Baldwin Frank:
Im schaukelnden Boot ans rettende Ufer Dieser Bericht kommt dem Herausgeber dieses Buches wie gerufen. Baldwin Frank hat ihn auf Wunsch seiner Tochter Brunhilde (Bruni) geschrieben, die inzwischen mit Torsten Buhmann verheiratet ist, zwei Söhne hat und als Architektin in Berlin arbeitet, aber schon immer genau wissen wollte, wie sie mit Vater und Mutter Rosemarie geborene Ruppert und Bruder Siegfried 1975 aus dem rumänischen Banat nach Deutschland geflüchtet ist. Bruder Siegfried war damals zehn, Brunhilde vier Jahre alt. Siegfried ist Industriekaufmann und heute Eigentümer einer kleinen Rinder- und Ziegenfarm in Brasilien. Mit Hilfe derselben Schlepper gelingt in den beiden folgenden Jahren zwei Vettern der Ein Jahr vor der Flucht: Baldwin, Rosemarie, Franks die Flucht über die Donau aus RumäSiegfried und Brunhilde Frank nien sowie Baldwin Franks Mutter Anna und ihrem Lebensgefährten Anton Bössner, ferner den Brüdern Erich und Dr. Reinhold Fett und deren Mutter Anna. Ihnen stehen mehr oder weniger Fluchthelfer auf beiden Seiten des Donauufers zur Seite. Liebe Bruni, nach meinem Studium am Institut für Bergbau in Petroşani sind wir 1968 nach Neumoldowa gezogen. Neumoldowa war früher ein kleiner Ort mit etwa 3000 Einwohnen. Anfang der 60er Jahre hat man dort große Kupfer- und Magnetit-Vorkommen gefunden und abzubauen begonnen. Am Donauufer wurde schnell eine Trabantenstadt für etwa 10 000 Bergleute und ihre Familien gebaut. Um die Bergleute bei Laune zu halten, wurde viel in Sport investiert. Ich habe eine gute Arbeitsstelle bekommen und wurde Trainer der Fußballmannschaft. Auch Mutti hatte eine gute Arbeitsstelle in der Buchhaltung. Um qualifizierte Leute nach Neumoldowa zu locken, wurden überdurchschnittliche Löhne und Gehälter gezahlt. Grubenführung, kommunistische Partei und Bürgermeister unterstützten mich tatkräftig, und so schaffte ich es in kurzer Zeit, mit der Fußballmannschaft bis in die zweite Liga aufzusteigen. Unsere Familie kam dadurch in den Genus von allen möglichen Privilegien. Es ging uns gut, es
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