19.09.2021 – 19.06.2022
Tiere und Mischwesen in der Antike
www.antikenmuseumbasel.ch
Gedruckt mit Unterstützung der Berta Hess-Cohn Stiftung. Die Ausstellung wird ermöglicht durch:
Medienpartner:
© Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig, 2021 ISBN 978-3-905057-40-9
Vorwort – Das Tier in uns Zwischen 15’000 und 10’000 v. Chr. wird der prähistorische Mensch als Sammler und Jäger von der neuen Zivilisationsstufe der Bauer und Viehzüchter überrollt. Einige Tiere und Pflanzen können domestiziert werden, die Lebensgrundlage wird demnach erweitert und konsolidiert. Tiere insbesondere sind nicht nur als Nahrungs- und Rohstofflieferanten wichtig, sondern auch in der Landwirtschaft oder im Handel als Arbeitskräfte und Transportmittel unumgänglich. Die Wertschätzung für diese «Leistung» verschafft den Tieren zusätzlich Respekt: Der Fleischverzehr ist nur im beschränkten Rahmen einer religiösen Handlung möglich, das Tier wird «dankbar» geopfert, und vor der Tötung erwartet der Mensch sogar das symbolische «Einverständnis» des Opfers. Dass Tiere über ausserordentliche Fähigkeiten verfügen, ist schon sehr früh aufgefallen und stellt ein Überbleibsel der Zeit der, als wilde Tiere vorwiegend als Bedrohung der menschlichen Gesellschaft wahrgenommen wurden. Kraft, Potenz, Schnelligkeit, Wendigkeit, Angriffslust, Spürsinn, Sensibilität, vielleicht auch die Fähigkeit, künftige Ereignisse zu erahnen, haben die Menschen an der Tierwelt immer fasziniert. Somit bleibt auch in der Zivilisation der Bauern und Viehzüchter die Tierwelt stets zwiespältig. Tiere sind Helfer, jedoch – zusammen mit dem unkontrollierten Wuchern der Natur und der Mächtigkeit der Naturereignisse – stellen sie in der Wildnis einen Raum der Gefahren ohne Regel und ohne Gesetze ausserhalb der Stadt dar. Der Wald und das Gebirge werden zum Gegenpol der von Menschen und für Menschen geschaffenen Welt der Häuser, Strassen und öffentlichen Plätze, die das strukturierte, gemeinsame und politische Leben ermöglichen. Wilde Tiere wie Löwen, Eber, Stiere oder Schlangen bewohnen naturgemäss diese Räume am Rande der Zivilisation und bedrohen sie mit ihrem ungebändigten Wesen. Immer wieder muss ein Mensch mit ausserordentlichen Fähigkeiten – ein Held wie Herakles, Theseus, Perseus oder Ödipus – sie in höchster Not bekämpfen, weil sie die Felder verwüsten, Hirten, Herden oder Reisende überfallen oder gar Menschen fressen. Diese Dynamik kennt eine unheimliche psychologische Entwicklung, die in unserer Ausstellung besonders thematisiert wird. Der Mensch ist stets mit Mischwesen konfrontiert. Diese sind Monster, die sich aus Teilen von unterschiedlichen Tieren zusammenstellen, ihre Kräfte deswegen überhöhen und dadurch für die 2
Menschen besonders gefährlich werden. Das ist jedoch nur ein Teil der Geschichte. Nicht von ungefähr sind die ersten überlieferten Mischwesen Menschen mit Tierteilen: Die Sphinx ist ein Löwenmensch, die Sirene ein Vogel mit Menschenkopf, der Kentaur ein Pferd mit menschlichem Oberkörper, Silen und Satyr sind Menschen mit Eselsohren und Pferdeschwanz. Die Vermutung liegt nahe, in diesen Wesen eine komplexe Projektionsfläche der menschlichen Psyche zu sehen. Der Mensch mutiert ins Monsterhafte, dieser unheimliche Teil von unserem Dasein wird in schrecklichen Wesen verewigt, die unsere Existenz herausfordern und bekämpft werden müssen. Der griechische Mensch ist analytisch und fordernd zugleich, er scheut den eigenen Abgrund nicht und steht sich selbst im Weg. Schon nur deswegen lohnt sich heute noch, diese Ausstellung zu sehen und – einmal mehr – selbst im Fokus zu sein! Ich danke allen Mitarbeitenden des Antikenmuseums – allen voran dem Kurator Laurent Gorgerat und der Gestalterin Trinidad Moreno – für die durchdachte, tiefgründige und emotionsbeladene Umsetzung der Ausstellung, die parallel in drei anderen Basler Museen (das Museum der Kulturen, das Historische Museum und das Pharmaziehistorische Museum) mit jeweils unterschiedlichen Facetten und einem gemeinsamen Begleitprogramm konzipiert wurde. Insbesondere danke ich auch den unzähligen privaten und öffentlichen Leihgebern, die im Impressum aufgeführt sind. Und ganz besonders danke ich allen Geldgebern – privaten Donatoren und Mäzenen sowie den Stiftungen –, ohne die die Ausstellung in keiner Weise hätte finanziert werden können. Die Stiftung «In memoriam Adolf und Margreth Im Hof-Schoch» hat zusätzlich zu einem grosszügigen finanziellen Beitrag auch unzählige Leihgaben der Sammlung Eva Maximiliane Pollak-Im Hof zur Verfügung gestellt, die dem Basler Antikenmuseum auf unbestimmte Zeit anvertraut wurden. Allen diesen Akteuren bin ich zutiefst dankbar, mit dem Kanton Basel-Stadt bilden sie das Fundament unseres Museums. Dr. Andrea Bignasca Direktor Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig
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Inhalt Vorwort ................................................. 2
Mensch und Tier............................. Mensch und Tier. Ein ambivalentes Verhältnis .................... Tiere in der Bildwelt des alten Ägypten ... Die wilde Natur...................................... Tierfriese ............................................ Herrin der Tiere .................................. Löwe .................................................. Die gezähmte Natur ............................... Tieropfer.............................................
Mischwesen .................................... Mischwesen der klassischen Antike ........ Sphinx ................................................ Greif ................................................... Sirene ................................................. Kentauren ........................................... Satyrn und Silene ................................ Gorgo Medusa.................................... Chimaira und Pegasos ......................... Mitten unter uns. Mischwesen in der Popkultur ................. Mischwesen der Gegenwart. Vom gottesfürchtigen Menschen der Antike zum emanzipierten Cyborg der Neuzeit ................................
6 9 14 21 22 25 28 31 34 36 38 43 49 53 60 64 67 72
Mensch vs. Wild ............................. Der ewige Kampf um Zivilisation ........... Herakles und der Nemeische Löwe .... Herakles im Kampf gegen weitere Ungeheuer ............................ Kentauromachien ............................... Theseus gegen den Minotauros ......... Ödipus und die Thebanische Sphinx .... Perseus gegen die Gorgo Medusa .......
90 92 97 100 104 106 110 112
Literatur................................................. 114 Impressum ............................................. 116
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82 ◁ Abb.1 Gefäss in Form eines Löwenkopfes Plastisches Gefäss aus gebranntem Ton, frühes 6. Jh. v. Chr., Ost-Griechenland Inv. BS 312 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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Mensch und Tier
Mensch und Tier. Ein ambivalentes Verhältnis Laurent Gorgerat
«Die Menschen sind in den wichtigsten Dingen Schüler der Tiere geworden: der Spinne im Weben und Stopfen, der Schwalbe im Hausbau und der Singvögel, des Schwans und der Nachtigall im Gesang, und zwar auf dem Wege der Nachahmung.» Demokrit (5. Jh. v. Chr.), nach Plutarch, «De sollertia animalium» 20
◁◁ Abb. 2 vorherige Doppelseite links Gefäss in Form eines Hirsches Plastisches Gefäss aus gebranntem Ton, 1300–700 v. Chr., Nordwest-Iran (Gilan) | Inv. Su 37 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
◁ Abb. 3 Berittene Jäger mit Lakonerhund und Jagdfalken umzingeln einen Rehbock. Trinkgefäss (Kylix) aus gebranntem Ton, frühes 5. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 438 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
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«Man muss annehmen, dass die Pflanzen um der Tiere willen da sind, die übrigen Tiere um der Menschen willen – die zahmen zur Nutzung und Nahrung, die wilden – wenn nicht alle, so doch die meisten – zur Nahrung und anderen nützlichen Diensten, etwa damit aus ihnen Kleider und anderes, wie Werkzeuge, verfertigt werden. Wenn nun die Natur nichts unvollendet und nichts umsonst tut, dann folgt daraus zwingend, dass die Natur dieses alles um der Menschen willen geschaffen hat.» Aristoteles, «Politik» I, 1256b (4. Jh. v. Chr.)
Seit jeher definiert sich der Mensch in Bezug auf die Tierwelt, sucht nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden, versucht seine Stellung gegenüber Tieren zu deuten und zu erklären. Das Verhältnis von Mensch und Tier ist in erster Linie durch Ambivalenz gekennzeichnet. Die eingangs zitierten Denker, Demokrit und Aristoteles, illustrieren zwei Pole, die in der griechisch-römischen Antike immer wieder angeführt und debattiert wurden. Auf der einen Seite galten Tiere aufgrund ihrer charakteristischen Fähigkeiten als die vollkommeneren, dem Menschen überlegenen Wesen, die es nachzuahmen galt. Die Gründe für die eher «tierfreundliche› Position beruhten auf verschiedenen philosophischen Ansätzen, wonach grundsätzlich Menschen und Tiere Lebewesen mit – allenfalls graduellen – Unterschieden seien. Dieser Ansatz wurde vor allem in der frühen Phase der griechischen Philosophie, zur Zeit der sogenannten Vorsokratiker, vertreten. Auf der anderen Seite gab es eine Strömung, die von der Dominanz des Menschen gegenüber dem Tier ausging (Abb. 4). Grundlegend für diese anthropozentrische Haltung war beispielsweise Aristoteles, der mit seiner empirischen Ordnung der Tierwelt die Basis der modernen Zoologie schuf. Er definierte die Natur als eine hierarchische Struktur, in der Wesen 10
Abb. 4 ▷ Der «Herr der Tiere» bezwingt zwei Raubkatzen. Eine Metapher für die Beherrschung der Tierwelt durch den Menschen? Standartenaufsatz aus Bronze, 9.–8. Jh. v. Chr., Luristan (Iran) | Inv. Su 17 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
mit geringerer Urteilsfähigkeit jenen mit grösserer Urteilsfähigkeit zu deren Nutzen unterlegen waren. Das Tier sollte also mangels Vernunft dem Menschen dienen und ihm auf jeden Fall untergeordnet sein. Während Aristoteles die Vormachtstellung des «vernünftigen» Menschen gegenüber den «vernunftlosen» Tieren begründete, vertrat die Philosophenschule der sogenannten Kyniker eine geradezu gegensätzliche Ansicht. Als Begründer des Kynismus galten der Athener Antisthenes und sein Schüler Diogenes von Sinope (Abb. 5). Sie erachteten die menschliche Vernunft und Kultur als Hindernis für ein naturgemässes und erfülltes Leben. Sie forderten, es solle ein nahezu besitzloses Leben geführt werden – analog zu den Tieren –, um so die Glückseligkeit durch grösstmögliche Unabhängigkeit erreichen zu können. Die Kyniker pflegten daher ein auf die natürlichen Bedürfnisse ausgerichtetes Leben, was ihnen den Spott des Volkes und der anderen philosophischen Schulen eintrug, die sie als «Hunde» bezeichneten. Etymologisch stammt die Bezeichnung «Kyniker» vom griechischen Wort für Hund, kyon, ab. Die Bezeichnung der Kyniker als Hunde berief sich aber nicht nur auf ihre Lebensweise, sondern auch auf ihre teils aggressive, spöttische Art, mit ihren Mitmenschen umzugehen. Der Hund galt ihnen also sowohl als Vorbild in seiner auf die grundlegendsten Bedürfnisse ausgerichteten Lebensweise als auch durch sein bissiges Verhalten, das in zahlreichen Anekdoten überliefert ist. Diese Ambivalenz zwischen der Übermacht der Tiere und der Ausbeutung durch den Menschen lässt sich anhand antiker Bildwerke, wie sie in der Ausstellung des Antikenmuseums gezeigt werden, exemplarisch nachzeichnen. Seit der Mensch seine Umwelt in Bildern festzuhalten versucht, sind Tierdarstellungen präsent. Zeugnis davon legen die berühmten Felsmalereien der Höhlen von Chauvet und Lascaux in Frankreich oder von Altamira in Spanien ab. Diese frühen Darstellungen zeigen eine üppige Fauna und den Menschen – wenn überhaupt – nicht etwa als dominierend, sondern als Teil dieser Tierwelt. In der Antike galten Tiere als Synonyme für Lebensgrundlage und zugleich als Metapher für Gefahr. Als Nahrungs- und Rohstofflieferanten wurden sie zuerst gejagt und später auch gezüchtet. Eine in erster Linie auf Landwirtschaft basierende Lebensweise war ohne Tiere für Fleisch, 12
△ Abb. 5 Jean-Léon Gérôme, «Diogène» (1860) Der Philosoph Diogenes in seiner bescheidenen Behausung, umgeben von Hunden © The Walters Art Museum, Baltimore, Inv. 37.131
Milch und Wolle oder als Arbeitskräfte und Transportmittel unvorstellbar. Gleichzeitig aber bildete die Tierwelt eine Gefahrenquelle, vor der sich der Mensch schützen musste und die er oft in der Sphäre des Göttlichen ansiedelte, um sie dadurch erklärbar zu machen. Wilde, unbekannte Tiere und Wesen galten als Merkmal eines fremden und potenziell gefährlichen Naturraums, in welchem der Mensch seinen Platz suchen musste. Die geistige Auseinandersetzung mit den Tieren, den bei ihnen beobachteten oder angenommenen Charaktereigenschaften, ihrer Macht und ihrer Kraft gipfelte schliesslich in der Schaffung hybrider Kreaturen, die die Bildwelt der Antike entscheidend prägen sollten.
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Tiere in der Bildwelt des alten Ägypten Laurent Gorgerat
«Alle in Ägypten lebenden Tiere gelten bei ihnen als heilig, Haustiere so gut wie wilde.» Herodot, «Historien» 2, 65 (um 450 v. Chr.)
