mit geringerer Urteilsfähigkeit jenen mit grösserer Urteilsfähigkeit zu deren Nutzen unterlegen waren. Das Tier sollte also mangels Vernunft dem Menschen dienen und ihm auf jeden Fall untergeordnet sein. Während Aristoteles die Vormachtstellung des «vernünftigen» Menschen gegenüber den «vernunftlosen» Tieren begründete, vertrat die Philosophenschule der sogenannten Kyniker eine geradezu gegensätzliche Ansicht. Als Begründer des Kynismus galten der Athener Antisthenes und sein Schüler Diogenes von Sinope (Abb. 5). Sie erachteten die menschliche Vernunft und Kultur als Hindernis für ein naturgemässes und erfülltes Leben. Sie forderten, es solle ein nahezu besitzloses Leben geführt werden – analog zu den Tieren –, um so die Glückseligkeit durch grösstmögliche Unabhängigkeit erreichen zu können. Die Kyniker pflegten daher ein auf die natürlichen Bedürfnisse ausgerichtetes Leben, was ihnen den Spott des Volkes und der anderen philosophischen Schulen eintrug, die sie als «Hunde» bezeichneten. Etymologisch stammt die Bezeichnung «Kyniker» vom griechischen Wort für Hund, kyon, ab. Die Bezeichnung der Kyniker als Hunde berief sich aber nicht nur auf ihre Lebensweise, sondern auch auf ihre teils aggressive, spöttische Art, mit ihren Mitmenschen umzugehen. Der Hund galt ihnen also sowohl als Vorbild in seiner auf die grundlegendsten Bedürfnisse ausgerichteten Lebensweise als auch durch sein bissiges Verhalten, das in zahlreichen Anekdoten überliefert ist. Diese Ambivalenz zwischen der Übermacht der Tiere und der Ausbeutung durch den Menschen lässt sich anhand antiker Bildwerke, wie sie in der Ausstellung des Antikenmuseums gezeigt werden, exemplarisch nachzeichnen. Seit der Mensch seine Umwelt in Bildern festzuhalten versucht, sind Tierdarstellungen präsent. Zeugnis davon legen die berühmten Felsmalereien der Höhlen von Chauvet und Lascaux in Frankreich oder von Altamira in Spanien ab. Diese frühen Darstellungen zeigen eine üppige Fauna und den Menschen – wenn überhaupt – nicht etwa als dominierend, sondern als Teil dieser Tierwelt. In der Antike galten Tiere als Synonyme für Lebensgrundlage und zugleich als Metapher für Gefahr. Als Nahrungs- und Rohstofflieferanten wurden sie zuerst gejagt und später auch gezüchtet. Eine in erster Linie auf Landwirtschaft basierende Lebensweise war ohne Tiere für Fleisch, 12