Der Theiß entlang von Ungarn nach Serbien Von Alfred Bartolf In Rumänien sah ich für mich nur wenige oder gar keine Zukunftschancen, darum fasste ich den Entschluss, irgendwie nach Deutschland zu gelangen. Das war aber auf legalem Wege nicht möglich, deshalb blieb mir nur eine Möglichkeit, die Flucht. Semlak liegt in Grenznähe. Für seine Bewohner bestand die Möglichkeit, am sogenannten kleinen Grenzverkehr mit Ungarn teilzunehmen. Es waren Tagesreisen in die grenznahen Städte Makó oder Seged, um uns mit Kleinigkeiten zu versorgen, die bei uns Mangelware waren. Aus Ungarn konnte ich nicht nach Alfred Bartolf Deutschland ausreisen, die Ungarn ließen keinen passieren, aber die Jugoslawen. Doch wie nach Jugoslawien gelangen? Von Rumänien aus war dies nicht möglich. Viele, die versuchten, sich nur der jugoslawischen Grenze zu nähern, wurden von den rumänischen Grenztruppen aufgespürt, schrecklich misshandelt oder gar getötet. Unzählige haben im Laufe der Jahre an dieser Grenze ihr Leben gelassen. Kurz bevor ich geflüchtet bin, hat man mir von einem jungen Mann berichtet, der vermisst wurde. Er ist bist heute nicht wieder aufgetaucht. Einige meiner Semlaker Jugendfreunde, die den Verdacht erweckt hatten, dass sie nach Jugoslawien flüchten wollen, wurden schon im Arader Bahnhof festgenommen. Man hatte sie verraten, sie waren geständig und mussten für Monate ins Gefängnis. Daraufhin war mir klar, dass ich einen Fluchtversuch nur allein unternehmen werde. Man konnte kein Vertrauen haben, denn die Spitzel der Securitate waren allgegenwärtig. Ein Jahr lang arbeitete ich an dem Plan, irgendwie von Ungarn nach Jugoslawien und von dort nach Deutschland zu gelangen. Im Sommer 1981 machte ich eine Urlaubsreise in die DDR. Bei der Gelegenheit habe ich mir Landkarten für die Flucht beschafft. In Arad besuchte ich einen Judo-Lehrgang, um mich körperlich fit zu machen und im Notfall auch verteidigen zu können. Ich arbeitete damals im Chemiekombinat in Glogowatz, wohnte aber zu Hause in Semlak zusammen mit meinen Eltern und meiner Großmutter. Um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, warum ich abends immer so spät nach Hause kam, habe ich auch noch einen Lehrgang für Fernsehtechnik besucht, wodurch meine Fa-
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