Innerhalb der Kulturen des Altertums nimmt das alte Ägypten in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mensch und Tier einen besonderen Stellenwert ein. Auch wenn das Zitat des griechischen Geschichtsschreibers Herodot nicht die letzte Wahrheit widerspiegelt, so zeugt es doch von der hohen Wertschätzung Tieren gegenüber, die die Ägypter bei ausländischen Besuchern hinterliessen. Diese auf den ersten Blick eher positive Feststellung sollte aber rasch in eine klischeehafte Beurteilung münden. Seit den klassischen Autoren der Antike galt die pharaonische Kultur Ägyptens aufgrund der zahlreichen Tierdarstellungen und -mumien in der westlichen Wahrnehmung als eine auf Zoolatrie beruhende Geisteswelt. Erst mit der Entzifferung der Hieroglyphen im frühen 19. Jahrhundert, die das Lesen der altägyptischen Texte ermöglichte, mit dem Ausklingen der «Aegyptomania»› und der damit einhergehenden Geburt der modernen Ägyptologie wurden die Grundlagen für das Erfassen und Verstehen der vielfältigen Tierwelt und ihrer Bedeutung gelegt. Auch wenn die Erklärungen für die Vorliebe von Tierdarstellungen im alten Ägypten vielschichtiger sind, als dies auf den ersten Blick erscheinen mag, so bleibt es eine Tatsache, dass sie sehr prominent sind: Auch heute noch bestechen die altägyptischen Tierdarstellungen auf Reliefs und Papyri oder in Form von Hieroglyphen, Statuetten oder Amuletten durch ihre Vielfalt, die Qualität ihrer Ausführung und den hohen Grad an Detailreichtum. 14
Abb. 6 ▷ Ein typischer Vertreter der altägyptischen Fauna ist das Nilpferd, das sowohl gejagt als auch verehrt wurde. Statuette aus gebranntem Ton, spätes 4. Jt. v. Chr., Ägypten | Inv. BSAe 1053 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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Die Omnipräsenz von Tieren in der ägyptischen Kunst und Kultur mag zunächst vordergründig in der Tatsache begründet sein, dass die Fauna Ägyptens damals sehr vielfältig war. Aufgrund der Topografie des Niltals war ein Zusammenleben von Menschen und Tieren auf verhältnismässig engem Raum per se gegeben. Gekoppelt mit der offensichtlich aussergewöhnlichen Beobachtungsgabe der Menschen und ihrem Bestreben, ihre Welt und Umwelt zu erklären und zu verstehen, führte diese Tatsache zum hohen Bedeutungsgrad der Tierwelt im kollektiven Bewusstsein und in den religiösen Vorstellungen der altägyptischen Gesellschaft. Tierische Metaphern boten ideale Erklärungsformen, um mysteriöse, unsichtbare oder gar göttliche Phänomene zu deuten. Es wäre indes sicherlich falsch, in jedem Tier eine Gottheit zu sehen, wie dies Herodot in dem Zitat tut. Grundlegend für das Verständnis der Tiere im alten Ägypten war zunächst die Annahme, dass Mensch und Tier aus dem umfassenden Wirken des Schöpfergottes entstanden sind, also von Anfang an in gewissem Sinne gleichgestellt waren. Im Gegensatz zu anderen antiken Kulturen verstanden die Ägypter ihr Verhältnis zum Tier nicht als Herrschaft, sondern als Partnerschaft. Das ambivalente Verhältnis, das Ägypter realiter zur Tierwelt pflegten, lässt sich exemplarisch mit dem Flusspferd (Hippopotamus amphibius) darlegen, das bereits in prähistorischer Zeit (4. Jt. v. Chr.) in der Gestalt von kleinen Tonfiguren (Abb. 6), Amuletten (Abb. 7) oder plastischen Gefässen dargestellt wurde. Das Bevölkerungswachstum, das mit der Sesshaftwerdung der Menschen im Niltal des 5. und 4. Jahrtausends v. Chr. einherging und durch das Aufkommen von Viehwirtschaft und Ackerbau ermöglicht wurde, führte zu einer Verkleinerung des Lebensraums für die Flusspferde und de facto zu einer Konkurrenzsituation zwischen Mensch und Tier. Flusspferde wurden bei ihrer nächtlichen Futtersuche zu einem gefürchteten Ernteschädling. Darüber hinaus stellten die angriffswilligen Tiere eine ernsthafte Bedrohung für Bauern und Schiffer dar. Flusspferde gelten auch heute noch zu den gefährlichsten Tiere Afrikas; jährlich werden mehr tödliche Angriffe auf Menschen durch Flusspferde als beispielsweise durch Löwen verzeichnet. Ihre Gefährlichkeit, Gefrässigkeit und zerstörerische Kraft führten zu einer negativen Konnotation, die auch in den ägyptischen religiösen Vorstellungen ihren Niederschlag fand. So ver16
△ Abb. 7
Amulett in Form eines Flusspferdes Kalzit-Alabaster, spätes 3. Jt. v. Chr., Ägypten Inv. BSAe 1004 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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körpert das Flusspferd beispielsweise an den Wänden des Tempels von Edfu den Götterfeind Seth, der vom Königsgott Horus gejagt und harpuniert wird. Auch dämonische Torwächter oder Ammit, die «Fresserin», die beim Jenseitsgericht als Verkörperung der Strafe die fehlbaren Verstorbenen verschlang, konnten die Züge eines Flusspferds annehmen. Parallel zu dieser Verfemung wurden dem Flusspferd auch positive Aspekte beigemessen. So galt dieses Tier seit der Vorgeschichte als wichtiger Rohstofflieferant. In erster Linie wurde es seines Fleisches wegen gejagt, aber auch das Fett, der Balg und vor allem die Zähne, aus denen unter anderem magische Messer oder Klappern geschnitzt wurden, fanden Verwendung. Ferner wurde das Flusspferd als Bewohner der lebensspendenden Nillandschaft Fruchtbarkeit- und Regenerationssymbol. Das trächtige Flusspferdweibchen und dessen Fürsorglichkeit für seine Jungtiere mag überdies dazu beigetragen haben, dass der Göttin Thoëris, deren Erscheinungsform ein Mischwesen aus Flusspferdkörper, Löwentatzen und Krokodilsrücken darstellt, der Schutz der schwangeren oder stillenden Mütter oblag. Die Himmelsgöttinnen Nut, Isis und Hathor konnten im Sinne des Fruchtbarkeitsaspekts ebenfalls als flusspferdköpfige Göttinnen in Erscheinung treten.
◁ Abb. 8 Kennzeichnend für das alte Ägypten ist die Darstellung von Gottheiten mit menschlichem Körper und Tierhaupt. Der Mondgott Thot, Götterbote und Erfinder der Schreibkunst, präsentiert sich unter anderem als Mensch mit Ibiskopf. Statuette aus stuckiertem Holz, 7.–6. Jh. v. Chr., Ägypten Inv. BSAe 1094 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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Auch wenn nach altägyptischer Vorstellung jedes Tier (ebenso wie der Mensch) vom Schöpfergott geschaffen wurde, ist sicherlich nicht jedes Tier gleichermassen als Darstellung einer bestimmten Gottheit zu verstehen. Nichtsdestotrotz wurden seit vorgeschichtlichen Zeiten göttliche Mächte mit Tieren assoziiert, deren Fähigkeiten jene des Menschen überstiegen. So lag es nahe, dass für die frühesten Götterdarstellungen Ägyptens reine Tiergestalten Verwendung fanden. Im Verlaufe dieser Entwicklung durchliefen die tiergestaltigen Mächte der Vorgeschichte einen Prozess der Vermenschlichung, indem sie menschliche Körperteile erhielten. Eine ganz entscheidende und für das alte Ägypten charakteristische Entwicklung setzte in der Frühzeit, also seit etwa 3000 v. Chr., ein: die Verschmelzung von Menschenleib und Tierkopf. Obschon sich diese theriomorphe Darstellungsform durchsetzen und zur typischen Erscheinungsform altägyptischer Gottheiten entwickeln sollte (mit vereinzelten Ausnahmen, wie die Götter Ptah und Min, die anthropomorph dargestellt wurden), verdrängte sie die rein tierische Gestalt von Göttern nie, sondern ergänzte sie. So konnte beispielsweise der Mondgott Thot – Gott der Weisheit, der Magie und der Schreibkunst – entweder in der Gestalt eines Pavians, eines Ibis oder menschengestaltig mit Ibiskopf in Erscheinung treten (Abb. 8). Die Tatsache, dass keine dieser verschiedenen Gestalten sich endgültig durchzusetzen vermochte, mag als Hinweis dafür gedeutet werden, dass sie die unterschiedlichen Charaktereigenschaften der jeweiligen Gottheit abbildeten, die je nach Bedarf Verwendung fanden. Es wurde also keine kanonische, allgemein gültige Götterdarstellung angestrebt, sondern eine Form, die der Vielfalt und Komplexität der Gottheit gerecht wurde. Auf diese Weise liessen sich komplexe theologische Vorstellungen zum Ausdruck bringen. Die Tiere, die dabei entweder als Ganzes oder als pars pro toto zum Einsatz kamen, liessen sich aber nicht auf einen einfachen Symbolwert reduzieren, sondern verkörperten vielmehr eine vielschichtige Bedeutungswelt. Im Unterschied zur klassischen Antike, in der Mischgestalten einerseits keine Gottheiten darstellten und andererseits in erster Linie das Bedrohliche symbolisierten, erschienen die mischgestaltigen Götter Ägyptens stets in erhabener Schönheit. Selbst Dämonen wie Thoëris, Bes oder die «Fresserin» wurden derart stilisiert und gebändigt dargestellt, dass sie nicht mehr abstossend wirkten.
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Die wilde Natur Laurent Gorgerat
«Dieser östliche Teil Libyens ist sehr gebirgig, waldreich und hat viele grosse, wilde Tiere. Dort gibt es Riesenschlangen, Löwen, Elefanten, Bären, Giftschlangen, Esel mit Hörnern, Leute mit Hundsköpfen und Menschen ohne Kopf mit den Augen auf der Brust, ferner wilde Männer und Frauen und dazu zahlreiche Tiere, die nicht Fabelwesen sind.» Herodot, «Historien» 4, 192 (um 450 v. Chr.)
In allen antiken Kulturen sah sich der Mensch als Teil seiner Umwelt. Wo ist sein Platz und wie ist sein Verhältnis zu anderen Lebewesen? Diese Fragen scheinen besonders die Menschen Griechenlands im frühen 1. Jahrtausend v. Chr. beschäftigt zu haben. Es war gerade die Zeit, in der – nach einem längeren Unterbruch – wieder aus vereinzelten Streusiedlungen eine städtische Kultur entstand. Städte bildeten für ihre Bewohner einen geschützten Lebensraum, und das nahe Umland mit den bebauten Feldern lieferte die nötigen Ressourcen. Als Gegenpol dieser vom Menschen dominierten Welt stand die wilde Natur, die mit gefährlichen Tieren eine besondere Bedrohung darstellte. Raubkatzen, Bären und Wildschweine konnten nicht nur eine direkte, konkrete Gefahr für die Menschen sein, sondern durch die Verwüstung der Äcker auch deren Lebensgrundlage vernichten. Die Darstellung wilder Tiere diente in erster Linie dazu, die Natur als gefährliche Zone zu definieren, gegen die sich die Menschen abgrenzen und schützen mussten. Somit wurde auch die existenzielle Notwendigkeit aufgezeigt, in einem städtischen Rahmen zu leben.
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Tierfriese Charakteristisch für die Darstellung einer wilden, gefährlichen Natur ist die frühe Vasenmalerei der Stadt Korinth (Abb. 9). Im 7. und frühen 6. Jahrhundert v. Chr. war die Stadt führend in der Herstellung und im Export bemalter Tongefässe. Häufigstes Motiv sind sogenannte Tierfriese, auf denen Raubkatzen wie Löwen und Panther, Wildziegen, Steinböcke und Vögel erscheinen (Abb. 10). Auffallend dabei ist, dass es sich ausschliesslich um Wild- und nicht um Nutztiere handelt. Die aneinandergereihten Tiere haben zwar keinen narrativen Kontext – sie erzählen keine eigentliche Geschichte –, sind aber deshalb nicht einfach als inhaltlose Verzierung zu verstehen. Sie zeigen vielmehr, wie sich die Vasenmaler und ihre Auftraggeber eine wilde Natur fernab der Zivilisation vorstellten. Eingereiht in diese exotische Natur erscheinen vereinzelt oder in Paaren auch Mischwesen, wie der Löwenmensch (Sphinx) oder der Vogelmensch (Sirene). Es wird jedoch kein bestimmter Mythos erzählt, in dem Mischwesen eine Rolle bekleiden, sondern einfach eine fremde Welt gezeigt, in der neben Wildtieren eben auch Mischwesen hausen können. Diese sind also in der Vorstellungswelt der Griechen nicht bloss Fantasiewesen, sondern wurden als plausibel angesehen und in eine fremde Natur eingebettet. Es ist kein Zufall, dass diese Bilder gerade auch in einer Zeit entstanden, in der die Griechen ihre Welt durch Erkundungs- und Handelsfahrten zu erweitern suchten und dabei in ihnen unbekannte Regionen vorstiessen.
Abb. 9 ▷ Tierfries mit Stier, Vogel, Panthern und Wildziege Kanne (Oinochoe) aus gebranntem Ton, mittleres 7. Jh. v. Chr., Korinth | Inv. Lu 11 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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△ Abb. 10
Tierfries mit Löwe, Panthern, Wildziegen und Vogel Weinmischgefäss (Krater) aus gebranntem Ton, frühes 6. Jh. v. Chr., Korinth Inv. BS 444 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
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Herrin der Tiere «Doch ihn tadelte sehr die Schwester, die Herrin der Tiere, Artemis, sie, die Jagende, Wilde, mit höhnenden Worten.» Homer, «Ilias» 21, 470–471 (spätes 8. Jh. v. Chr.)
Als «Herrin der Tiere» (griechisch: Pótnia Therón) bezeichnet man eine weibliche Gestalt, die mit ausgestreckten Armen zwei Wildtiere oder Mischwesen bändigt (Abb. 11, 12). Ein männliches Pendant ist zwar belegt, kommt in der Ikonografie aber deutlich seltener vor. Das Motiv der tierbändigenden Figur geht zweifelsohne auf altorientalische Vorbilder des 4. Jahrtausends v. Chr. zurück. Im Verlaufe des 2. Jahrtausends v. Chr. entwickelte es sich im ägäischen Raum zu einem der beliebtesten Bildtypen der ausgehenden Bronzezeit, hauptsächlich in Form von Siegelbildern. Die Bezeichnung «Herrin der Tiere» geht auf Homer zurück, der damit die Göttin Artemis umschreibt. Da ausser dem homerischen Zitat weitere schriftliche Belege jedoch fehlen, sind wir ausschliesslich auf die Bildanalyse angewiesen.
◁ Abb. 11
Geflügelte Herrin der Tiere (griechisch Pótnia Therón) Weingefäss (Amphora) aus gebranntem Ton, mittleres 6. Jh. v. Chr., Athen Inv. BS 497 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Obwohl Homer die Bezeichnung «Herrin der Tiere» mit Artemis gleichsetzt, dürfte es sich eher um ein Bildkonzept gehandelt haben, das weniger eine konkrete Gottheit bezeichnete, als vielmehr ein allgemeines Schema, das für die Darstellung verschiedener Gottheiten Verwendung fand. Sie galt daher nicht nur als Beschützerin der Natur, sondern auch als eine Naturgottheit, die möglicherweise die Beherrschung der Tiere und somit der Natur durch den Menschen symbolisieren sollte. Die Figur erlebte ihre eigentliche Blüte im frühen 1. Jahrtausend v. Chr. In verschiedenen Abwandlungen migrierte das Motiv vom Vorderen Orient (Abb. 13) über Ägypten, Griechenland, Italien bis nach Mittel- und Nordwesteuropa.
