wohn- und Städtebaus der Zukunft. Ein nachhaltiger und sozialer Kreislauf lässt sich in der Theorie zu einem großen Ganzen verbinden und auf die Realisierung dieser
Lebensweise der Zukunft wird hingearbeitet. Bisweilen gilt es jedoch, bisherige linearwirtschaftliche Praktiken wie die Bodenversiegelung zu reduzieren oder auch betonierte Flächen zu entsiegeln, um auch aus dem Boden wieder einen Teil der Kreislaufwirtschaft machen zu können.
*Die Themenwolke veranschaulicht, welche Begrifflichkeiten in den Artikeln besonders oft Verwendung fanden. Je größer ein Wort, desto häufiger wurde es thematisiert. Die Medienresonanzanalyse über die Branchenkommunikation wird exklusiv von der Brand Intelligence Agentur „OBSERVER“ zur Verfügung gestellt. In die Analyse fließen die Berichterstattungen der Onlinenewspaper, -magazine, Newsseiten, Radio und TV sowie Presseaussendungen in Österreich ein. Der Beobachtungszeitraum umfasst das zweite Halbjahr 2021.
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ImmoFokus.Rubrik
EDITOR´S CHOICE: Lesenswert!
Buchtipps
Handbuch für das Bauen mit Holz und Lehm.
Bauen mit Leichtlehm.
NEU!
Franz Volhard 312 Seiten ISBN: 9783035624021 Birkhäuser Verlag € 49,95
Das Interesse an Lehm als Material ist ungebremst. Leichtlehm, leicht wiegend und auch einfach zu verarbeiten, ist ein vielseitiger und zukunftweisender Baustoff für den modernen computergestützten Holzbau wie für die Erneuerung historischen Lehmfachwerks. Ausgewogene, durch das Mischungsverhältnis steuerbare bauphysikalische Eigenschaften ermöglichen klimagerechtes, ressourcenschonendes Bauen in den verschiedensten Klimazonen. So werden Wärmespeicherung, Feuchte-, Schall- und Brandschutz des üblichen Holzbaus verbessert und die Konstruktionen vereinfacht. Volhards anerkanntes Standardwerk beschreibt detailliert die Herstellungsverfahren, gibt praktische Tipps für den Selbstbau und zeigt die Anwendung von Fertigbaustoffen in zeitgemäßer Bauabwicklung.
108 Seiten ISBN: 9783707345384 Linde Verlag | 2022 € 30,00
Hans Zöchling, Florian Brugger
SWK-Spezial Zinsschranke Der Gesetzgeber hat mit § 12a KStG (Zinsschranke) ein neues Zinsabzugsverbot im österreichischen Körperschaftsteuergesetz geschaffen. Das SWKSpezial bietet Ihnen eine umfassende Kommentierung dieser Bestimmung aus der Sicht der Praxis sowie einen umfassenden Überblick über diese Regelung. Insbesondere werden Themen wie Ermittlung des steuerlichen EBITDA, Anwendung der Zinsschranke in der Unternehmensgruppe und Eigenkapitalquotenvergleich behandelt. Weitere Themen sind die Zinsschranke und Umgründungen, Zinsschranke und Steuerplanung sowie Zinsschranke und Tax Compliance. Die Sichtweise der Finanzverwaltung aus dem aktuellen KörperschaftsteuerrichtlinienWartungserlass ist berücksichtigt und wird eingehend analysiert. Zudem bietet Ihnen das Buch konkrete Unterstützung bei der praktischen Umsetzung dieser neuen Bestimmung – erstmals im Rahmen der Steuerrechnung für 2021 und der Erstellung der Körperschaftsteuererklärung 2021.
