20 Jahre auf der Suche nach einem Schlupfloch in die Freiheit Von Jörg Jakob Schmitz Mein bisheriges Leben war, um es musisch auszudrücken, eine Symphonie in Dur und Moll. In verschiedenen Lebenssituationen waren die Dur-, in anderen die Mollklänge dominant. Heute sind es zum Glück die DurKlänge, die mein Leben ausmachen, habe ich doch nach 20-jährigem Suchen eine neue Heimat in Wiesbaden gefunden. Hier hatte ich Arbeit, hier wohnt mein Sohn mit seiner Familie, hier verbringe ich meinen Ruhestand. Um aber nach Wiesbaden zu kommen, bin ich einen 20-jährigen Weg gegangen, der zermürbend war und mich oft an die äußerste Grenze der Belastbarkeit brachte. Trotzdem glaube ich, den Humor nicht verloren zu haben. Ich kann noch herzhaft lachen und ausgeJörg Jakob Schmitz lassen feiern. 1958 wollte meine Familie einen Antrag zur Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland stellen. Wir bekamen aber nicht einmal Formulare ausgehändigt. Deshalb stellten wir 1960 einen Antrag zur Ausreise in die DDR, zu einem fiktiven Verwandten. Dabei hofften wir, über Berlin in die Bundesrepublik fliehen zu können. Damals war dies noch möglich, weil die Mauer noch nicht stand. Unser Antrag wurde erst im April 1962 genehmigt. Nach monatelangem Ärger mit dem Geheimdienst Securitate konnten wir im September 1962 in die DDR umsiedeln. Nun war aber die Berliner Mauer da. Jetzt war uns jede Fluchtmöglichkeit genommen, zumal wir neu im Land und mit den DDR-Gepflogenheiten nicht vertraut waren. Nun saßen wir da, ohne es zu wollen. Kaum waren drei Wochen verstrichen, wollten wir bei den DDR-Behörden Anträge zur Umsiedlung in die Bundesrepublik stellen. Mein Großonkel in Wolfsburg hatte uns sofort „Zuzugsgenehmigungen in die Bundesrepublik" zukommen lassen. Als Antwort bekamen wir: „Es führt kein Weg in die Bundesrepublik, eventuell zurück nach Rumänien". Was blieb uns jetzt übrig: Maul halten und mitmachen, sogar das uns aufgedrängte Staatsbürgerrecht annehmen, brauchten wir doch Arbeit, um die Familie zu ernähren. Zwar ist es uns hier viel besser ergangen als in Rumänien: Unser Sohn konnte studieren, ich habe mich weitergebildet und
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