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△ Abb. 12 Geflügelte Herrin der Tiere (griechisch Pótnia Therón) Weingefäss (Amphora) aus gebranntem Ton, mittleres 6. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 497 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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Abb. 13 ▷ Flügelgenius und Herr der Tiere Pferdestirnplatte aus Bronze, 8.–7. Jh. v. Chr., Van-See (Urartu) Leihgabe Dr. Barbara L. Begelsbacher © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
Löwe «Das thrakische Bergland diesseits des Flusses Nestos, der durch das Gebiet von Abdera fliesst, hat unter anderen Tieren auch Löwen, die auch einst das Heer des Xerxes anfielen und die provianttragenden Kamele rissen.» Pausanias, «Beschreibung Griechenlands» 6, 5, 4 (2. Jh. n. Chr.)
«Achilleus denkt wie der Löwe nur Wildes, der, gereizt von gewaltiger Kraft und trotziger Kühnheit, in die Herden der Sterblichen eindringt, um sich ein Mahl zu erbeuten.» Homer, «Ilias» 24, 41–43 (spätes 8. Jh. v. Chr.)
Im Altertum war der Löwe in Nordafrika, Äthiopien, Kleinasien, im Nahen Osten, Arabien und Persien verbreitet. In Griechenland kam er bis in die Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. noch in den nördlichen Gegenden vor. In der antiken Bildwelt verkörperte wohl kein anderes Tier die unberechenbare Bedrohlichkeit der Wildnis stärker als der Löwe. Kulturübergreifend standen Löwen als Sinnbild für die unbändige Kraft und die Gefährlichkeit der Natur (Abb. 14, 15, 16). Dies mag ganz vordergründig auf der Tatsache beruhen, dass sie aufgrund ihrer Raubtiernatur allen anderen Tieren überlegen waren und auch für den Menschen eine reale Gefahr darstellen konnten. Konnte das Raubtier allerdings von herausragenden Persönlichkeiten wie Helden oder Königen besiegt werden, so diente der Löwe als Metapher für deren aussergewöhnliche Fähigkeiten. Sowohl in Ägypten als auch in Mesopotamien wurde die Macht des Löwen daher in erster Linie mit der Stärke des Herrschers verbunden, der als Einziger den Löwen bändigen konnte. Auch in Griechenland, Etrurien und Rom war der Löwe eine Metapher für Gefahr, aber auch für Kraft, Tapferkeit und Mut. Aufgrund dieser aussergewöhnlichen Fähigkeiten wurde seinem Bild oft eine übelabwehrende Funktion beigemessen.
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Abb. 14 ▷ Die Schale entspringt dem Rachen eines Löwen. Schale aus Steatit, 8. Jh. v. Chr., Syrien Leihgabe Bloch, Bern © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Die gezähmte Natur Laurent Gorgerat Mit der Domestikation – der zielgerichteten Umwandlung einzelner Wildtierarten in Haustiere – gelang es dem Menschen ein Stück weit, die wilde Natur zu bändigen und für seine Zwecke nutzbar zu machen. Dieser komplexe Prozess fand in der Jungsteinzeit (Neolithikum) um ca. 10’000 v. Chr. im Gebiet des «Fruchtbaren Halbmondes› zwischen der syrischen Wüste und Mesopotamien statt. Er wurde von denselben Populationen betrieben, die auch die ersten Kulturpflanzen anbauten. Diese beiden Errungenschaften stellten einen entscheidenden Schritt in der Menschheitsgeschichte dar, da mit ihnen erstmals eine produzierende Wirtschaft entstehen konnte, die Sesshaftigkeit und Vorratshaltung ermöglichte. Man bezeichnet diesen epochalen Wechsel daher auch als Neolithische Revolution. Der Mensch war fortan nicht mehr lediglich Teil der Natur und ihr gänzlich ausgeliefert, sondern nahm mehr und mehr einen dominierenden Part ein.
◁ Abb. 15 Das Axtblatt entspringt dem Rachen eines Löwen. Vier Eberköpfe zieren die Tülle. Prunktaxt aus Bronze, spätes 2. Jt. v. Chr., Luristan (Iran) Inv. Su 21 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
Domestizierte Tiere wie Schafe, Rinder und Schweine dienten in den antiken Kulturen in erster Linie als Nahrungsund Rohstofflieferanten. Tierische Erzeugnisse wie Fleisch, Milch, Wolle, Bälge und Sehnen gehörten neben pflanzlichen Produkten zur Grundversorgung. Für die meisten Menschen bestand jedoch nur ein kleiner Teil ihrer Nahrung aus Fleisch. Rinder wurden hauptsächlich als Pflug- und Transporttiere verwendet (Abb. 17). In der bildenden Kunst lässt sich, was die Darstellungen domestizierter Tiere betrifft, ein deutlicher Unterschied zwischen dem alten Orient und der griechischen Welt ausmachen. In der altorientalischen Kunst lag der Fokus in erster Linie auf Darstellungen domestizierter Tiere, wohl um deren für den Menschen existenzieller Bedeutung gerecht zu werden. Selbst wenn wilde Tiere, allen voran der Löwe, dargestellt wurden, dann meist unter dem Aspekt der Bedrohung von Herdentieren. In der griechischen Kunst dominierten hingegen Bilder wilder, gefährlicher 31
Tiere und Darstellungen der gezähmten Tierwelt waren im Vergleich weniger oft vertreten. Ähnlich wie in der Kunst des alten Orients, in der wilde Tiere die Bedeutung domestizierter Tiere unterstreichen sollten, wurden Letztere in der griechischen Kunst als Gegenspieler wilder Tiere herangezogen, um deren Gefährlichkeit zu betonen.
◁ Abb. 16 Stehender Löwe Salbölgefäss (Aryballos) aus gebranntem Ton, spätes 7. Jh. v. Chr., Korinth | Inv. Lu 12 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
▽ Abb. 17 Ochsengespann mit Wagen Statuette aus Bronze, 3. Jt. v. Chr., Nord-Syrien |Inv. AME 06 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
Tieropfer «Und nachdem sie gefleht und heilige Gerste geschüttet, beugten zuerst sie die Nacken und schlachteten, zogen das Fell ab, schnitten die Lenden heraus, umhüllten sie dann mit des Fettes doppelter Schicht und legten darauf noch Stücke der Glieder. Das verbrannte der Greis auf Scheitern und sprengte darüber funkelnden Wein, und Jünglinge neben ihm hielten die Gabeln. Als sie die Lenden verbrannt und die Eingeweide gekostet, schnitten sie auch das übrige klein und steckten’s an Spiesse, brieten es vorsichtig dann und zogen alles herunter. Aber nachdem sie das Werk vollbracht und das Mahl sich gerüstet, schmausten sie; jeder labte das Herz am gebührenden Mahle.» Homer, «Ilias» 1, 458–468 (spätes 8. Jh. v. Chr.)
Im antiken Griechenland galt das Opfern von Tieren als höchste rituelle Handlung der Gemeinschaft (Abb. 18). Hesiod und Homer geben uns detaillierte Beschreibungen der kodierten Abläufe. Das häufigste Tieropfer galt den olympischen Göttern und wurde als Speiseopfer vollzogen. Dabei versammelte sich die Gemeinschaft zunächst um den Altar, der sich vor dem eigentlichen Tempel befand (im Gegensatz zur Kirche, wo der Altar im Innern des Gebäudes steht). Das mit Kränzen geschmückte Opfertier (meist Rind, Schaf oder Ziege) wurde in einer feierlichen Prozession zum Altar geführt und dort mit Wasser besprengt. Das damit bewirkte Nicken des Tieres wurde als Zustimmung gewertet. Die eigentliche Tötung des Opfertiers erfolgte mit der Öffnung der Halsschlagader. Das Blut sollte dabei über den Altar fliessen. Begleitet wurde die Tötung vom grellen Schrei der anwesenden Frauen. Entscheidend für das Verständnis dieses Rituals ist die Tatsache, dass es sich primär um eine rituelle Schlachtung handelte. Durch das Einbinden der Götter wurden der Tötungsakt und der darauffolgende Fleischverzehr legitimiert.
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▽ Abb. 18
Opferdiener bringen einen Ziegenbock zum Altar. Weinmischgefäss aus gebranntem Ton, mittleres 4. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 1438 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Mischwesen
Mischwesen der klassischen Antike. Vom «wilden Tier» zum mythologischen Protagonisten Laurent Gorgerat
«Die Chimaira hatte nämlich das Vorderteil eines Löwen und den Schwanz eines Drachen und den dritten, mittleren Kopf einer Ziege, durch den es Feuer hervorblies. Einerseits machte es das Land zuschanden, andererseits vernichtete es das Weidevieh, denn die eine Natur hatte die Macht von drei Tieren.» Apollodor, «Bibliothek» 2, 31 (2. Jh. v. Chr.)
◁ Abb. 19 vorherige Doppelseite Tierfries mit Sphingen, Vogel, Raubkatzen und Ziegenbock Kanne (Oinochoe) aus gebranntem Ton, mittleres 7. Jh. v. Chr., Korinth | Inv. Lu 11 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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Monster, Ungeheuer, Misch- oder Fabelwesen beflügeln seit jeher die menschliche Fantasie. Auch heute zählen zu den grossen Blockbustern der Filmindustrie Geschichten, deren Protagonisten gegen allerlei Unwesen aus prähistorischer Zeit, der Zukunft, dem Weltall oder den Tiefen des Meeres zu bestehen haben. Im Gegensatz zu Ägypten, wo Gottheiten sehr oft, aber nicht ausschliesslich in der Mischgestalt von Tier und Mensch in Erscheinung traten, stellten die Griechen und Römer ihre Götter mit rein menschlichen Zügen dar. Nichtsdestotrotz bevölkerten zahlreiche Mischgestalten die Bild- und Vorstellungswelt der klassischen Antike. Diese hybriden Wesen zeigen die verschiedensten Kompositionen, allen voran das Zusammenfügen einzelner Tierkörper. Auch die Kombination von tierischen Elementen mit Menschenkörpern fand Verbreitung (Abb. 20). Dabei scheinen – analog zu Ägypten – in erster Linie die Charaktereigenschaften, die man einem Tier zuschrieb, sein Wesen oder seine dem Menschen überlegenen Fähigkeiten die Wahl der Motive bestimmt zu haben. Mischwesen der griechischen Kunst erlebten zwischen dem 8. und 6. Jahrhundert v. Chr. eine Blütezeit. Obschon sie zu dieser Epoche auch als Einzelwesen in Erscheinung treten konnten, tauchen sie hauptsächlich in den Tierfriesen der damals dominierenden Vasenmalerei Korinths auf. Die hybriden Kreaturen dieser Frühzeit waren noch keiner Normierung unterworfen, sodass zahlreiche Kombinationen der Darstellungen möglich waren. Auch wurden die Mischwesen innerhalb der Tierfriese des 7. Jahrhunderts v. Chr. noch nicht in einen spezifischen narrativen Kontext eingebunden. Wir stehen also nicht vor der Darstellung einer bestimmten mythologischen Szene, wenn wir in einem Tierfries einer Sphinx oder einer Sirene begegnen (Abb. 19). Das soll aber nicht heissen, dass diese Tierfriese, ob mit oder ohne Mischwesen, eine rein ornamentale Funktion bekleideten. Das Bild, das diese Tierfriese wiedergaben, galt vielmehr als Illustration einer zwar exotischen, aber durchweg als real anzunehmenden Tierwelt. L. Winkler-Horaček spricht dabei von einer «fiktionalen Wirklichkeit», also einer Welt, die aufgrund der Präsenz von realen Tieren der heimischen Natur, erweitert um exotische Tiere und fantastische Wesen, als durchaus plausibel gelten durfte (Abb. 21). Die Frage, ob Sphingen und Sirenen tatsächlich real waren, ist dabei zweitranging. Sie wurden in 39
Bilder, in denen Panther und Löwen – die antike Betrachter wohl ebenso wenig aus eigener Erfahrung kannten – integriert und so Teil einer zwar wilden, aber möglichen Welt. Ihre Funktion galt also zunächst der Erweiterung der Wildnis, deren Gefährlichkeit und Fremde sie unterstreichen sollten. Die auf den Vasenbildern derart dargestellten Landschaften, in denen einheimische, exotische und fantastische Wesen vereinigt sind, suggerierten also, dass diese Gegenden nicht Teil der unmittelbar erfahrbaren Welt waren, sondern dass es sich um mögliche Grenzgebiete am Rande der bekannten Welt handelte. Es ist sicher kein Zufall, dass solche Bildkontexte gerade in einer Zeit entstanden, in der – historisch betrachtet – die Griechen ihren Lebensraum oder, allgemeiner formuliert, die ihnen bekannte Welt durch Erkundungs- und Handelsfahrten sowie Koloniegründungen zu erweitern suchten. In den entferntesten Gegenden der Welt wurden nicht nur exotische Tiere, wie Elefanten und Löwen, sondern eben auch hybride Kreaturen vermutet. In einem direkten Zusammenhang zu dieser Horizonterweiterung der Griechen im frühen 1. Jahrtausend v. Chr. ist auch die Übernahme fremder Bildelemente in das Repertoire der griechischen Künstler und Handwerker zu sehen. Besonders mit der Wende zum 7. Jahrhundert v. Chr., die gemeinhin als Beginn der Orientalisierenden Periode der griechischen Kunst bezeichnet wird, wurden nahöstliche Vorbilder, die meist in der Gestalt von Importstücken nach Griechenland gelangten, übernommen. So sind die «klassischen» Mischwesen, wie beispielsweise die Sphinx (Mensch und Löwe), die Sirene (Mensch und Vogel) und der Minotauros (Mann und Stier) – so wie wir sie aus der Bildwelt der Antike kennen –, nicht ex nihilo entstanden. Selten bilden sie in ihren Erscheinungsformen genuin griechische Erfindungen, sondern stellen eine Rezeption und Adaptation von Bildkompositionen aus Ägypten und vor allem aus dem alten Orient dar. Ob nun von aussen inspiriert und übernommen oder gänzlich neu geschaffen, ist diesen frühen Mischwesen gemeinsam, dass sie zunächst anonym, das heisst ohne klar erkennbaren narrativen Rahmen, in der Bildwelt der Griechen erschienen, auch wenn sie keine ausschliesslich ornamentale Funktion bekleideten. Erst gegen Ende des 40
Abb.20 ▷ Kauernde Gorgo Medusa mit Schlangenhaaren und Eberzähnen Plastisches Gefäss aus gebranntem Ton, mittleres 7. Jh. v. Chr., Tarent (?) | Inv. Lu 80 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
8. Jahrhunderts v. Chr. schufen griechische Künstler die ersten klar identifizierbaren Mythenbilder. Es mag kein Zufall sein, dass im selben Zeitrahmen zunächst rein mündlich tradierte Mythen und Geschichten zum ersten Mal in eine verschriftlichte Fassung gebracht wurden. Für die Mischwesen bedeutet dies, dass ihnen im Bild erstmals eine konkrete, visuelle Identität verliehen wurde. Auch anhand der Kentauren, Sphingen und Greifen liesse sich hervorragend aufzeigen, dass sie zunächst als neutrale Gestalten der Natur gezeigt und erst in einem zweiten Schritt mit Wesen der unterschiedlichen Heldensagen assoziiert wurden. Dabei wurden bereits bestehende, oft aus der Bildwelt des Vorderen Orients importierte oder inspirierte Formeln rezipiert, adaptiert und vor allem mit neuen, auf die eigenen Bedürfnisse und Vorstellungen angepassten Inhalten versehen. ▽ Abb. 21 Applike in Form eines geflügelten Löwen Ost-Griechenland, spätes 5. Jh. v. Chr. Leihgabe P. Steinmann, Binningen © Peter Hauck, Basel
Sphinx «Die Sphinx hatte das Gesicht einer Frau, Brust und Beine und Schwanz eines Löwen und Flügel eines Vogels.» Apollodor, «Bibliothek» 3, 52 (2. Jh. v. Chr.)
