Einleitung Die blutigste Grenze Europas „Eine Gebirgskette, mitten durchbrochen vom Gipfel bis zum Fuß, auf einer Strecke von vier Meilen. Die beiden Seiten bilden hohe, gerade Felswände, von sechshundert bis dreitausend Fuß aufsteigend, und dazwischen der Riesenstrom der alten Welt, der Ister, die Donau.“ So beschreibt der ungarische Schriftsteller Mor Jókai in seinem Roman „Ein Goldmensch“ eine Landschaft, die in Europa ihresgleichen sucht. Die wenigen Über- und Untertreibungen am Anfang des Romans gehen aufs Konto dichterischer Freiheit, denn tatsächlich gibt es keine 3000 Fuß hohen Felswände am Strom, der höchste Berg an der Donauenge misst 768 Meter, dafür aber ist das Ausgedient haben die Wachtürme der Grenzer am Eisernen Tor. Foto: Hans Wersching gewaltige Tal nicht vier Meilen lang, sondern volle 120 Kilometer. Seit Jahrtausenden beflügelt diese grandiose Landschaft, die Schauplatz des Kampfes der Urgewalten Wasser gegen Fels ist, die Phantasie der Völker des südosteuropäischen Raums: von den Griechen der Antike bis zu den Ungarn, Rumänen, Deutschen und Serben. Schon Jasons Argonauten bauen ihr Schiff so, dass sie es in langen Fußmärschen auf den Schultern tragen können, weil sie auf der Suche nach der legendären Durchfahrt vom Schwarzen Meer durch die Donau zur Adria ihre treue Argo vor dem Zerschellen an den unpassierbaren Klippen des Eisernen Tors bewahren wollen. An der schmalsten Stelle ist der große Strom auch nach dem Bau eines Wasserkraftwerks noch immer keine 200 Meter breit. Hier, wo die Donau die Karpaten durchbricht, soll auch Hunnenkönig Attila begraben sein. Hier wurden nach Attila noch viele Grabhügel aufgeworfen - über Schuldbeladenen, aber bei weitem mehr über Unschuldigen. Am Donaudurchbruch, wo noch Reste einer
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