Der solwakische Fluchthelfer Von Evi Krämer Im Herbst 1944 tobten schwere Kämpfe in Perjamosch und Umgebung. Mutter, Großmutter, Schwester und ich flüchteten wie viele Perjamoscher vor den herannahenden sowjetischen Truppen. Wir mussten ohne meinen Vater flüchten, denn er war im August 1944 verhaftet und ins Internierungslager Târgu Jiu gebracht worden. Über Ried im Innkreis kamen wir nach Freistadt im Mühlviertel, wohin ein Bruder meines Vaters mit einer Gruppe Perjamoscher geleitet worden war. Im Mai 1945 war der unglückselige Krieg zu Ende. Freistadt war zunächst von amerikaniEvi Krämer schen Truppen besetzt, während im 10 Kilometer entfernten St. Oswald Einheiten der Sowjetarmee Quartier bezogen hatten. Eines Nachts zogen die Amerikaner ab und übergaben das ganze Mühlviertel den Russen. Die Donau wurde in Oberösterreich Demarkationslinie. Im Mühlviertel waren sehr viele Flüchtlinge. Die Russen fingen bald an, diese Flüchtlinge in ihre ehemaligen Heimatländer zu repatriieren. Amerikaner, Engländer und Franzosen warteten, bis sich die allgemeine Lage in den Heimatländern wieder normalisiert haben würde. Unser Rücktransport erfolgte in Viehwaggons, die total verlaust waren. Die Fahrt ging über Ungarn nach Arad. Dort lagen wir zwei Tage am Bahnhof, wurden registriert und in die Heimatorte entlassen. So waren wir Ende Juli 1945 wieder in der Heimat. In Perjamosch erfuhren wir, dass Vater im Januar 1945 von Târgu Jiu aus zur Zwangsarbeit nach Russland deportiert worden war. Das Dorf bot einen trostlosen Anblick. Perjamosch hatte sich noch nicht von den schweren Kämpfen erholt. Ein Teil der Bevölkerung war geflüchtet, viele Väter, Söhne und Brüder befanden sich irgendwo in Kriegsgefangenschaft, von den Daheimgebliebenen waren die arbeitsfähigen Männer und Frauen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert worden. In den leerstehenden Häusern der Geflüchteten hatten sich Fremde einquartiert und verweigerten den Heimkehrern die Inbesitznahme ihres Eigentums. In unserem Haus wohnte unser ehemaliger Knecht. Für eine Zeit lang kamen wir bei Verwandten unter. Eine ständige Bleibe konnte es jedoch nicht sein. Die quälende Frage war: „Wie soll das Leben nun weitergehen? Wo gibt es Arbeit, um den Lebensunterhalt zu sichern?“ Mich beschäftigte der Gedanke, wie ich im Herbst meine Schulausbildung fortsetzen kann.
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