Nikolaus Kurusz:
Als Minderjähriger in die Freiheit Als sich Nikolaus Kurusz am 18. Oktober 1971 zusammen mit seinem Freund Erwin Dick auf die Flucht begibt, ist er 18 Jahre und 12 Tage alt und nach damaligem deutschem Recht noch minderjährig. Die Eltern des am 6. Oktober 1953 in Keglewitschhausen geborenen Kurusz sind in Altbeba zu Hause, das genau im Dreiländereck Ungarn, Jugoslawien, Rumänien liegt. Freund Erwin Dick (6.11.1953-21.1.1975) stammt aus dem etwas südlicher gelegenen Tschawosch an der serbischen Grenze. Die Flucht der beiden an jenem Oktobertag hat eine Vorgeschichte: Ein Vetter Dicks ist kurz vorher wegen Verrats bei einem Fluchtversuch nach Jugoslawien gefasst worden, und Nikolaus Kurusz zwar in einem umgebauten Auto. Fluchthelfer war ein aus Berlin stammender, inzwischen gestorbener Taxifahrer aus Ulm namens Wolfgang Baier. Während der junge Fluchtwillige seine Gefängnisstrafe absitzen muss, besorgt die Frau des Fluchthelfers Geld und kauft Baier frei. Das Fluchtauto, ein Opel Diplomat, wird beschlagnahmt. Eine hochgestellte Person in Temeswar fährt ab sofort den Wagen. Das ärgert Baier. Er versenkt das Auto im Bega-Kanal. Wie Nikolaus Kurusz berichtet, schwört Baier nach der Entlassung, er werde für jeden Tag, den er im Temeswarer Gefängnis gesessen hat, einen Mann in die Freiheit bringen. Er wird zum Fluchthelfer, der sowohl Leuten aus der DDR als auch Deutschen aus dem Banat in die Freiheit verhilft - sein Beitrag zur Erlangung der Freiheit: Er sucht die Flüchtlinge in Rumänien aus, erwartet sie auf der serbischen Seite und bringt sie in die deutsche Botschaft in Belgrad, wo sie mit Pässen und Fahrkarten ausgestattet werden. Der Transport bis Belgrad ist wichtig, denn das Auslieferungsabkommen zwischen Jugoslawien und Rumänien ist noch gültig. Es ist schwierig, in die Hauptstadt Belgrad zu gelangen, ohne aufzufallen und verraten zu werden: Verräter erhalten ein Kopfgeld. Vor dem Transport durch Jugoslawien hilft Baier den Fluchtwilligen in Rumänien: Er lotst diejenigen, die sich nicht auskennen, in Grenznähe. Ihm verdanken ein paar Dutzend Leute die Freiheit. Baier ist solange als Fluchthelfer tätig, bis die Rumänen ihn ausweisen. Sein Glück: Sie können ihm trotz Be-
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