Das wohl prominenteste Mischwesen dürfte wohl der Löwenmensch sein, den man gemeinhin als «Sphinx» bezeichnet. Dieses Wesen erschien erstmals um das 3. Jahrtausend v. Chr. sowohl in Mesopotamien als auch in Ägypten, wobei unklar bleibt, ob die ägyptischen und mesopotamischen Sphingen unabhängig voneinander entstanden sind oder sich gegenseitig beeinflusst haben. Während sie in Mesopotamien auf Rollsiegeln auftauchen, sind sie in Ägypten in der Monumentalplastik anwesend, wie der berühmte Sphinx von Gizeh bezeugt. In der ägyptischen Bildwelt wurden Sphingen als Kombination von Löwenkörper und männlichem Kopf dargestellt (Abb. 22). Als Kopfschmuck tragen sie das Königskopftuch (Nemes), oft auch die Uräus-Schlange auf der Stirn und den königlichen Bart und verweisen demzufolge auf den Herrschaftsbereich des Pharaos. Dieses Mischwesen fand in Ägypten hauptsächlich im Bereich der königlichen Ikonografie Verwendung, wo es die unbändige Kraft der Raubkatze mit der Person des Königs verband, um auf diese Weise dessen einzigartige Macht zu verkörpern. Der Sphinx galt als göttliche Manifestation des Königs. Über einen komplexen Weg gelangte die Bildformel des Löwenmenschen von Ägypten in den östlichen Mittelmeerraum, wo sie in Nord-Syrien und Phönizien übernommen und adaptiert sowie mit Elementen der mesopotamischen Version angereichert wurde (Abb. 23). Bei diesem Prozess erhielt das Mischwesen Flügel. Von dort aus und durch die Handelskontakte der Griechen mit den Phöniziern fand schliesslich das Wesen Einzug in die griechische Bildwelt des 8. Jahrhunderts v. Chr. (Abb. 24, 25). Obschon zahlreiche frühe Sphingen in Griechenland mit Bart dargestellt und deshalb als männliche Wesen aufgefasst wurden, hat sich letzten Endes die weibliche Version des Mischwesens durchgesetzt. In der Bildwelt der Griechen stellte die Sphinx zunächst ein anonymes, raubtierähnliches Mischwesen dar (Abb. 26). Erst in einem zweiten Schritt wurde die Sphinx als Bild des rätselstellenden Ungeheuers im Sagenkreis um Ödipus verwendet. 43
△ Abb. 22 Der Sphinx in Ägypten verbindet die unbändige Kraft des Löwen und die Macht des Herrschers. Bildhauermodell aus Kalkstein, 3.–2. Jh. v. Chr., Ägypten Leihgabe © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
Abb. 23 ▷ Geflügelter Löwe mit menschlichem Kopf («Lamassu») Nimrud (Assyrien), 9. Jh. v. Chr. © The Metropolitan Museum of Art, New York, Inv. 32.143.2
Abb. 24 nächste Doppelseite links ▷▷ Tierfries mit Sphingen, Vogel, Raubkatzen und Wildziege Kanne (Oinochoe) aus gebranntem Ton, mittleres 7. Jh. v. Chr., Korinth | Inv. Lu 11 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Abb. 25 nächste Doppelseite rechts ▷▷ Sphinx vor einem Lotos-Palmetten-Ornament Salbölgefäss (Aryballos) aus gebranntem Ton, frühes 6. Jh. v. Chr., Korinth | Inv. Bo 4 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
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Greif «Die Greifen sind Tiere, die wie Löwen sind, aber Schnabel und Flügel von Adlern haben.» Pausanias, «Beschreibung Griechenlands» 1, 24, 6 (2. Jh. n. Chr.)
«Bym Käppelijoch gumpt stolz und styff näbem Wilde Maa und Lai dr Gryff, und dausig Basler lache ab däne-n-alte Sache» Basler Kinderlied, Anna Keller (1879–1962)
◁ Abb. 26 Ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. wurde die Sphinx in Griechenland als weibliches, geflügeltes Wesen dargestellt. Als Todesdämonin, Grabwächterin oder Verkörperung der Thebanischen Sphinx stellte sie ein beliebtes Motiv dar. Römische Kopie aus Marmor nach einem griechischen Vorbild um 450 v. Chr., Rom | Inv. Lu 226b © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
Ebenso wie die Sphinx stammt auch der Greif – ein meist geflügeltes Mischwesen mit dem Körper eines Löwen und dem Kopf eines Raubvogels – aus der Bildwelt des Ostens. Der Greif entstand vermutlich im 4./3. Jahrtausend v. Chr. in Elam (Iran) und wurde sowohl in Mesopotamien als auch in Ägypten übernommen. Während neuassyrische und babylonische Greifen den Akzent auf die Vogelkomponenten (Federkleid, Vogelschwanz) legten, entstanden in der hethitischen Kunst typische Formen wie die aufgerichteten Ohren oder der weit geöffnete Schnabel, die die frühesten Greifenbilder Griechenlands beeinflussten (Abb. 27). Nach Griechenland gelangten die Mischwesen schliesslich im frühen 8. Jahrhundert v. Chr. einerseits in der Gestalt von Greifenprotomen, die – wie bei den Sirenen – eherne Kessel schmückten. Solche Prunkgefässe wurden als Votivgaben in griechischen Heiligtümern gestiftet. Andererseits dienten phönizische Elfenbeinreliefs, die in den ganzen Mittelmeerraum exportiert wurden, als Vehikel für die Tradierung des orientalischen Greifenbildes.
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Auch der Greif wurde zunächst auf anonyme Weise in die Bilder wilder, gefährlicher Naturkreaturen integriert. In der griechischen Mythologie dienten die wachsamen und angriffslustigen Greifen schliesslich als Wächter der legendären Goldgruben der Riphäischen Berge oder als Gegner der Amazonen (Abb. 28). Der Greif wurde im Mittelalter nicht zuletzt aufgrund seiner Wächterfunktion oft als Wappentier verwendet. In Basel ist der «Vogel Gryff» Synonym für den wichtigsten Anlass Kleinbasels, den Feiertag der Drei Ehrengesellschaften. Als Schildhalter der Ehrengesellschaft «zum Greifen» bedient sich der «Vogel Gryff» seit 1429 der ikonografischen Merkmale der antiken Greifenfigur – Löwe und Raubvogel (Abb. 29).
Abb. 27 ▷ Solche Greifenprotome zierten einst bronzene Kessel, die als Votivgaben in griechische Heiligtümer gestiftet wurden. Greifenprotome aus Bronze, spätes 7. Jh. v. Chr., Samos (?) | Inv. Me 2 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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△ Abb. 28 Greif und Amazone Fragment einer Reliefplatte («Campana-Relief») aus gebranntem Ton, 1. Jh. v. Chr., Rom Inv. BS 1921.570 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
◁ Abb. 29
Seit dem 15. Jahrhundert bildet der «Vogel Gryff» die heraldische Figur der Kleinbasler Ehrengesellschaft «zum Greifen». Am gleichnamigen Feiertag ziehen die drei Ehrengesellschaften «zum Rebhaus», «zur Hären» und «zum Greifen» durch das rechtsrheinische Kleinbasel. © Hans-Jörg F. Walter, Basel
Sirene «Woher habt ihr, Töchter des Acheloos, Füsse wie Vögel und Flaum, da ihr tragt ein jungfräuliches Antlitz?» Ovid, «Verwandlungen» 5, 551 (spätes 1. Jh. v. Chr.)
Zu den wohl berühmtesten Episoden aus den Epen Homers zählt die Geschichte der Sirenen. Im 12. Buch der Odyssee (Verse 39–54 und 166– 200) berichtet Homer, wie Odysseus und seine Gefährten aus den jenseitigen Gefilden kommend an der Insel der Sirenen vorbeisegeln. Diese auf einer blumigen Wiese sitzenden Wesen versuchen, die Vorbeifahrenden mit betörenden Gesängen und dem Versprechen von Allwissenheit anzulocken und ins Verderben zu stürzen, wie die vielen verwesenden Körper bezeugen, inmitten derer sich die Sirenen befinden. Auf Anraten der Kirke lässt sich Odysseus an den Mast des Schiffes fesseln, um den Tönen lauschen zu können, ohne sich jedoch in tödliche Gefahr zu begeben. Seinen Gefährten verstopft er die Ohren mit Wachs, um sie so zu schützen. Diese Episode aus der Odyssee, die wohl im späten 8. Jahrhundert v. Chr. sprachlich geformt wurde, bildet den ältesten literarischen Beleg für die Sirenen. Homer verrät uns jedoch nichts über das Aussehen dieser Todesdämoninnen, ausser dass es sich um weibliche Wesen handelt. Seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. hat sich die Darstellung der Sirenen als Mischwesen aus Mensch und Vogel etabliert. Obschon die allermeisten Sirenen, die aus Griechenland überliefert sind, Vögel mit Frauenköpfen zeigen, zählen zu den frühesten Vertretern dieser Bilder durchaus auch männliche Darstellungen (Abb. 30). Das plastisch modellierte Gefäss aus Korinth zeigt einen Vogelkörper mit fein gegliedertem und differenziertem Federkleid und einen bärtigen, also männlichen Kopf. Weitere Beispiele männlicher Sirenen des frühen 7. Jahrhunderts v. Chr. stammen aus Kreta und Rhodos. Das Auftauchen und die Verbreitung solcher der griechischen Kunst bis anhin unbekannter Motive erfolgte in einer Zeit, die als die Orientalisierende Phase der griechischen Kunst bezeichnet wird und die sich durch die Übernahme nahöstlicher Bildformeln in das Repertoire griechischer Kunsthandwerker auszeichnet. Durch Handelskontakte und 53
kulturellen Austausch mit dem syro-phönizischen Raum wanderten vermutlich zahlreiche Mischwesen, wie eben die Sirenen, aber auch Sphinx oder Greif, gen Westen. Konkret lassen sich als Vorbild für unsere männlichen Sirene nordsyrische Henkelattaschen anführen (Abb. 31, 32). Solche Beschläge in Form von männlichen Flügelwesen schmückten grosse Bronzekessel, die zwar im syro-phönizischen Raum entstanden, jedoch auch als Votivgaben für griechische Heiligtümer und etruskische Fürstengräber gestiftet wurden und so als Vehikel für exotische Bildmotive fungierten. Zweifelsohne entstammt das Mischwesen VogelMann dieser nahöstlichen Bildwelt, wo es in Form von bärtigen Flügelgenien auf eine jahrtausendealte Tradition zurückblickte und Werke wie das plastische Gefäss aus Korinth beeinflusste. In der Folge der homerischen Episode, in der die Sirenen als weiblich bezeichnet werden, scheint sich deren Bild als Kombination von Vogelkörper und männlichem Kopf in der griechischen Kunst nicht durchgesetzt zu haben. Dies geschah erst, als sich die Vorstellung der Sirene als weibliches Wesen festigte. Vermutlich wurde im 7. Jahrhundert v. Chr. zunächst auf die vorderorientalischen männlichen Vorbilder zurückgegriffen, ohne diese Bildformel jedoch spezifisch auf die Sirenen anzuwenden. Dies war mitunter deshalb möglich, weil die Flügeldämonen auf den erwähnten Bronzekesseln, wo sie als Befestigung der Tragevorrichtung Verwendung fanden, den griechischen Betrachtern als kontextlos erschienen und so problemlos auf ihre eigenen Vorstellungen appliziert werden konnten. Erst als sich die Sirenen im kollektiven Bewusstsein als weibliche Dämoninnen etabliert hatten, wurden die männlichen Sirenen allmählich von ihren weiblichen Pendants in der Kunst verdrängt (Abb. 33, 34).
Abb. 30 ▷ Ein bärtiger Kopf auf einem Vogelköper Gefäss in Form einer männlichen Sirene. Plastisches Gefäss aus gebranntem Ton, frühes 6. Jh. v. Chr., Korinth | Inv. BS 1407 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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△ Abb. 31 Die Attaschen, an denen ursprünglich die Henkel befestigt waren, präsentieren sich in der Gestalt von bärtigen Vogelmenschen. Kessel aus Bronze, spätes 8. Jh. v. Chr., Nord-Syrien | Inv. BS 548 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Andreas F. Voegelin
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△ Abb. 32 Bärtiger Vogelmensch als Henkelattasche Kessel aus Bronze, spätes 8. Jh. v. Chr., Nord-Syrien | Inv. BS 548 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Abb. 33 nächste Doppelseite links ▷ Figuren- und Tierfries mit Sirenen, Panthern und Widder. Die weisse Farbe charakterisiert die Sirenen als weibliche Wesen. Weingefäss (Amphora) aus gebranntem Ton, frühes 6. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 466 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Abb. 34 nächste Doppelseite rechts ▷ Eine Sirene entfaltet ihre grossen Flügel. Weingefäss (Amphora) aus gebranntem Ton, mittleres 6. Jh. v. Chr., Athen | Inv. Lu 17 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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Kentauren «Wir wollen also nicht untersuchen, ob es wirklich zu ein und derselben Zeit alle Kentauren gegeben habe oder ob die Sage, die bildsamer und geschmeidiger ist als Wachs, sie geformt und durch bewundernswürdige Fügung die Hälften von Pferd und Menschen vereinigt und beiden eine Seele gegeben habe.» Älian, «Tierleben» 17, 9 (2. Jh. n. Chr.)
Nebst der anhand der Sirene exemplarisch aufgezeigten Übernahme nahöstlicher Motive in das Repertoire der frühgriechischen Kunst schufen die Griechen auch eigene Mischgestalten, wie die Kentauren. Auch wenn Pferdemenschen bereits in Babylonien und Assyrien dargestellt wurden, allerdings mit dem Schwanz eines Skorpions und mit Flügeln, scheint die eigentliche Kombination von Pferd und Mensch tatsächlich eine Erfindung frühgriechischer Künstler zu sein. Während die nahöstlichen Pferdemenschen meistens mit Pfeil und Bogen bewaffnet sind, kämpfen die griechischen Kentauren ausschliesslich mit primitiven Waffen, wie Felsbrocken oder Baumstämmen, was ihre wilden und unzivilisierten Charakterzüge noch zusätzlich betonen sollte. Über die Entstehung der Kentauren kursieren in der Mythologie verschiedene Versionen. Die berühmteste, von Pindar in einer Ode besungenen Geschichte besagt, dass der thessalische König Ixion im Rausch Hera, die Gattin des Göttervaters Zeus, belästigte. Daraufhin soll Zeus den frevelnden König getäuscht haben, indem er der Wolkenfrau Nephele die Züge der Hera verlieh. Ixion zeugte mit Nephele den Wolkenbastard Kentauros, der sich später mir thessalischen Stuten paaren und so das Mischgeschlecht der Kentauren schaffen sollte. Die frühesten überlieferten Kentauren zeigen ein Wesen, dessen Vorderteil aus einem vollständigen menschlichen Körper besteht, aus dessen Gesäss der Pferdeleib zu entspringen scheint (Abb. 35). Der grösste Teil dieses Körpers präsentiert sich also als menschlich, während das Animalische lediglich durch das Pferdehinterteil markiert wird. Bereits im Verlaufe des 60
▽ Abb. 35
Diese frühe Form eines Kentauren zeigt das Mischwesen mit einem vollständigen Menschenkörper. Statuette aus Bronze, mittleres 6. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 1906.145 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
7. Jahrhunderts v. Chr. wurde dieses recht disparat vertretene Kentaurenbild durch eine neuartige Kombination ersetzt, die sich rasch durchzusetzen vermochte und sich einer grossen Verbreitung erfreuen sollte. Der menschliche Teil des Mischwesens wurde fortan lediglich auf den Oberkörper reduziert, während der gesamte Pferdeleib, also mit vier Beinen, als Unterkörper fungierte (Abb. 36). Kentauren, die in den Bergen Thessaliens lebten, traten oft als wilde, aggressive und frevelnde Kreaturen auf (Abb. 37), die vom zivilisierten Menschen besiegt werden mussten.
