PORTRÄT Ludwig Kendzia
beim Radiosender Antenne Thüringen beworben, wurde stattdessen aber für die Nachrichtenredaktion einer privaten Jugendwelle fix angestellt. Die Frühschichten begannen immer um 5 Uhr und ich hatte noch aus meiner Zeit als Musiker einen ganz anderen Tag-Nacht-Rhythmus. Also hatte ich die Idee, mich einfach müde zu laufen.“ Fünfkilometerrunden im Erfurter Nordpark, mit Trailrunning hatte das noch nichts zu tun. Aber Ludwig Kendzia wusste damals ja noch nicht einmal, was Trailrunning überhaupt ist. Das hat er, der Investigativjournalist, erst viel später herausgefunden. 2013 war das. Beim Stöbern im Internet stieß er auf ein paar Youtube-Schnipsel-Videos vom Ultra-Trail du MontBlanc und genauso auf eine digitale Ausgabe des Trail Magazins. Ludwig war einer der Teilnehmer:innen unseres ersten Lesercamps am Gardasee. Und ist seitdem beinahe jedes Jahr gekommen. Da gab es also Menschen, die durch die hohen und ganz hohen Berge rennen. Durch Landschaften, die Ludwig Kendzia zum ersten Mal als 16-Jähriger gesehen hatte. Mit selbstgebauten Rennrädern, Verwandte aus dem Westen hatten etwa eine Kettenschaltung geschickt, waren er und ein paar Freunde über die Karpaten bis nach Rumänien geradelt. Dann tauschte Kendzia das Rennrad gegen die elektrische Gitarre, erst ein Modell aus Polen und später, nach der Wiedevereinigung, eines aus den USA. Aus den im Kinderzimmer gespielten Coverversionen der ikonografischen DDR-Punkband Schleimkeim wurde in den ausgehenden Neunzigerjahren eine veritable Musikkarriere und ein durchaus internationaler Sound. Diese Gemeinsamkeit hat Ludwig Kendzia zwischen dem Musikmachen und dem Trailrunning festgestellt: „Am Anfang hat beides eine Intensität und ein Glücksgefühl, die sich später so eben nicht mehr reproduzieren lassen. Ich frage mich oft, wo diese staunende Begeisterung und das Freiheitsgefühl hin sind, die ich mit meinen ersten einsamen Trailläufen
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2 /2023