Dieter Geckel:
Die Angst ging mit Drei Tage haben Dieter Geckel und seine vier Mitstreiter gebraucht, um sich von Hermannstadt im Herzen Siebenbürgens an die serbische Grenze bei Großscham durchzuschlagen. Geckel, am 28. April 1961 in Marktschelken geboren, hat sich mit zwei weiteren Siebenbürger Sachsen, der eine aus Hermannstadt, der andere aus Kleinschelken, und zwei Rumänen, einem Offiziersschüler aus Hermannstadt und einem Mann, der schon einen gescheiterten Fluchtversuch hinter sich hatte und wegen illegalen Grenzübertritts zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden ist. Der Verurteilte, der als Freigänger weiter in seiner alten Dienststelle ohne Lohn arbeiten muss, hat sich als Führer angeboten. Der Plan zur Flucht reift Anfang 1988, erzählt Geckel. Doch schon seit den 1970er Jahren beschäftigt der Gedanke Geckel, wie er das Land verlassen könnte. 1979 wird er regelrecht böse, weil sein Vater von einem Besuch in Deutschland heimkehrt. Bevor sich die fünf Mann auf den Weg machen, muss Geckel schier Unmögliches im kommunistischen Rumänien Ceauşescus verwirklichen: Feldstecher, Kompass und eine topographische Karte besorgen. Am 4. April 1989 ist es soweit: Die fünf fahren mit einem Pkw bis Winz, um die Eisenbahn bis Temeswar und anschließend bis Gataja zu nehmen. Sie mischen sich unter die Arbeiter, um nicht aufzufallen. Im Absatz seiner Wanderschuhe hat Geckel 150 Mark versteckt, in seiner Tasche sind eine neue Jeanshose und ein Pullover verstaut, als Proviant dienen ihm ein paar Konserven. In Gataja verlassen die fünf den Zug. Die Dorfbewohner betrachten sie misstrauisch, doch es geht weiter durch Wiesen, Felder und unberührte Wälder. Die fünf müssen die 50 Kilometer bis zur Grenze zu Fuß zurücklegen, stets getarnt, damit kein Grenzer sie sieht. Die Angst vor Prügel marschiert mit. Sie übernachten in einem Wald. Am nächsten Tag geht es immer noch durch Wald. Der Führer orientiert sich mit Kompass und Karte. Ein Förster überrascht sie beinahe, sie können sich aber noch rechtzeitig verstecken. Am Abend erreichen sie Weingärten. Sie übernachten in Weingartenhütten. Am nächsten Tag geht es früh weiter, wieder durch Felder und Wälder. In einer Schlucht angelangt, können sie den ersten Wachturm sehen. Sie sind kurz vor der Grenze. Sie warten die Nacht ab und schleichen sich in Richtung Grenze. Auf der rumänischen Seite ist alles dunkel. Lediglich einige rote Lichter sind auszumachen - möglicherweise Sensoren, sagt Geckel. Auf der serbischen Seite ist ein Ort zu sehen. Er ist hell erleuchtet. Von Serbien trennt sie nur noch ein Zaun, dem sie sich allmählich nähern. Dann sind Pferde zu hören. Sie haben die Flüchtenden gewittert. Ihr Schnauben
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