▽ Abb. 37 Zwei Kentauren bekämpfen den Lapithen Kaineus mit einem Felsbrocken. Gipsabguss der Platte 2 aus dem Westfries des Hephaistos-Tempels in Athen, mittleres 5. Jh. v. Chr., Athen | Inv. SH 137 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
Abb. 36 ▷ Der Kampf zwischen Lapithen und Kentauren Wassergefäss (Hydria) aus gebranntem Ton, spätes 6. Jh. v. Chr., Etrurien (Caere) | Inv. BS 1410 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Satyrn und Silene «Die Knaben sahen Silenus, wie der in einer Grotte im Schlaf lag mit vom gestrigen Wein, wie immer, geschwollenen Adern; Kränze, vom Kopfe geglitten, lagen daneben, und schwer hing ihm an der Hand der Humpen mit abgegriffenem Henkel.» Vergil, «Eklogen» 6, 13–17 (1. Jh. v. Chr.)
Wie die Kentauren, sind die jüngeren Satyrn und die älteren Silene genuin griechische Schöpfungen. Sie lebten, analog zu den Pferdemenschen, als dämonische Wesen in den Wäldern Griechenlands. Als wilde Naturkreaturen erscheinen sie als Mischwesen mit menschlichem Körper, Eselsohren, Pferdeschweif, starker Behaarung und meist erigiertem Glied. Ihre Gesichtszüge sind von einer tierisch anmutenden Stupsnase, Kulleraugen und grossem Mund gekennzeichnet (Abb. 38). Als Gefolgsleute des Gottes Dionysos, für den sie den Wein kelterten, galten sie als besonders rohe und wilde Geschöpfe, die sich stets im Alkoholrausch befanden und ihren weiblichen Pendants, den Mänaden, nachstellten (Abb. 39). Ihre Nähe zum Weingott mag auch eine Erklärung für die Tatsache sein, dass sie hauptsächlich auf Gefässen erscheinen, die einst im Zusammenhang mit dem Weinkonsum standen, hauptsächlich Amphoren, Kratere und Schalen. Die hybride Erscheinungsform zwischen Mensch und Tier und vor allem die wilde, triebhafte Lebensweise dieser Waldmenschen stellte aber auch ein Gegenbild zu den Wertvorstellungen des Polisbürgers dar, die im Rahmen des Gelages (griechisch: Symposion) zelebriert wurden. Auf den Gefässen erschien den Symposiasten also eine rohe Gegenwelt zu den erstrebenswerten Idealen ihrer eigenen Gesellschaft. Wie bei anderen Mischwesen, wie der Gorgo, der Sphinx oder dem Greifen, wurde auch bei den Satyrn und Silenen das Dämonische nicht ausschliesslich negativ konnotiert. Ihrer Ausstrahlung wurden übelabwehrende Fähigkeiten zugeschrieben, sodass wir ihre Fratzen auf Stirnziegeln, Sarkophagen und mannigfaltigen Geräten sowie als Schildzeichen vorfinden.
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△ Abb. 38 Gelagerter Silen Gerätfigur aus Bronze, spätes 6. Jh. v. Chr., Etrurien | Inv. BS 1921.730 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Abb. 39 nächste Seite ▷ Mänaden und Satyrn, die Gefolgsleute des Weingottes Dionysos, beim ekstatischen Tanz Weingefäss (Amphora) aus gebranntem Ton, frühes 5. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 424 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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Gorgo Medusa «Die Gorgonen aber hatten Köpfe, die mit Drachenschuppen umwunden waren, und grosse Zähne wie von Schweinen und eherne Hände und goldene Flügel, vermittels derer sie fliegen konnten. Diejenigen aber, die sie ansahen, machten sie zu Steinen.» Apollodor, «Bibliothek» 2, 40–41 (2. Jh. v. Chr.)
«Jene (= Medusa) schändete, sagt man, der Herrscher des Meers in Minervas Tempel. Jupiters Tochter, die Ägis haltend vors keusche Antlitz, wandte sich ab, und damit das nicht unbestraft bleibe, hat sie die Haare der Gorgo in hässliche Schlangen verwandelt.» Ovid, «Verwandlungen» 4, 798–801 (spätes 1. Jh. v. Chr.)
Die drei Gorgonen-Schwestern Medusa, Stheno und Euryale lebten auf einer Insel jenseits des Okeanos, am Rande der bekannten Welt. Als Töchter der Titanen Phorkys und Keto und als Enkelinnen der Gaia wurden die Gorgonen bereits von frühgriechischen Dichtern als Ungeheuer beschrieben. Eine zweite Version des Mythos berichtet jedoch, dass Medusa ursprünglich von betörender Schönheit gewesen sein soll. Sie wurde von der Göttin Athena in ein geflügeltes Ungeheuer verwandelt, nachdem Poseidon sich an ihr vergangen hatte. Seither erschien sie mit Schlangenhaaren, Eberzähnen, einer gebleckten Zunge, einer furchteinflössenden Fratze und einem grässlichen Blick (Abb. 40). Alle diejenigen, die sie ansahen, erstarrten zu Stein. Gerade dieser Aspekt fand in der Darstellung der Medusa seinen besonderen Niederschlag. In der griechischen Kunst fand nämlich vor allem das Haupt der Gorgo («Gorgoneion») mit ihrem furchteinflössenden Blick als übelabwehrendes Symbol auf Dächern, an Türen und Waffen Verwendung (Abb. 41). Während die frühesten Medusa67
Bilder des 7. Jahrhunderts v. Chr. den Schwerpunkt auf die gefährlichen, der Tierwelt entnommenen, schrecklichen Züge legten, durchlief ihre Ikonografie im Verlaufe des späten 6. und vor allem des 5. Jahrhunderts v. Chr. eine Art Vermenschlichung (Abb. 42). Späte Darstellungen der Gorgo Medusa zeigen sie als klassische Schönheit, deren ungeheuerliches Wesen lediglich durch Schlangenhaare evoziert wird.
Abb. 40 ▷ Die geflügelte Gorgo Medusa mit Schlangenhaaren und Eberzähnen Applike aus Bronze, spätes 6. Jh. v. Chr., Griechenland Leihgabe Dr. Barbara L. Begelsbacher © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Abb. 41 nächste Doppelseite links ▷▷ Die Gorgo Medusa mit Schlangenhaaren, Eberzähnen und hervortretenden Augen Stirnziegel (Antefix) aus gebranntem Ton, frühes 5. Jh. v. Chr., Tarent | Inv. Lu 161 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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Abb. 42 nächste Doppelseite rechts ▷▷ Die Gorgo Medusa mit Schlangenhaaren Medaillon mit Gorgoneion aus gebranntem Ton, 3.–2. Jh. v. Chr., Tarent | Inv. BS 328 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
Chimaira und Pegasos «Vorne ein Leu und hinten ein Drache und Geiss in der Mitte, hauchte die Chimaira aus die schreckliche Glut des lodernden Feuers.» Homer, «Ilias» 11, 181–183 (spätes 8. Jh. v. Chr.)
«Nachdem aber der Kopf abgeschnitten war, sprang aus der Gorgo Pegasos, das geflügelte Pferd, heraus.» Apollodor, «Bibliothek» 2, 42 (2. Jh. v. Chr.)
Die Chimaira galt als Schwester des Kerberos, der Hydra und der Sphinx. Sie wurde in der antiken Literatur und Kunst als feuerspeiendes Mischwesen aus Ziege, Löwe und Schlange beschrieben (Abb. 43). In den fernen Regionen Lykiens (Südwesttürkei) bedrohte sie die Menschen und verwüstete ihre Felder. Auch heute noch gilt der Begriff «Chimäre» als allgemeines Synonym für Mischwesen. Der Pegasos war ein geflügeltes Pferd, dessen Mutter die Gorgo Medusa war. Als der Held Perseus die Gorgo enthauptete, entsprang Pegasos aus deren Körper. Bellerophon, ein weiterer Heros, erhielt den Auftrag, die Chimaira zu besiegen. Mit Hilfe der Göttin Athena – die es Bellerophon ermöglichte, Pegasos zu zähmen – gelang es ihm, sich auf dem fliegenden Pferd reitend der Chimaira zu nähern und sie zu töten (Abb. 44).
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△ Abb. 43 Die Chimaira, ein Mischwesen aus Löwe, Ziege und Schlange Weingefäss (Amphora) aus gebranntem Ton, spätes 6. Jh. v. Chr., Etrurien | Inv. Zü 399 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
Abb. 44 nächste Seite ▷ Der Held Bellerophon reitet auf Pegasos, dem geflügelten Pferd. Weingefäss (Amphora) aus gebranntem Ton, spätes 6. Jh. v. Chr., Etrurien | Inv. Zü 394 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
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Mitten unter uns. Mischwesen in der Popkultur Pascale Roth Antike Mischwesen «leben» auch heute noch unter uns. Besonders im letzten Jahrhundert erlebten sie einen enormen Aufschwung und sind Teil unserer Popkultur geworden. So kommen sie in Büchern, Filmen und Fernsehserien vor oder sind Protagonisten in Videospielen. Die Mischwesen variieren dabei jedoch in ihrer Erscheinung, durchlaufen ikonografische Veränderungen und werden in neuen Rollen wahrgenommen. Eines der bekanntesten und ältesten Mischwesen ist wohl der Menschenlöwe, den man als Sphinx bezeichnet. Im alten Ägypten mit Löwenkörper und menschlichem Kopf als Personifikation der königlichen Macht dargestellt, war die Sphinx ein Machtsymbol, das unter anderem die Ruhestätte des Pharaos Chephren schützen sollte. Das Motiv des menschenköpfigen Raubtiers wurde später auch von den Griechen übernommen. Während der Dichter Hesiod noch über ihr Aussehen schweigt, beschreibt sie Apollodor als ein Wesen mit dem Gesicht einer Frau, der Brust, den Füssen und dem Schwanz eines Löwen sowie den Flügeln eines Vogels. Nebst dem veränderten Aussehen schlüpft sie im thebanischen Sagenkreis in die Rolle der Rätselstellenden, die falsche Antworten mit dem Tod bestraft. Die beiden unterschiedlichen Funktionen und Darstellungen können in der Popkultur entweder voneinander unabhängig oder miteinander verschmolzen angetroffen werden. So zeigt der Film «Die unendliche Geschichte» (1984) zwei geflügelte Löwenfrauen mit ägyptischen Uräus-Schlangen auf ihrem Haupt, die als Wächterinnen einen Durchgang flankieren. Im Videospiel «Assassins Creed: Odyssey» (2018) und dem Film «Gods of Egypt» (2016) stellt die Sphinx den Held*innen jeweils ein Rätsel (Abb. 45). Dabei wird das Mischwesen im Game mit einem weiblichen Gesicht, gefiederter Brust, Flügeln und Klauen ruhig sitzend dargestellt, während die Sphinx in «Gods of Egypt» von einem überdimensionierten, aufbrausenden Löwen aus bröckeligem Sandstein mit männlichem Gesicht verkörpert wird (Abb. 46). 75
◁ Abb. 45 Die rätselstellende Sphinx im Videospiel «Assassins Creed: Odyssey» (2018) © Ubisoft
Gerade letzteres Beispiel zeigt die Verbindung von ägyptischer Ikonografie und Funktion des griechischen Mythos – die Grenzen sind heute fliessender als im Altertum. Eine Figur, die sowohl in der Antike als auch in heutiger Zeit einen hohen Bekanntheitsgrad geniesst, ist die Gorgo Medusa. Ihre Geschichte wurde uns von verschiedenen Autoren überliefert, angefangen mit dem griechischen Schriftsteller Apollodor. Bei ihm handelt es sich um drei Gorgonen, allesamt mit Schlangenhaaren, Fangzähnen und Flügeln, die mit ihrem Blick versteinern können. Ihm wie auch Hesiod zufolge ist Medusa die einzige der drei Schwestern, die sterblich war. Die Erzählung Ovids, die den Mythos der von Poseidon vergewaltigten und anschliessend von Athena zur Bestrafung verwandelten Priesterin wiedergibt, wurde zur klassischen Geschichte. Im Laufe der Zeit wurde ihre Figur gleichermassen als Gegnerin wie als Verbündete interpretiert und von Intellektuellen als Metapher verwendet, um Theorien zu illustrieren: Während Sigmund Freud in ihr die Personifikation der männlichen Angst vor der Kastration sieht, wird das Mischwesen von Hélène Cixous als Störung des männlichpatriarchalen Systems interpretiert. Die Frauenrechtlerin stellt den tödlichen Blick der Medusa in Kontrast zum schwachen Blick der normalen Frau, sieht ihr geköpftes Haupt als Symbol der weiblichen Macht, die von der männlichen Ordnung unterdrückt wird. Medusa repräsentiert sowohl in der Antike als auch in der Moderne das, was die Männer am meisten fürchten – eine starke Frau. Der abgetrennte Kopf der Gorgo wird somit zum apotropäischen Symbol und greift in gewisser Weise auch die Tradition auf, den Kriminellen den Kopf abzuschlagen und diesen als Warnung für andere auszustellen. Besonders bei visuellen Wiedergaben kann über die Jahrhunderte hinweg eine Evolution vom Monster zum schönen Opfer festgestellt werden, die nahe an der Femme fatale steht. So kann ihre Attraktivität in der Popkultur durch ihre insofern monströse Andersartigkeit erklärt werden, besonders in gewissen Soziokulturen wird sie zur rebellierenden Ikone, sei dies in Form von Tattoos, Hairstyles oder Piercings. So wählt auch das Modehaus Versace ihren Kopf aufgrund der Reputation als sein Markenzeichen. Medusa repräsentiert klassische Schönheit vor ihrer Verwandlung in ein Monster ebenso wie Faszination und Verführung. Sie 77
◁ Abb. 46 Die Kreatur im Film «Gods of Egypt» (2016) verbindet die Ikonografie des ägyptischen Sphinx mit dem griechischen Mythos des rätselstellenden Mischwesens. © Thunder Road Pictures
