Hermine Breitenbach, Marianne Messmer:
Der Fluchthelfer von Possessena: „Tut es nicht.“ Hermine Breitenbachs Tante kniet vor der Nichte und versucht, sie und ihren Mann von ihrem Fluchtvorhaben in letzter Minute abzuhalten. Das hohe Risiko lohne sich nicht, sagt die aus Deutschland zu Besuch gekommene Tante. Das Abenteuer Flucht über die Donau sei viel zu gefährlich. Doch Hermine und Jakob „Buck“ Breitenbach beide Jahrgang 1950, sie stammt Hermine und Jakob Breitenbach aus Guttenbrunn, er aus Billed im Banat - lassen sich von dem Vorhaben durch nichts mehr abbringen. Freunde und Bekannte, Nachbarn und Arbeitskollegen verlassen inzwischen scharenweise das Banat. Das Ausreisefieber grassiert 1981 nicht nur in den westlichen Teilen Rumäniens. Es hat auch andere Landesteile, und schon seit langem die Breitenbachs erfasst. Bekannte haben ihnen den Weg zum richtigen Fluchthelfer geebnet. Es ist ein Serbe aus Possessena. Vor den Breitenbachs hat er schon wenigstens drei Dutzend Leuten zur Flucht über die Donau verholfen. Auch sein Sohn ist Fluchthelfer, doch der hält sich etwas zurück, er hat wohl etwas Angst. Hermine Breitenbach beschreibt ihren Fluchthelfer, der inzwischen gestorben ist, als einen großen, nervösen Mann, der wohl absichtlich ungepflegt in Erscheinung tritt. Als Hermine ihn im März 1981 zum ersten Mal sieht, sagt sie nur, „oh, Gott, mit diesem Mann sollen wir durchbrennen“. Hermine will von dem Mann wissen, was sie anziehen sollte, denn es könnte sein, dass das Schlauchboot kentert. Darüber brauche sie sich keine Gedanken zu machen, meint der Fluchthelfer, denn dann gebe es keine Rettung in dem eiskalten Donauwasser. Jedes Mal, wenn der Serbe aus Possessena auftaucht, lädt er seine Kunden in die besten Restaurants in Temeswar ein. Er ist großzügig, zahlt die Zeche, denn Geld hat er wie Heu. Der Mann aus Possessena ist selbständiger Böttcher. Er kommt zu neuen Kunden, selbst wenn sie ihm nur eine Postkarte schicken, mit dem Hinweis, sie hätten Holz zur Fassherstellung für ihn. Am Tag, als die Breitenbachs über die Donau in einem von deutschen Touris-
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