Todeskampf am Donaudurchbruch Von Cristian Ştefănescu Bei Mraconia, am Eisernen Tor erhebt sich auf dem rumänischen Donauufer die Büste des in Fels gehauenen Decebal. Der Dakerkönig scheint aus der Strombiegung heraus auf das serbische Ufer zu blicken. Es sieht so aus, als ob er den römischen Kaiser Trajan erwartet. An diesem von Josif Constantin Drăgan gestifteten Denkmal ist die Donau so eng, dass man mit einer Schleuder eine Fensterscheibe durchschießen könnte, stünden an dieser Stelle drüben in Serbien Häuser. Seit ein paar Jahren gibt es hier die Baustelle eines Kirchleins. Nicht wenige haben diese Stelle ausgewählt, um in den Westen zu flüchten, der sie zwar nicht erwartet, aber doch die Chance geboten hat, in Würde zu leben. An der Mündung des Flusses, der von Mraconia donauwärts fließt, gibt es einen Parkplatz. Neben einem Auto der Grenzpolizei mit offener Tür sitzen eines Abends vier Agenten rund um eine mit Kaffee gefüllte Thermosflasche. Auf der Donau kämpft ein Boot gegen die Strömung, auf das sich das Fernglas der Grenzer höchstens aus Gewohnheit richtet. Ich frage die vier, ob ich in Richtung serbisches Ufer fotografieren darf. Sie versichern mir, dass dies überhaupt kein Problem sei. Nur einer der vier Männer kann sich an die Zeit erinnern, als die Donau noch zwei Welten voneinander trennte. Er war im Telefonamt beschäftigt und täglich als Pendler mit dem Schiff unterwegs. Er erzählt uns folgende Geschichte: „Am Eisernen Tor, wo man von Deck aus das serbische Ufer berühren kann, haben sie uns stets in die Schiffskabine eingesperrt. Sie banden die Türen von außen mit Stricken zu, denn die Schraube war alt und die Schlösser kaputt. An einem Tag habe ich eine Flucht vom Schiff aus erlebt. Eine junge Frau, die wohl den Kapitän bezirzt hatte, durfte von Deck aus fotografieren. Plötzlich ist sie gesprungen. Und weg war sie. Wie sollte der Grenzsoldat das Feuer eröffnen? Er konnte es nicht, denn er hätte gegen den anderen Staat geschossen.“ Die unterirdischen Gänge, die die beiden Ufer miteinander verbinden sollen, sind Legende. Angeblich hat es einen gegeben, der die inzwischen unter dem Wasser der gestauten Donau verschwundene Insel Ada Kaleh mit Serbien verbunden hat. Die Insulaner haben im Laufe der Jahre gehört, dass Leute einfach verschwunden sind. Der Grenzpolizist empfiehlt mir, zurück nach Dubova zu fahren und in die Grotte hinabzusteigen. Dort haben viele die Flucht gewagt. Einige haben auch das andere Ufer erreicht. In Dubova erzählt ein alter Mann, der nicht genannt werden will: „Wir hatten viele Informanten. Aber sie waren auch Fluchthelfer. Wir kennen einander, denn das Dorf ist klein.“ Er sei sich sicher, dass die Leute in Dubova wissen,
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