Siegfried Britt:
Zwei Jahre für einen Blick auf die Adria Es muss der 7. oder der 8. Juli 1970 gewesen sein, als er mit zwei Kollegen von der Bauberufsschule in Temeswar mit dem Zug Richtung Großkomlosch aufgebrochen ist. Siegfried Britt weiß es nicht mehr genau. Doch das hat er noch in guter Erinnerung: Alle drei haben Monate lang auf diesen Tag hingearbeitet. Einer der beiden Freunde Britts heißt Mihai Leuşcă, er ist in Großkomlosch zu Hause. Der zweite heißt Roman Craşovan. Leuşcă kennt sich im Grenzgebiet zu Jugoslawien aus. Vieles hat er im Laufe der Jahre mitbekommen, aber einiges hat er vor der Flucht ausgekundschaftet. Er hat sich immer wieder auf die LauSiegfried Britt er gelegt, hat die Bewegungen der Soldaten am Bahnhof und an der Grenze beobachtet. Die drei fahren mit dem Abendzug in Temeswar los, um unter den vielen Pendlern nicht aufzufallen. In Großkomlosch steigt Leuşcă auf der Bahnhofsseite aus, Britt und der zweite Kollege verlassen den Zug rechts und verstecken sich im Gebüsch neben den Gleisen, um der Kontrolle der Grenzer zu entgehen. Leuşcă geht nach Hause, um Landkarte, Essen und Wasser zu holen. Die Landkarte und ausländisches Geld haben sich die drei von Serben besorgt, die in jener Zeit in Scharen in Rumänien einfallen und die Geschäfte leer kaufen. In einer Stunde ist er zurück in Bahnhofsnähe und holt die beiden ab. Der Marsch in Richtung Grenze beginnt. Der Weg ist beschwerlich, der Boden ist vom vielen Regen aufgeweicht. Durch Maisfelder und Gestrüpp geht es in ein Tal; der Weg führt durch sumpfiges Gelände zur Bahnlinie, der sie ein paar Kilometer folgen, bis sie auf den Gleisen einen Grenzsoldaten ausmachen. Sie werfen sich ins Gras, bleiben unentdeckt. Wären sie nicht so aufmerksam, könnte die Flucht schon zu Ende sein, ehe sie begonnen hat. Der Soldat setzt seinen Weg fort, die drei jungen Männer machen sich erneut auf. Gegen Mitternacht nähern sie sich dem mit Rechen eingeebneten Grenzstreifen, auf dem jeder Fußabdruck zu sehen ist. Britt bleibt an einem gespannten Draht hängen und löst eine gelbe Rakete aus; sie dient als Vorwarnung für die Grenzer. Die drei überlegen nicht lange, sondern sehen, dass sie vorwärts kommen. An ihnen läuft jemand vorbei, wahrscheinlich ein Soldat der Grenz-
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