ziert nebst Haute Couture und Uhren auch feinstes Geschirr, jedoch mit einer gänzlich anderen Bedeutung als auf den griechischen Vasen. In der Filmwelt wird eine unterschiedliche Herangehensweise an den Mythos um Medusa deutlich: In «Clash of the Titans» (1981) wird die Gorgo bewusst hässlich mit komplett geschupptem Leib und Schlangenschwanz als Monster dargestellt. Sie lebt in einer düsteren Behausung am Rand der Unterwelt, wo sie sich mit Pfeil und Bogen sowie mit ihrem tödlichen Blick bewaffnet einen Kampf gegen den Helden Perseus liefert. In der 30 Jahre späteren Neuverfilmung von 2010 wird Medusa in der Unterwelt gezeigt, die im Vergleich aber mehr wie ein Gefängnis als ein Zuhause wirkt. Noch immer als bewaffnete Gegnerin dargestellt, fällt nun eine starke Veränderung in ihrer physischen Repräsentation auf. Ein stark stilisiertes weibliches Gesicht ohne Fangzähne sowie ein betontes Dekolleté lassen sie klar weiblicher wirken. Als eine stark idealisierte, attraktive Frau stellt sie zudem eine grössere physische Herausforderung dar und ist somit gleichermassen feminin als auch bedrohlich monströs. Während sich im Film von 1981 also das Geschlecht der Monstrosität unterordnet, weichen die 78
monströsen physischen Qualitäten in «Clash of the Titans» von 2010 dem sexualisierten Bild von Medusas Körper. Im Unterschied dazu steht die Interpretation im gleichzeitig erschienenen Film «Percy Jackson: Diebe im Olymp» (2010). Die in einem Statuengarten lebende Medusa erscheint hier auf den ersten Blick als elegant gekleidete Frau, anstelle eines Schlangenkörpers tritt ein sie komplett einhüllender Ledermantel. Ihre Bedrohlichkeit liegt nun nicht in der Sexualisierung, sondern in der Autorität einer Erwachsenen gegenüber den Teenager-Helden. Bis auf die Schlangenhaare und den gefährlichen Blick kann die zeitgenössische Manifestation also nicht als kohärent angesehen werden, die Grenze zwischen Mensch und Schlange – zwischen Schönheit und Monstrosität – ist beweglich. Dies zeigen auch zahlreiche Videospiele, wie «Dungeons and Dragons», «Final Fantasy» und «God of War», in denen Medusa in verschiedensten Formen auftaucht, jedoch immer mit der Kraft ihres versteinernden Blickes. In sämtlichen Fällen steht der Kampf zwischen weiblichem Monster und männlichem Held im Mittelpunkt – ein Konflikt zwischen Mann und Frau. Dabei wird der eigentliche Mythos bis auf das narrative Element der Enthauptung entweder ignoriert, erwähnt und heruntergespielt oder nur angedeutet und dessen Kenntnis von den Produzent*innen vorausgesetzt. «Percy Jackson» bringt das Thema der abgelehnten älteren Frau und der damit verbundenen Rache mit ein. Medusa verkörpert somit gleich zwei negative weibliche Stereotypen des 21. Jahrhunderts. Nicht zuletzt wird eine Verbindung des Mythos mit der Realität hergestellt durch die Dezember-Edition des Männermagazins «British GQ» von 2013 (Abb. 47). Die Sängerin Rihanna wird mit Schlangenhaaren, Reptilienaugen und einer Python um den Hals abgelichtet. Nebst der visuellen Schönheit – als offensichtlicher Hauptverkaufspunkt – wird Rihanna mit der Identität Medusas als bekanntestes Opfer von sexueller Gewalt bewusst ins Zentrum der Diskussion über häusliche Gewalt gerückt, wobei beide Figuren für Akzeptanz und Überwindung eines vergangenen Missbrauchs stehen. Die Sirenen hingegen sind ein Beispiel für Mischwesen, deren Erscheinungsbild sich nicht erst in moderner Zeit veränderte. In der Archaik wurden sie ursprünglich den Harpyien ähnlich als Vögel mit menschlichen Köpfen dargestellt und behausten auf Inseln aus den Knochen ihrer Opfer gebaute Nester. Wie auch die Gorgo Medusa durchlebte die Sirene eine Wandlung, im Zuge derer sie menschlicher wurde und ihr monströses Aussehen verlor. 79
Die Sirene erhielt nicht nur einen weiblichen Oberkörper, sie verlor spätestens im Mittelalter auch ihre Flügel und wurde zu einem Hybrid aus Frau und Fisch, ähnlich einer Nereide.Die Sirene erhielt nicht nur einen weiblichen Oberkörper, sie verlor spätestens im Mittelalter auch ihre Flügel und wurde zu einem Hybrid aus Frau und Fisch, ähnlich einer Nereide. Diese maritime Form der Sirene existierte dann parallel zur geflügelten, die besonders in der Romantik Verwendung fand. Im 21. Jahrhundert wurde sie aber auch Gegenstand diverser Games wie «Witcher: The Wild Hunt oder World of Warcraft». Hier erscheint die Sirene als mehr oder minder gefiederte und meist stark stilisierte Frau, deren Arme durch Klauen und Flügel ersetzt werden. ▽ Abb. 47 Die Sängerin Rihanna als Gorgo Medusa auf der Titelseite des Magazins «British GQ» (2013) © Condé Nast Inc.
Grund für diesen ikonografischen Wandel ist bereits Homers Schweigen über das Aussehen seiner Sirenen in der Odyssee. Denn er beschreibt sie lediglich als weibliche Wesen, die in Meeresnähe leben, und gesteht ihnen nebst dem verlockenden Gesang auch allumfassendes Wissen und die Macht über das Meer zu. Erst Apollonius Rhodius charakterisiert die Sirenen als Mischwesen aus Vögeln und jungen Mädchen. Durch ihre zahlreichen Morde an Seemännern werden sie aber dennoch mit Seeungeheuern verglichen. Obwohl die Sirene besonders in der christlichen Kultur als Personifikation der Versuchung durch das weibliche Geschlecht galt, entwickelte sich gegen Ende des 11. Jahrhunderts die Vorstellung der gutartigen Sirene, die nun mehr der Welt der Menschen als derjenigen der Tiere angehört. Von ihr geht keine Gefahr mehr aus, sie eilt den Seemännern in Not zur Hilfe oder wird gar selbst zur Hilfsbedürftigen. Diese Interpretation wird in der Filmwelt der Popkultur am häufigsten in Form der Meerjungfrau angetroffen, sei dies in Walt Disneys Animationsfilm «Arielle die Meerjungfrau» (1989) oder dem Film «Splash» (1984). Die Sirene wird mit farbig schillerndem Fischschwanz, Muschel- und Perlenketten sowie wallendem Haar gezeigt. Doch auch die Ambivalenz zwischen verführerischem Raubtier und Mensch kommt in «Fluch der Karibik: Fremde Gezeiten» (2011) sowie der Serie «Mysterious Mermaids» (2018) zum Ausdruck. Hier werden die unschuldig wirkenden Meerjungfrauen mittels Krallen und Fangzähnen wieder zu todbringenden Monstern, ihre Haut ist meist mit dunklen Schuppen übersäht und die Haare gleichen Seetang. Dem Aspekt der Verlockung hat sich das Unternehmen Starbucks gewidmet und sich diesen zunutze gemacht: So ziert eine zweischwänzige Sirene ihr Logo, die laut den Gründern die Kaffeeliebhaber*innen dazu verleiten soll, den Kaffee bei ihnen zu konsumieren. So treffen wir auch abseits der bewegten Bilder in der Popkultur auf antike Mischwesen, wobei sie in unterschiedlichsten Formen rezipiert werden – angefangen bei ihrer äusseren Erscheinung bis hin zur Deutung ihrer Wesen und Funktionen.
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Mischwesen der Gegenwart. Vom gottesfürchtigen Menschen der Antike zum emanzipierten Cyborg der Neuzeit Pascal Kaufmann Der Mensch als Mängelwesen bricht mit seiner göttlichen Herkunft und versucht, künstliche Menschen zu schaffen. Allerdings scheitert das Menschengeschlecht immer wieder daran und beginnt nun, sich selbst als Mensch zu verändern und in ein Mischwesen aus Technologie und Biologie zu verwandeln. Antrieb ist dabei der unbändige Wissens- und Überlebensdrang, um jeden Preis. Seit der Antike hat der Mensch sich die Welt unterworfen wie keine andere Spezies zuvor. Der Mensch hat die Natur gebändigt, die Tierwelt gezügelt, alle Kontinente und abgelegenen Flecken der Erde kartografiert, selbst die entferntesten Galaxien und Planeten erkundigt der Mensch heute. Mit der Schaffung der ersten Cyborgs als Mischwesen aus Mensch und Maschine setzt der Mensch nun auf das letzte aller grossen Rätsel an, das nicht in entfernten Galaxien oder unentdeckten Kontinenten liegt, sondern in uns selbst: Wer sind wird? Was macht den Menschen aus? Was ist das Wesen unserer Intelligenz und Schaffenskraft? Wie grenzen wir uns nicht nur von Tieren, sondern auch von Maschinen ab?
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Der Mensch als Mängelwesen wächst über sich hinaus – Der Siegeszug der Wissenschaft und der Technologie In der Neuzeit schaffte es der Mensch, nicht nur die Erde vollends zu erkunden, sondern die Grenzen des Bekannten immer weiter auszudehnen bis in die entferntesten Regionen des Weltalls. Ein Kentaur, der in den Wäldern des antiken Griechenland lebte, war bedrohlicher als eine unbekannte Spezies auf einem Planeten in einer anderen Galaxie. Der wilde Kentaur als meist unkultiviertes Mischwesen gab sich zügellos den Lastern hin und definierte damit den kultivierten Menschen als Gegensatz, der Dank seiner eigenen Kultur eine funktionierende Gesellschaft schuf. Arnold Gehlen prägte den Begriff des Mängelwesens in seinem Hauptwerk aus 1940 «Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt». Der Mensch als Mängelwesen wird im Tieruniversum fast in allen Eigenschaften übertroffen. Zu den körperlichen Mängeln gehören zum Beispiel das Fehlen von Angriffsorganen (Klauen, Gebiss), das Fehlen eines Körperbaus, der eine schnelle und ausdauernde Flucht ermöglichen könnte (z.B. durch vier Beine oder eine hohe Sprungkraft), sowie seine Schutzlosigkeit gegenüber der Witterung (durch unzureichende Körperbehaarung). Als psychische Nachteile führt Gehlen den «fast lebensgefährlichen Mangel an echten Instinkten» auf. Die genannten Mängel zwangen den Menschen schliesslich dazu, sich zu entlasten, das heisst die Mängelbedingungen seiner Existenz in Chancen zu wandeln. Anstatt sich seiner Umwelt anzupassen, was aufgrund seiner physischen Eigenschaften oft nicht möglich war, veränderte der Mensch seine Umgebung, sodass diese seinen Zwecken dienlich wurde. Der Mensch konnte durch die Zügelung und die Beherrschung der Natur überleben,
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indem er diese kultivierte und sich diese unterwarf. Der Mensch erhielt durch das Bändigen des Feuers nicht nur eine Technologie, um die Natur zu beherrschen, sondern er kreierte immer mächtigere Werkzeuge, um schliesslich auch die Natur des Menschen zu analysieren, zu sezieren, zu verstehen und durch Technologie zu erweitern. Sein Wissensdrang führte zur Gründung der Philosophie, der Naturwissenschaften und der Ingenieurskunst. Der Wunsch nach Optimierung und Effizienzsteigerung, nicht zuletzt auch um Milliarden von Menschen zu ernähren und immer neue Entdeckungen zu machen, weckten im Menschen schliesslich den Wunsch nach immer mächtigeren Werkzeugen und Instrumenten. Der emanzipierte Mensch bricht mit den Göttern – Die Erschaffung künstlicher Menschen Gemäss Hesiod entwendet Prometheus den Göttern das Feuer und bringt es den Menschen. Er wird auf Befehl des Göttervaters gefesselt und im Kaukasusgebirge an einen Felsen festgeschmiedet, wo ihn regelmässig ein Adler aufsucht und von seiner Leber frisst. Ein positives Bild des Titanen zeichnet der Dichter Aischylos, der Prometheus als Wohltäter der Menschheit und Gegenspieler des tyrannischen Zeus darstellt. Das Emanzipieren von den Göttern nahm in der Antike seinen Anfang und kulminierte in der Renaissance anno 1504 mit der Schaffung von Michelangelos David, der den Menschen erstmals wie einen Gott riesenhaft, nackt und entfesselt darstellte. Er entledigt sich der Tyrannei der Religion des Mittelalters und beginnt, die letzten Geheimnisse zu ergründen. Das Sezieren von Leichen war zu Zeiten Michelangelos und Leonardo Da Vincis noch streng verboten, doch brachen auch hier die neuen Universalgelehrten mit den hiesigen Gesetzen und versuchten zuerst die Anatomie, später die Physiologie und in neuester Zeit auch die Baupläne des Menschen zu entschlüsseln und zu verstehen. Leonardo soll schliesslich um 1500 einen künstlichen Ritter geschaffen haben, welcher rein durch Mechanik betrieben wurde und sich selbstständig einige Schritt fortbewegen konnte (Abb. 48). Im Jahre 1774 wurden von Jaquet-Droz menschenartige Automaten oder Roboter geschaffen, die den Menschen derart ähnlich waren, dass die Schaffung von künstlichen Menschen nur noch als Frage der Zeit betrachtet wurde (Abb. 49).
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Seither ist ein regelrechter Hype um Roboter ausgebrochen. Allerdings erscheint die Robotik um die Jahrtausendwende inhaltlich und konzeptionell nur wenig weiterentwickelt, denn noch immer fehlt allen Robotern jedwede Intelligenz, Motivation oder Initiative. Roboter bestehen im Jahre 2021 zwar nicht mehr aus Zahnrädern und Pumpen, sondern aus Computerchips und faszinierender Sensorik und Motorik, doch noch immer scheint ein autonom handelndes, planendes und agierendes künstliches Wesen in weiter Ferne. Es scheint, als dass der biologische Mensch mit seiner Intelligenz und Auffassungsgabe an Grenzen stösst und seine Intelligenz nicht ausreicht, die Prinzipien des eigenen Denkorgans zu ergründen und künstliche Intelligenz resp. ein künstliches Lebewesen zu schaffen. Die Motivation, die menschliche Natur zu erweitern und die Wissenschaft zu beschleunigen und durch Technologie besser und mächtiger zu machen, ist damit gegeben, der Weg ist geebnet für eine neue Spezies Mensch – die Cyborgs.