226 Seiten ISBN: 9783214021641 Manz Verlag Wien | 2022 € 56,00
Raimund Pittl
Handbuch Wohnungseigentumsrecht Das Wohnungseigentumsrecht ist im Wandel: Die teilweise mit 1. 1. 2022 bzw. mit 1. 7. 2022 in Kraft tretende WEG-Novelle 2022 bringt für den Rechtsanwender umfassende Neuerungen, wie z. B. das Änderungsrecht der Wohnungseigentümer und geänderte Voraussetzungen für das wirksame Zustandekommen von Beschlüssen Das Handbuch Wohnungseigentumsrecht bietet Ihnen einen verlässlichen Überblick über das Wohnungseigentum und seine Entwicklung sowie eine systematische, kompakte und verständliche Darstellung des Wohnungseigentumsrechts, die auch Detailfragen nicht ausspart. Das Werk beinhaltet auch ausführliche Judikatur- und Literaturangaben.
Use Case Management im Hochbau
Digitales Bauen mit BIM Durch BIM erschließen sich neue Möglichkeiten des vernetzen Arbeitens und der Digitalisierung aller Projektinformationen. Doch wie lässt sich die Implementierung von BIM in der Praxis erfolgreich umsetzen? In diesem Werk wird eine Vielzahl von Anwendungsfällen betrachtet: von der Planung über die konkrete Ausführung, den Betrieb bis zum Rückbau des Gebäudes. Das Buch bietet einen Gesamtüberblick zu den Verwendungsmöglichkeiten von BIM und schafft einen praxisorientierten Zugang zum Thema. Zahlreiche Experten aus der Baubranche erörtern die unterschiedlichen BIM-Anwendungen, reflektieren ihre Praxiserfahrungen sowie die unterschiedlichen Methoden und Prinzipien zur Einbindung von BIM. Die Prozesse und die konkreten Einzelschritte sowie die zur Anwendung kommenden Techniken, die in den realen Bauprojekten mit BIM umzusetzen sind, werden anschaulich dargestellt. Die Anwendungsfälle werden zudem jeweils aus juristischer Sicht analysiert und kommentiert. Sie sind somit ein wichtiger Beitrag bei der Implementierung von BIM.
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Amir Abbaspour 204 Seiten ISBN: 9783948742249 bSD Verlag € 59,70
Maritimer Flair Lifestyle pur. Ein exklusives Wohnerlebnis zwischen Himmel und Wasser – mit Ausblick aufs und Zugang zum Wasser – verspricht der Marina Tower seinen künftigen Bewohnern.
Um höchsten Wohnkomfort in dem 41-stöckigen Hochhaus zu gewährleisten, müssen Installations- und Haustechnik besondere Anforderungen erfüllen. BUWOG und IES Immobilien setzen dabei auf hochwertige und verlässlichen Systemlösungen von Geberit - von Sanitär- und Badausstattung über Heizungsleitungen bis zur Dachentwässerung. Die Anforderungen bei dem hohen Gebäude sind speziell und immer wieder braucht es intelligente Systeme und kreative Sonderlösungen. Beispielsweise konnten die Steigstränge wegen des gestaffelten Bauablaufs nicht in einem durchgezogen werden. Auch die Querung der horizontalen Dehnungsfugen mit Regenwasserleitungen wurde zur Herausforderung. Zwei speziell angefertigte Langmuffen sorgen
dafür, dass die horizontal und vertikal auftretenden Kräfte an der Dehnungsfuge vom Rohr kompensiert werden können. Bei Heizung und Sanitär mussten wegen der Höhe gleich vier unterschiedliche Druckstufen auf verschiedenen Etagen eingerichtet werden. „Uns war hier ein kompetenter Partner wichtig, der zuverlässig hohe Qualitätsstandards einhält. Deshalb und aufgrund des guten Preis-
Leistungs-Verhältnisses fiel die Wahl auf Geberit“, so Andreas Holler, Geschäftsführer der Marina Tower Holding. Eine Wahl, die sich auch auszahlt. Über 90 Prozent der Wohnungen sind schon verkauft. „Diesen Vertriebserfolg verdanken wir neben der Lage und Aussicht – unter anderem auch – der hochwertigen Ausstattung der Wohnungen, was ein wichtiger Faktor bei der Kaufentscheidung ist“, pflichtet Marina Tower Co-Geschäftsführer David Hofmann bei.
