Anni und Günther Thinnesz
Der Fluchthelfer begeht Verrat Als Anni (Jahrgang 1950) und Günther Thinnesz (Jahrgang 1952) am 5. Dezember 1979 vor Marienfeld die Bahngleise erreichen, stehen Grenzsoldaten mit der Kalaschnikow im Anschlag und stellen sie. Wieder einmal ist ein Fluchtversuch gescheitert. Ein Fluchthelfer aus dem Nachbarort Albrechtsflor an der serbischen Anni und Günther Thinnesz Grenze hatte das Ehepaar zusammen mit weiteren vier Leuten von Triebswetter Richtung Grenze geführt. Der Marsch durch die Nacht ist nach etwa 15 Kilometern zu Ende. Das ganze Unternehmen ist verraten worden. Anni Thinnesz vermutet, dass der Fahrer, der sie von Temeswar nach Triebswetter gebracht hat, der Verräter war. Die Grenzsoldaten fesseln die sechs Fluchtwilligen und den Helfer und bringen sie in den Stützpunkt nach Großsanktnikolaus. Die Soldaten rühren die beiden Frauen und Günther Thinnesz nicht an, hingegen verprügeln sie die restlichen drei Flüchtlinge und den Fluchthelfer. Die Tatsache, dass die Soldaten Günther Thinnesz in Ruhe gelassen haben, erklären sie so: „Ihr wart uns von Anfang an sympathisch“. Günther Thinnesz' Vetter ist nach der Prügelorgie gelb-blau im Gesicht, sein Rücken ist voller Striemen. Dem Fluchthelfer schlagen die Soldaten so lange mit dem Gummiknüppel auf die Fußsohlen, dass er tagelang nicht auftreten kann. Am Morgen werden die Gefassten nach Temeswar verlegt und verhört. Am Ende des Verhörs fragt der Geheimdienstoffizier rhetorisch Anni und Günther Thinnesz, „was soll ich nun mit euch machen?“ Er lässt die beiden laufen. Am nächsten Tag gehen sie wieder zur Arbeit. Der Fluchtversuch hat das Ehepaar 20 000 Lei gekostet. Die Freiheit haben sie sich schließlich erkauft. Der rumänische Geheimdienst hat dafür 10 000 Deutsche Mark kassiert, der Mittelsmann 50 000 Lei. 1982 verlassen Anni und Günther Thinnesz mit ihren Kindern Heike und Holger Rumänien mit offiziell ausgestellten Pässen. Anni Thinnesz hat in Temeswar als technische Zeichnerin gearbeitet, in Augsburg hat sie eine Beschäftigung als Sachbearbeiterin in der Kalkulation gefunden; Günther Thinnesz war in Rumänien Elektrotechniker, heute arbeitet er für eine Düsseldorfer Firma im Vertrieb.
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