Abb. 48 ▷ Rekonstruktion des mechanischen Roboters Leonardo da Vincis © Heinz Nixdorf MuseumsForum, Paderborn
△ Abb. 49 «Le Dessinateur» (1774) und «La Musicienne» (1774). Automaten von Henri Louis JaquetDroz, La Chaux-de-Fonds © Musée d’art et d’histoire de Neuchâtel / Foto : Stefano Iori
Der Cyborg als erweiterter Mensch und mächtiges Werkzeug – Mischwesen aus Mensch und Maschine Der technologische Fortschritt, insbesondere um die Jahrtausendwende, ermöglichte es einer immer grösseren Zahl an Menschen, sich «zu enhancen» und sich in Cyborgs zu verwandeln. Der Begriff des Cyborgs bezeichnet ein Mischwesen aus Biologie und Maschine. Zumeist werden damit sogenannt erweiterte Menschen beschrieben, deren Körper dauerhaft durch künstliche Bauteile ergänzt werden. Der Name ist abgeleitet vom englischen «cybernetic organism». Die ersten Beschreibungen eines Cyborgs (ohne den Begriff zu verwenden) stammen von Edgar Allan Poe aus dem Jahre 1843 in «The Man That Was Used Up», wo er einen Mann beschreibt, der sich durch zahlreiche Prothesen quasi verbessert. 86
Edmond Hamilton beschrieb Cyborgs seit den 1920er-Jahren und führte den Begriff erstmals explizit 1962 ein. Er ist Schöpfer der Romanfigur Prof. Simon Wright, der als sprechendes Hirn eines berühmten Wissenschaftlers künstlich am Leben erhalten wird und in einer Plexiglasschale in einer Verschmelzung aus Technologie und Biologie dem berühmten Comichelden Captain Future zur Seite steht (Abb. 50). Damit ist das Konzept des Cyborgs eingeführt und einer grossen Leserschaft auch visualisiert zugänglich. In den 1970er-Jahren entwickelte der Schweizer Künstler Hans Ruedi Giger einen eigenen Stil, indem er biologisch-organische und technische Formen miteinander verschmolz. Die von ihm geschaffenen Figuren bezeichnet er als «Biomechanoide», die in bekannten Hollywood-Filmen wie «Alien» die Thematik einem breiten Publikum zugänglich machten (Abb. 51). Ebenfalls bekannt aus den «Star Trek»-Serien der 1980er- und 1990erJahre sind die «Borgs». Diese entwickeln sich weiter, indem sie andere Spezies und ihre Technologien «assimilieren», das heisst deren Wissen und Erfahrungen in ihrer Gesamtheit in sich aufnehmen, um durch ein kollektives Bewusstsein die neuen Eigenschaften der Gemeinschaft hinzuzufügen und sich immerzu zu optimieren. Assimilierte Individuen werden dabei zu Drohnen transformiert, deren Körper mit Implantaten und Nanotechnologie aufgewertet sind. Dies stellt sich als paradiesischer Zustand für die Borg dar, weil das kollektive Bewusstsein («Hive-Bewusstsein») der assimilierten Spezies quasi unsterblich geworden ist. Borgs sind dabei mehr Rechner als Lebewesen (Abb. 52) Eine neue Art von Cyborg wird durch die X-Prize Stiftung (USA) gefördert, wonach bis 2022 ein Mehrzweck-«Avatar» in Form eines Roboters konstruiert werden soll, der durch Menschen gesteuert werden kann und dem Menschen quasi als künstlicher Körper überall auf der Welt zur Verfügung stehen soll. Damit verschmelzen innerhalb eines Roboters der mechanische Körper einer Maschine mit der Intelligenz eines Menschen, sodass der Avatar als Mischwesen zwischen mechanischem Körper und menschlichem Geist betrachtet werden kann. Die Schweizer Robotikplattform «Roboy» rangiert dabei unter den gegenwärtigen Finalisten (Abb. 53).
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△ Abb. 50 Edmond Hamilton, Prof. Simon Wright aus der Anime-Serie «Captain Future» (1978) https://www.pinterest.ch/ pin/162340761538648209/
△ Abb. 51 «Biomechanoid» des Künstlers Hans Rudolf Giger aus dem Film «Prometheus» (2012) © 20 th Century Fox
Ausblick – Der Cyborg bestimmt unsere Zukunft Der Körper als Mischwesen bestimmt, wie wir denken. Der Schweizer Robotik-Pionier Prof. Rolf Pfeifer zeigte in zahlreichen Beispielen auf, wie die Art des Denkens direkt durch den Körper bestimmt wird («How the Body Shapes the Way We Think», 2006). Das Feld der sogenannten «embodied cognition» im Bereiche der künstlichen Intelligenz beschreibt in zahlreichen Publikationen, dass Intelligenz nicht im Hirn stattfindet, sondern über den Körper hinweg verteilt und dezentralisiert ist, bis hin zu der Erkenntnis, dass der Mensch an sich ein Mischwesen aus Milliarden von Mikroorganismen ist. Etwa 96 Prozent allen Genmaterials eines Menschen ist nicht menschlichen Ursprungs, sondern liegt in Form von Bakterien oder Viren vor, die unseren Körper besiedeln und ausmachen. Dabei wird immer klarer, dass Intelligenz als emergentes Phänomen aus der Zusammenarbeit verschiedenster Akteure entsteht und dass der Mensch nicht nur als Mischwesen per se, sondern als Super-Organismus oder auch «Holobiont» betrachtet werden muss: ein eindrückliches Zusammenspiel von Milliarden von Lebewesen, die vordefinierten Regeln gehorchen.
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△ Abb. 52 Schauspieler Vernon R. Wilmer als «Borg» https://intl.startrek.com/news/dont-be-the-borg
△ Abb. 53 «Roboy» © Rolf Pfeifer, Artificial Intelligence Lab, Universität Zürich, https://roboy.org/
Lagen in der Antike die Grenzen zwischen Bekanntem und Unbekanntem in fernen unentdeckten Gebieten der Erde, liegt eines der letzten grossen Rätsel quasi als noch unentdeckter Kontinent heute in uns selbst. Cyborg-Technologien, neueste Kollaborationstechnologien und neuartige Forschungsansätze bilden die Grundlage für einen Wettlauf um das Schaffen von künstlicher Intelligenz. Dabei wird das Vernetzen von unterschiedlichen Akteuren und Ansichten, Technologien, Robotern und Computer und die Symbiose zwischen Mensch und Maschine entscheidend sein im Verständnis um unsere eigene Natur. Die Entschlüsselung des Prinzips der Intelligenz soll dabei den Start in ein neues, goldenes Zeitalter bedeuten.
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Mensch vs. Wild
Der ewige Kampf um Zivilisation Laurent Gorgerat
«Ja, die Helden waren die stärksten der lebenden Erdbewohner, Waren selber die Stärksten und kämpften nun wider die Stärksten, wider Kentauren der Berge, und übten grimmig Vernichtung.» Homer, «Ilias» 1, 266–267 (spätes 8. Jh. v. Chr.)
Gewisse Landschaften, so wie sie uns in den frühen Bildern der griechischen Kunst erscheinen, stellen also eine Welt dar, die die Griechen in Randgebieten des ihnen bekannten Lebensraums situierten, deren Gefährlichkeit durch die Präsenz hybrider Kreaturen noch verstärkt wurde. Sei es die Chimaira, die im fernen Lykien lebte, die Gorgo Medusa, die jenseits des Meeres vermutet wurde oder der Kyklop Polyphem, dessen Insel am Rande des Meeres lag, immer bewegten sich diese Mischwesen in Randzonen. Dies galt überdies auch für weniger entfernt lebende Wesen, wie die Kentauren, die sich in den Bergwäldern Thessaliens aufhielten. Diese periphere, potenziell gefährliche Welt galt es, wenn nicht gänzlich zu bezwingen, so doch in Schach zu halten, denn sie stellte eine existenzielle Gefahr für die griechische Gemeinschaft dar. Zahlreich waren näm◁ Abb. 54 vorherige Seite links Herakles fängt die Hirschkuh der Göttin Artemis ein. Gipsabguss einer römischen Kopie nach einem griechischen Bronzeoriginal, spätes 4. Jh. v. Chr., Inv. SH 279 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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lich die wilden Tiere oder die Mischwesen, die die bebauten Felder verwüsteten und somit die Nahrungs- und Lebensgrundlage der Menschen bedrohten, wie der Nemeische Löwe, der Eber des Berges Erymanthos oder die Kerynitische Hirschkuh (Abb. 54). In diesem Kontext müssen die im späten 8. und vor allem im 7. Jahrhundert v. Chr. erstmals schriftlich überlieferten und bildlich dargestellten Mythenbilder gedeutet werden. Dominierendes Thema dieser ersten narrativen Kunst sind die Kämpfe der griechischen Helden gegen mannigfaltige Mischwesen. Allen voran ist Herakles zu nennen, der im Rahmen seiner berühmten Taten eine Vielzahl von Ungeheuern zu bekämpfen hatte und als gängigster Protagonist frühgriechischer Mythenbilder gilt. Dass es sich bei diesen tradierten Geschichten um weit mehr als nur um die blosse Darstellung eines Kampfes zwischen einem «menschlichen» Helden und wilden Kreaturen handelte, dass dabei auch ganz zentrale gesellschaftliche Werte vermittelt werden sollten, zeigt die Geschichte um Herakles und Pholos. Als Herakles in den entfernten Bergregionen Arkadiens den Erymanthischen Eber jagte, wurde er vom Kentauren Pholos zunächst gastfreundlich empfangen und bewirtet. Doch die rohe Natur der unzivilisierten Kentauren – gekoppelt mit übermässigem Weinkonsum – sollte zum Ausarten des behaglichen Zusammenseins und zu einer Bedrohung für Herakles führen, die schliesslich in einem Kampf endete. Kulturgeschichtlich betrachtet verteidigte Herakles mit der Niederschlagung des Kentauren nicht nur seine eigene Haut, vielmehr stand er für die Verteidigung kultureller Normen ein. Das Symposion und die damit assoziierte Gastfreundschaft galten nämlich bei den Griechen als zentrales Element gesellschaftlichen Zusammenlebens. Es gehörte zum normierenden Element einer kulturellen Identität. Herakles kämpfte also nicht primär für sich, sondern verteidigte damit eine wichtige menschliche Errungenschaft, die durch die wilden, kulturfremden Pferdemenschen bedroht war. Eine ähnliche Geschichte, in der die Kentauren dieselbe bedrohliche und unzivilisierte Rolle einnahmen, soll sich bei der Hochzeit des Lapithen-Königs Peirithoos ereignet haben. Die zum Festmahl eingeladenen Kentauren verloren aufgrund ihres triebhaften Wesens die Kontrolle über ihr Verhalten und vergriffen sich an der Braut und den anwesenden Frauen. Die daraus resultierende fürchterliche Schlacht zwischen Kentauren und den Lapithen, die vom Helden Theseus unterstützt wurden, sollte nicht nur das Leben und die Ehre der Lapithinnen bewahren, sondern ganz allgemein die für die Griechen so wichtige Institution der Ehe verteidigen. Es ging in dieser 93
Auseinandersetzung also ebenfalls um die Wahrung zivilisatorischer Normen. Auch wenn die Kentauren in erster Linie negativ konnotiert waren und als Gegenpol zum vernünftigen Handeln der Griechen standen, gab es doch eine Ausnahme. So galt der Kentaur Chiron als besonders weise und gerecht, wurde ihm doch als Freund der Götter die Ausbildung zahlreicher Helden, unter anderen Achilleus, anvertraut. Als letztes Beispiel mythologischer Kämpfe möge der berühmte Kampf zwischen Theseus und dem Minotauros angeführt werden. Als Strafe für das frevelhafte Verhalten des Königs Minos und seiner Frau Pasiphaë, die sich geweigert hatten, den Göttern zu opfern, verfügten diese, dass sich Pasiphaë in den kretischen Stier verlieben sollte. Aus dieser widernatürlichen Verbindung entstand die halb menschengestaltige, halb stierförmige Kreatur. Ihre Genealogie allein widersprach schon jeglicher kulturellen Norm. Darüber hinaus stellte der Minotauros aufgrund seiner gefährlichen Natur eine derartige Bedrohung dar, dass er im Labyrinth eingesperrt und mit menschlichen Opfern besänftigt werden musste. Dieses Wesen stand als Pervertierung jeglicher geltenden Ordnung für eine Bedrohung der menschlichen Gesellschaft. Erst dem athenischen Helden Theseus sollte es mithilfe der listigen Königstochter Ariadne gelingen, die Bedrohung abzuwenden. Die bedeutende Anzahl mythologischer Kämpfe, die uns in solchen Bildern begegnen und in denen nicht nur die Lebensgrundlagen, sondern auch kulturelle Werte verteidigt werden, lässt sich in einen historischen Kontext einbetten und so erklären. Dies gilt insbesondere für die frühen Mythenbilder des 7. Jahrhunderts v. Chr., in denen sich vor allem die Taten eines Herakles, aber auch eines Theseus grosser Beliebtheit erfreuten. Diese Mythen und ihre Darstellungen fallen in eine Zeit, die von der Entstehung und Festigung der Stadtstaaten, der griechischen Poleis, als dominierendes Gesellschaftsmodell geprägt war. Charakteristisch und in einem gewissen Masse überlebenswichtig war die Notwendigkeit, diese städtischen Gemeinschaften (Kultur) gegenüber dem Fremden, Bedrohlichen und gar Gefähr94
Abb.55 ▷ Ein Flügelgenius bekämpft einen Löwen. Knopfbecher aus Bronze, frühes 1. Jt. v. Chr., Luristan (Iran) | Inv. Su 4 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
lichen (Natur) abzugrenzen und so die Lebensgrundlage für die Mitglieder der Gesellschaft zu garantieren. Konkret hiess dies, dass die Städte, die als kulturelles, politisches und religiöses Zentrum fungierten, sich in einer teils bedrohlichen Umwelt (wilde Tiere, Feinde, Naturphänomene) behaupten und absichern mussten. Ideologisch wurde dieses Bestreben mit den Kämpfen zwischen Helden und Tieren oder Mischwesen illustriert und untermauert. In diesem Sinne dienten die Mythen – ob mündlich, schriftlich oder bildlich überliefert – als identitätsstiftende Metaphern, deren Ziel es war, den Gegensatz zwischen Natur und Kultur fassbar zu gestalten (Abb. 55).
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Herakles und der Nemeische Löwe «Hera, die herrliche Lagergenossin des Zeus, gab dem Nemeischen Löwen Nahrung, liess ihm dann die Weiden Nemeas, den Menschen zur Plage; denn das Raubtier hauste vernichtend unter den Menschen, herrschend über Nemeas Berge. Aber die göttliche Kraft des Herakles hat es bezwungen!» Hesiod, «Theogonie» 327–331 (um 700 v. Chr.)
Das Motiv eines Kampfes zwischen Mensch und Löwe tauchte bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. sowohl in Ägypten als auch in Mesopotamien auf. Als extremste Form der Auseinandersetzung zwischen Mensch und Tier wurde der Löwenkampf zur Aufgabe und zum Privileg des Herrschers. In Griechenland galt Herakles – Inbegriff des griechischen Helden – als berühmtester Löwenbändiger (Abb. 56). Als erste Tat, die ihm von König Eurystheus auferlegt wurde, sollte er ihm das Fell des unverwundbaren Löwen von Nemea bringen. Dieses Untier wütete als Herdenvernichter in den Bergen Nemeas und tyrannisierte die Landbevölkerung. Nachdem Herakles dem Untier aufgelauert hatte, versuchte er es erfolglos mit Pfeilen niederzustrecken. Nachdem auch der Versuch, den gewaltigen Löwen mit seiner Keule zu besiegen, misslang, konnte er ihn schliesslich durch seine unbändige Kraft mit blossen Händen erwürgen (Abb. 57, 58). Herakles ist der Held der reinen Körperkraft, der durch seine Tat die todbringende Bedrohung von der menschlichen Gemeinschaft abwendete.