„Design Meets Function“
„Eine Dusche, die stufenlos zu betreten ist, sollte heute in jedem neu gebauten oder renovierten Bad Standard sein.“ Guido Salentinig, Geschäftsführer der Geberit Vertriebsgesellschaft
Das moderne Bad ist längst zur vielseitigen Wohlfühl-Oase geworden. Speziell beim Privatbad sind sowohl die Ansprüche der Nutzer als auch die Gestaltungsmöglichkeiten überaus vielfältig. Der Trend geht eindeutig zu planen Oberflächen und raffinierten Systemlösungen. Vor der Wand sollte nur mehr das sichtbar sein, was unbedingt benötigt wird. Ob Spülkasten, Siphon oder Befestigungen von Keramiken, Möbeln und Accessoires – alles verschwindet nach Möglichkeit in der Wand. „Mehr Raum im Bad – und sei es noch so klein - schaffen bodenebene Duschen, und nicht nur das: Eine Dusche, die stufenlos zu betreten ist, sollte heute in jedem neu gebauten oder renovierten Bad Standard sein.“, so Guido Salentinig, Geschäftsführer der Geberit Vertriebsgesellschaft. „Für die Nutzer von heute ist es besonders wichtig, dass das Bad großzügig und aufgeräumt wirkt. Hier können Badkonzepte, die den vorhandenen Raum möglichst optimal nutzen, punkten.“
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Fotos: Geberit
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eitgemäße Architektur, erstklassige Ausstattung und viel Service. Insgesamt verteilen sich beim Marina Tower über 500 hochwertig bis luxuriös ausgestattete Wohneinheiten in Größen von 45 bis 305 Quadratmeter auf zwei Wohntürme („Low Rise“ und „High Rise“) – eine Besonderheit sind die sechs PenthouseWohnungen mit exklusiver Ausstattungslinie. Bei einem so hohen Komfortanspruch braucht es nicht zuletzt bei den sanitären Einrichtungen Experten bei der Planung, Umsetzung und bei den Materialien. Die Käufer von heute kennen keine Kompromisse.
IMPRESSUM
ImmoFokus.Rubrik Vorschau
s u k o F o m m I im ie S Lesen 2 2 0 2 / 2 0 e b a g Aus emographie: Bauen
Blick auf die D gWohnen 2030. Mit rung -Crowd-Investin
? Finanzie Deals wir am Bedarf vorbei -Kapital - Off-Market ne ni za ez M l, ita ap C Venture ent - Fuhrparkem ag an M et ss A te ta – PropTech - Real Es istik - Zu Tisch og nl lle te us Ba t en und Gerätemanagem terview mit … mit … - Das große In
Medieneigentümer Real Estate Media Group GmbH Handelskai 94-96 1200 Wien Tel. +43 1 890 18 26-100 office@media-group.immo www.media-group.immo Herausgeber Mag. Michael Neubauer Chefredaktion Mag. Lisa Grüner Grafik Jelio Anton Stefanov Lektorat Dr. Melanie Knünz Michaela Hocek Ingeborg Morawetz, BA Autoren dieser Ausgabe Mag. Patrick Baldia, Mag. Lisa Grüner, Amelie Miller, BA, Mag. Michael Neubauer, Vanessa Kornfeld, Heimo Rollett, Gerhard Fritz sowie die Kommentatoren
MIN: April R E T S G N U IN E H C S R E
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Sales & Relation Rudolf E. Oezelt Relations Management Tanja Klingseis Fotos wenn nicht anders angegeben: Real Estate Media Group/Katharina Schiffl, Michael Hetzmannseder, Richard Tanzer, Gabriel Alarcón - Rizar
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Der IMMOFOKUS wendet sich im Sinne der Gleichstellung gleichermaßen an Frauen und Männer. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit kann es bei den Beiträgen vorkommen, dass nur die maskuline Ansprechform verwendet wird. ImmoFokus ist Mitglied bei:
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