Ungarische Geistliche als Fluchthelfer Von Alexander Oprendek
Alexander Oprendek
Tschakowa im Banat Mitte der 30er Jahre. Die Hausfrauen sprechen nur von einer Sache: In der Kinogasse hat Rudolf Zimmer einen neuen Gemischtwarenladen eröffnet. Es gibt neue Waren und ein vielfältigeres Angebot. Der Einkauf läuft jetzt ganz anders ab. Wenn früher der Verkäufer das Geld einfach in den eingebrachten Schlitz in der Theke einsteckte und dieses dann in die darunter liegende Schublade fiel, so war das jetzt ganz anders. Am Ladenausgang stand eine Kasse, davor saß Frau Zimmer, um zu kassieren. Zu dieser kam der Käufer, dann rief der Verkäufer, laut und deutlich – in österreichischem Kaufmannsdeutsch: „Kassa! Zwei Lei fünfzig!“ Die Kassiererin drehte an einer Kurbel, und mit einem Kling sprang die Kasse auf. Das Geld kam hinein, und der Kunde erhielt
sein Wechselgeld. Mit Zimmer hielt auch Werbung in Tschakowa Einzug. Auf dem Land war das bis dahin nicht üblich. Die Leute gingen ins nächstgelegene Geschäft einkaufen. Fand man nicht das Gewünschte, so ging man ins nächste. Wozu Werbung? Der gelernte Kaufmann Zimmer sah das anders. Er erfand einen Werbespruch und bestempelte damit alle Tüten und Papiere, ja er verteilte auch Werbezettel und Werbegeschenke: kleine, rechteckige Taschenspiegel, die auf der Rückseite bedruckt waren: „Jeder Mensch, ob groß ob klein, kauft seine Ware beim Zimmer ein!“ Rudi Zimmer war ein Tausendsassa und ein Hansdampf in allen Gassen. Er spielte mehrere Instrumente, inszenierte Theaterstücke, führte Regie und spielte selbst mit. Er war unentwegt tätig und hatte immer neue Ideen. Was uns besonders imponierte, waren seine Fahrradkünste. Er konnte allein mit der linken Hand - die rechte hielt ein Paket - aufs Fahrrad steigen, um den rechten Fuß über den Sattel zu schwingen. Das war für uns eine Zirkusnummer, die wir nachzumachen versuchten. Doch bald war damit Schluss. Anfang der 40er Jahre schloss Rudolf Zimmer seinen Laden, er verließ Tschakowa und zog mit Frau und Kind - er hatte inzwischen eine Tochter - nach Bukarest, um dort für eine Importgesellschaft zu arbei-
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