MORAL Ehrlichkeit
Vom Bett aus betrachtet Einer läuft und der andere liegt im Bett. Der eine topfit und der andere verletzt. Eine Fraktur am Knöchel, die viele Wochen braucht, um zu heilen. Unter Freunden soll man doch möglichst ehrlich zueinander sein. Wie sehr darf der eine dem anderen also den aktiven Lauf- und Outdoorstil vorleben, wenn es der andere für einen zumindest langen Moment nicht kann. Liebe Redaktion, Mein Laufkumpel und guter Freund lief im Schnee, geriet auf Glatteis, stürzte und brach sich dabei den Knöchel. Operation, Laufpause und Reha. Statt Trails und Berge und langes Snowrunning nun Wassergymnastik, Netflix und Arztbesuche. Himmel, tut der mir leid. Er wollte doch Transgrancanaria Ende Februar laufen und eine echte Skitourensaison hinlegen. Damit wird es nun nichts. Ich weiß irgendwie auch nicht so richtig, wie ich mit dem „Patient no-Trail“ umgehen soll. Mit Wattebausch oder einfach wie immer? Wie vor dem Unfall? Ich habe Angst, dass ihm zu viel von meinen Lauffotos und Berg-Geschichten die eh schon miese Laune noch mehr vermiesen. Uwe K. aus Sonthofen
Hallo Uwe, Ehrlichkeit hilft in schwierigen Situationen meist besonders gut. Es stimmt schon - es macht wenig Sinn deinem Kumpel permanent von deinen Laufabenteuern zu berichten, wenn er selbst nicht raus kann. Wenn die Gewichtung stimmt, dann kommen deine Erzählungen aber durchaus ohne Frust auszulösen bei ihm an. Berede mit ihm bitte zuerst die wirklich wichtigen Dinge, wenn du ihn sprichst oder triffst wie es ihm geht? Was seine Genesung macht? Wie die Reha abläuft oder wie er genau seine Fortschritte der Heilung wahrnimmt? Danach ist sicher auch Raum um ihm davon vorzuschwärmen wie der Longrun mit zwei Gipfeln war. Das vermutlich Beste was du tun kannst, ist ihn einzubinden, ihm das Gefühl zu geben, dass euer Sport, sein Sport, weiter da ist und auf seine
98
2 /2023
Rückkehr wartet. Tu einfach alles dafür, dass seine Zweifel an einer schnellen und schönen Rückkehr auf Trails, extrem klein sind. Vielleicht macht es sogar Sinn mit konkreten Plänen ums Eck zu kommen, mit ihm für Sommer und Herbst erste Laufpläne zu schmieden, denn das regt Gedanken an und kann sehr motivierend auf ihn einwirken. Lass dein Feingefühl walten, lese zwischen den Zeilen und redet vor allem von Beginn an offen. Was tut dir gut? Magst du meine Story hören? Jetzt? Später? Kommunikation is the tool. Vor allem in solch einer verzwickten Situation, die keine einfache Lösung Morgen oder Übermorgen hat.