MEINUNG WASSERSTOFF
#INDUSTRIE
VITA KATHARINA REICHE Vorständin Westenergie Die 48-Jährige hasst nichts mehr als Unerledigtes. Ihre Mailprogramme sind abends geleert, der Schreibtisch ist picobello aufgeräumt. Die Managerin leitet seit 2020 die Eon-Tochter Westenergie, bei der sich rund 10.000 Mitarbeiter um die Infrastruktur des Versorgers kümmern. Reiche leitet den Nationalen Wasserstoffrat der deutschen Bundesregierung und hat erst jüngst e inen Deal mit australischen Partnern eingefädelt zur Lieferung erheblicher Mengen grünen Wasserstoffs von Australien nach Europa.
© CHAPERON
NETZE ALS RÜCKRAT Grüner Wasserstoff soll die Energieversorgung der Zukunft sicherstellen. Das wird in Mittel- und Nordeuropa auf absehbare Zeit aber nicht gelingen, sagt Katharina Reiche.
Jahr steigen. Heute liegen wir bei 57 Terawattstunden. Wir benötigen also erhebliche Wasserstoffmengen, und das schneller als bisher angenommen. Dafür braucht es einen raschen Aufbau notwendiger Infrastrukturen.
INTERVIEW OLIVER STOCK
A
lle setzen auf ihn, aber keiner
Die Deutsche Bundesregierung will bei den
So etwas funktioniert meist nur mit Anrei-
hat ihn: Grüner Wasserstoff soll
neuen
weltweit
zen. – Ja, dazu zählen eine pragmatische
statt Gas die Energieversorgung
führend werden. Sie sind Vorsitzende des
und unbürokratische Fördermittelkulis-
der Zukunft sicherstellen. Doch in aus-
Nationalen Wasserstoffrats der Bundesregie-
se für Wasserstoffprojekte und eine wei-
reichender Menge und zu vertretbaren
rung. Was muss passieren, damit Deutsch-
tergehende Befreiung von Umlagen wie
Preisen kann diese Energieform nur in
land der angestrebten Rolle gerecht wird?
eine Senkung der Mehrwertsteuer und
Ländern und Gegenden hergestellt wer-
– Katharina Reiche: Konkret brauchen wir
eine Senkung der Stromsteuer auf das
den, wo die Sonne immer scheint, der
jetzt dringend verlässliche Rahmenbe-
europäisch zulässige Mindestmaß.
Wind ständig bläst oder grüner Strom
dingungen für eine effiziente und schnel-
aus Wasserkraft gewonnen werden kann.
le Umstellung der bestehenden Erdgas-
Geht das im Alleingang? – Wir müssen na-
Deutschland hat deswegen den nationa-
infrastruktur auf Wasserstoff. Nach ak-
türlich sehr zeitnah einen europäischen
len Wasserstoffrat gegründet, der sich
tuellen Studien soll Deutschlands Bedarf
Binnenmarkt für Wasserstoff aufbau-
um die Versorgung in der Zukunft küm-
an Wasserstoff und seinen Derivaten bis
en, der die Versorgung möglichst vieler
mern soll.
2050 auf bis zu 800 Terawattstunden im
Kunden sicher, bezahlbar und nachhal-
Wasserstofftechnologien
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