Abb. 56 nächste Seite ▷ Herakles bekämpft den Löwen von Nemea. Weingefäss (Stamnos) aus gebranntem Ton, mittleres 7 Jh. v. Chr., Sizilien | Inv. BS 1432 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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△ Abb. 57
▽ Abb. 58
Herakles ringt den Löwen von Nemea nieder. Innenbild eines Trinkgefässes (Kylix) aus gebranntem Ton, frühes 6. Jh. v. Chr., Athen | Inv. Bo 88 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Herakles im Zweikampf mit dem Nemeischen Löwen Wassergefäss (Hydria) aus gebranntem Ton, spätes 6. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 437 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
Herakles im Kampf gegen weitere Ungeheuer «Als zweite Aufgabe aber trug Eurystheus ihm auf, die Lernäische Hydra zu töten. Diese war im Sumpf von Lerne aufgewachsen, kam in die Ebene heraus und machte sowohl das Weidevieh als auch das Land zuschanden.» Apollodor, «Bibliothek» 2, 77 (2. Jh. v. Chr.)
«Als zwölfte Aufgabe wurde Herakles aufgetragen, den Kerberos aus dem Hades herbeizubringen. Es hatte dieser aber drei Köpfe von Hunden, den Schwanz eines Drachen, den Rücken herab hatte er Köpfe mannigfaltiger Schlangen.» Apollodor, «Bibliothek» 2, 122 (2. Jh. v. Chr.)
Herakles gilt als der zivilisatorische Held schlechthin. Zahlreiche seiner Taten sind Metaphern für die von der Natur ausgehende Bedrohung menschlicher Errungenschaften. So zerstörten der Löwe von Nemea, der Erymanthische Eber (Abb. 59), die wilde Hirschkuh von Keryneia (Abb. 54) und der Stier von Kreta die Feldarbeit sowie die Herden der Bauern und beraubten sie so ihrer Nahrungsgrundlage. Die Stymphalischen Vögel waren eine direkte Bedrohung für die Menschen, und die vielköpfige Hydra gefährdete überdies die Verkehrswege und die Handelsverbindungen auf der Argolis (Abb. 60). In all diesen Episoden übernahm der Held folglich die Rolle des Kulturretters, indem er die vitalen Errungenschaften menschlicher Gemeinschaften, wie Ackerbau, Viehzucht, Verkehr und Handel, gegen die Bedrohung der wilden Natur verteidigte (Abb. 61). Dass gerade in der Zeit der frühen Polis-Kultur, also zwischen dem 8. und dem 7. Jahrhundert v. Chr., die Heraklestaten ein besonders beliebtes Motiv darstellten, mag kein Zufall gewesen sein. Es galt, die gemeinsame Lebensform und den gesellschaftlichen Rahmen der Polis durch Mythenbilder zu festigen.
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△ Abb. 59
Herakles bringt seinem Auftraggeber Eurystheus, der aus Angst in einem Gefäss Zuflucht gefunden hat, den besiegten Eber vom Berg Erymanthos. Trinkgefäss (Kylix) aus gebranntem Ton, spätes 6. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 457 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Abb. 60 nächste Doppelseite links ▷ Herakles im Kampf gegen die Hydra von Lerna, eine vielköpfige Schlange Salbölgefäss (Aryballos) aus gebranntem Ton, frühes 6. Jh. v. Chr., Korinth | Inv. BS 425 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Abb. 61 nächste Doppelseite rechts ▷ Herakles führt im Beisein von Athena und Hermes den zweiköpfigen Höllenhund Kerberos weg. Weingefäss (Amphora) aus gebranntem Ton, spätes 6. Jh. v. Chr., Athen | Inv. Kuhn 57 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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Kentauromachien «Wein hat im Saale des hochgemuten Peirithoos einst auch jenen berühmten Kentauren Eurytion völlig verblendet: Als den Verstand er als Gast der Lapithen mit Wein sich verdorben, raste er los, um im Haus des Peirithoos Übles zu stiften. (...) Seitdem streiten Kentauren und Männer; den Anfang vom Unheil machte doch er bei sich selber und fand ihn im schweren Weinrausch.» Homer, «Odyssee» 21, 295–304 (spätes 8. Jh. v. Chr.)
Kämpfe zwischen Helden und Tieren bzw. Mischwesen gehen weit über die Darstellung einer blossen Kampfhandlung hinaus. Es geht vielmehr um die Verteidigung einer zivilisierten Kultur gegen die Bedrohungen durch eine wilde Natur. Besonders die Kentaurenkämpfe (griechisch Kentauromachia) wurden oft als Metapher für diesen «kulturellen» Kampf verwendet. Die Pferdemänner bedrohten durch ihr rohes, zügelloses Verhalten zentrale Normen der griechischen Gesellschaft wie die Gastfreundschaft (Abb. 62, 63) oder die Ehe. Die Helden Herakles und Theseus verteidigten durch ihren Kampfesmut die Zivilisation. Die Gleichstellung der Kentauren mit dem Bedrohlichen ging so weit, dass ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. auf zahlreichen griechischen Bauwerken Kentauromachien als ein Sinnbild für jegliche äussere Bedrohungen (wie die Perser) standen. Auf diese Weise wurde der mythologische Kontext auf eine realpolitische Ebene gebracht.
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△ Abb. 62
▽ Abb. 63
Herakles und der Kentaur Pholos beim behaglichen Gastmahl Trinkgefäss (Kylix) aus gebranntem Ton, frühes 5. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 489 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Herakles im Kampf gegen die Kentauren (Kentauromachie) Trinkgefäss (Kylix) aus gebranntem Ton, frühes 5. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 489 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Theseus gegen den Minotauros «Als sie in Kreta ankamen, gewann Ariadne, die Tochter des Minos, den Theseus lieb, der sich durch seine schöne Gestalt auszeichnete. Er besprach sich mit ihr und erhielt ihre Hilfe zu seinem Unternehmen. So tötete er den Minotauros und entkam glücklich, indem sie ihn den Ausgang aus dem Labyrinth finden lehrte.» Diodor von Sizilien, «Historische Bibliothek» 4, 62, 4 (1. Jh. v. Chr.)
Der Kampf zwischen Theseus und dem Minotauros auf Kreta zählt zu den berühmtesten mythologischen Auseinandersetzungen. Als Strafe für das frevelhafte Verhalten des Königs Minos und seiner Frau Pasiphaë verfügten die Götter, dass sich Pasiphaë in den kretischen Stier verliebte. Aus dieser widernatürlichen Verbindung entstand die halb menschengestaltige, halb stierförmige Kreatur. Ihre Genealogie allein widersprach schon jeglicher kulturellen Norm. Darüber hinaus stellte der Minotauros aufgrund seiner gefährlichen Natur eine derartige Bedrohung dar, dass er im Labyrinth eingesperrt und mit menschlichen Opfern besänftigt werden musste. Dieses Wesen stand als Pervertierung jeglicher geltenden Ordnung. Erst dem athenischen Helden Theseus gelang es mithilfe der listigen Königstochter Ariadne, die Bedrohung abzuwenden (Abb. 64, 65, 66). Abb. 64 ▷ Die listige Königstocher Ariadne übergibt Theseus den Faden, mit dem er aus dem Labyrinth finden wird. Relieftafel (Pinax) aus gebranntem Ton, 7. Jh. v. Chr., Tarent | Inv. Bo 105 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin Abb. 65 nächste Doppelseite links ▷▷ Theseus bekämpft den Minotauros, der als menschenköpfiger Stier erscheint, während Ariadne den sprichwörtlichen Faden hält. Reliefamphora aus gebranntem Ton, mittleres 7. Jh. v. Chr., Kykladen | Inv. BS 617 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
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Abb. 66 nächste Doppelseite rechts ▷▷ Der athenische Held Theseus, umgeben von Mädchen und Jünglingen, sticht den stierköpfigen Minotauros nieder. Salbölgefäss (Lekythos) aus gebranntem Ton, mittleres 6. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 455 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
Ödipus und die Thebanische Sphinx «Weiter vor liegt der Berg, aus welchem nach der Sage die Sphinx hervorbrach und ein Rätsel sang, allen zum Verderben, welche in ihre Gewalt kamen.» Pausanias, «Beschreibung Griechenlands» 9, 26, 2 (2. Jh. n. Chr.)
«Es lautete aber das Rätsel [der Sphinx]: Es ist am Morgen vierfüssig, am Mittag zweifüssig, am Abend dreifüssig. Von allen Geschöpfen wechselt es allein mit der Zahl seiner Füsse; aber eben wenn es die meisten Füsse bewegt, sind Kraft und Schnelligkeit seiner Glieder ihm am geringsten.» G. Schwab nach Apollodor, «Bibliothek» 3, 53 (2. Jh. v. Chr.)
Im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. erhielten die in der Mythologie erwähnten Mischwesen allmählich eine konkrete visuelle Identität. Während die Sphinx zunächst als anonymes Wesen die Tierfriese der korinthischen Keramik schmückte, wurde das Bild der «Löwenfrau» spätestens im 6. Jahrhundert v. Chr. mit der Sphinx aus dem thebanischen Sagenkreis in Verbindung gebracht. Dieses Ungeheuer belagerte die Stadt Theben und bedrohte die Reisenden (Abb. 67). Wer das von ihr gestellte berühmte Rätsel nicht lösen konnte, wurde erwürgt. Dem Königssohn Ödipus gelang es als Erstem, das Rätsel zu lösen. Die lediglich durch Ödipus’ Intellekt besiegte Sphinx stürzte sich daraufhin von ihrem Felsen in den Abgrund.
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△ Abb. 67
Versammlung von Männern um eine auf einem Pfeiler kauernde Sphinx. Möglicherweise ist die Sphinx gemeint, die den Thebanern die berühmte Rätselfrage stellt. Wassergefäss (Kalpis) aus gebranntem Ton, frühes 5. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 411 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
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Perseus gegen die Gorgo Medusa «Perseus stellte sich nun über die Gorgo, während sie schlief; indem Athena seine Hand lenkte, schnitt er ihr, abgewandt und in den ehernen Schild blickend, durch den er das Abbild der Gorgo erblickte, das Haupt ab.» Apollodor, «Bibliothek» 2, 41 (2. Jh. v. Chr.)
Der Held Perseus sollte im Auftrag des Königs Polydektes die Gorgo töten und ihm als Beweis dafür ihren Kopf bringen (Abb. 68). Mit Hilfe der Göttin Athena und des Götterboten Hermes gelang es Perseus, sich der schlafenden Gorgo zu nähern. Er verwendete dabei einen Schild als Spiegel, um nicht vom versteinernden Blick der Gorgo erfasst zu werden. Mit einer Sichel enthauptete er die Gorgo (Abb. 69). Den abgetrennten Kopf übergab er schliesslich seiner Schutzpatronin Athena, die ihn als übelabwehrendes Symbol an ihren Brustpanzer nähte. ◁ Abb. 68
Perseus mit dem abgetrennten Haupt der Gorgo Medusa Innenbild einer Schale aus gebranntem Ton, mittleres 4 Jh. v. Chr., Apulien | Inv. BS 1419 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin
Abb. 69 ▷ Perseus tötet im Beisein der Göttin Athena die Gorgo Medusa. Gipsabguss einer Reliefmetope vom Tempel C in Selinunt, spätes 6. Jh. v. Chr. | Inv. SH 440 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger
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Impressum 1/2 «tierisch! Tiere und Mischwesen in der Antike» Eine Ausstellung des Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig 19. September 2021 bis 19. Juni 2022
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Ausstellung Gesamtleitung Andrea Bignasca – Direktor Michel Pompanin – Geschäftsführender Direktor Projektleitung Laurent Gorgerat – Kurator Partner und Leihgeber Historisches Museum Basel Musée cantonal d’art et d’histoire, Lausanne Peter und Irene Ludwig Stiftung Stiftung «In memoriam Adolf und Margreth Im Hof-Schoch» Dr. Barbara L. Begelsbacher Familie Bonsera, Allschwil Pascal Kaufmann, Mindfire Foundation Peter Steinmann, Binningen Rolf Wegmüller, Zürich
Bildung und Vermittlung Annegret Schneider, Claudia Manser Stoll Führungen und Events Anna Laschinger Übersetzungen Aurélie Gorgerat (franz.); Sandy Haemmerle (engl.) Restaurierung und Montagen Kurt Bosshard; Olivier Berger; Susanne Dürr Sicherheit und Facility-Management Benjamin Negri; Urs Kaufmann; Abdeslam Achlhi
Szenografie und Grafik Trinidad Moreno; Giorgia Imber Javier Alberich (Kindervitrinen und -flyer) Marketing und Kommunikation Alexandra Maurer; Tine Dittmar Medienpartnerschaft Basler Zeitung Radio Basilisk
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Impressum 2/2
Publikation Herausgeber Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig Texte Andrea Bignasca; Laurent Gorgerat; Pascal Kaufmann; Pascale Roth Lektorat Esaù Dozio; Anna Laschinger; Tomas Lochman; Korrekturbüro Kommazwerg Koordination Alexandra Maurer Fotos Antikenmuseum Basel (Andreas F. Voegelin); Rudolf Habegger; Peter Hauck; Hans-Jörg F. Walter Gestaltung Tine Dittmar Gestaltung Cover Manuela Frey (Historisches Museum Basel) Druck Steudler Press © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig, 2021 ISBN 978-3-905057-40-9
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Team Antikenmuseum Direktion Andrea Bignasca (Direktor); Michel Pompanin (Geschäftsführender Direktor); Kristina Schäublin; Simone Stöckli Dauersammlung und Sonderausstellungen, Restaurierung und Konservierung André Wiese (Leiter); Esaù Dozio; Laurent Gorgerat; Anna Laschinger (ab 1.1.2022); Tomas Lochman; Kurt Bosshard (Leiter Restaurierung und Konservierung); Olivier Berger; Susanne Dürr Marketing, Kommunikation und Vermittlung Alexandra Maurer (Leiterin); Tine Dittmar; Berke Eken; Giorgia Imber; Anna Laschinger; Claudia Manser Stoll; Trinidad Moreno; Annegret Schneider; Florence Anliker; Annina Banderet; Anna Dorothea Haesen; Thomas Hofmeier; Charlotte Hunkeler; Judith Meier; Efi Rompoti; Brigitte Schaffner Senn; Daniela Scharf Jakob; Jasmin Tanner; Christina BorgulyaFalcigno; Josiane Gerum; Oskar Kälin; Rebecca Loeb; Christina Snopko; Mike Stoll
Sicherheit und Facility-Management Benjamin Negri (Leiter); Abdeslam Achlhi; Marianne Borer; Coskun Erdogan; Urs Kaufmann; Anna Maria Knechtli-De Nardo; Peter Lerch; Brigitta Moor; Martin Nobs; Bernhard Oberhauser; Felix Saner; Richard Sieber; Christine Stucki; Peter Tanner; Hanspeter Witschi Food & Beverage, Events Nicole Salvi (Leitung Food & Beverage, Events (ab 1.1.2022); Anna Laschinger (bis 31.12.2021); Thorsten Natter; André Manuel Rodrigues da Silva; Samira Di Pino; Olivia Hasler; Emre Karadeniz; Pilar Lerch; Lucas Liechti; Lara Rebeca Martin Pérez; Ayda Nalca; Tiziana Schediwy; Darius Schläppi; Nina Waldthaler; Utta Wördenweber
Finanzen und Services Irena Rudic (Leiterin); Irène Mitsas; Brigitte Nicosia; Ngoc Linh Tran; Daniela Zurschmiede 119
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